Schießwut und Waffenwahn

Nach dem Amoklauf in Winnenden mag man wieder einmal über Verschärfungen des Waffenrechts plaudern. Für mich stellt sich einfach nur die Frage, wie es möglich ist, dass sich Millionen von Gewehren und Pistolen, also Handfeuerwaffen aller Art, in privaten deutschen Haushalten befinden. Da haben wir geradezu amerikanische Verhältnisse. So ist es für mich kein Wunder, wenn sich in Deutschland auch die Amokläufe häufen. Amok ist längst kein amerikanisches Phänomen mehr. Zwischen beiden, Häufigkeit der Amokläufe und Anzahl der Waffen, sehe ich durchaus einen Zusammenhang. Auch der Amokschütze aus Winnenden bediente sich aus einem reichhaltigen Arsenal.

Und ich frage mich daher, was eigentlich die Faszination von Schusswaffen ausmacht? Vielleicht kann mir da jemand helfen. Ich verstehe das nicht. Gewinnt man dadurch Macht oder bekommt Lustgefühle, wenn man ein solches kaltes Eisen in Händen hält?

Es ist schwer nachzuvollziehen, was einen jungen Menschen veranlasst, eine Tat wie den Amoklauf in Winnenden zu begehen. Es müssen mehrere Dinge zusammentreffen, die eine solche Handlung auslösen. Die Beschäftigung mit Computerspielen wie Counter Strike und ähnlicher Baller-Spiele und das Sehen von Horrorfilmen allein dürfte dazu kaum genügen. Dann wäre jeder zweite Jugendlichen ein potenzieller Amokschütze.

Ein wesentlicher Punkt ist wohl der völlige Verlust des Bezugs zu realen Umwelt. Solche Täter schotten sich vor der Tat meist mehr und mehr von ihrer Umgebung ab. Im stillen Kämmerlein steigern sie sich in unwirkliche Gewaltszenarien, die sie dann real werden lassen. Psychologen werden die Mechanismen, die eine solche Bluttat auslösen, genauer erklären können.

Für mich ist die Reaktion erschreckend, die Sportschützen und Waffenindustrie zeigen. Sportschützen fühlen sich angesichts der Diskussion ums Waffenrecht „zu Unrecht in die Ecke gedrängt“. Und auf der weltweit größten Fachmesse für Schusswaffen, der IWA in Nürnberg, die ausgerechnet in diesen Tagen stattfindet, herrscht Business as usual. „Das hier ist eine ganz normale Waffenmesse“, sagte der Besitzer eines Waffengeschäftes. Wenn diskutiert wird, dann nur über die Frage, wie eine möglichst risikofreie Unterbringung der Schusswaffen gewährleistet ist, um den gesetzlichen Vorschriften endlich gerecht zu werden. Warum aber überhaupt Waffen in dieser großen Anzahl vorhanden sein müssen, darüber macht sich keiner Gedanken. Und: Woher leitet sich eigentlich ein Recht auf Waffenbesitz ab?

Wenn man den millionenfachen Waffenbesitz nicht in Frage stellt, dann nützt auch die erneute Wertedebatte wenig. Sicherlich ist es wichtig, den Jugendlichen Werte wie Toleranz, Höflichkeit, Fleiß und Disziplin zu vermitteln. Auch sind die Eltern in die Pflicht zu nehmen. Manchen Eltern fehlt die ausreichende Kompetenz oder die Bereitschaft zur Erziehung ihrer Kinder. Wenn die Union nun den Ausbau der Familien-Beratung vom Kindergarten an fördern will, dann ist das aber viel zu wenig.

Zurück zu Schießwut und Waffenwahn vieler Deutscher: Sicherlich haben Schützenvereine in Deutschland eine lange Tradition. Ich lebe auf dem Lande und natürlich hat auch mein Wohnort einen Schützenverein. Wenn man nun bei diesen Schützenfesten sieht, wie die ‚Schützen’ in ihren Phantasieuniformen angetrunken dahertorkeln, diese oft genug im Suff in der Gegend herumballern, dann fragt man sich spätestens, was das Ganze soll. ‚Vorbilder’ sind solche Scharfschützen bestimmt nicht. Tradition hin, Tradition her – Schützenvereine sind für mich nicht mehr zeitgemäß. Oder sie sollten auch ohne Schusswaffen auskommen können.

Blättert man in der einzigsten regionalen Tageszeitung bei uns vor Ort, dann gewinnt man in manchen Zeiten den Eindruck, dass die Aktivitäten der hiesigen Schützenvereine von außergewöhnlicher Wichtigkeit sein müssen. Mich interessiert das aber nur einen feuchten Kehricht.

Es kann nicht nur um eine allgemeine Verschärfung des Waffenrechts und dabei z.B. um schärfere Kontrollen der Waffen in Privatbesitz gehen, es geht vielmehr darum, den Waffenbesitz insgesamt drastisch einzuschränken. Nicht jeder Hans und Franz sollte zu Hause ein ganze Waffenarsenal ansammeln dürfen.

Eigentlich wollte ich diesen Beitrag Schießen ist Scheiße betiteln. Ich weiß nicht, ob beide Wörter die gleiche Etymologie, also Wortherkunft, haben. Denkbar wäre es aber.

siehe auch meine Beiträge: AmokMassaker & Amoklauf

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

12 Gedanken zu „Schießwut und Waffenwahn

  1. Hallo Wilfried,

    zur Faszination von Waffen kann ich etwas beitragen.
    Ich selber würde mich als gemäßigten Pazifisten bezeichnen; trotzdem kann ich die Begeisterung, die einige Menschen für Handfeuerwaffen aufbringen, nachvollziehen.
    Aus meiner Sicht besteht diese Faszination aus mehreren Komponenten.
    Zum einen ist es die Ästhetik einer Handfeuerwaffe. Ja, Du hast richtig gelesen, Ästhetik.
    Pistole, Revolver, Büchse und Flinte sind an den menschlichen Körper angepasst. Glänzender Stahl und poliertes Holz erfreuen das Auge und liegen gut in der Hand.
    Weiterhin sind moderne Schießprügel Meisterwerke der Mechanik. Auch dafür können sich viele Menschen begeistern.
    Die dritte Komponente erscheint mir die Wichtigste; Du hast es schon angedeutet, es ist das Machtgefühl.
    Eine geladene Waffe macht aus einem Kümmerling eine Respektsperson. Macht den Verlierer zum Sieger. Sie verleiht ein Gefühl der Sicherheit, der Überlegenheit. Selbst wenn ich nie damit schieße, bekomme ich allein durch den Besitz der Waffe Beachtung und Aufmerksamkeit.

    Alle drei Komponenten kann ich nachvollziehen. Bei mir ist es zum Glück so, dass ich meine Bewunderung nicht durch den Kauf einer Schusswaffe ausdrücken muss. Wenn mich die Begeisterung für glänzendes Metall übermannt, schaue ich mir ein schönes Fahrrad oder im Baumarkt ein Regal mit Werkzeugen an.
    Will ich der Mechanikerkunst frönen, so leistet eine automatische Armbanduhr wunderbare Dienste.
    Nur für den Machtzuwachs habe ich noch kein friedliches Pendant gefunden. Es geht aber auch ohne.

    Vielleicht möchtest Du das Thema ein wenig vertiefen. Du weißt, wo Du mich findest.

    Viele Grüße
    Lockwood

    1. Hallo Lockwood,

      wie schön, dass Du Dich auch mit Fahrrädern und Uhren zufrieden gibst. Ich selbst interessiere mich für Mechanik bzw. Technik eigentlich nur am Rande. Auch Ästhetik im Zusammenhang mit diesen ist für mich eher zweitrangig. Wichtig ist für mich der Gebrauchswert, d.h. es muss funktionieren und damit seinen Zweck erfüllen.

      Da ich meine psychische Konstitution für halbwegs gefestigt halte, ich weder Kümmerling noch Respektsperson bin bzw. sein möchte, brauche ich also keine Handfeuerwaffen. Und wenn mir doch einmal der Kragen platzt, dann habe ich ja Kinder, die ich zusammenstauchen kann. Gelingt mir leider nicht immer!

      Nein, mit Schusswaffen, welcher Art auch immer, habe ich nichts im Sinn. Und alle, die damit meinen, in der Weltgeschichte herumballern zu müssen, sind für mich armseelige Kleingeister.

      Aber leiden lassen sie sich nicht aus der Welt schaffen: ich meine Waffen und Kleingeister.

      Gruß
      Wilfried

  2. Ich halte auch die Diskussion ueber Schusswaffenbesitz fuer eine Nebelkerze, die lediglich Symptome thematisiert.

    „Guns don’t kill people – people do“ ist ein beliebter Slogan der Waffenlobby; und selbst wenn an diesem Spruch einiges an berechtigter Kritik zu ueben ist – sei es meinetwegen auch nur, dass Waffen vielleicht nicht toeten, dafuer das Toeten aber sehr vereinfachen – im Kern steckt da viel Wahrheit.

    Hand aufs Herz: wer tatsaechlich Amok laufen will, der wird das auch tun. Ob jetzt mit Sprengstoff, Maschinengewehr, Sportarmbrust, Katana oder Kochmesser. Und fuer die Hinterbliebenen und Opfer wird es ein schwacher Trost sein, dass aufgrund strengerer Waffengesetze meinetwegen nur 5 statt 50 Leben zerstoert wurden.

    Darum sollten wir uns lieber fuer die Motivation der Taeter interessieren, als fuer ihre Werkzeuge.

    1. Mich interessiert natürlich auch die Motivation des oder der Täter. Dabei spielt die Handhabung mit Waffen nach meiner Meinung durchaus eine Rolle. Ich meine das in Hinsicht auf unsere Gesellschaft, z.B. welche Akzeptanz findet der Waffenbesitz. Wenn es selbstverständlich wird, dass fast jeder eine Knarre zu Hause hat, dann wird auch die Hemmschwelle, diese zu benutzen, kleiner. Aber natürlich ist das nur ein Aspekt von vielen. Da mag Mobbing usw. in der Schule (überhaupt in der Gesellschaft) eine Rolle spielen. Dann sind es Eltern und/oder Lehrer, die mit den falschen Erziehungsmethoden zu Werke gehen (oder mit keinen). Und wenn EINER (meist eben männlich) zum Amokläufer wird, dann wird dieser nicht gerade psychisch gesund sein.

  3. Die Motivation des Amokläufers. Ich fürchte, hier werden die Experten noch viel zu forschen haben. Natürlich erzeugt unsere moderne Leistungsgesellschaft Druck, der sich irgendwie kanalisieren muss. Aber ist das der einzig wahre Grund ?
    Ich denke, in früheren Zeiten wurde auf viele Gruppen der Gesellschaft weit höherer Druck ausgeübt als das heute der Fall ist. Warum ist im Warschauer Ghetto niemand Amok gelaufen ? Warum hört man davon nichts aus den Slums von Kalkutta ? Die Menschen dort hatten und haben doch ein mindestens genau so großes Entladungspotential wie ein frustrierter Teenager aus Mitteleuropa.
    Möglicherweise sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht, aber für mich liegen die Gründe für den Amoklauf nicht auf der Hand.
    Zum Schluss die Gretchenfrage: Welcher Erwachsene wurde noch nicht von infantilen Allmachtsphantasien geplagt ? Wer von uns hat sich noch nicht vorgestellt, Herrn X den Hals umzudrehen oder Frau Y auf den Mond zu schießen ?
    „In jedem von uns steckt ein Mörder“, heißt es. Man muss nur lange genug gereizt werden. Vielleicht gilt das auch für den Amoklauf. Wurden die Amokläufer länger gereizt als andere ? Oder hatten sie weniger entgegenzusetzen ? Keine Ahnung.
    Wenn wir alle potentielle Amokläufer sind, sind wir gleichzeitig auch potentielle Opfer von Amokläufern. Hoffen wir, dass die Ursachen bald erforscht und abgestellt werden.

    Viele Grüße
    Lockwood

  4. „Wenn es selbstverständlich wird, dass fast jeder eine Knarre zu Hause hat, dann wird auch die Hemmschwelle, diese zu benutzen, kleiner.“
    Hab ich nochmal zitiert, weil ich mich nur auf diese Aussage beziehen moechte; die halte ich naemlich fuer falsch, oder zumindest nicht ganz richtig.
    In der Schweiz beispielsweise ist es ziemlich normal, sein Sturmgewehr zu Hause zu haben. Dennoch kann man jetzt nicht behaupten, dass die Schweizer ueberdurchschnittlich oft¹ Amok laufen oder ihre Nachbarn erschiessen.

    Auch wenn es pathetisch klingt: von der totalen Barbarei trennt uns nur eine duenne Schicht Sozialisation. Meinetwegen noch bis zu einem gewissen Grad unsere Sicherheitsbehoerden, die koennen oder wollen aber auch erst eingreifen wenn das Kind im Prinzip bereits ueber die Brunnenkante kippt. („Zuerst muss etwas strafbares passiert sein, Herr Unterdosis²“)
    Wenn diese duenne Schicht angekratzt wird, dann kann jeder zum Amoklaeufer werden; man braucht nur den entsprechenden Leidensdruck. Wenn ich beispielsweise taeglich vorbeikaeme um ihre Soehne zu foltern, und Sie eine Waffe haetten, was wuerden Sie tun? Die Polizei rufen oder mich – selbstverstaendlich im Affekt – erschiessen?

    Natuerlich moechte ich lieber davon ausgehen koennen, dass ein potentieller Amoklaeufer keine 3 Sturmgewehre legal zu Hause rumstehen haben kann. Ich gebe mich da allerdings keinen Illusionen hin, im Zweifelsfall stehen da trotzdem 3 Sturmgewehre, nur eben illegal³. Aber toeten tun die trotzdem.

    ¹http://www.wsws.org/de/2001/okt2001/zug-o05.shtml
    ²Antwort des Polizeibeamten, als der Autor einen Stalker zur Anzeige bringen wollte, der seiner Freundin ueber ein halbes Jahr nachstellte; und JA, der sog. „Stalker-Paragraph“ war bereits eingefuehrt.
    ³http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/print/0010433

  5. Hallo Lockwood,

    es ist ja nicht so, dass wir keine Erkenntnisse über die Ursachen haben, die einen Menschen zum Amokläufer machen. Diese Erkenntnisse müssen nur umgesetzt werden.

    Eine dieser Erkenntnisse ist die Tatsache, dass jeder Mensch irgendwann Allmachts- oder Gewaltphantasien entwickelt. Ich spreche mich gar nicht frei davon. Diese beziehen sich dann aber immer auf einen konkreten Sachverhalt (der Chef nervt, also könnte man ihn würgen usw.). Die Frage hierbei: Warum setzen wir die Phantasie nicht in die Tat um? Einmal, weil wir schlau genug sind, die Strafe zu fürchten, d.h. die Verhältnismäßigkeit zwischen Tun und daraus resultierender Folge stimmt nicht. Dann, weil wir in der Lage sind, andere Mittel zum Einsatz kommen zu lassen (ein bisschen Spott tut es auch: Nicht wahr, Herr Chef!). Wer unter Druck gerät, versucht, den Druck auf eine vernünftige Weise auszugleichen.

    Lockwood, Du schreibst von einem „frustrierten Teenager“. Irgendwie sind alle Teenager, also Schüler, frustriert. Wer geht schon gern zur Schule?! Es muss also schon mehr sein als der tägliche Schulstress, der einen Jugendlichen zum Massenmörder werden lässt.

    Ein Aspekt: Amokschützen waren (fast) immer unauffällige Menschen. Daraus lässt sich schließen, dass sie ihren ganzen Frust in sich hineingefressen haben. Ich gehe dabei auch davon aus, dass viele von ihnen lange Zeit Opfer von Mobbing usw. waren. Wenn sich solche Menschen zunehmend zurückziehen, vielleicht auch noch mit Gewalt verherrlichenden Videos und/oder Computerspielen in Berührung kommen, dann wird sich in ihnen schnell ein unkontrollierbarer Hass (auch Selbsthass) aufbauen. Sie fühlen sich aus jeglicher Gesellschaft ausgeschlossen (meist sind sie es aber, die sich ausschließen).

    Wer sich so von seiner Umwelt abschottet, verliert mit der Zeit den Bezug zur Wirklichkeit. Die Gewaltphantasien beziehen sich dann nicht mehr auf konkrete Sachverhalte, sondern werden allgemein gültig. Wenn denn auch noch die Werkzeuge für einen Amoklauf griffbereit zur Verfügung stehen, ist es von der reinen Phantasie bis zur Tat nicht mehr allzu weit. Und noch eines: Amokläufer sind immer auch Selbstmörder.

    Bei der Tat von Winnenden ist mir aufgefallen, dass wohl viele Frauen und Mädchen unter den Opfern sind. Das ist bestimmt nicht rein zufällig.

    Noch einmal zu meinem Beitrag: Ich habe mich dabei eines Aspektes angenommen, der nach meiner Meinung möglichst gern unter den Teppich gekehrt werden soll. Natürlich pocht man auf die Einhaltung des Waffenrechts (oder fordert gar dessen Verschärfung). Aber niemand denkt ernsthaft darüber nach, den Waffenbesitz generell massiv einzuschränken. Wenn ich nicht gerade die vergoldeten Teelöffel meiner Großmutter gestohlen habe, dann kann ich mich mit Waffen eindecken bis zum Abwinken.

    Genug. Man schreibt sich.
    Wilfried

  6. Hallo Herr Unterdosis,

    Das Problem ist, diskutieren wir ganz allgemein oder auf den Fall Winnenden bezogen? Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, das sich der dortige Täter vielleicht auf andere Art und Weise eine Schusswaffe besorgt hätte … Nur er brauchte das nicht: Waffe und reichlich Munition war vorhanden; er brauchte nur noch zuzugreifen.

    Und. Wir müssen gar nicht erst in die Schweiz – in deutschen Haushalten lagert ein Waffenarsenal, mit dem man ganze Völkerstämme ausrotten könnte.

    Ich denke: wir sind uns alle hier einig: Zum Amokläufer wird man nicht dadurch, dass man einen Horrorfilm a la Hostel, Saw oder wie dieser ganze Mist heißt, gesehen hat. Und wenn mir einer auf die Füße tritt, dann beginne ich auch nicht, in der Gegend herumzuballern. Es sind immer viele Gründe, die zu einer solch anscheinend „unfassbaren“ Tat führen. Zumindest in Falle Winnenden.

    Etwas zu „von der totalen Barbarei trennt uns nur eine duenne Schicht Sozialisation“. Auch wenn ich den Menschen für ein vernunftbegabtes Wesen halte: Ich muss Ihnen hier zustimmen. Wir rümpfen gern die Nase, wenn wie hören, wie in anscheinend zivilisierten Ländern (Ex-Jugoslawien, Kaukasus) Menschen zu Bestien wurden, dabei Kinder und alte Menschen ermorden und Frauen vergewaltigen, wenn der Ausnahmezustand (sic!), z.B. Krieg herrscht. Ich fürchte nur, dass es bei uns nicht anders wäre, wenn nur einmal die genannt dünne Schicht angekratzt ist. Viele würden ihre netten Nachbarn nicht wieder erkennen. Auch ein Grund mehr, nicht jedem Hans und Franz Waffen, zumindest legal, in die Hand zu geben.

  7. Hallo Wilfried,

    18.03., ca. 21:00 Uhr. Gerade höre ich im Radio von einem weiteren Amoklauf. Eines der Motive scheint der Nachahmungseffekt zu sein.
    Aber ganz im Ernst: Wenn ein (vielleicht eingebildet) gepeinigter Mensch (hier: Mann) über einen Amoklauf nachdenkt, spielt dann die Verfügbarkeit von Schußwaffen bei seiner Entscheidung eine Rolle ? Unbestritten wird der Amoklauf besonders effektiv ausfallen, wenn ich einen gefüllten Waffenschrank im Haus habe. Habe ich das nicht, muss ich nach anderen „Werkzeugen“ meiner Rache suchen. Dass es ein Racheakt ist, ist wohl unbestritten.
    Spielen wir das am Beispiel Lockwood mal gedanklich durch. Ich bin wütend auf meine Vorgesetzten, Kollegen, Nachbarn, Regierung, Kirchenvorstand, was auch immer. Und das seit Jahren. Jetzt bekomme ich einen letzten Impuls, den berühmten Tropfen, die Initialzündung. Mir reicht’s ! Ich werde der Welt zeigen, dass sie so nicht mit mir umgehen kann ! Ich setze ein Fanal ! Die werden sich noch wundern !
    So oder so ähnlich. Die Entscheidung ist gefallen, jetzt geht es um das Handling. Schußwaffen stehen mir nicht zur Verfügung. Aber Messer. Eine Axt. Ein Beil. In einem Kindergarten könnte ich damit ganz schön wüten. In einer Schule nicht ganz so viel. In einem Supermarkt noch weniger. Zu schnell würde man mich überwältigen. Aber halt, mein großer PKW wiegt fast zwei Tonnen. Wenn ich damit in eine Menschenansammlung fahre… Ich könnte sogar in ein Gebäude krachen. Mit vielen Menschen im Parterre. Also wieder Schule oder Kindergarten.
    Oder: Ich könnte aus Leuchtstoffröhren, Eisenschrott, Nägel usw. primitive Granaten basteln. Das Rezept für Schießpulver gibt’s im Netz.
    Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass, wenn es darum geht, anderen Menschen zu schaden, der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind.
    Man wird es wohl nie beweisen können, aber ich behaupte, durch ein Verbot von Schußwaffen wird es nicht einen Amoklauf weniger geben. Wie schon einer meiner Vorredner sagte, sollte man versuchen, die Ursachen zu bekämpfen, nicht die Werkzeuge. Denn davon gibt es zu viele. Wenn ich einem Folterknecht die Daumenschrauben abnehme und er mich statt dessen auf die Streckbank spannt, habe ich nicht viel gewonnen.
    Wir sind in der glücklichen Lage, einigermaßen objektiv über dieses Thema reden zu können. In unseren Familien gab es weder Amokläufer noch deren Opfer. Wäre es anders, würde ich sehr wahrscheinlich zu ganz anderen Schlüssen kommen.
    Ich bin grundsätzlich gegen staatliche Verbote. Egal ob Waffen oder Zigaretten. Wenn aber die Eltern eines Amokopfers sich für ein generellen Waffenverbot aussprechen, habe ich dafür vollstes Verständnis.

    Es bleibt schwierig.
    Lockwood

  8. Hallo WilliZ,

    mein Ansatz ist ein eher allgemeiner. Verbote koennen meiner Meinung nach nur eines wirklich schaffen: Probleme in den Untergrund verdraengen. Dass im Fall Tim K. Fehler gemacht wurden bzw. der Zugang zu Waffen zu leicht gemacht wurde – geschenkt, bin ich vollkommen auf ihrer Seite. Hab eigentlich gedacht, diesen Punkt haette man aus meinem Geschreibsel entnehmen koennen.

    Um meine Meinung mal zusammenzufassen, auch wenn mir das bei einem derart komplexen Thema schwerfaellt (und vermutlich nicht nur mir):
    keiner wird zum Amoklaeufer, weil die Gelegenheit halt gerade guenstig ist. Da muss vorher einiges passiert sein; und darauf sollten wir unser Augenmerk richten, nicht auf irgendwelche Hobbies, merkwuerdige Kleidung oder einen bestimmten Geschmack bei Musik / Filmen / Spielen.

  9. Natürlich hat der Vater von Tim so ziemlich alles falsch gemacht was man als Sportschütze falsch machen kann. Waffe und Munition zugriffsbereit aufzubewahren ist leichtsinnig und unverantwortlich. Nicht ohne Grund befürworten Sportschützen regelmäßige Kontrollen. Wir sind aber nicht bereit nach jedem Amoklauf irgendeines Geistesgestörten weiteren unsinnigen Einschränkungen unserer Sportart zuzustimmen nur um in der Öffentlichkeit gut dazustehen. Das wäre reiner Populismus.

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