Archiv für den Monat: September 2010

Merkel und die Atomlobby

Macht mit beim Protest! Kommt zur Demo am 18. September nach Berlin! Aufruf zum „Heißen Herbst“!

Die schwarz-gelbe Koalition hat eine Laufzeitverlängerung für alle 17 deutschen Atomkraftwerke beschlossen. Der Vertrag über den Atomausstieg, den die vier großen Energiekonzerne vor zehn Jahren unterschrieben haben, wurde gebrochen. Sogar bis ins Jahr 2050 könnten danach AKW in unserem Land weiter laufen. Selbst die ältesten, hochgradig störanfälligen Schrottmeiler sollen mindestens acht Jahre länger laufen. Damit haben Merkel, Westerwelle, Röttgen und Seehofer unsere Zukunft an die Atomlobby verkauft. Die Bundeskanzlerin hat einen schmutzigen Deal mit RWE, E.ON und Co. gemacht, der den Konzernen Milliarden in die Kassen scheffelt. Dieser Deal ist ein energiepolitisches Fiasko.

Die Laufzeitverlängerung ist ein Ablasshandel auf Kosten der Sicherheit. Das Risiko der Bevölkerung wird erhöht, dafür bekommt die Bundesregierung 15 Milliarden Euro. Das sind nicht einmal 13 Prozent der Gewinne von RWE, E.ON und Co. Dafür dürfen die Atomkonzerne Deutschland ihr Geschäftsmodell aufzwingen: Kohle und Atommonopol im Innern, Verdrängung der erneuerbaren Energien ins Ausland.

Die Laufzeitverlängerung lässt uralte Schrottreaktoren bis zu 50 Jahre am Stück laufen. Schon heute wäre keines der 17 deutschen Atomkraftwerke mehr genehmigungsfähig! Und schon gar nicht sind sie gegen Flugzeugabstürze gesichert.

Die Laufzeitverlängerung vermehrt die Menge des Atommülls um jährlich rund 400 Tonnen. Der radioaktive Müll in den Zwischenlagern wird durch die Laufzeitverlängerung verdoppelt, daher müssen an allen Zwischenlagern neue Genehmigungsverfahren her – denn ein Endlager ist bis heute nicht in Sicht.

Die Laufzeitverlängerung bremst die erneuerbaren Energien aus. Nach den Gutachten der Bundesregierung wird sich der Zuwachs an erneuerbarer Energie von heute jährlich 5.185 Megawatt (MW) auf 3.448 MW vermindern, wenn AKWs länger laufen. 2020 wird es 21 Prozent weniger Wind, Wasser und Solarstrom geben, als ohne Laufzeitverlängerung.

Die Laufzeitverlängerung mindert die Energiesicherheit. Nach den Gutachten der Bundesregierung wird Deutschland von einem Stromexportland zu einem Stromimportland. Bis zu 31 Prozent des deutschen Stroms müssten 2050 aus dem Ausland importiert werden.

Die Laufzeitverlängerung nützt ausschließlich den Atomkonzernen RWE, E.ON und Co. Jedes Jahr Verlängerung bringt bis zu 10 Milliarden Euro Zusatzgewinne. Letztlich geht die jetzt beschlossene Verlängerung sogar um Jahre über das hinaus, was die Konzerne seinerzeit bei den Verhandlungen über den Atomkonsens von der rot-grünen Koalition gefordert hatten.

Die Laufzeitverlängerung zementiert die Marktmacht der vier Stromoligopolisten. Konsequenz für alle Verbraucher: Weniger Wettbewerb heißt höhere Preise. Die Laufzeitverlängerung ist verfassungswidrig, weil sie ohne Zustimmung des Bundesrates nicht in Kraft treten kann – genau dies versucht die schwarz-gelbe Bundesregierung aber.

Die GRÜNE werden gegen diesen Irrsinn vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Und sie werden
ihn spätestens dann rückgängig machen, wenn sie im Bund wieder Regierungsverantwortung tragen. Doch auch Du kannst etwas tun. Zeig Merkel & Co. auf der Straße, dass sie Politik gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung machen!

Kommt mit am 18. September nach Berlin und demonstriert gegen die Atom-Koalition!

aus: Faltblatt Bündnis 90/Die Grünen

Kontakt:
Bundesgeschäftsstelle Bündnis 90/Die Grünen
Platz vor dem Neuen Tor 1
10115 Berlin

www.gruene.de/antiatom

Topinambur – die etwas andere Kartoffel

In unserem Garten blüht seit Jahren eine Pflanze, deren Wurzelknollen wie Kartoffeln gegessen werden können – ihr Name: Topinambur (benannt nach dem Indianer-Stamm Tipinambas). Deutsche Namen gibt es ihrer viele: Erdbirne, Ross-Erdapfel, Borbel, Erdartischocke, Erdschocke, Erdsonnenblume, Ewigkeitskartoffel, Indianerknolle, Jerusalemartischocke, kleine Sonnenblume, Knollensonnenblume, Rosskartoffel, Süßkartoffel, Zuckerkartoffel. Ich würde sie kleine Sonnenblume nennen, dann die Pflanze gehört zur Gattung der Sonnenblumen und hat der Sonnenblume ähnliche, nur viel kleinere Blüten.

Topinambur – die etwas andere Kartoffel

Die Pflanze wächst wie Unkraut und wird bei uns über 2 m hoch. Geerntet werden die Knollen, die aber wesentlich kleiner als die der Kartoffel sind. Durch die dünne Haut trocknen sie leicht aus und werden welk. Eine längere Lagerung ist daher nicht sinnvoll. Der Geschmack ist süßlich durch den Inhaltsstoff Inulin, ein Poly-Saccharid, der für Diabetiker besonders verträglich. Die Knolle kann sowohl roh in Salaten als auch in Salzwasser gekocht verzehrt werden. Wir bereiten aus den Knollen meist Brei oder Cremesuppen zu, da die Knollen eine wässrige Konsistenz aufweisen. Rezepte gibt es auf jeden Fall genug. Der Eiweiss-Gehalt ist mit 2-3 % relativ hoch. Außerdem enthalten die Knollen viel Kalium.

In Deutschland wird die Pflanze meist zu einem Verdauungsschnaps verarbeitet, dient aber auch zur Fruchtzuckerherstellung oder als Futterpflanze. Aufgrund der guten Anbaueigenschaften und der hohen Biomasseproduktion kann Topinambur auch als Energiepflanze genutzt werden und spielt entsprechend als nachwachsender Rohstoff eine potenzielle Rolle. Dabei lassen sich sowohl die vegetativen Teile als auch die Knollen zu Biogas und Bioethanol vergären oder zu Brennstoff trocknen und verarbeiten. Und eine durchaus ansehnliche Zierpflanze ist die kleine Sonnenblume auch noch.

Sarrazin ist kein Deutscher

Lange Zeit hatte ich mich geweigert, zu Herrn Sarrazin in diesem Blog etwas zu schreiben. Dann habe ich zwar begonnen, einen Beitrag zu verfassen, bin aber schnell über viele Einzelheiten gestolpert, die ich für erwähnenswert hielt – so wurde der Beitrag länger und länger …

Ich begann wie folgt:

Jetzt ist er vom Vorstandsposten bei der Deutschen Bundesbank zurückgetreten – aus eigenen Stücken. Damit hat der neue Bundespräsident, Christian Wulff, ein großes Problem vom Hals, denn nur er hätte ihn abberufen können.

Und endet sollte er mit:

Herr Sarrazin hat sich zwar verabschiedet, aber nach Verhandlungen zwischen Bundespräsidialamt, Bundesbankvorstand und Sarrazin erhält dieser eine um 1000 € höhere monatliche Pension ab 2014, so dass drohende finanzielle Verluste aufgrund des freiwilligen Amtsverzichts ausgeglichen werden. Gleichzeitig hält die Bundesbank die negativen Bewertungen seines Verhaltens nicht mehr aufrecht. Ein wahrhaft widerliches Geschacher.

Eigentlich ist mir dieser Herr Sarrazin völlig egal. Er hatte es schon immer verstanden, mit zugespitzt formulierten Schlagworten zu provozieren: Ich erinnere mich noch an ein Beispiel, als er ich glaube Harz IV-Empfängern vorrechnete, wie diese auch mit weniger als vier Euro pro Tag ausreichend und gesund leben könnten (Pellkartoffeln mit Quark?).

Sein Buch, das jetzt dermaßen in der Diskussion steht und zuletzt zu seinem Rücktritt vom Bundesbankposten geführt hat, habe ich nicht gelesen (und es findet hier auch keinen Link). Dieser ganze Rassenwahn geht mir wirklich mehr als nur auf die Nerven. Natürlich zeigt sich die Integration von Migranten, hier besonders von arabischen und türkischen Zuwanderern, als problematisch. Es ist richtig, dass sich viele von ihnen einer Integration entziehen. Das wird viele Gründe haben, auch religiöse. Und sicherlich ist nicht falsch, wenn man dem Islam vorwirft, nicht dem zu entsprechen, was unsere moderne Gesellschaft ausmacht. Aber diesen Vorwurf müsste man dann auch den christlichen Kirchen gegenüber äußern.

Was das Schlimme an dem Buch von Herrn Sarrazin ist, dass seine Thesen die Vorurteile vieler Deutsche pseudo-wissenschaftlich untermauern. Zwar mahnen Experten und verweisen darauf, dass vieles davon „aus dem Zusammenhang gerissen“ wurde. Aber wie auch immer: Das Problem bleibt bestehen – und den Menschen, Deutschen wie Zuwanderern, ist nicht gedient.

Nur am Rande: Der Name Sarrazin klingt nicht sehr deutsch. Ich habe irgendwo gelesen, dass er ein Nachfahre von französischen Hugenotten sei. Ich selbst bin sicherlich auch alles andere als ein ‚reiner’ Deutscher, auch wenn sich mein Nachname aus dem Althochdeutschen (oder als lateinische Form) herleiten lässt. Meine Frau hat einen polnischen Nachnamen – wie auch viele, die im Ruhrgebiet leben. Begriffe wie Volk oder Nation lassen sich also schon aus dieser Tatsache heraus nur wage definieren.

Ich habe einmal in diesem Blog (Mesut Özil – neue Integrationsfigur?!) geschrieben:

Es bedurfte eigentlich keiner Studie, um zu wissen, dass Zuwanderer aus der Türkei schlechter in Deutschland integriert sind als andere Gruppen. Jetzt wissen wir: Jeder Dritte ist ohne Schulabschluss. Die Gründe sind vielfältig. Neben der allgegenwärtigen Ablehnung durch die deutsche Gesellschaft ist ein Grund sicherlich auch der, dass türkische Migranten viel zu lange geglaubt haben, Deutschland wäre nur ein Provisorium für sie.

Wie gesagt: Die Gründe sind vielfältig. Vorurteile helfen auf jeden Fall nicht weiter. Denkanstöße sicherlich. Nur diese verquaste Vermischung von beidem finde ich fatal. Nicht umsonst wirft man Herrn Sarrazin rechtsgerichtete Gesinnung vor. Ich persönlich halte ihn für einen wirren Geist, dem eigentlich nur eigene (finanzielle) Interessen vorrangig sind.

Soul Kitchen

Soul Kitchen ist eine Filmkomödie des deutschen Regisseurs Fatih Akin nach einem gemeinsam mit Hauptdarsteller Adam Bousdoukos verfassten Drehbuch. Beim Festival in Venedig war der Film für den Goldenen Löwen nominiert und wurde mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. Zwar weist der „Heimatfilm“ (O-Ton Akin) nach einem überragenden Einstieg in der zweiten Hälfte kleine Schwächen auf, aber dafür sind die Dialoge durchgehend zum Niederknien, so dass diese Juryentscheidung durchaus nachvollziehbar ist.

Der Deutsch-Grieche Zinos (Adam Bousdoukos) schlägt sich als Besitzer eines schäbig-schicken Restaurants im Hamburger Problemstadtteil Wilhelmsburg durch. Das Essen ist zwar mies, aber dabei so bodenständig, dass sich sein proletarisches Klientel nicht daran stört. Als Freundin Nadine (Pheline Roggan) ihre beruflichen Träume als Auslandskorrespondentin in Shanghai verwirklicht, gerät Zinos in einen schweren Gewissenskonflikt, weil er ihr folgen will, aber nicht kann. Sein Laden steht sowieso kurz vor dem Abgrund und die Situation verschärft sich noch weiter, als er einen Bandscheibenvorfall erleidet und sich kaum mehr bewegen kann. An Löffelschwingen ist jedenfalls nicht mehr zu denken. Zinos heuert den frisch gefeuerten Koch-Exzentriker Shayn (Birol Ünel) an, um sein Restaurant vor dem Ruin zu retten. Doch der Großmeister weigert sich, Zinos‘ Fraß zu kochen und setzt stattdessen kulinarisch wertvolle Kost auf die Speisekarte. Am Anfang noch mit wenig Erfolg. Dazu hat Zinos plötzlich auch noch seinen Bruder Illias (Moritz Bleibtreu) am Hals. Als Freigänger darf dieser nur am Wochenende aus dem Knast, es sei denn, er findet einen Job. Deshalb soll Zinos ihn anstellen – wenn auch nur auf dem Papier, denn richtige Arbeit ist nicht so das Ding des notorischen Glücksspielers. Als Ausweg aus der Misere bietet sich Zinos‘ alter Schulkamerad Neumann (Wotan Wilke Möhring) an. Der ist scharf auf das Restaurant und würde einen anständigen Preis für den Laden bezahlen. Doch irgendetwas ist faul an dem schleimigen Immobilieninvestor…

aus: filmstarts.de


Soul Kitchen – Trailer Deutsch [HD]

Für Fatih Akin ist es „ein Heimatfilm der neuen Art“: In Soul Kitchen zeigt er Hamburg von seiner „schönsten“ Seite (wie man es nimmt: allerdings nicht Landungsbrücken, Michel, Alster und Hafen, was Touristen gezeigt wird) – und warnt zugleich vor dramatischen Veränderungen durch die „Yuppisierung“ in Stadtvierteln wie Wilhelmsburg. Es ist ein Film mit sehr viel Lokalkolorit – inklusive Hans Albers und Jan Fedder als Herr Meyer vom Gesundheitsamt. Die Geschichte besitzt universellen Charakter, sodass über Restaurantbesitzer Zinos, der sich mit seinem Bruder, der Bandscheibe und dem Finanzamt herumschlagen muss, auch in über 50 weiteren Ländern gelacht wird..

Gut, im Mittelteil hat der Film einen kleinen Durchhänger, weil die Charaktere drohen, ihre Verortung im Hier und Jetzt zu verlieren. Aber das Ende entschädigt dann um so mehr. Der Film ist seit Ende August als DVD Soul Kitchen erhältlich und ich habe ihn mit meiner Familie am Freitagabend gesehen und genossen.

Wilhelmsburg, der Hamburger Stadtteil, in dem der Film größtenteils spielt, ist beprägt von vielen Migranten (34,2 % der Einwohner). Vielleicht sollte Herr Zarrazin sich dort einmal zeigen (oder zumindest den Film sehen). Es ist ein wirklich köstlicher Film mit einer multikulturellen Seele entstanden, der den ganzen Thesen eines Herrn Sarrazin im herzhaften Lachen untergehen lässt. Und vielleicht trägt der Film dazu bei, bestehende Vorurteile abzubauen.

Blumenpracht Teil 27

Es lässt sich nicht leugnen: Der Herbst hält Einzug bei uns. Auch wenn die Temperaturen noch den Sommer verkünden, die ersten Blätter verfärben sich, der Herbst zeigt sich in den für ihn so typischen Nuancen: Erdend von gelb über rot zu braun. Und Gelb regiert die Blumenwelt! Sonnenblumen zeigen sich noch in voller Blüte, aber die ersten sind schon verwelkt und geben ihre Früchte an die Natur frei.

Sonnenblumen in AlbinZ Garten (September 2010)

Sonnenblumen in AlbinZ Garten (September 2010)

Sonnenblumen in AlbinZ Garten (September 2010)

Sonnenblumen in AlbinZ Garten (September 2010)

Sonnenblumen in AlbinZ Garten (September 2010)

Das Geheimnis der Freiheit

Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. So ähnlich äußerte sich Rosa Luxemburg. Freiheit hat aber auch seine Grenzen, nämlich dort, wo es die Freiheit anderer beschneidet. Freiheit lässt sich auf viele Arten definieren, so gilt sie als Freiheit der Rede, Freiheit Gott auf eigene Weise zu verehren und auch als Freiheit von Not.

Wenn gerade Politiker das hehre Wort von Freiheit in den Mund nehmen, werde ich hellhörig, da meine Skepsis geweckt ist. Jetzt hat trotz geballter Proteste von Muslimen Kanzlerin Angela Merkel den dänischen Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard für seine unbeugsame Haltung ausgezeichnet. Es geht um Pressefreiheit – aber eben auch um Religionsfreiheit. Im Fall der Mohammed-Karikaturen berühren sich beide auf ‚unheilvolle’ Weise.

Frau Merkel sieht im Mut „das Geheimnis der Freiheit“. Mut, sich zu äußern, wenn es andere nicht tun. Und es ist sicherlich angebracht, solchen Mut auszuzeichnen. Im vorliegenden Fall halte ich das aber für sehr bedenklich. Muss eine Person ausgezeichnet werden, die ihre Meinung bildlich geäußert hat (so viel Mut gehört zunächst nicht dazu)? Die dafür aber auch in Kauf genommen hat, Millionen Menschen in ihrem Glauben zu beleidigen?

Die Kehrseite der Medaille: Westergaards Zeichnung zeigt Mohammed mit einer Bombe als Turban. Die Veröffentlichung der Karikatur sowie der von Kollegen war 2005 als Provokation empfunden worden und hatten weltweit gewaltsame Proteste von Muslimen ausgelöst. Westergaard wird von radikalen Islamisten mit dem Tode bedroht und steht seit fünf Jahren unter Polizeischutz.

Herrn Westergaard ist freie Meinungsäußerung zuzugestehen. Die Reaktionen darauf offenbaren die gewaltbereite Haltung von fundamentalistisch-religiösen Islamisten. Aber seine Karikaturen beleidigen auch gemäßigte Moslems, so wie sicherlich auch Karikaturen des Papstes katholische Gläubige beleidigen würden.

Frau Merkel windet sich einmal wieder wie ein Aal, wenn sie sagt: „Egal, ob wir die Karikaturen geschmackvoll finden oder nicht, ob wir sie für nötig oder hilfreich halten – oder eben nicht.“ Dies widerspreche keinesfalls der Tatsache, dass Europa auch ein Ort sei, an dem Freiheit und Religion ein hohes Gut seien.

Sicherlich hat Freiheit nicht unbedingt etwas mit Geschmack zu tun, denn geschmackvoll sind diese Zeichnungen nicht. Karikaturen sind nun einmal überzeichnete Bilder, Zerrbilder, die es auf einen bestimmten Punkt absehen, der im Betrachter den Kontrast zur Realität, den Widerspruch aufzeigen soll. So sind Karikaturen in der Regel beleidigend.

Karikaturen können auch Öl sein, das ins Feuer gegossen wird. Westergaards Zeichnungen sind solches Öl und verursachten einen Flächenbrand, der bis heute nicht gelöscht ist. Ich frage mich deshalb, ob so etwas sein muss. Muss bewusst provoziert werden, nur um offen zu legen, dass die ‚Angesprochenen’ in dargestellter Weise gewalttätig sind? Darf ich riskieren, dass sich gemäßigte mit radikalen Kräften solidarisieren? UND: Muss man das dann noch auszeichnen – mit dem Verweis auf Freiheit?

Apropos Freiheit, Presse- und auch Rundfunkfreiheit. Gab es da nicht den Fall Nikolaus Brender, ehemals Chefredakteur des ZDF? Die hehren Worte von Freiheit aus Politikermund erweisen sich wie so oft als zwiespältig. Als es um die Vertragsverlängerung für Herrn Brender ging, nahm ein gewisser Roland Koch maßgeblich Einfluss auf das Geschehen, sodass sicherlich zurecht von parteipolitischer Einflussnahme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesprochen wurde – oder von parteipolitischen Seilschaften, die nach parteipolitischen Kriterien Journalistenposten bestimmen.

Zurück zur Preisverleihung: Frau Merkel verurteilte in diesem Zusammenhang die Ankündigung radikaler Christen in den USA, den Koran öffentlich zu verbrennen. „Das ist schlicht respektlos. Abstoßend – einfach falsch.“ Sie tut gut daran, das zu sagen, obwohl ich einen unmittelbaren Zusammenhang nicht erkennen kann, es sei denn, sie rügt hier falsch verstandene Freiheit. Nur soviel: Es macht wenig Sinn, Herrn Westergaard mit diesen so genannten Christen in einen Topf zu werfen.

Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden. Freiheit ist allein daher schon nicht grenzenlos. Sie gebietet Rücksichtnahme, wenn auch nicht faulen Kompromiss. Freiheit lässt sich nicht verbiegen oder bestimmten Situationen anpassen. Und Freiheit lässt sich nicht feiern, nicht so, Frau Merkel!

Liebe Amerikaner, verbrennt eure Kalorien – nicht den Koran!
Dear Americans, you need to burn Calories, not Quran

Altes „Neues“ von Jethro Tull (6)

Das Neueste gleich am Anfang: Ian Anderson macht auf „soziales Netzwerk“ und nutzt seit wenigen Tagen die Dienste von Twitter unter @jethrotull bzw. Facebook: Jethro Tull. Viel tut sich da noch nicht, ist ja auch noch jung. Ich bin gespannt, wie es da weitergeht (oder ob es sich schon bald als Todgeburt herausstellt).

Immer wieder stellen sich alte (natürlich auch junge) Tull-Fans die Frage, wann denn wieder einmal etwas Neues auf Tonträger von Jethro Tull auf den Markt kommt. Dazu müssten die Jungs nicht nur genügend Material zusammenbekommen, sondern auch einmal wieder ein Tonstudio von innen betrachten. Mein Ton verrät es sicherlich: Ich glaube eher an den Weihnachtsmann als …

In meinem schon längere Zeit zurückliegenden Beitrag Neues aus Ians Werkstatt? hatte ich von zwei Stücken berichtet, die neu sind: Tea with the Princess und Change of Horses. Inzwischen gibt es auch ein Video bei Youtube von einem weiteren neuen Stück: Hare In The Wine Cup. Ich traue mich nicht richtig, etwas dazu zu schreiben. Das Stück klingt folkig, gut geeignet für Altherrenabende bei einem guten Glas Wein (darf auch a wee drum of whisky sein) als Hintergrundsmusik. Schon etwas älter (das Stück, nicht die Herren) dürfte der Instrumentaltitel The Donkey and the Drum(mer) sein.

Aber genug gelästert. Mir und einigen anderen Tull-Fans bleibt immerhin genügend Videomaterial aus alten Tagen zur Betrachtung verfügbar – und dank YouTube kommt das eine oder andere Video in etwas besserer Qualität hinzu (und auch bisher Ungesehenes erfreut das Gemüt):

Jethro Tulls alte Kleider

JT: The Witches Promise (sieht nach Beat Club von Radio Bremen 1970 aus)
JT: Minstrel in the Gallery
JT: North Sea Oil & Old Ghosts (RockPop, 1980)
JT: Crossfire (RockPop, 1980)
JT: Requiem Live 1989

Ein absolut geiler optischer Schmackerl ist das folgende Video: Jethro Tull mit „Teacher“. Aufgenommen für den altehrwürdigen Beat-Club in Bremen 1970. Klar, es ist nur Playback (und die Version mit der Orgel), aber den Meister auf ’ner E-Gitarre (Gibson) klampfend sieht man nicht alle Tage.


Jethro Tull – Teacher (Beat Club, 1970)

Der Witzableiter (18): Den können Sie echt vergessen

Fortsetzung von: (17): Das Mitleid beim Eigentor

Nein, die Kolumne „Der Witzableiter“ von Eike Christian Hirsch, die 1984 im ZEITmagazin erschien, habe ich nicht vergessen. Nach fast fünf Monaten hier endlich der nächste Teil. Heute geht es u.a. um die Frage, warum wir Witze immer wieder vergessen. Hier eine Erklärung.

„Sagen Sie, was ist Chuzpe?“ „Das ist jiddisch und heißt Frechheit. Chuzpe ist es, wenn ein Mann, der verurteilt werden soll, weil er Vater und Mutter erschlagen hat, um ein mildes Urteil bittet, denn er sei schließlich Vollwaise.“

Auf deutsch gesagt, Frechheit siegt. Solch ein Erfolg löst in uns mal wieder recht gegensätzliche Gefühle aus, ich vermute: Empörung und Bewunderung zugleich. Der zum Tode Verurteilte wartet auf die Hinrichtung. Ein Priester kommt in seine Zelle. „Mann Gottes“, schreit der Delinquent, „was soll ich mich lange mit Ihnen abgeben, in einer Stunde stehe ich vor Ihrem Chef persönlich!“

Mal zwischendurch eine ganz andere Frage: Warum können Sie eigentlich keine Witze behalten? Das haben Sie sich wahrscheinlich auch schon mal gefragt. Heute werden Sie darauf vielleicht eine Antwort bekommen. Ob Sie diesen hier auch vergessen werden?

Der Student wird in Zoologie geprüft. Der Professor hat neben sich einen Vogelkäfig, der aber so zugedeckt ist, daß man nur die Krallen des Vogels sieht. „Was für ein Vogel ist das?“ will der Professor wissen. „Da muß ich schon mehr zu sehen bekommen“, sagt der Student. „Durchgefallen!“ donnert der Prüfer. Als der Student schon an der Tür steht, ruft der Professor: „Welcher von den Kandidaten sind Sie überhaupt?“ Da zieht der Student ein Hosenbein hoch und sagt: „Raten Sie mal.“

Ich glaube, in unseren Tagträumen sind wir oft solche Helden. Aber im Alltag haben wir Angst davor, so kühn zu sein. Da tritt unsere Abwehr auf den Plan, und wir sagen uns: „So darf man nicht sein. Das tut man nicht!“ Mit dieser Ambivalenz der Gefühle hören wir dann auch solche Witze, mit Bewunderung und Empörung. Der große Therapeut zum Patienten: „Als erstes muß ich Ihnen sagen, daß eine Konsultation bei mir hundert Mark kostet.“ „Ich weiß“, sagt der Patient resigniert. „Zweitens: Für dieses Honorar kann ich Ihnen nur zwei Fragen beantworten.“ „Hundert Mark für zwei Antworten – finden Sie das nicht etwas teuer?“ „Mag sein“, antwortet der Therapeut, „und wie lautet Ihre zweite Frage?“

Jeder gute Witz scheint (Sie erinnern sich) zwei gegensätzliche Gefühle in uns zu wecken. Meist sind es Lust und Angst. Hier handelt es sich, genauer gesagt, um Bewunderung und Empörung. „Verflucht“, schreit der Ehemann, „du küßt mich nur, wenn du Geld brauchst!“ „Na“, sagt sie, „ist das etwa nicht oft genug?“

Eigentlich antwortet man so nicht, obwohl wie es alle können möchten. Unsere Einsicht in diese Ambivalenz paßt gut zu einer Grundannahme der Psychoanalyse. Kaum eine Lehre Freuds hat sich so bestätigt wie die von den Abwehrmechanismen. Die treten in Aktion, wenn ein Wunsch in uns unterdrückt werden soll, weil seine Ausführung zu gefährlich wäre. Auf unser Beispiel angewendet: den Wunsch nach Frechheit (nach Chuzpe) unterdrücken wir, indem wir den Gegen-Impuls entwickeln, immer korrekt sein zu wollen. Was sich dieser Schüler leistet, lehnen wir daher ab (und bejubeln es heimlich): Der Lehrer hat einen Verdacht. „Oliver, du hast dieselben vierzehn Fehler im Diktat wie dein Nebenmann. Wie kannst du mir das erklären?“ Oliver überlegt und sagt dann: „Wir haben schließlich auch denselben Lehrer!“

Witzableiter (18)

Einer von Freuds Abwehrmechanismen ist sprichwörtlich geworden, nämlich das Verdrängen. Eine andere Art der Abwehr heißt Reaktionsbildung. Das ist unser Versuch, einen Wunsch, der uns Angst macht, dadurch abzublocken, daß wir ihm einen gegenteiligen Impuls entgegenstellen. Und genau in dieser Situation, so meine ich, trifft uns ein guter Witz – wenn er uns trifft.

Gast: „Sagen Sie mal, Herr Ober, ist das Schweinefleisch oder Kalbsfleisch?“ Ober: „Können Sie das denn nicht unterscheiden?“ Gast: „Nein.“ Ober: „Dann kann es Ihnen ja auch egal sein.“

Wenn wir die Lehre von den Abwehrmechanismen auf den Witz anwenden (das hat bisher noch niemand versucht), dann können wir sagen: ein Witz weckt in uns einen verdrängten Wunsch (z.B. den nach Chuzpe) und befriedigt zugleich unsere Abwehr, also den Gegen-Impuls (hier also den Wunsch, korrekt zu sein und nicht zu provozieren). Ja, auch der Gegen-Wunsch geht in Erfüllung, denn im Witz riskieren wir ja nichts, es passiert uns nichts, wir brauchen keine Angst zu haben.

Während der Aufführung der „Räuber“ unterhält sich ein Besucher ziemlich laut mit seiner Frau. Darüber beschwert sich sein Nachbar: „So seinen Sie doch endlich still, man kann ja kein Wort von der Bühne verstehen!“ Ein vernichtender Blick trifft ihn: „Ein gebildeter Mensch kennt die Räuber.“

Haben Sie, verehrte Leser, vielleicht auf ihre Reaktion geachtet? Es könnte sein, daß Sie zuerst einen kleinen Schrecken bekommen haben und sich dann doch heimlich auch über die verbotene Frechheit freuen konnten.

Der Bankräuber schiebt dem Kassierer einen Zettel zu: „Alles Geld in die Tasche packen. Aber dalli!“ Der Bankangestellte nimmt den Zettel, schreibt etwas auf die Rückseite und schiebt den Zettel wieder zurück. Der Räuber liest: „Binden Sie sich mal Ihren Schlips ordentlich. Sie werden nämlich gerade fotografiert.“

All diese Witze werden Sie wieder vergessen. Und nun wissen sie auch, warum das so ist. Weil die verbotenen Wünsche, die im Witz plötzlich wieder da sind, gleich wieder verdrängt werden müssen. Auch den hier können Sie echt vergessen:

Ein katholischer und ein evangelischer Geistlicher diskutieren über das Christentum. Endlich sagt der Katholik begütigend: „Wir dienen schließlich beide dem gleichen Herrn. Sie auf Ihre Weise – und ich auf seine.“

Eike Christian Hirsch – Der Witzableiter (Kolumne in 25 Teilen)
aus: ZEITmagazin – Nr. 45/1984

[Fortsetzung folgt]

Simon Dupree and The Big Sound featuring Reg Dwight

Geschichten gibt’s, die glaubt man fast nicht. Oder hat jemand gewusst, dass Elton John einmal mit den Brüdern Shulman zusammengespielt hat, die 1970 die Artrock-Gruppe „Gentle Giant“ gegründet hatten?

Auf der Heimfahrt von der Arbeit höre ich in diesen Tagen die alten Aufnahmen der Gruppe Gentle Giant, die von 1970 bis 1980 existierte. Neben Jethro Tull zählt für mich die Gruppe Gentle Giant zu den interessantesten Vertreter des Artrocks (obwohl ich diese Schublädchen wie Artrock oder Progessive Rock nicht so mag). Besonders die ersten Alben der Band haben es mir angetan. Leider wurde der Stil zunehmend geändert, um kommerzielle Erfolge zu erzielen, was dann aber nicht eintraf. So löste sich die Gruppe leider viel zu früh auf.

Gentle Giant sah ich als Vorgruppe von Jethro Tull Anfang 1972 zum ersten, leider auch zum letzten Mal live auf der Bühne. Die Gruppe zählt man zum britischen Artrock mit unverwechselbarem Klangbild. Einflüsse von Klassik, Blues, Jazz und Avantgarde prägten dabei den komplexen Sound. Viele Titel haben ihren Ursprung in europäischer Musiktradition und speziell in keltischer Musik. Ausgefallene Arrangements mit einem breiten Spektrum an Instrumenten und fantastische, mehrstimmige Gesangspassagen waren das Markenzeichen von Gentle Giant. Noch faszinierender als das Arsenal der Instrumente und Stilmittel war die strukturelle Dichte des Geschehens: Diese fünf Rocker hatten offenbar größten Spaß an Kontrapunkt und Polyphonie, gegenläufigen und mehrschichtigen Partituren, ungeraden Metren und ständigen Taktwechseln. „Es ist unser Ziel, die Grenzen der zeitgenössischen Popmusik zu erweitern – auch auf die Gefahr hin, damit sehr unpopulär zu sein.“

Inzwischen wurden die alten Alben der Gruppe als CDs neu aufgelegt, teilweise auch digital remastered, und sind wieder im Handel erhältlich: Gentle Giant

Wie viele andere Gruppen, die um die Jahre 1968-70 entstanden, so hat auch die Gruppe „Gentle Giant“ eine etwas anders geartete Vorgeschichte. In den 60er-Jahren spielten die Brüder Derek (*11.2.1947), Ray (* 3.12.1949) und der Saxofonist Phil Shulman (* 27.8.1937) in Gruppen, die sie „The Howling Wolves“ und dann „The Road Runners“ nannten. Daraus wurde dann Anfang 1966 die Gruppe Simon Dupree and the Big Sound, wobei sich Derek Shulman, der Sänger der Gruppe, Simon Dupree nannte. Die Gruppe spielte Rock and Roll und Motown und die Bandmitglieder wurden so auch die „blue-eyed soul brothers“ genannt. Für unsere Ohren war das typische 60er-Jahre-Musik. Interessantes Detail am Rande: Neben den Beatles und den Moody Blues war die Gruppe eine der ersten, die sowohl bei den Aufnahmen im Abbey Road Studios als auch auf der Bühne das Mellotron benutzten. Auch wenn der große Erfolg für Simon Dupree and the Big Sound ausblieb, so hatten sie zumindest 1967 einen Top Ten Hit in England, das Stück „Kites“


Simon Dupree and the Big Sound: Kites

Wenn der große Erfolg von Simon Dupree and the Big Sound auch ausblieb, so traten sie doch bei verschiedenen Veranstaltungen mit Größen wie Jimi Hendrix, The Beach Boys, den Walker Brothers und Cat Stevens auf. Und als man 1967 auf Tour durch Schottland ging, fiel wegen Krankheit der Keyboarder Eric Hine aus und musste ersetzt werden. Als Ersatz sprang so Reg Dwight – mit vollständigen Namen Reginald Kenneth Dwight – ein. Dieser Reg Dwight ist heute besser bekannt als Elton John. Elton John kam damals als Ersatz über eine Agentur zur Gruppe und bekam für die Auftritte 25 £ die Woche. Immerhin ist doch noch etwas für die Nachwelt hängen geblieben. Elton John aka Reg Dwight schrieb für die Band ein Lied und spielte auch das Klavier (Text übrigens von Bernie Taupin): ‚I’m Going Home‘, das allerdings damals nicht veröffentlicht wurde und erst im März 2004 auf den Markt kam (Part of My Past (1966-1969)). Außerdem spielte Elton John auf den Liedern ‚Laughing Boy From Nowhere‘ und ‚Give It All Back‘.

Wie ging es dann weiter? Frustriert von ihrer Popband “Simon Dupree And The Big Sound”, die 1967 mit „Kites“ in England wie bereits erwähnt einen Top Ten Hit hatte, gründeten 1968 die Brüder Shulman mit dem Drummer Martin Smith in Glasgow „Dynamics Of Gentle“. Die Shulman-Brüder haben diesen Hit übrigens gehasst. Bald darauf kamen Kerry Minnear (* 2.1.1948) und Gary Green (* 20.11.1950) hinzu. Als Gentle Giant strebten sie dann ab 1970 einen progressiven Art-Rock an.

Diverse Videos zu Simon Dupree and the Big Sound gibt es bei YouTube.

zu Gentle Giant siehe auch meine Beiträge:
Gentle Giant: The Advent of PanurgeGentle Giant live im Golders Green Hippodrome 1978Gentle Giant – An Inmate’s LullabyThree Friends – die (halbe) Gentle Giant Reunion

Alice im Wunderland

Alice im Wunderland ist ein erstmals 1865 erschienenes Kinderbuch des britischen Schriftstellers Lewis Carroll, das sich vorwiegend im englischen Sprachraum bis heute großer Beliebtheit erfreut, aber natürlich auch bei uns bekannt ist. Von diesem Buch (und der Fortsetzung Alice hinter den Spiegeln) gibt es inzwischen eine Vielzahl an Filmadaptionen – die neueste erschien Anfang des Jahres in der Regie von Tim Burton mit Johnny Depp und Helena Bonham Carter, die beide gewissermaßen zum Stammpersonal von Burtons Filmen gehören (u.a. 2005 in Charlie und die Schokoladenfabrik und 2007 Sweeney Todd) und verarbeitet beide Bücher: Alice im Wunderland. Seit Ende August kann man den Film auch als DVD Alice im Wunderland in den eigenen vier Wänden betrachten.


Alice im Wunderland – Offizieller Trailer

Mit der Kindheit scheint es für Alice Kingsley (Mia Wasikowska) vorbei zu sein: Familie und aristokratische Bekanntschaft erwarten eine euphorische Vermählung mit dem steif-versnobbten Geschäftsmann Hamish (Leo Bill). Wenn da nicht dieses wild mit einer Taschenuhr wedelnde Kaninchen (Stimme im Original: Michael Sheen) wäre! Kurzerhand setzt Alice Prioritäten, folgt dem sonderlichen Wesen durch den Schlossgarten – und purzelt durch den Kaninchenbau. Endlos fällt sie – und dann wird der Traum wahr. Mit großen Augen stapft Alice durch die bunt schimmernde Anderswelt. Doch etwas stimmt nicht: Die despotische Königin in Rot (Helena Bonham Carter) hat ihrer weißen Schwester (Anne Hathaway) die Krone gemopst und das Reich unterjocht. Die Prophezeiung der blauen Raupe Absolom (Stimme: Alan Rickman) ist unmissverständlich: Nur Alice kann ihr die Stirn bieten, den grausamen Drachen Jabberwocky (Stimme: Christopher Lee) bezwingen und Wunderland befreien. Gemeinsam mit einem verrückten Hutmacher (Johnny Depp) und einer mysteriösen Grinsekatze (Stimme: Stephen Fry) begibt sie sich auf eine abenteuerliche Reise…

aus: filmstarts.de

Alice im Wunderland ist wie „Charlie und die Schokoladenfabrik“ ein in manchmal quietschebunten Farben aufgenommener Film und besticht insgesamt durch eine eigene Ästhetik – man könnte sagen: Burton-like mit Gothic-Einschlag. Und ob Johnny Depp nun als verrückter Hutmacher überzeugt oder als Willy Wonka, den Schokoladenfabrikanten, bzw. als Sweeney Todd, den teuflischen Barbier aus der Fleet Street – ohne Depp scheint nichts bei Burton zu gehen. Besonders überzeugt hat mich aber Mia Wasikowska als Alice, die sich auf charmante Art sehr emanzipiert zeigt. Es gelingt ihr auf der Schwelle vom abenteuerlustigen Kind zur frühreifen Frau, eine Identifikationsfigur zu schaffen.

Natürlich ist es ein Märchenfilm, wenn auch nicht unbedingt für die Kleinen, dem sich auch jung gebliebene Erwachsene nicht entziehen können. Im Film werden Sprache und Identität zu Spielbällen zwischen Kinderphantasie und LSD-Trip (daher die vielen seltsamen Getränke und auch die Pilze auf den Wiesen?). Es sind aber besonders die kleinen Augenblicke geistreicher und mit Verve gespielter Carroll-Interpretation, die „Alice im Wunderland“ über weite Passagen äußerst unterhaltsam halten. Geistreicher Nonsens vielleicht, bunte Ästhetik mit Sicherheit – wer das mag, dem kann ich den Film nur empfehlen.

Es stellt sich besonders hier die Frage (wie aber bei jeder Literaturverfilmung), ob die bunten Bilder der Leinwand oder des Bildschirms die Bilder, die im Kopf des Lesers entstehen, nicht übertünchen. Man sollte beides sicherlich separat sehen: das Lesen eines Buchs als sehr persönliches Erlebnis und die Filmadaption als Interpretation eines anderen. Allein der Vergleich ist Diskussionsstoff genug.

Daher der Name Bratkartoffel (2)

Neulich bekam ich folgende Mail:

Zum Thema Worterfindungen (Neologismen) hätte ich einen Vorschlag, worüber sich bloggen ließe:

Schauen Sie einmal auf www.ideesamkeit.de – dort gibt es ein ganzes Mitmachwörterbuch der Worterfindungen. Einige Wortbeispiele und Beschreibungen finden Sie unter hier.

Einfach mal reinkucken. Daran, dass die Neuwörter keine Eintagsfliegen bleiben, wird noch gearbeitet ;-).

Auf den ersten Blick finden sich hier Wortschöpfungen, die Begriffe, die sich bei uns aus anderen Sprachen ((z.B. aus dem Englischen) ‚festgesetzt’ haben, verdeutschlichen (um auch einmal eine Worterfindung zu kreieren, ’tschuldigung, zu erschaffen). Vieles ist dabei äußerst gewöhnungsbedürftig und wird kaum Chancen haben, sich in die deutsche Sprache ‚hineinzuschleichen’ (Ideesamkeit steht übrigens für Kreativität).

Was hat das mit meinem Thema zu tun, in dem es um Redensarten resp. Redewendungen geht? Es geht mir um den Volksmund, um den „volkstümlichen Sprachgebrauch“, wie man es heute eher nennt. Dabei stammt der Begriff ‚Volksmund’ … aus Volkes Mund.

Viele Redensarten stammen aus dem Volksmund und werden von Generation zu Generation weitergegeben – meist natürlich auf mündlichem Wege. So gibt es ‚Sprüche’, die ich von meinem Vater kenne – und die teilweise auch schon meine Söhne verwenden. Heute, im Zeitalter der schriftlichen Fixierung (sollte ich es ‚Festhaltung’ nennen?) wie z.B. auch in einem Blog wie diesem, fließen Redensarten und Redewendungen natürlich auch in Texte u.ä. ein. Die Literatur bedient sich ihrer (z.B. Martin Walser), es werden Nachschlagewerke mit ihnen geschaffen oder sie bedecken als Kritzeleien Mauern und Wände.

Viele dieser Redensarten sind nicht jedermanns Sache. Mein Vater prägte hierfür den Begriff „Scheißhausspruch“, was auf die Herkunft solcher Sprüche hindeuten sollte. Wer kennt sie nicht diese oftmals auch obszönen Sudeleien in öffentlichen Bedürfnisanstalten. So weit ging mein Vater zwar nicht, meinte aber einen vermeintlich dummen Spruch mit solchen in Beziehung zu setzen.

Aber zurück zum Thema – und gleich eine weitere Exkursion: Natürlich gibt es auch in anderen Sprachen Redewendungen, die sehr plastisch wirken. Eine Sammlung solcher Sprüche und deren Übersetzung ins Deutsche wäre äußerst interessant, weil sie aufzeigen würde, wie unterschiedlich bestimmte Situationen, Eigenschaften und dergl. betrachtet werden. Ich habe einige solche bereits im ersten Teil meiner Betrachtungen erwähnt. Nun gibt es von der Rockgruppe Jethro Tull ein gut 40-minütiges Stück in Form einer Suite mit dem Titel „Thick as a Brick“ (Teil 1 bzw. Teil 2 der Konzertfassung im Video). Wörtlich übersetzt bedeutet Thick as a Brick „Dick wie ein Ziegelstein“. Die korrekte Bedeutung dieses umgangssprachlichen Ausdrucks ist jedoch „Dumm wie Bohnenstroh“ oder schlicht „saublöd“. Der Begriff stammt wohl aus dem Norden Englands (der Komponist und Texter des Stücks, Ian Anderson, verbrachte seine jungen Jahre in Blackpool) und ist selbst im Englischen nicht überall geläufig, da eben regional gebraucht.

Um den Kreis zu schließen: Redensarten entstehen (und vergehen sicherlich auch). Wird ein besonders prägnantes ‚Bild’ erdacht, so breitet es ich schnell „wie ein Lauffeuer“ aus – erst räumlich, dann über Generationen auch zeitlich. Natürlich werden auch heute Redensarten „erfunden“ und finden sich z.B. als Szenesprache wieder. Und vielleicht bürgert sich eines Tages auch die Ideesamkeit als Synonym für Kreativität in unserem Sprachgebrauch ein.

siehe auch: Daher der Name Bratkartoffel (1)