Joan Armatrading & Pam Nestor: Whatever’s for us (1972)

Nach meiner ‚Einleitung’ zu Joan Armatrading komme ich heute zum ersten Album, das Joan Armatrading in Zusammenarbeit mit Pam Nestor 1972 veröffentlichte: Whatever’s for us. Das Album enthält 14 Lieder (die neu aufgelegte CD von 2001 enthält zudem noch zwei Bonus Tracks – dazu unten etwas mehr), die in den Château d’Hérouville Studios (später: Strawberry Studios), im Oise Valley in der Nähe von Paris, in den Trident Studios London und Marquee Studios London aufgenommen wurden. Die beiden jungen Frauen (Joan zählte 21, Pam 24 Lenze) hatten dabei weitaus mehr Material zu bieten. Letztendlich wurden dann von der Plattenfirma (genauer vom Produzenten Gus Dudgeon) nur Lieder ausgewählt, auf denen Pam Nestor nicht Klavier spielt bzw. nicht singt. Man wollte Joan Armatrading als Einzelkünstlerin promoten. So steht vorn auf dem Cover auch nur ihr Name. Pam Nestor wurde lediglich unten den Credits (für die ‚Lyrics’, also Texte) bedacht. Immerhin ist auf der Rückseite des Covers ein Foto von beiden zu finden (weitere Infos siehe en.wikipedia.org).

    Joan Armatrading & Pam Nestor: Whatever’s for us (1972)

Kurze (oder längere) Exkursion: Die Parallelen, die sich für mich zwischen Joan Armatrading und der Band Jethro Tull (lange meine Lieblingsband) auftun, sind doch erstaunlich. Von beiden hatte ich zunächst die zweite erschienene Scheibe gekauft (von Joan ‚Back to the Night’). Erst dann sah ich im Plattengeschäft, dass es eben auch schon jeweils ein ‚erstes’ Album gab. Auf dem ersten Album von Jethro Tull (This Was) gab es nicht nur Songs von Ian Anderson, dem Mastermind der Gruppe, sondern auch der damalige Gitarrist Mick Abrahams trug seinen Teil (ähnlich wie Pam Nestor bei Joan) an Liedern bei. Beide Debütalben weichen dann schon rein stilistisch doch stark von den Nachfolgealben ab. Aber es kommt noch besser: Bekanntlich ist die Welt klein, selbst die der Londoner Musikszene im Jahr 1972. Denn in den bereits erwähnten Château d’Hérouville Studios müssen sich Joan & Pam und Ian Anderson und Co. schon fast auf die Füße getreten haben. Bekanntlich wurden hier die Vorläufer-Bänder zu A Passion Play aufgenommen, die unter dem Namen Chateau D’isaster Tapes (Teil 1Teil 2) erst viele Jahre später das Gehör der Öffentlichkeit fanden. Joan und Pam nahmen 1972 hier auch einen Teil ihrer Lieder auf. Und eine letzte Schnittstelle gibt es z.B. durch den Schlagzeuger Gerry Conway, der in den anfänglichen 80-er Jahren bei Jethro Tull die Sticks auf den Trommeln und Blechen rührte und auf eben diesem Debütalbum von Joan und Pam seinen Teil beisteuerte.

    Joan Armatrading

Tracklist des Albums (alle Lieder wurden von Joan Armatrading and Pam Nestor als Texterin komponiert außer die 3 angegebenen von Joan):

Seite 1
1. „My Family“ 3:08
2. „City Girl“ (Armatrading) 3:58
3. „Spend a Little Time“ (Armatrading) 2:23
4. „Whatever’s for Us, for Us“ 2:11
5. „Child Star“ 2:31
6. „Visionary Mountains“ 1:49
7. „It Could Have Been Better“ 4:19

Seite 2
1. „Head of the Table“ 2:30
2. „Mister Remember Me“ 2:15
3. „Gave It a Try“ 2:08
4. „Alice“ 3:29
5. „Conversation“ (Armatrading) 2:15
6. „Mean Old Man“ 2:33
7. „All the King’s Gardens“ 2:58

Bonustracks (beide von Joan & Pam komponiert):
Lonely Lady
Together In Words And Music

Nun Joan und Pam kannten sich bereits seit drei Jahren und hatten gemeinsam über 100 Lieder geschrieben. Es war eine enge Freundschaft zwischen den beiden, die dann ihr jähes Ende eben durch diese Platten-Produktion fand. Natürlich war es nicht Joans Schuld, dass der Produzent Gus Dudgeon sie favorisierte (Näheres siehe unter en.wipedia.org nach einer Biografie von Sean Mayes über Joan Armatrading). Joan beendete nach diesem Alben dann auch die Arbeit mit diesem Produzenten. Während die Lieder, bei denen Pam Nestor Klavier spielt und singt, auf dem Album nicht berücksichtigt wurden (sie agiert lediglich als Co-Autorin, also aus Texterin bei dem Großteil der Lieder), hören wir Joan Armatrading neben ihren Gesang die Klavierparts spielen und auf der akustischen Gitarre.


Pam Nestor – Hiding & Seeking (No More) 1979 – 7”-Single (Langfassung 12”)

Pam Nestor hatte ‚genug’ und betätigte sich später weiterhin als Liedtexterin. Sie hat dann auch noch eine eigene Single veröffentlicht: „Hiding & Seeking (No More)“ (eine Reggae-Nummer) c/w „Man On The Run“, erschienen 1979. Auf dem 1975 erschienenen zweiten Album von Joan Armatrading „Back to the Night“ sind die Texte zu „Dry Land“ und „Come When You Need Me“ ebenfalls von Pam Nestor.

Viel Vorgeplänkel, kommen wir zum Album selbst. Debütalben sind immer so eine Sache. Von Erfolg war diese Scheibe nicht gekrönt. Damals wurden gerade einmal ungefähr 2000 Stück verkauft. Aber es ist schon (fast) die Joan späterer Jahre, nur noch nicht ganz so ausgereift. Aber genau das macht den Reiz dieser Lieder aus. Es klingt alles spontan mit Herzblut eingespielt, authentisch wie man so gern sagt.

Joan war Ende 1950 in Basseterre auf der Karibikinsel Saint Kitts als 3. von sechs Kindern geboren. Als sie drei Jahre alt war, zogen ihre Eltern mit den zwei ältesten Geschwistern nach Birmingham, England. Joan lebte erst einmal bei ihrer Großmutter auf Antigua. Anfang 1958 im Alter von sieben Jahren wurde sie von ihren Eltern nach England geholt. Mit 14 Jahren begann sie, ihre eigenen Lieder zu schreiben und spielte diese auf dem Klavier, das ihre Mutter als ‚Möbelstück’ gekauft hatte. Kurz danach tauschte ihre Mutter ihr eine Gitarre im Wert von 3 £ in einem Leihhaus gegen zwei Kinderwagen ein. Das Spielen brachte sich Joan selbst bei.

Das Autodidaktische lässt sich auf diesen Album sehr gut ausmachen. Es ist ein eigenwilliger Stil, den sie besonders auf der Gitarre praktiziert. Aber auch dem Klavier entlockt sie Klangfolgen, die ihr ungewöhnliches Talent zeigen. Stilistisch gesehen war es vorwiegend Folk bzw. Folkrock, aber schon gemischt mit anderen Elementen wie Blues bzw. R&B oder auch Jazz. Für ihre 21 Jahre ist sogar die Stimme schon sehr ausgereift und einfach einzigartig.


Joan Armatrading: Whatever’s for us, for us

Auf dem Album gibt es kein Stück, das man als ‚Hänger’ bezeichnen kann. Im Gegenteil zeichnet es sich dadurch aus, dass es viel Abwechslung bietet und doch eine Einheit bildet. Viele Stücke beginnen allein mit Klavier oder akustischer Gitarre. Für das Titelstück „Whatever’s for us, for us“ reicht sogar nur die akustische Gitarre. Mein liebstes Stück ist „It Could Have Been Better”, traurig-schön, Joan allein auf dem Klavier spielend, dann kommen die anderen Instrumente hinzu, zum Ende hin dann Bläser und zuletzt Streicher. Angeblich war es damals sogar eines der Lieblingslieder von Elton John. Es ist für mich noch heute eines meiner Lieblingslieder:


Joan Armatrading: It Could Have Been Better

Zuletzt kleine Ausschnitte (jeweils der Anfang) aus den zwei Bonustracks, die 1973 als Single erschienen waren. So ganz passen diese Lieder nicht auf das Album, sind also weniger repräsentativ. Im ersten hören wir eine E-Gitarre, wie sie (wenn ich mich nicht völlig verhört habe) auf keinen der 14 Lieder des Albums gespielt wird. Und das zweite Lied klingt für mich mehr nach Südsee als nach Karibik. Die Texte sind wiederum von Pam Nestor:


Joan Armatrading & Pam Nestor: Auszüge aus: Lonely Lady/ Together In Words And Music (Whatever’s for us – 1972 Bonus Tracks)

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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