Eine Weihnachtsgeschichte (zuviel)

Mit Beginn dieser Woche beginnt nun auch ‚offiziell‘ die Weihnachts- bzw. Vorweihnachtszeit. Alles Volkstraurige, Gebüße und Totsonntägliche haben wir hinter uns gelassen, um verstärkt an Weihnachtsgeschenke zu denken, Kekse zu backen (die zu Weihnachten oder danach, da gehärtet, ungenießbar sein werden) und alles in Weihrauch- und Kerzengestank zu ertränken.

Es muss die Zeit vor dreißig und mehr Jahren gewesen sein, als ich folgende Weihnachtsgeschichte zu Papier brachte (an elektronische Medien war noch nicht zu denken), also die Zeit (eher kurz darauf), in der ich mit meinem Kumpel Graue den ‚Idioten‘ (eine unnütze, wenig gelesene Schülerzeitschrift) herausbrachte. Alle Besinnlichkeit ignorierend hier mein spätpubertäres Machwerk:

Es begab sich zu der Zeit – Schnee fiel aus allen Wolken, Herr Schnee mit der tropfenden Rotznase -, dass sich eine Menge von Mensch vorwärts schob, um noch schnell eine Packung bestimmten Inhalts, worauf wir später zu geeigneter Zeit zurückkommen werden, zu erwerben: Die nahenden Feiertage sollten Späßchen bringen! Herr Schnee nun war angeekelt, dass man solch besinnliche Feiertage vor Augen zu diesen Schweinereien bereit sei, wo Kerzenlichter glühen und der Wein auf dem Herd – brrr!

Aber die Menge Mensch grinste nur verächtlich, war ihm alles egal, sogar scheißegal, dass er auf das alles pfiff: Herr Schnee rückte endlich mit der Packung heraus, unser ‚Held’ bezahlte und warf die Tür in den dazugehörenden Rahmen, dass im Widerhall des dadurch entstandenen Knalls ein dicker Tropfen von Herrn Schnees Nasenspitze auf den Ladentresen platschte. Die Stimmung war dahin, auch war es Zeit: Herr Schnee verschloss die Türe und begab sich ins Hinterstübchen, wo bereits der Tannenbaum in Flammen stand. Er holte sein Männlein aus der Hose, schon lange plagte ihn ein großer Druck, und in einem Bogen, der im Schein des brennenden Bäumleins in allen Spektralfarben schimmerte, ergoss sich die Flüssigkeit. Bald war das Feuer gelöscht, Herr Schnee ermattet … Durch sein Prostataleiden musste er stark drücken. Stöhnend sank er in einen ledernen Klubsessel und schlief augenblicklich ein.

    Welche Freude: ein brennender Weihnachtsbaum

Die Menge Mensch, der wir langsam einen Namen geben wollen, vielleicht wäre Kunibert ideal, nun, Kunibert begab sich auf schnellstem Weg in seine Wohnung. Dort zog er die käuflich erworbene Packung, die er auf dem Nachhauseweg in seiner linken Manteltasche verstaut hatte, aus dieser mit der rechten Hand heraus, legte sie auf den Tisch und grinste sich einen: Das wird ein Späßchen werden!

Aber noch war es nicht an der Zeit, noch gab es anderes zu tun. Kunibert ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank und holte einen Dreierpack Dosenbier heraus, riss die Packung auf, um gleich eines der Biere auf den Kopf zu stellen, die restlichen Dosen warf er in den Kühlschrank zurück, der unter einem Fußtritt Kuniberts ächzend ins Schloss fiel. Kunibert nahm die Dose, schüttelte sie kräftig, um darauf den Öffnungsring herunterzureißen, dass das Bier aus der Dose schoss. Schnell hielt er den Daumen auf die Öffnung, das Bier sprühte in feinen Spritzern an die Decke, wo sich bereits ein dicker bräunlich-gelber Fleck befand. In großen Tropfen sammelte sich das Bier und kleckerte in einem gleichbleibenden Takt auf Kunibert hernieder: So ein Duschbad tut wahrlich gut!

Das bevorstehende Weihnachtsfest konnte selbst Kunibert nicht ganz ignorieren. Für ihn verband es sich mit einer jahrelangen Tradition, die darin bestand, etwas zu tun, was andere nicht tun, ja, was selbst er das ganze übrige Jahr über nicht tat. Letztes Jahr sprang er aus dem Fenster. Da er sich dabei allerdings den rechten Fuß brach, den Kopf erschütterte und drei Zähne herausbrach, hielt es das zu diese Weihnacht nicht gerade für vorteilhaft. So entschied er sich nach seinem Duschbad dafür, ‚einen draufzumachen’, hatte er dies das ganze Jahr nicht mehr veranstaltet. So zog er seinen dafür speziell angefertigten Anzug an, den blauen mit den Auspolsterungen an Knien und Ellenbogen, wischte mit einem feuchten Tuch seine verstaubte Melone aus, streifte die wollenen Handschuhe über und zog los. Zuerst trank er in der Eckkneipe ein Bier. Ohne zu zahlen entwich er durchs Klofenster und ging weiter in Richtung Innenstadt. Einer ältlichen Frau zog er den Hut über die Ohren, einem Blinden stahl er den Blindenhund und band diesen an die Pforte einer Kirche, wo der Hund kläffend nach den Besuchern der weihnachtlichen Christmesse schnappte, einem Kind ein Ohr abbiss und den elegant gekleideten Herren die Hosen zerriss. Dann zog Kunibert fröhlich pfeifend weiter, er fühlte sich wohl, stieß mit Geschenken beladene Frauen um, wobei die gepolsterten Ellenbogen beste Dienste leisteten, stellte einem Opa ein Bein, und als man ihn für diese Taten zur Rede zu stellen versuchte, sprang er über eine Mauer und war verschwunden.

Es galt, ‚einen draufzumachen’, Kunibert überlegte, er wollte es im wahrsten Sinne des Wortes tun. Nun hatte er aber die bei Herrn Schnee erworbene Packung zu Hause vergessen. Geschwind fegte er durch die Straßen, war in Eile zu Hause, öffnete die Packung, nahm einige Dragees, trank einen Schluck Wasser hinterher, legte sich aufs Sofa, verfiel in Ruhestellung und wartete, wartete und wartete.

Die Dragees, ein namentlich hier nicht unbedingt zu erwähnendes Abführmittel, begannen zu wirken. Er erlöste sich aus seiner Ruhestellung, wobei die Beine zu entknoten waren, sprang vom Sofa auf, erbrach sich, eilte aus dem Haus, fegte erneut durch die Straßen geschwind, bis er an der Stelle war, wo er es sich überlegt hatte, von wegen wortwörtlichem ‚Draufmachen’ und so.

Allerdings wirkten die Dragees schneller als er zu laufen im Stande war. Bräunliche Masse tröpfelte aus seinen Hosenbeinen. Er versuchte zwar angestrengt, das alles zurückzuhalten, aber es half wenig. Endlich fand er einen Platz, wo es lohnte, sich gänzlich zu entleeren. Er öffnete die Hose, zog sie sich über die Knie und …

… aber mein verehrter Leser, sind Sie nicht der gleichen Meinung mit mir, dass das alles andere als eine Weihnachtsgeschichte ist? Herr Schnee hatte schon recht, als er meinte: Schweinerei!

Da muss doch der Schnee aus allen Wolken fallen. Und nicht nur der!

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!