Kategorie-Archiv: Zukunft Deutschland

Wohin steuert Deutschland?

Deutsches Rote Kreuz – Die Blut AG?!

Seit über 28 Jahren arbeite ich nun beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) Suchdienst in der IT. Der jüngere meiner beiden Söhne arbeitet nach seiner Ausbildung als Erzieher in einer Kita des DRK in der Nähe unseres Wohnortes. Meine Frau ist seit vielen Jahren Mitglied des DRK-Ortsvereins in Tostedt. Und der ältere meiner Söhne ist regelmäßiger Blutspenderbeim DRK. Das heißt nun nicht, dass sich meine Familie mit dem Roten Kreuz besonders verbunden fühlt. Es ergab sich einfach so …

Nun erhebt das Magazin Stern in seiner Ausgabe 45/2017 vom 02.11.2017 schwere Vorwürfe: „Das Deutsche Rote Kreuz ist ein erfolgreiches, aber wenig transparentes Multimilliarden-Imperium mit größter politischer Macht und überquellenden Konten, das seine Manager fürstlich entlohnt, seine Interessen mit größter Härte durchsetzt und sich die Gesetze selbst macht.“

Stern Nr. 45/2017 vom 02.11.2017: Die Blut AG?!

Berlin – Titelgeschichte in der neuen Ausgabe des „Stern“: „Das scheinheilige Imperium. Wie das Deutsche Rote Kreuz mit Blutspenden Millionengewinne macht.“ Die Vorwürfe: Marktbeherrschung, fehlende Transparenz, hohe Managergehälter.

Der Stern wirft dem Unternehmen vor, ein „undurchsichtiger Konzern der Wohltätigkeit“ zu sein. Der Handel mit Spenderblut sei eine der lukrativsten Abteilungen. Blut ist ein begehrter Rohstoff, ein Beutel Spenderblut kann für bis zu 110 Euro vermarktet werden. Ein Stern-Reporter hat den Test gemacht und Blut gespendet. Er erlebte „das Bild eines harmlosen Vereins ohne Reichtümer, ohne Interessen, lebensfähig durch mildtätige Spenden“. Und stellt fest, dass das eine „perfekte Tarnung“ sei.

Seine Erkenntnis: „Meine Spende wird vom DRK in ihre Bestandteile aufgespalten und getrennt vermarktet. Nur einen Teil benötigen die Krankenhäuser bei Operationen oder Notfällen. So wird das Plasma überwiegend an internationale Firmen verkauft, die es in Fabriken im Ausland weiterverarbeiten. Über eine halbe Milliarde Euro setzt die Branche in Deutschland pro Jahr um. Rund 70 Prozent des Markts beherrscht das DRK.“

Das DRK in Zahlen: 500 Kreisverbände, 19 Landesverbände. 165.000 Mitarbeiter, 410.000 freiwillige Helfer. Der Jahresumsatz der DRK-Blutspendedienste liegt bei 467 Millionen Euro jährlich. 1,7 Millionen Menschen spenden regelmäßig Blut. Alle Blutspendedienste des DRK zusammen verfügen laut Stern-Recherche über ein Vermögen von fast 600 Millionen Euro. Die Gewinne tendieren gegen Mini-Summen, so nimmt zum Beispiel der größte DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg-Hessen im Jahr 115 bis 120 Millionen Euro ein. Gewinn 2011: 297,94 Euro.

„Ich vermute, dass die Gemeinnützigkeit des Blutspendedienstes von den Finanzämtern noch nie grundsätzlich geprüft wurde“, sagt Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Im Blutspendedienst sieht er ein „Paradebeispiel für den Missbrauch von Steuerschlupflöchern“. Er sagt: „Mit Gemeinnützigkeit hat das nichts mehr zu tun.“ Der Vorwurf des Stern: „Das Gesetz behandelt die Firma DRK nicht wie ein Wirtschaftsunternehmen, sondern wie einen Taubenzüchter- oder Karnevalsverein. Durch die Einstufung als gemeinnütziger Verein genießt der Gigant einzigartige Steuervorteile.“

Das Magazin schreibt: „Einsprüche von Fachleuten, öffentliche Kritik und selbst höchstrichterliche Entscheidungen können dem DRK nichts anhaben. Die Verflechtungen mit der Politik machen es unangreifbar.“ Und: „Das Deutsche Rote Kreuz ist ein erfolgreiches, aber wenig transparentes Multimilliarden-Imperium mit größter politischer Macht und überquellenden Konten, das seine Manager fürstlich entlohnt, seine Interessen mit größter Härte durchsetzt und sich die Gesetze selbst macht.“

Präsident Rudolf Seiters, seit 2003 im Amt, habe gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Kabinettstisch gesessen. „Für ihn sind alle Ohren offen.“ Im Dezember soll das DRK eine neue Präsidentin bekommen: Gerda Hasselfeldt. Sie saß 30 Jahre für die CSU im Bundestag.

DRK-Generalsekretär Christian Reuter bedauert in seiner Stellungnahme, dass durch den Artikel „die wichtige Arbeit von ehrenamtlichen Helfern und hauptamtlichen Mitarbeitern des Deutschen Roten Kreuzes und ihr Wirken für Menschen in Not erschwert und verunglimpft wird“. Der Bericht sei nicht nur stark tendenziös und einseitig, sondern enthalte auch Unwahrheiten. So treffe es zum Beispiel nicht zu, dass die DRK-Schwestern schlecht bezahlt würden und nur eine „Aufwandsentschädigung für karitativen Einsatz“ erhielten. „Die Vergütungen entsprechen der branchen- beziehungsweise marktüblichen Bezahlung vergleichbarer Arbeitnehmer.“ Gehälter für Geschäftsführer seien in der genannten Größenordnung ebenfalls keinesfalls üblich.

Der Autor unterschlage außerdem, dass die DRK-Blutspendedienste an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr flächendeckend die Blutversorgung in ganz Deutschland zu 70 Prozent sicherstellten. „Damit wird gewährleistet, dass jeder Mensch in Deutschland Zugang zu einer sicheren und umfassenden Blutversorgung erhält. Bei den Blutspendediensten etwa muss das DRK in der Lage sein, Erlöse in Personal, Technik, Ausstattung und in die Forschung zu investieren, um unsere Aufgaben in der Blutspende zum Nutzen der Allgemeinheit erfüllen zu können und eine maximale Sicherheit für die Menschen sicherzustellen.“

Das Deutsche Rote Kreuz und die Blutspendedienste erbrächten seit Jahren mit der Veröffentlichung von Jahresberichten, Geschäftsberichten und anderen Publikationen größtmögliche Transparenz, so Reuter. Die Kontrolle der Finanzen werde durch externe Wirtschaftsprüfer, Finanzämter und interne Verbandsgremien sichergestellt. „Das Deutsche Rote Kreuz hofft, dass sich weder die ehrenamtlichen Helfer, hauptamtlichen Mitarbeiter noch die freiwilligen Blutspender durch einen solchen einseitigen Bericht von ihrem Engagement abhalten lassen und weiterhin daran mitwirken, Menschen in Not zu helfen.” (Quelle: apotheke-adhoc.de).

Soviel ich weiß, ist das nicht der erste Bericht, der sich kritisch mit den Blutspendediensten des DRK auseinandersetzt. In gewisser Regelmäßigkeit glauben Redakteure, das Thema erneut aufwärmen zu müssen. Wenn es denn dabei um große Geldsummen in Verbindung mit einer gemeinnützigen Organisation geht, darf sich keiner wundern.

Ich kann hier nur kurz meine Sicht zu schildern versuchen, die nach verschiedenen Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen zusätzlich etwas aufgefrischt ist. Zunächst kann ich mich über mein Gehalt, das ich als hauptberuflicher Arbeitnehmer beim DRK bekomme, nicht beschweren. Zwar hat das DRK einen eigenen Tarifvertrag, der nicht mehr an den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes gekoppelt ist. Aber mein Gehalt entspricht in der Höhe in etwa dem eines Angestellten bei einer Bundesbehörde in der gleichen Vergütungsgruppe und Gehaltsstufe. Gleiches gilt auch für meinen Sohn.

Natürlich kommt jeder ins Grübeln, der liest, dass bei 115 bis 120 Millionen Euro Umsatz gerade einmal ein Gewinn von 297,94 Euro übrigbleibt. Nur als Beispiel: Die Deutsche Bank hatte z.B. 2016 bei einem Umsatz von 48 Milliarden € einen Verlust von gut 6 Mrd. € ‚erwirtschaftet‘.

Selbst wenn ein Beutel Blut für 110 € vermarket werden kann, so ist zu berücksichtigen, dass der hohe spezifische Aufwand für Sammlung, Prüfung, Aufbereitung, Lagerung und Verteilung viel Geld kostet. Zudem ist die geringe Haltbarkeit der Vollkonserve ein Kostenfaktor. Nach Ablauf der zulässigen Lagerzeit werden die Vollkonserven fraktioniert, die Fraktionen sind länger lagerfähig. Wichtig zu wissen: Das Blut wird erst nach der Entnahme untersucht. Der Aufwand hierfür ist wirklich nicht unerheblich. Und nicht jedes Blut kann z.B. für Bluttransfusionen genutzt werden. Zudem schreibt Herr Reuter in seiner Stellungnahme: Der Autor unterschlägt außerdem, dass die DRK-Blutspendedienste an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr flächendeckend die Blutversorgung in ganz Deutschland zu 70 Prozent sicherstellen. Damit wird gewährleistet, dass jeder Mensch in Deutschland Zugang zu einer sicheren und umfassenden Blutversorgung erhält. Bei den Blutspendediensten etwa muss das DRK in der Lage sein, Erlöse in Personal, Technik, Ausstattung und in die Forschung zu investieren, um unsere Aufgaben in der Blutspende zum Nutzen der Allgemeinheit erfüllen zu können und eine maximale Sicherheit für die Menschen (z.B. Schutz vor HIV, Hepatitis oder anderen Infektionskrankheiten) sicherzustellen.

Das Rote Kreuz führt in Deutschland täglich mit mobilen Einsatzteams etwa 130 Spendetermine durch (also ca. 15.000 Vollblutspenden), sowohl in Städten als auch in ländlichen Regionen. Darüber hinaus werden auch Blutspenden in Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen usw. durchgeführt.

Ich will hier keine Lanze für das DRK brechen, aber natürlich auch nicht an dem Ast sägen, auf dem ich sitze. Gern hätte ich mir vom Generalsekretär, Herrn Reuter, eine umfassendere Stellungnahme gewünscht, z.B.zum Vorwurf, dass das Plasma überwiegend an internationale Firmen verkauft wird. Oder was die Verflechtungen mit der Politik betreffen. Herr Seiters, zz. noch Präsident des DRK, war früher Bundesinnenminister und damit gewissermaßen der Gegenpol zum Suchdienst des DRK. Und seine Nachfolgerin soll im Dezember Frau Hasselfeldt werden, die u.a. bis September 2017 Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag war.

Fatal wäre es, wenn nach diesem Stern-Bericht die Blutspenden zurückgehen würden. Das hat auch der Autor erkannt. Sicherlich sind die DRK-Blutspendedienste ein riesiger Apparat. Aber wer, wenn nicht das DRK, stellt sonst sicher, dass der Zugang zu einer sicheren und umfassenden Blutversorgung gewährleistet bleibt. Die Rot-Kreuz-Bewegung ist weltweit tätig und trägt in ihrer Neutralität und Unabhängigkeit dazu bei, dass umfassend Hilfe für Menschen in Konfliktsituationen, bei Katastrophen und gesundheitlichen oder sozialen Notlagen geleistet wird, allein nach dem Maß der Not.

Steuerbetrug: Wie der Staat bei Rentnern zweimal kassiert

Lange ist es nicht mehr hin, dann gehe ich in den ‚Ruhestand‘, werde Rentner. Da ich u.a. eine Ausbildung in der Finanzverwaltung absolviert habe und mich so ein wenig auskenne, gibt es da ein Thema, das mir sehr, sehr sauer aufstößt: die Besteuerung der Renten!

Der frühere Grundgedanke der Besteuerung von Renten war, dass nur der Zinsanteil zur Einkommensteuer herangezogen wird, so wie ja auch nur Zinserträge, nicht aber das Kapital einkommensteuerpflichtig ist. Wer also Beiträge in die Rentenversicherung einzahlt, legt gewissermaßen Kapital an. Wird die Rente dann ausgezahlt, so besteht diese zum großen Teil aus dem zurückgezahlten Kapital und einem Zinsanteil – der schon früher steuerpflichtig war. Durch den Grundfreibetrag wurden aber in den überwiegenden Fällen keine Steuern fällig.

2005 gab es bei der Besteuerung der Renten eine Systemumstellung. Bis dahin waren sie nahezu steuerfrei, doch seitdem steigt der Anteil der Rente, der besteuert wird, kontinuierlich. 2040 soll er bei 100 Prozent liegen. Die Rente wird dann also komplett besteuert. Gleichzeitig müssen die Rentenbeiträge während des Arbeitslebens schrittweise steuerfrei durch den Anzug als Sonderausgaben gestellt werden. Doch das passiert nicht in gleichem Maße – zum Nachteil der Rentner. So wird in einem Fall die Rente bereits mit 74 Prozent besteuert. Dabei waren die Rentenbeiträge während des Arbeitslebens nur zu 56 Prozent steuerfrei. Ein Teil der Rente wird also doppelt und somit zu viel besteuert.

    Norbert Blüm: ‚Die Rente ist sicher‘ – ‚Denn eins ist sicher: Die Rente‘

Die Gründe der Systemumstellung mögen vielschichtig sein. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verlangte die steuerliche Gleichbehandlung von Pensionen und Renten. Ein wesentlicher Grund ist sicherlich die Finanzierung von versicherungsfremden Leistungen, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Einzahlungen in die Rentenversicherung zu tun haben. Im Grunde muss die Rentenversicherung wie ein Bankinstitut gesehen werden: die Rentenbeiträge entsprechen Einzahlungen wie auf ein Sparbuch, das verzinst wird. Einzahlungen und Auszahlungen sollten sich so immer decken. Durch versicherungsfremde Leistungen wurde dieses System ausgehöhlt. In den 1990er Jahren geriet „die gesetzliche Rentenversicherung zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Eine Ursache war die Übertragung des Systems auf die neuen Bundesländer: Da es in der DDR nahezu keine offene Arbeitslosigkeit gegeben hatte, erwarben die dortigen Rentner und Versicherten nach einer Hochrechnung ihrer in der DDR erzielten Einkommen anhand eines festgelegten Faktors auf annähernd vergleichbare Westverdienste vergleichsweise hohe Rentenansprüche an die GRV, während aufgrund der Wirtschaftslage aus den neuen Bundesländern nur relativ geringe Rentenbeiträge erwirtschaftet wurden. Verschärft wurden die Probleme durch eine sprunghafte Erhöhung der Erwerbslosenzahlen.“ Hinzu kommt der demografische Wandel.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Rentenanwartschaften durch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes geschützt, soweit sie auf eigenen Rentenbeiträgen beruhen. Die Rentenversicherung hat aber keinen Kapitalstock gebildet, aus dem eingezahlte Beiträge ausgezahlt werden könnten. Einige der Gründe hierfür sind oben genannt. Deshalb ist die folgende Generation dazu verpflichtet, die Altersversorgung der aktuellen Rentenbezieher zu sichern (Generationsvertrag).

Ich will es hierbei belassen. Wie zu sehen ist, so spielt das Thema Rente in alle Altersgruppen hinein. Wir alle sind direkt oder indirekt davon betroffen. Nur noch so viel: Laut einer Berechnung kann das augenblickliche Rentenniveau nur gehalten werden, wenn sich das Eintrittsalter in den kommenden Jahren erhöht. Bis 2035 soll es demnach auf 73 steigen. Wie gnädig ist dagegen die Empfehlung der Bundesbank, die eine Rente mit 69 fordert.

40 Jahre Deutscher Herbst – der Tatort

Es ist ein Teil unserer Geschichte. Und hierzu ist viel geschrieben worden. Es gibt Filme, ob nun als Dokumentation oder als Spielfilm, die diese Tage im Oktober vor 40 Jahre thematisieren:
Im Oktober 1977 fand der Deutsche Herbst seinen traurigen Höhepunkt. Nach der Ermordung von Hanns-Martin Schleyer und der Befreiung der gekaperten „Landshut“ nehmen sich die RAF-Gründer Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober im Gefängnis Stammheim das Leben. Hier ein Überblick von Radio Bremen

Fahndungsfoto der RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe. | Bildquelle: rb / picture-alliance/dpa

40 Jahre liegen der Deutsche Herbst und die Todesnacht von Stammheim zurück. Die Folgen dieser traumatischen Zeit beeinflussen den aktuellen Fall der Kommissare Lannert und Bootz.

In der Nacht zum 18. Oktober 1977, nach Befreiung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ in Mogadischu und der Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer, fand der sogenannte Deutsche Herbst seine Zuspitzung in der „Todesnacht von Stammheim“, in der Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in ihren Gefängniszellen den Tod fanden und Irmgard Möller sich lebensgefährlich verletzte. Diese historische Situation, die sich in diesem Herbst zum 40. Mal jährt, bildet den Hintergrund für Dominik Grafs Stuttgarter „Tatort: Der rote Schatten“. Die langen Schatten jener Nacht und des Kampfs gegen den RAF-Terrorismus reichen in dem Tatort bis in die Gegenwart. Genauso wie die ungeklärten Fragen, die damit verbunden sind, zum Beispiel: Wie kamen die Waffen wirklich in den Hochsicherheitstakt des Stammheimer Gefängnisses? Wie weit reicht der Spielraum für den Verfassungsschutz? Warum ist es nicht möglich, die Ereignisse in der Nacht zum 18. Oktober zweifelsfrei zu klären? Dominik Graf beschäftigt sich in seinem ersten Stuttgarter „Tatort“ mit diesen Fragen. Vergangenheit und Gegenwart greifen ineinander. Dafür nutzt Dominik Graf historisches Material, das er virtuos mit nachgedrehten Szenen verschränkt.


Tatort 1031 aus Stuttgart (2017): Der rote Schatten (ARD-Mediathek – verfügbar bis 14.11.2017)

siehe auch meinen Beitrag: 30 Jahre „Deutscher Herbst“

Bauplanung ‚Am Bahnhof 9/9a‘ in Tostedt (7): Öffentliche Auslegung

Der Rat der Gemeinde Tostedt hat wie berichtet in seiner Sitzung am 7. Februar 2017 die Einleitung einer Änderung zum Bebauungsplan Nr. 22 „Karlstraße“ (betrifft das Bauvorhaben ‚Am Bahnhof 9/9a‘) und gleichzeitig die Durchführung einer öffentlichen Auslegung beschlossen. In der Zeit vom 27. Februar bis 27. März 2017 sind der „Entwurf der 2. Änderung zum Bebauungsplan Nr. 22 sowie der Entwurf der Begründung mit Anlagen“ im Rathaus der Samtgemeinde Tostedt, Fachbereich „Bauen und Planung“ einzusehen. Jedermann kann zu dieser Planung schriftlich oder zur Niederschrift Stellung nehmen.

Wie ebenfalls kurz berichtet waren meine Frau und ich letzten Donnerstag im Rathaus von Tostedt, um Einsicht in die Unterlagen zu nehmen. Interessant waren dabei Details, die uns so bisher nicht bekannt waren, z.B. das Gutachten einer schalltechnischen Untersuchung zu der Lärmbelastung. Bisher wurde uns dieses Gutachten vorenthalten. Aufschlussreich war es auch zu sehen, wie sich die Planung innerhalb der letzten gut zwölf Monate entwickelt hatte.

Der geänderte Bebauungsplan sieht jetzt vier so genannte Baufenster (überbaubare Flächen) vor, in denen insgesamt sieben bzw. 7 ½ Häuser entstehen sollen. In einer der ersten Planskizzen waren zehn Häuser vorgesehen. Damit wäre eine Wohnanlage errichtet worden, die den Investoren sicherlich maximalen Ertrag, dem Ort Tostedt aber eine weitere Bausünde a la Krech-Siedlung eingebracht hätte. Ich fürchte, dass selbst die jetzige Planung überdimensioniert ist.

Inzwischen wurden auf dem gut 14.000 m² großen Grundstück kräftig aufgeräumt. Mit diesem Kahlschlag erinnert es etwas an ein ausgebombtes Viertel der Nachkriegszeit (das stammt nicht von mir). Aber das soll sich ja bald ändern.

Panoramablick mit Kahlschlag - © K.B./Tostedt

Unbedingt interessant möchte ich es eigentlich nicht nennen, aber es ist schon aufschlussreich, was so neben riesigen Stein sonst noch so im Erdreich gefunden wurde, z.B. ein Tank, der vor der Entsorgung sicherheitshalber ordnungsgemäß entleert wurde. Immerhin das. (Fotos © K.B./Tostedt)

Entsorgung eines im Erdreich vergrabenen Tanks - © K.B./Tostedt

Zurück zur öffentlichen Auslegung des geänderten Bebauungsplanes und der Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen: Einige Punkte gibt es für meine Frau und mich, die uns wichtig sind. In einer Kleinstadt mit knapp 14.000 Einwohnern wie Tostedt, die im ländlichen Raum steht, sollte die Bebauung mit Häusern dem ländlichen Charakter entsprechen (ohne gleich provinziell zu sein). Neubauten sollten sich dabei dem Umfeld anpassen, was auch bei dieser Bauplanung zu berücksichtigt ist.

Wie geht es weiter: Nach der Auslegung tagt am 9. Mai 2017 erneut der Planungs- und Umweltausschuss der Gemeinde Tostedt und berät u.a. über die Stellungnahmen. In der Ratssitzung am 13. Juni 2017 sollte dann die Änderung des Bebauungsplanes endgültig beschlossen werden. Schon zuvor werden wohl die Bauanträge von der Bauherrengemeinschaft Tostedt GbR im Fachbereich „Bauen und Planung“ eingehen.

Bauplanung ‚Am Bahnhof 9/9a‘ in Tostedt (6): Die Ratssitzung

Die Bebauung des Grundstücks ‚Am Bahnhof 9/9a‘ in Tostedt nimmt konkrete Formen an. Nach der Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses der Gemeinde Tostedt am 24.11.2016 und dessen einstimmigen Beschlusses, auf der Grundlage des vorliegenden Entwurfs und den sich aus den Beratungen ergebenden Änderungen die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 22 „Karlstraße“ durchzuführen, und der nichtöffentlichen Sitzung des Verwaltungsausschusses am 13.12.2016 tagte gestern der Rat der Gemeinde Tostedt und stimmte im Tagesordnungspunkt 17 ebenfalls einstimmig der Änderung des Bebauungsplanes zu.

Nachdem sich bereits an den letzten drei Samstagen die freiwillige Feuerwehr Tostedt an die Fällung einiger Bäume auf dem Grundstück machte, wird ab heute der weitere nicht zu erhaltende bzw. nicht erhaltenswerte Baumbestand gefällt. (Es wäre ganz gut gewesen, wenn man die betroffenen Anrainer in der Morlaasstraße zuvor über die Baumfäll-Aktionen informiert hätte – wie zuvor versprochen. Angeblich waren viele Anwohner nicht zu Hause. Dann hätte es eine zuvor vorbereitete schriftliche Mitteilung auch getan). – Die bestehenbleibenden Bäume sind im Vorfeld markiert worden.

Leider konnte mindestens bei einem Baum (15) nicht klar erkannt werden, ob dieser nun stehen bleibt oder doch der Kettensäge zum Opfer fallen wird. Hier zunächst ein Planausschnitt aus dem Gutachten der Fa. Grewe Baumpflege mit dem bisherigen Baumbestand:

Abb. 1: Planausschnitt mit Darstellung der begutachteten Bäume © PGN/Grewe Baumpflege
Abb. 1: Planausschnitt mit Darstellung der begutachteten Bäume © PGN/Grewe Baumpflege – in rot von mir modifizierte Planung (halbes Haus 5 rückt an Haus 4)

In der Vorlage für die Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses stand geschrieben:

Das Baumgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Fällung des Baums Nr. 12 aufgrund der schlechten Vitalität empfohlen wird. Bei drei Bäumen (Nr. 10, Nr. 14 und Nr. 15) wird eine Fällung aufgrund der Gebäudestellung erforderlich. In der Planzeichnung werden die (weiterhin) zu erhaltenden 8 Einzelbäume nunmehr als „Erhaltungsfläche von Bäumen und Sträuchern“ festgesetzt; drei weitere Bäume sind als Einzelbäume festgesetzt. (Quelle: tostedt.de)

Im Protokoll zur Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses steht nun:

Durch die Verringerung der Wohneinheiten müssen dann auch weniger Stellplätze errichtet werden und es könnten evtl. weitere erhaltenswerte Bäume wie die Bäume mit den Nummern 14 und 15 stehen bleiben.

Ein Ausschnitt aus der geänderten Planzeichnung sieht dabei wie folgt aus:

Abb. 2: aus dem Entwurf zur 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 22 'Karlstraße'
Abb. 2: aus dem Entwurf zur 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 22 ‚Karlstraße‘

Gegenüber dem 1. Entwurf ist dabei ein Baum mehr zum Erhalt aufgeführt (es sollte sich dabei um den Baum 15 handeln). Ich habe zur genauen Identifizierung der Bäume den Planausschnitt aus dem Baumgutachten über den Ausschnitt der geänderten Planzeichnung gelegt. Auch wenn die Bäume nicht eins zu eins deckungsgleich gekennzeichnet sind, so ist doch zu ersehen, dass die Bäume 10, 11, 13 und 15 erhalten bleiben sollten. Leider nicht der Baum 14.

Abb. 3: grafische Überlagerung der Abb. 1 und 2
Abb. 3: grafische Überlagerung der Abb. 1 und 2

Beim Baum 14 handelt es sich um eine Eiche in der Reifephase; beim Baum 15 um eine Eiche in der Alterungsphase. Ein baumkundiger Feuerwehrmann, der an der bisherigen Fällung beteiligt war, sagte: „Eine Eiche wächst 300 Jahre, lebt dann 300 Jahre und stirbt 300 Jahre!“. Es wäre schade um den Baum 14. Der Baum 15 sollte auf jeden Fall stehen bleiben. Nach unserer Meinung ist dieser aber nicht entsprechend gekennzeichnet worden, um NICHT gefällt zu werden. Ich hoffe, dass sich das heute klärt. Vielleicht auch ein doch noch möglicher Erhalt des Baumes 14.

Tatort (1008) aus Wien (2017): Schock

Nein, der Tatort-Serie in der ARD bin ich nicht untreu geworden. Inzwischen gab es das große Jubiläum mit der 1000sten Folge, die den gleichen Titel wie die erste Folge aus dem Jahr 1970 trug: Taxi nach Leipzig. Und aktuell gab es am letzten Sonntag die 1008. Folge aus Wien: Schock.

Das Duo Eisner und Fellner soll diesmal einen Mord verhindern. Der hoch intelligente Entführer führt die Ermittler an der Nase herum. Das rätselhafte Tatmotiv lenkt die Aufmerksamkeit zu Problemen der sogenannten Generation Y.

Tatort aus Wien - Ermittlerduo Eisner und Fellner © ORF

Ein junger Mann veröffentlicht eine Videobotschaft im Internet. Er heiße David Frank und werde seine Eltern entführen, um zuerst sie und anschließend sich selbst zu töten. Er wolle mit seiner Aktion auf gesellschaftliche Missstände hinweisen. Worum genau es ihm gehe, sollen die Ermittler schrittweise und unter Beobachtung durch die Öffentlichkeit im Internet herausfinden. Seine Botschaft wird über soziale Medien rasch verbreitet und landet schließlich beim Bundeskriminalamt. Eisner wird zum Leiter der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) ernannt, die den Drohungen der Videobotschaft nachgehen und die angekündigte Tat verhindern soll. In der BAO stört Eisner vor allem der Verfassungsschützer Gerold Schubert mit seinen Anmerkungen.

Der Ermittlungen ergeben, dass es sich bei David Frank um einen 22-jährigen Medizinstudenten handelt. Sein Vater Hans Georg ist Universitätsprofessor für Mathematik, seine Mutter Agnes eine Anwältin. Eisner und Fellner statten deren Villa einen Besuch ab, die Franks sind jedoch nicht anzutreffen. In einer erneuten Videobotschaft gibt David einen Hinweis auf die Universitätsdozentin für Soziologie, Sarah Adler. Sie behandelt in ihren Seminaren unter anderem Fälle junger Gewalttäter, insbesondere von Amokläufern, deren diffuse Motive und den Einfluss der Gesellschaft auf sie. Adler ist aber auch Autorin eines Buches mit dem Titel Völlig normal. Darin behandelt sie Leistungsdruck und schlechter werdende Zukunftsperspektiven. David Frank bezieht sich in seinen Botschaften mehrfach auf das Buch und kritisiert die darin beschriebenen gesellschaftlichen Missstände, beispielsweise dass die Gesellschaft nur wenige Sieger, jedoch viele Verlierer hervorbringe. Die Kriminalpsychologin Lisa Aichinger, die ebenfalls Mitglied der BAO ist, kennt Adler noch aus ihrer eigenen, gemeinsamen Studienzeit. Sie nimmt deren Befragung vor, erhält aber von ihr keine hilfreichen Hinweise, da die Soziologin sich wenig kooperativ zeigt. (Quelle: de.wikipedia.org)

Ein Livestream lockt das Einsatzkommando Cobra, Oberstleutnant Moritz Eisner und Kollegin Fellner im Tatort „Schock“ in die Universität Wien, in der die Spezialisten des BKA den Server ermittelt haben, von dem aus David Frank gerade sendet. Das Gelände wird mit Maschinenpistolen im Anschlag sichergestellt. Doch im Serverraum wartet nicht David Frank, sondern lediglich ein Zettel mit dem Text „SIE KÖNNEN MICH NICHT FINDEN ABER SIE KÖNNEN ES VERSUCHEN“ sowie einem liegenden A in einem Kreis auf die Polizisten – und eine Webcam. Live gehen Eisner und Fellner über die sozialen Netzwerke um die Welt, bloß gestellt von Frank, der ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Kriminalbeamten treibt. Als Krönung für ihren „Ermittlungserfolg“ gibt es tosenden Applaus von den im Gebäude befindlichen Studenten.

Die Kripo muss sich eingestehen, dass es David Frank versteht, mit den Medien zu spielen und seine gesellschaftskritischen Botschaften an die Öffentlichkeit zu tragen. Geschickt entzieht er sich jeder Verhaftung und ist nicht aufzuspüren. Je länger die Jagd auf ihn im Wiener Tatort „Schock“ dauert, desto klarer wird Moritz Eisner und Bibi Fellner, dass der Medizinstudent aus reichem Hause unmöglich auf eigene Faust handeln kann. Dass die Suche nach Komplizen aber ausgerechnet zu Eisners Tochter Claudia führt, damit hätte der Kommissar niemals gerechnet … (Quelle: tatort-fans.de)


Tatort (1008) aus Wien (2017): Schock

Video (ab 20 Uhr abrufbar) – verfügbar bis 29.01.2017 auch bei ard.de

Es geht um den Leistungsdruck auf die gegenwärtige Generation junger Menschen – bei schwindenden Zukunftsperspektiven. Das erfährt David am Beispiel seiner Freundin und das erklärt Eisners Tochter Claudia ihrem Vater: „Wir sind die Pflichterfüller-Generation“. Nach außen hin funktioniert die sogenannte Generation Y perfekt, doch sie droht am permanenten Druck zu zerbrechen. Es sind durchweg relevante Themen unserer Zeit. […] Wie weit darf man gehen, um auf Missstände aufmerksam zu machen? Gibt es eine Form von gerechtfertigter Gewalt? (Quelle: tittelbach.tv)

Man muss feststellen, dass der Leistungsdruck in der gesamten Gesellschaft größer geworden ist – also das Phänomen, sich mit anderen in Konkurrenz zu begreifen. Dabei gehen schnell Werte wie z.B. Solidarität verloren, nur noch höher, schneller und egoistischer zählt. Auch auf die Politik greift es über, wer lauter schreit, auch wenn es Unwahrheiten sind, wird zz. gefeiert. In dieser Tatort-Folge geht es nicht allein um den wachsenden Leistungsdruck auf unsere Jugend, sondern um die völlige Überforderung und Verheizung eines großen Teils der Bevölkerung für Ziele, die nur wenige je erreichen werden und das zum Preis der eigene Selbstverleugnung und Selbstausbeutung. Ein Thema, das auch hinter all den Oberflächenphänomenen unserer Tage steckt (Trump, Pegida, AfD, die Politikverdrossenheit der Bevölkerung).

Bauplanung ‚Am Bahnhof 9/9a‘ in Tostedt (5): Beschluss des Ausschusses

An manchen Tagen sagt man sich am Abend, dass es besser gewesen wäre, im Bett zu bleiben. Aber dann gibt es auch Tage, da läuft alles wie geschmiert – so wie am letzten Donnerstag. Mein Zug zur Arbeit nach Hamburg war pünktlich. Auf der Arbeit gab es keine größeren Probleme, der Zug nach Hause war auch gut in der Zeit. Zudem stellte das Schweizer Fernsehen SRF endlich die 10. und letzte Folge der 1. Staffel der Serie Fargo ins Netz (dazu in den nächsten Tagen mehr …). So sollte auch der Abend eigentlich positiv verlaufen …

Lange Vorrede … Am Donnerstag fand die Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses der Gemeinde Tostedt statt. Und ziemlich am Anfang ging es im Tagesordnungspunkt 8 um den Antrag der Bauherrengemeinschaft Tostedt GbR, vertreten durch Herrn Behrens, Herrn Ehlers und Herrn Neumann aus Rotenburg (Wümme), auf Änderung des Bebauungsplans Nr. 22 „Karlstraße“ – also um das Bauvorhaben ‚Am Bahnhof 9/9a‘ in Tostedt.

Nach der Vorstellung durch die Herren Behrens (Bauplanung) und Dierks (stadtplanerische Aspekte) kam Herr Gerhard Netzel, Bürgermeister der Gemeinde Tostedt, gleich auf den kritischen Punkt zu sprechen. Wie bereits berichtet wurde auf eine Zuwegung von der Poststraße her verzichtet. Diese Anbindung soll nun lediglich als Fuß- und Radweg genutzt werden. Damit entfallen auch die PKW-Stellplätze im hinteren, an die Grundstücke in der Morlaasstraße angrenzenden Bereich. Allerdings ist das hintere Haus mit 10 Wohneinheiten näher an eben diese Grundstücke in der Morlaasstraße gerückt, was von den Betroffenen dort mit wenig Begeisterung aufgenommen wurde. Herr Netzel ‚empfahl‘, dieses Haus an das davorstehende ‚anzubinden‘ – „… oder ganz weg!“. Entsprechende Unterstützung bekam er von Frau Nadja Weippert von Büdnis 90/Die Grünen. Auch Herr Wolfgang Zahn von der CDU deutete Entsprechendes an.

Abb. 1: Konzept K – Am Bahnhof 9 – Tostedt © PGN
Abb. 1: Konzept K – Am Bahnhof 9 – Tostedt © PGN

Herrn Behrens, PGN bzw. Bauherrengemeinschaft Tostedt GbR, modifizierte daraufhin den Antrag: Das Haus soll nur halb so groß werden und eben wie angesprochen an das andere Haus angebunden werden. Damit würde sich dann auch die Anzahl der bisher geplanten 147 PKW-Stellplätze reduzieren. Im Nachgespräch gab es zwischen Anwohnern der Morlaasstraße und den Herren Neumann und Ehlern von der PGN hierum noch eine Diskussion. Herr Behrens bestätigte dann aber ausdrücklich die oben ausgeführte Änderung und zeichnete eigenhändig in eine Grafik diese Änderung ein (Abb. 3)

Frau Weippert stellte fest, dass dadurch u.a. die Bäume 14 und 15, die sonst gefällt werden sollten, erhalten bleiben könnten. Entsprechendes wurde dann auch protokolliert. Die Baumfällaktion soll übrigens – von Herrn Behrens später in einem informellen Gespräch geäußert – nicht mehr in diesem Jahr, sondern voraussichtlich im Januar oder Februar 2017 erfolgen. Herrn Neumann von der PGN versprach, die Anwohner in der Morlaasstraße zuvor entsprechen zu informieren.

Abb. 2: Planausschnitt mit Darstellung der begutachteten Bäume © PGN/Grewe Baumpflege - in rot von mir modifizierte Planung (halbes Haus 5 rückt an Haus 4)
Abb. 2: Planausschnitt mit Darstellung der begutachteten Bäume © PGN/Grewe Baumpflege – in rot von mir modifizierte Planung (halbes Haus 5 rückt an Haus 4)

Der geplante Spielplatz (in Abb. 3 aufgeführt) soll auf Vorschlag der Verwaltung entfallen. Dafür soll der Spielplatz in der Morlaasstraße ‚aufgehübscht‘ werden. Die Kontaktaufnahme der neu zugezogenen zu den ‚einheimischen‘ Kindern soll so erleichtert werden.

Abb. 3: Von Herrn Behrens eigenhängig eingezeichnete Änderung der bisherigen Planvorstellung © PGN
Abb. 3: Von Herrn Behrens eigenhängig eingezeichnete Änderung der bisherigen Planvorstellung © PGN

In der anfänglichen Vorstellung des Bauvorhabens durch Herrn Behrens wurde erklärt, dass die Häuser im Innenbereich barrierefrei sein werden, um besonders auch älteren Menschen Wohnraum zu bieten. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann werden im Hauptgebäude (die Häuserfront zur Straße ‚Am Bahnhof‘) Sozialwohnungen zum Preis von zz. 5,60 €/qm angeboten werden. Die anderen Häuser werden frei finanziert sein (Herr Behrens erwähnte bei der Informationsveranstaltung vom 09.06.2016 einen Preis von zz. 8 €/qm – jetzt wurden allerdings bereits 14 €/qm angesprochen).

Unter Berücksichtigung dieser Anpassungen wurde die Änderung des Bebauungsplanes Nr. 22 ‚Karlstraße‘ beschlossen. Ich denke, dass alle Seiten zufrieden sein können. Wie es am Ende aussieht, wird sich natürlich erst zeigen, wenn die Häuser stehen und die Mieter eingezogen sind.

Bauplanung ‚Am Bahnhof 9/9a‘ in Tostedt (4): Die Ausschusssitzung

Morgen Abend ist es soweit: Das Bauvorhaben „Am Bahnhof 9/9a“ in Tostedt steht als Tagesordnungspunkt 8 auf der Tagesordnung des Planungs- und Umweltausschusses der Gemeinde Tostedt. Die Sitzung findet um 18 Uhr in der Grundschule Tostedt, Poststraße 16 b, statt:

Bebauungsplan Nr. 22 „Karlstraße“, 2. Änderung
a.) Beschluss zur Einleitung einer 2. Änderung gemäß § 2 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit § 13 a BauGB
b.) Beschluss zur Durchführung der öffentlichen Auslegung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB
c.) Beschluss zur Durchführung der Behördenbeteiligung gem. § 4 Abs.2 BauGB

Am Ende dieser Ausschusssitzung soll die Änderung des genannten Bebauungsplanes stehen. Die Unterlagen mit der Schilderung des Sachverhaltes sind online abrufbar (alles in einer PDF-Datei).

Die Bauherrengemeinschaft Tostedt GbR, vertreten durch Herrn Behrens, Herrn Ehlers und Herrn Neumann aus Rotenburg (Wümme), hat mit Schreiben vom 28. Juli 2016 einen Antrag auf Änderung des Bebauungsplans Nr. 22 „Karlstraße“ eingereicht. Seit ca. Ende 2015 ist die Bauherrengemeinschaft Tostedt GbR Eigentümerin des Dörnbrack-Geländes. Die Stadtplanung und auch die Hochbauplanung werden vom Planungsbüro PGN aus Rotenburg (Wümme) erstellt, da u.a. Herr Behrens und Herr Neumann Geschäftsführer der PGN sind.

Konzept K – Am Bahnhof 9 – Tostedt © PGN
Konzept K – Am Bahnhof 9 – Tostedt © PGN

Die jetzige Planung sieht schon etwas anders aus als damals bei der Informationsveranstaltung der PGN vorgestellt. Auf eine Zuwegung von der Poststraße her wurde verzichtet. Diese Anbindung soll nun lediglich als Fuß- und Radweg genutzt werden. Damit entfallen auch die PKW-Stellplätze im hinteren, an die Grundstücke in der Morlaasstraße angrenzenden Bereich. Allerdings ist das hintere Haus mit 10 Wohneinheiten näher an eben diese Grundstücke in der Morlaasstraße gerückt, was von den Betroffenen dort mit wenig Begeisterung aufgenommen wurde.

Ich will hier nicht ins Detail gehen. Ein Punkt scheint mir aber doch sehr interessant zu sein. Es geht um die Möglichkeit des sozialen Wohnungsbaues. Im dem vorgefassten Sachverhalt zu diesem Bauvorhaben steht:

Im Zusammenhang mit der Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft im Landkreis Harburg hat die Verwaltung die Bauherrengemeinschaft auf die Möglichkeit des sozialen Wohnungsbaus hingewiesen. Die Schaffung von Mietwohnungen ist auch mit der vorliegenden B-Planänderung vorrangiges Ziel.

Der § 9 Absatz 1 Nr. 8 BauGB ermöglicht hierzu die Festsetzung von Flächen, auf denen nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind. In den B-Plänen können somit Flächen und Prozentanteile für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen werden.

Bei der erwähnten Informationsveranstaltung der PGN verkündete Herr Behrens, einer der Geschäftsführer der PGN, dass Sozialwohnungen NICHT vorgesehen sind. Im Gegenteil: Aus den Gesprächen war abzulesen, dass die Wohnhäuser aller Voraussicht nach verkauft werden sollen, also als Spekulationsobjekte dienen könnten (siehe hierzu meine Beitrag Betongold). Ich bin gespannt, was hierzu bei der Ausschusssitzung herauskommt.

Betongold

Die Kommunalwahlen in Niedersachsen liegen hinter uns. Viele der angetretenen Parteien versprachen, mehr Wohnraum zu schaffen und stellten dabei die Forderung nach ‚bezahlbarem Wohnen‘. Allerdings muss ein Mehr an Wohnraum nicht unbedingt mit dessen Bezahlbarkeit korrespondieren – wie wir es auf dem Immobilienmarkt beobachten können:

Mehrere Hunderttausend Deutsche sind in den vergangenen Jahren in die Großstädte und Uni-Städte gezogen, dort wurden aber bisher nicht genügend neue Wohnungen hochgezogen. Zugleich stecken viele Sparer und Investoren Geld in Wohnungen, 2015 war ein Rekordjahr auf dem Immobilienmarkt. Die Folge: In Hamburg stiegen die Mieten seit 2010 um 12 Prozent, in München um 14 Prozent, in Berlin um 26 Prozent. Diese Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft bilden nur den Durchschnitt – in den Innenstädten steigen die Mieten noch schneller. Dort verzeichnen die Gutachten für den Mieterbund auch die deutlichsten Verstöße gegen die Mietpreisbremse. (Quelle: NWZ online)

Hypothekenkredite sind wegen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) historisch günstig. Für langfristige Darlehen lag der Zins Ende des zweiten Quartals nach Angaben der Deutschen Bundesbank im Schnitt bei gerade einmal 1,8 Prozent. Zugleich herrscht bei Investoren Anlagenotstand, weil viele Finanzprodukte wegen der Niedrigzinsen kaum noch etwas abwerfen. (Quelle: ÄrzteZeitung)

Auf der einen Seite wird Wohnraum dringend gesucht. Die Zuwanderung Hunderttausender Flüchtlinge nach Deutschland sorgt zudem dafür, dass mehr Unterkünfte gebraucht werden. Auf der anderen Seite wirft der Finanzmarkt kaum Erträge ab, sodass Anleger in so genanntes Betongold flüchten und auf steigende Immobilienpreise resp. Mieten setzen.

    Betongold

Daneben gehen die Aktien von Immobilienkonzernen wie ‚Deutsche Wohnen‘ oder ‚Vonovia‘ geradezu durch die Decke. Verantwortlich dafür sind die Minuszinsen bei Staatsanleihen, die etwa Versicherungen in die Immobilienaktien treibt. Zugleich profitieren die Immobilienkonzerne von den extrem niedrigen Zinsen und kaufen kräftig zu. Der Wohnungsmarkt wird zunehmend ‚industrialisiert‘ und gerät mehr und mehr in die Hände von Konzernen. Verlierer sind dabei Menschen, die in Ballungsräumen auf der Suche nach günstigem Wohnraum sind. Und trotz niedriger Zinsen wird es auch für den Häuslebauer immer schwerer, für sich erschwingbare Immobilien zu erwerben.

Was ist aber mit der Mietpreisbremse?

Seit Juni 2015 gibt es das Gesetz zur Mietpreisbremse, inzwischen gilt sie in Hunderten von Städten in 11 der 16 Bundesländer. Vermieter dürfen dort bei der Wiedervermietung nur noch zehn Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete des Mietspiegels verlangen. Ausnahmen gibt es bei Neubauten, nach umfassender Modernisierung und wenn die Miete schon vorher höher war. Doch wer sich als Vermieter nicht an die Bremse hält, muss keine Nachteile fürchten. Fliegt er auf, muss er von dem Zeitpunkt an niedrige Einnahmen fürchten – Rückzahlungen oder Bußgelder nicht. (Quelle: NWZ online)

Dank Herrn Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, und seiner Null-Prozent-Politik wird nicht nur die private Altersvorsorge vieler Bürger, wer die sich leisten kann, zum Fiasko, auch der Immobilienmarkt erfährt einen dramatischen Wandel, der durch die angesprochene ‚Industrialisierung‘ die Schere zwischen arm und reich weiter auseinanderklaffen lässt.

Unter diesen Aspekten sollten unsere Kommunalpolitiker ihr Versprechen, mehr und dabei bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sehen. Ein möglicher und nach meiner Meinung durchaus guter Weg ist die Gründung einer Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, an der u.a. die dem Landkreis Harburg angehörigen Kommunen und die Sparkasse Harburg-Buxtehude beteiligt sein sollen. „Mit einem Stammkapital von 45 Millionen Euro soll dieses Vorhaben umgesetzt werden, wovon der Landkreis 17 Millionen Euro, die Sparkasse Harburg-Buxtehude 4,5 Millionen Euro und die zwölf Kommunen gemeinsam 23,5 Millionen Euro beitragen. Mindestens 70 Prozent des Stammkapitals sind für die Gründung der Gesellschaft erforderlich. Davon will diese in einem Zeitraum von fünf Jahren im Landkreis 1.000 Wohnungen bauen. 30 Prozent sozialer Wohnungsbau sind darin vorgesehen.“ (Quelle: kreiszeitung-wochenblatt.de).

Ein anderer Weg wäre der, private Investoren ‚die Sache‘ machen zu lassen. Davon gibt es zz. in meiner Heimatgemeinde Tostedt scheinbar einige. Zum einen möchte das Ingenieurbüro Gottschalk in der Triftstraße 14 zwei Häuser mit je acht Wohneinheiten errichten, dafür allerdings den Ententeich im Herzen Tostedts dazu von 1.800 auf 800 Quadratmeter verkleinern. Die Mehrheit des Planungsausschusses teilte aber die Meinung der Bürger, die sich als „Teich-Verteidiger“ formiert haben: Der ortsbildprägende historische Teich dürfe auf keinen Fall verkleinert werden. (Quelle: kreiszeitung-wochenblatt.de).

Der Teich soll erhalten bleiben und dafür das Bauvorhaben etwas kleiner ausfallen: Es sollen acht allerdings luxuriös ausgestattete Wohnungen geplant sein, die dann für Otto Normalverbraucher wohl kaum bezahlbar sein dürften.

Inzwischen gibt es auch einen Bauantrag für das Grundstück Bahnhofstraße 25 in der Ortsmitte: Geplant war zunächst ein viergeschossiges, rund elf Meter hohes Wohn- und Geschäftshaus mit einer 30 Meter breiten Gebäudefront. Zu wenige Parkplätze, ein zu massives und zu hohes Gebäude und nicht berücksichtigte, geschützte Bäume – der Planungsausschuss fordert Nachbesserung. Nun soll statt der 30-Meter-Straßenfront nur noch eine Gebäudebreite von 18 Metern verbaut und ein größerer Abstand zur Straße eingehalten werden. Der geänderte Plan sieht auch den Erhalt der großen Kastanie vor. Das oberste Geschoss soll versetzt, in der Fachsprache „abgetreppt“ werden. Entstehen könnten in der Bahnhofstraße 25 ca. 20 Zwei- bis Vierzimmer-Wohnungen mit Balkons bzw. Terrassen und fünf Gewerbe-Einheiten. Bei der nächsten Sitzung des Planungsausschusses am 24.11. kommt dieses Bauprojekt erneut auf die Tagesordnung. Ob diese Wohnungen bezahlbar sein werden, danach scheint niemand zu fragen.

Vom Bauvorhaben Am Bahnhof 9/9a in Tostedt habe ich hier an derer Stelle schon öfter geschrieben. Wie es aussieht, so ist die Mehrzahl der Ratsmitglieder der Gemeinde Tostedt begeistert von dem Bauvorhaben, denn gleich 100 Wohneinheiten in der unmittelbaren Nähe des Bahnhofs, was will man mehr. Die kleinen Tücken übersieht man dabei ganz schnell. Eine der Tücken ist, dass dieses Bauvorhaben von acht Wohnhäusern ganz offensichtlich als Anlageobjekt für Investoren vorgesehen ist. Zwar wurde vom jetzigen Bauherrn eine Miete von 8 € pro qm versprochen. Aber wird es dabei auch am Ende wirklich bleiben? Für Investoren gilt der Grundsatz der Gewinnmaximierung. Und wenn der Markt es hergibt, dann dürften die Mieten auch hier schnell in die Höhe schießen. Davon, einen Teil als Sozialwohnungen auszuweisen, wollte der Bauherr nichts wissen.

Letztlich sei es Sache der Politik, zu entscheiden, wie Tostedt sich entwickeln soll, so Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Peter Dörsam. Es gab schon einmal politische Entscheidungen in Tostedt, die leider in die falsche Richtung gingen (Stichwort Krech-Siedlung). Tostedt ist keine Stadt, wenn wohl auch einige Politiker vieles dafür tun, den Stadtstatus für den Ort zu bekommen. Der ländliche Charakter überwiegt nun einmal. Und daran sollten sich geplante Bauvorhaben halten. Das gilt für Haushöhe, für die Gesamtgröße des Objektes wie auch für den Baustil.

Ja, die Politik hat es in der Hand, wohin sich ein Ort wie Tostedt entwickelt. Wünschen wir ihr ein hoffentlich glückliches Händchen bei ihren Entscheidungen. Immerhin ist an den letzten Entscheidungen z.B. des Planungsausschusses der Gemeinde Tostedt zu erkennen, dass dieser nicht jeden planerischen Größenwahn mitmacht.

In diesem Zusammenhang sei auf die undurchsichtigen Machenschaften beim Verkauf der bayerischen GBW-Gruppe, einer der mit rund 30.000 Wohnungen größten Wohnungsgesellschaft in Süddeutschland, hingewiesen. Lt. Markus Söder, dem bayerischen Finanzminister, sollte die GBW bayerisch bleiben. Eine Recherche des Bayerischen Rundfunks (BR) ergab aber, dass die Suche nach den Investoren ins europäische Steuerparadies Luxemburg und in die Niederlande führe. Im Zentrum steht ein geschlossener Immobilienfonds. Das Ganze diene einer „aggressiven Steueroptimierung“. Und die Mieter? „In München-Moosach leben Menschen, die sich andere Viertel der Stadt schon lange nicht mehr leisten können. Jetzt werden die Wohnblöcke von der GBW modernisiert. Die Mieten steigen.“ – „Beim GBW-Deal bewahrheiten sich die schlimmsten Befürchtungen: Sozial schwache Mieter fühlen sich durch Mieterhöhungen und Schikanen zum Ausziehen gedrängt.“ (siehe und höre hierzu den Podcast auf Bayern2: Die Akte GBW bzw. siehe: Die GBW-Affäre).

„Gängelei macht Arbeit unmöglich“

Aus der Kreiszeitung-Wochenblatt Nordheide vom 30.04.2016

Leider kein Einzelfall: Tagesmütter aus Seevetal geben Job auf, weil die Zusammenarbeit mit dem Landkreis nicht funktioniert

„Wir geben auf. Wenn man immer die Drohung im Nacken hat, dass einem die Pflegeerlaubnis entzogen wird, kann man nicht gut arbeiten.“ Die beiden Tagesmütter Nicola Kariofilis (37) und Ramona Kipp (35) aus Seevetal finden klare Worte. Vor einigen Wochen waren die beiden ausgebildeten Erzieherinnen noch auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten für ihr„Kinderhaus“ in Fleestedt (das WOCHENBLATT berichtete). Jetzt haben sie die schwere Entscheidung getroffen, ihre Großtagespflege zum 31. Juli zu schließen. „Die Umstände zwingen uns zu diesem Schritt“, sagt Nicola Kariofilis.

Neben den Schwierigkeiten, neue Räume zu finden – derzeit ist das „Kinderhaus“ noch im Sporthaus in Fleestedt untergebracht, das Gebäude soll bald abgerissen werden – waren es vor allem Probleme in der Zusammenarbeit mit dem Landkreis, die den Erzieherinnen die Freude an der Arbeit als Tagesmutter verleidet haben. „Es gab überhaupt kein Miteinander, die Atmosphäre war schlecht, wir fühlen uns gegängelt und kontrolliert, obwohl wir Unterstützung bräuchten“, beschreibt Ramona Kipp die Situation. „Bei diesen Rahmenbedingungen geht man einfach nicht gern zur Arbeit“, sagt Nicola Kariofilis.

Die beiden Frauen aus Seevetal sind nicht die einzigen, die ihren Job als Tagesmutter an den Nagel hängen, weil es Schwierigkeiten mit der zuständigen Abteilung der Kreisverwaltung gibt. Auch im Bereich Winsen gibt es ähnliche Fälle.

Auf Nachfrage des WOCHENBLATT, ob die Stadt wisse, dass Tagesmütter aufgegeben haben, weil die Kooperation mit dem Kreis problematisch war, bestätigt Stadtsprecher Theodor Peters: „Klare Antwort: Ja. Das ist bei uns an verschiedenen Stellen aufgelaufen.“ Vor allem Eltern hätten sich bei der Stadt über die Zustände beschwert. „Wir haben uns deswegen auch schon an den Landkreis gewandt“, so Peters. Die Probleme führen derzeit dazu, dass in Winsen einige Betreuungsplätze für Kinder fehlen.

Dass es im Getriebe der zuständigen Abteilung „Besondere Leistungen für Kinder und Jugendliche“ knirscht, ist auch bei Kreissprecher Johannes Freudewald angekommen. „Wir wurden in den vergangenen 14 Tagen auf aktuelle Probleme in der Zusammenarbeit angesprochen und führen dazu Gespräche mit verschiedenen Stellen“, so Freudewald. Die Kritik nehme man sehr ernst. „Wir prüfen jeden Einzelfall genau und werden uns auch mit den zuständigen Mitarbeitern zusammensetzen.“ Personelle Veränderungen seien derzeit nicht geplant, so Freudewald auf Nachfrage. Grundsätzlich stünden im Bereich der Kindertagesbetreuung Qualität und Verantwortung für das Kindeswohl absolut im Vordergrund.

Nicola Kariofilis und Ramona Kipp haben ihre Verantwortung in den vergangenen Jahren immer sehr ernst genommen. Der Schritt, das „Kinderhaus“ nach insgesamt sieben Jahren zu schließen, fiel ihnen schwer. „Wir verstehen, dass der Kreis die Qualität im Auge hat, aber derzeit wird das Gegenteil erreicht. Viele Dinge werden unnötig verkompliziert“, sagt Nicola Kariofilis. Einen neuen Job zu finden, war für die beiden Frauen übrigens kein Problem. Gut ausgebildete Erzieherinnen werden überall händeringend gesucht.

Ausschnitt aus Kreiszeitung-Wochenblatt Nordheide vom 30.04.2016 (S. 36)

Das kritisieren die Tagesmütter

• Die Auflagen für Wohnungen bzw. Häuser, in denen eine Großtagespflege eingerichtet werden darf, sind nur sehr schwer zu erfüllen. Der vorhandene Ermessensspielraum wird von den zuständigen Mitarbeitern des Bauamtes nicht ausgenutzt. Notar, Architekt, Anträge – das alles kostet zu viel Zeit und Geld.
• Auch als ausgebildete Erzieherin sollte Ramona Kipp nach knapp einem Jahr „Babypause“ u.a. noch einmal einen Kursus absolvieren, einen Eignungstest ablegen, die Pflegeerlaubnis beantragen und ein Konzept erstellen.
• Trotz regelmäßiger Gespräche zwischen den Tagesmüttern und der zuständigen Abteilung hielt die Sachbearbeiterin es nicht für nötig, darauf hinzuweisen, dass der notwendige Kursus nur zweimal im Jahr stattfindet und ließ es drauf ankommen, dass Ramona Kipp die Anmeldefrist um wenige Tage ver- passt. Dass sie nachträglich in den Kurs hineinrutscht, konnte nicht ermöglicht werden.
• Die Betreuung der Kinder wird durch immer mehr Bürokratie begleitet, Abläufe werden verkompliziert. Der Arbeitsaufwand abseits der Tagespflege wird immer größer.

Weniger Bürokratie, mehr Mut und Verstand – Kommentar von Katja Bendig

Kreissprecher Johannes Freudewald spricht von Einzelfällen – doch das Problem ist ein grundsätzliches. Dafür spricht allein schon, dass gleich von mehreren Seiten Ähnliches berichtet wird. Sicher – Tagesmütter und -väter müssen kontrolliert werden, das Kindeswohl muss an vorderster Stelle stehen. Ob man es fördert, wenn man den betreuenden Personen mit Misstrauen begegnet, auf Paragrafen und Verordnungen pocht, statt konstruktive Lösungen im Blick zu haben, darf bezweifelt werden.

Hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben – da kann das Netz aus Kontrollen noch so engmaschig sein. Wenn man diesen Gedanken einmal zu Ende denkt, kann man darauf kommen, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit eindeutig der bessere Weg ist. Dazu braucht es verwaltungsseitig Personal, das in der Lage und mutig genug ist, eigene Entscheidungen mit Augenmaß zu treffen.

Leidtragende in diesem Fall sind die Eltern. Sie sind darauf angewiesen, einen Betreuungsplatz für ihr Kind zu finden. Durch die kommunalen Angebote an Krippen und Kitas kann diese Nachfrage schon lange nicht mehr allein befriedigt werden.

Die Kreisverwaltung sollte sich beeilen, das Vertrauen zu den Tagesmüttern und -vätern wieder herzustellen. Weniger Bürokratie, mehr Verstand – das hilft manchmal schon.

„Ein gesamtgesellschaftliches Problem“

Es ist viel gesagt und noch mehr geschrieben worden. Eines ist gewiss: Die Flüchtlingsfrage bleibt das bestimmende Thema auch in diesem Jahr. Die Vorfälle von Silvester am Kölner Hauptbahnhof müssen als einschneidendes Ereignis angesehen werden. Besonders den Rechtsextremen dienen sie als Vorlage, um gegen Flüchtlinge auf das Übelste zu schimpfen. Dabei steigt nicht nur die Zahl der Hasskommentare im Netz, sondern auch die Gewalttaten nehmen zu. Die Behörden registrierten im vergangenen Jahr etwa 850 rechts motivierte Attacken gegen Flüchtlingsheime, davon mehr als 70 Brandanschläge. „Es ist ein Wunder, dass dort noch keine Toten zu beklagen sind“, sagt Uwe-Karsten Heye vom Verein „Gesicht zeigen“ in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. (Quelle u.a. heute.de)

Im Kreiszeitung-Wochenblatt für die Region Nordheide wurde in der neuesten Wochenendausgabe ein Interview mit dem jungen Islamwissenschaftler Tim Langner veröffentlicht, in dem u.a. die Frage, ob eine frauenverachtende Einstellung Bestandteil islamischer Kultur ist, angesprochen wurde.

Ob mit Kopftuch verhüllt oder ‚freizügiger' gekleidet: Keine Frau darf Opfer sexueller Übergriffe werden

Nach den sexuellen Übergriffen von Männerhorden mit Migrationshintergrund, u.a. in Hamburg und Köln, überschlagen sich die Autoren in den sogenannten sozialen Netzwerken. Das islamische Facebook-Magazin „Muslim Stern“ gibt den weiblichen Opfern und ihrer „freizügigen Bekleidung“ die Schuld. Zitat: „Einige Frauen sollten darüber nachdenken, ob es klug ist, leicht bekleidet und angetrunken sich zwischen Horden von alkoholisierten Männern zu begeben. Generell trägt die Frau aufgrund ihrer Beschaffenheit eine Verantwortung, wenn sie sich aus dem Haus begibt.“

Die Rechtspopulisten hingegen sehen sich in ihren Warnungen vor „Überfremdung“ bestätigt und hetzten gegen die „ausländische Meute“. Das WOCHENBLATT bat Islamwissenschaftler Tim Langner, der beim Beschäftigungsprojekt des Herbergsvereins Flüchtlinge betreut, um eine Einschätzung.

WOCHENBLATT: Wieviele Flüchtlinge betreuen Sie und Ihre Kollegen beim Beschäftigungsprojekt des Herbergsvereins Winsen und welche Nationalitäten sind vertreten?

Tim Langner: Wir betreuen momentan etwa 280 Menschen. Der Großteil der Menschen kommt aus dem arabischsprachigen Raum, wir nehmen die Nationalitäten zwar auf, führen aber keine diesbezügliche Statistik, weil das Projekt für alle nach Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigten Personen zugänglich ist und die Nationalität daher keine Rolle spielt.

WOCHENBLATT: Ist eine frauenverachtende Einstellung Bestandteil islamischer Kultur?

Tim Langner: Nein. Es gibt auch innerhalb des Islams viele unterschiedliche Strömungen, individuelle Ausprägungen und Auslegungen der religiösen Quellen. Jemand, der sich selbst als Salafist bezeichnet, ist nicht zwangsläufig ein gewalttätiger Jihadist, auch wenn er oder sie möglicherweise einem, in meinen Augen diskriminierenden Modell der Geschlechterrollen anhängt. Ebenso kann eine ägyptische Feministin, die sich für absolute Gleichberechtigung einsetzt, gleichzeitig eine gläubige Muslima sein.

Die Verbindung, die häufig zwischen einem diskriminierenden Frauenbild und islamischer Religion gezeichnet wird, liegt meiner Ansicht nach vor allem darin begründet, dass sich innerhalb einiger muslimisch geprägter Gesellschaften patriarchische Strukturen etabliert haben, die zur Folge haben, dass auch die Interpretation religiöser Quellen hauptsächlich von Männern durchgeführt wird. Dies führt zu patriarchisch dominierten Auslegungen, die leider in der öffentlichen Diskussion viel präsenter sind als z.B. reformislamistische oder feministische Interpretationen.

WOCHENBLATT: Spielen noch weitere Aspekte eine Rolle?

Tim Langner: Beispielsweise wirtschaftliche Verhältnisse oder bestehende gesellschaftliche Strukturen. Diese prägen ebenso wie religiöse Einflüsse einen Menschen, der grundsätzlich dazu neigt, Gelerntes zunächst einmal auf sein Leben anzuwenden. Das gilt meines Erachtens für alle Menschen, überall.

WOCHENBLATT: Ist Ihnen das Phänomen „El Taharrush“/„Taharrush gamea“ (gemeinschaftliche sexuelle Belästigung, d. Red.) bekannt? Wenn ja, wo und von welchen Bevölkerungsgruppen ausgehend finden solche Übergriffe statt?

Tim Langner: Das Phänomen ist mir bekannt, war jedoch keiner der gesellschaftlichen Aspekte, mit denen ich mich während meines Studiums eingehender befasst hätte. Darüber hinaus ist es kein Phänomen, das islamischen Gesellschaften exklusiv ist. Vielmehr findet es sich in vielen männlich dominierten Gesellschaften, etwa in Indien, wieder. Es gibt durchaus wissenschaftliche Auseinandersetzungen zu dieser Thematik, die versuchen, die Hintergründe dieses Phänomens zu untersuchen. Diese werden u.a. von den Organisationen der Vereinten Nationen durchgeführt und sind öffentlich zugänglich.

WOCHENBLATT: Gibt es Ihrer Einschätzung nach Möglichkeiten, diese Übergriffe zu verhindern?

Tim Langner: Sexuelle Übergriffe sind ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es ist notwendig, die Menschen dahingehend zu sensibilisieren, dass sexuelle Belästigung auch als solche erkannt und im Fall der Fälle zur Anzeige gebracht wird. Repräsentative Studien weisen darauf hin, dass knapp 60 Prozent der Frauen in Deutschland bereits mindestens einmal zum Ziel sexueller Belästigung geworden sind. Die Ursachen hierfür zu erheben und anzugehen, ist ein erster Schritt, um ein gesellschaftliches Klima der Gleichberechtigung zu schaffen. Letztlich ist es notwendig, Straftaten zu verfolgen und mit den Mitteln des Rechtsstaates zu bestrafen. Dies gilt selbstverständlich auch für die Vorkommnisse in Köln. Da in der Bundesrepublik glücklicherweise der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt, braucht dies aber seine Zeit, ebenso wie ein eventuell anhängiges Gerichtsverfahren. Sonderregeln für bestimmte Vergehen oder Gruppen zu finden, untergräbt die Basis dieses Rechtsstaates und stellt eine Gefahr für die Demokratie und die Freiheit des Einzelnen dar.

WOCHENBLATT: Befürchten Sie, dass Anschläge wie der in Istanbul künftig auch in Deutschland geschehen können?

Tim Langner: Es ist natürlich – völlig unabhängig von Anschlägen in Beirut, Paris, Istanbul oder Jakarta – unmöglich, Anschläge kategorisch auszuschließen. Absolute Sicherheit ist eine Illusion und in meinen Augen auch kein wünschenswerter Zustand, denn das bedeutete, dass es eine Institution gäbe, die alles über jeden wüsste. Eine grauenhafte Vorstellung und paradoxerweise das tatsächliche Ende relativer persönlicher Sicherheit. Ich denke, die Wahrscheinlichkeit einem Anschlag zum Opfer zu fallen, ist äußerst gering.

WOCHENBLATT: Was müsste Ihrer Ansicht nach getan werden, um das Anschlagsrisiko zu verringern?

Tim Langner: Ein weltpolitisches Bestreben, Fluchtursachen zu bekämpfen, würde diese Wahrscheinlichkeit weiter verringern. Dazu gehören die konsequente Bekämpfung von Armut und Perspektivlosigkeit, die Hilfe zur Selbsthilfe durch Bildung und Qualifizierung, der bewusste und nachhaltige Umgang mit begrenzten Ressourcen sowie deren Verteilung. Terrorismus, Bürgerkriege, Radikalisierungen, Fluchtbewegungen, Hunger, all diese Dinge hängen miteinander zusammen. Deswegen können nur gemeinsame, internationale Bemühungen und Zusammenarbeit und nicht etwa nationale oder europäische Abschottung die Sicherheit geben, die sich die große Mehrheit aller Menschen wünscht. Dazu wird es vermutlich notwendig sein, dass die Industriegesellschaften auf Teile ihres Überflusses zu verzichten lernen müssen.“

Zur Person – Tim Langner (28) lebt in Hamburg und ist Sozialarbeiter im Beschäftigungsprojekt für Flüchtlinge beim Herbergsverein Winsen und Umgebung. Er absolvierte den Bachelor Studiengang „Geschichte, Sprache und Kultur des Vorderen Orients, Schwerpunkt Islamwissenschaften“ am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg mit dem Nebenfach Politikwissenschaft. „Die Motivation hierzu ergab sich im Nachgang der Anschläge vom 11. September 2001. Die teilweise eindimensionale Auseinandersetzung mit den Anschlägen und den vermuteten Hintergründen war mir zutiefst zuwider und weckte in mir das Bestreben, mich mit unterschiedlichen Aspekten der Welt auseinanderzusetzen“, so Tim Langner. Während seines Studiums absolvierte er ein Auslandssemester an der University of Jordan in Amman. Nach dem Studium war er ein halbes Jahr für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) am Technical Trainers College in Riad, Saudi Arabien, beschäftigt.