Was ist bloß mit Ian los? Teil 64: Breitschwerter gegen Wikinger

Hallo Wilfried,

Du hast mich voll erwischt: Ich bin tatsächlich etwas Anderson-müde. Nicht, dass ich ihn als Typ oder Künstler über hätte. Aber mir fallen keine Aspekte mehr ein, die wir noch nicht beleuchtet hätten. Seine Vergangenheit haben wir sehr intensiv analysiert, Gegenwart und Zukunft liefern aus meiner Sicht nicht sehr viel Stoff für anregende Diskussionen.

Zu Irving hätte ich noch viel zu sagen. Wenn es aber nicht Dein Lieblingsautor ist, würde der Gedankenaustausch für Dich zu einer lästigen Pflichtübung verkommen. Das muss nicht sein; unsere Schreiberei soll schließlich Spaß machen. Ach ja, in diesem Zusammenhang: Heute Nachmittag erhielt ich eine mail von der Leiterin unserer Leihbücherei: Sie wird ihr Programm um die fehlenden Irving-Romane erweitern. Das finde ich sehr nett von ihr.

Kaum ist das Thema John Irving abgehakt, schon lieferst Du im Blog den nächsten Hammer: Herman van Veen ! Endlich ein niederländischer Künstler, mit dem ich auch etwas anfangen kann. Es sind zwei Dinge, die ich Alfred Biolek hoch anrechne: Seinen Bahnhof und dass er Hermann van Veen und Kate Bush nach Deutschland gebracht hat. Mein persönliches Lieblingsalbum von van Veen ist „Die Anziehungskraft der Erde“. Das Album des „zärtlichen Gefühls“ habe ich während der Pubertät einige hundert male gehört. Also, wenn es Dich packt, mehr über van Veen zu schreiben: lass‘ nur kommen !

Den Amerikaner Irving (mir kommt er sehr europäisch vor) als Basis für eine literarische Weltreise zu nutzen, ist im Grunde keine schlechte Idee. Aber ich fürchte, dass ich mit Dir nicht mithalten kann. Die Autoren meiner bevorzugten Bücher kommen fast ausschließlich aus Europa; hin und wieder ein Vertreter der arabischen Welt. Das war’s.

Wenn ich nicht irre, stand „100 Jahre Einsamkeit“ auf der Liste der Lieblingsbücher der Deutschen. Bei dieser Liste war ich angenehm überrascht: Deutschland hat keinen schlechten Literaturgeschmack. Allerdings muss man bedenken, dass sich wahrscheinlich nur die wahren Leseratten am Voting beteiligt haben. Bravo- und Micky-Maus – Leser werden wohl keine Stimme abgegeben haben.

Tja, auch mein heutiger Beitrag ist Anderson-frei. Was will uns das sagen ?

Nur noch eines: Bevor jemand König (egal ob von Niedersachsen, Deutschland oder der Herzen) wird, ist er erst einmal Prinz. Und ich fürchte, solange unser Gas-Schröder unter uns weilt, wirst Du das gleiche Schicksal zu erdulden haben wie Prinz Charles. Ich kann es Dir nachfühlen: Der gute Homer Wells hatte manche Probleme, aber ein gut besuchtes Weblog, das hatte er nicht. Trotz der ganzen Belastungen mein gut gemeinter Rat: Hände weg vom Äther !

Herzliche Grüße und vielen Dank für etliche gute Diskussionen !
Lockwood

15.05.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

heute auf die Schnelle: Mit Herrn Anderson sind wir sicherlich zz. an einem toten Punkt angekommen, obwohl ich noch jede Menge Material habe, die sich lohnt, diskutiert zu werden.

Eine Verlagerung unseres Gedankenaustausches allein in Richtung John Irving würde, wenn nicht in Kürze, so doch in absehbarer Zeit das gleicher Ergebnis zeitigen. Es muss natürlich nicht gleich eine literarische Weltreise werden.

Meldet Euch
Wilfried

16.05.2007

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Lieber Wilfried, lieber Lockwood,

erst einmal muss ich mich entschuldigen, dass ich so spät antworte. Ich bin nämlich so damit beschäftigt, literarische Beiträge für international anerkannte Weblogs zu schreiben, dass ich für solche Nebensächlichkeiten wie meine Mail-Post nur noch zwei- bis dreimal die Woche Zeit finde.

Wie ich Dir, lieber Wilfried, schon einmal geschrieben habe, bin ich im Prinzip äußerst schreibfaul (ich weiß, diese Aussage wird Euch beiden jetzt nur ein gequältes Lächeln entlocken können). Lediglich in unregelmäßigen Abständen leide ich unter Anfällen von manischer Schreibwut, und wie sich das äußert, das habt Ihr ja bereits beobachten können. Mein Lieblingsautor hat einmal gesagt: „Writers are people who hate writing“. Nicht dass ich mich für einen „writer“ halte, aber ich verstehe genau, was er meint. In kurzen Worten, diese Anfälle vergehen auch wieder. Über die ungefähr zu erwartende Zeitdauer kann ich Euch keine verlässlichen Angaben machen.

Die erste größere Unterbrechung wird es spätestens ab dem 17.06. geben, da fliege ich nämlich für zwei Wochen nach Kreta, und zwar – und jetzt haltet Euch fest – wegen Jethro Tull. Die spielen am 23.06. in Iraklio auf, und das wollte ich mir mal anschauen. Allerdings habe ich noch kein Ticket. Aber das alles führe ich vielleicht lieber mal an anderer Stelle aus. Wie auch immer, wenn ich zurückkomme habe ich bestimmt Katzen im Gepäck, und dann werde ich kaum noch Zeit für meine schriftstellerischen Ambitionen aufbringen (falls ich dann überhaupt noch welche haben sollte).

Schöne Grüße
Kretakatze

19.05.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Wilfried,

So, damit wären wir also zu dritt. Zumindest bis Juni. Über Deine Kontinuität in dieser Runde über den Kretaurlaub hinaus denke ich nicht so pessimistisch wie Du. Auch wenn Dich neue Katzen beschäftigen werden, wirst Du auf Dauer nicht an WilliZ Weblog vorbeikommen. Ich weiß, wovon ich schreibe. Schreibfaulheit ist eine Krankheit, die Wilfried im Vorübergehen heilt.

Mit Dir, meine liebe Kretakatze aus der Schwäbischen Alb, deckt der Gedankenaustausch zu Ian Anderson nun auch den Süden der Republik ab. Die Jethro-Tull – freien Zonen in unserem Land nehmen dramatisch ab. Es ist übrigens interessant zu sehen, an welch unerwarteten Stellen man Ian Anderson im Alltag begegnet: Ein Teilnehmer in einem Fotografie-Forum wählte für sich die Autosignatur „Thick As A Brick“. Als ich ihn fragte, ob er JT-Fan sei, meinte er nur „Mein Gott, ich hätte nicht gedacht, dass das jemand kennt !“ Wenn der wüsste…

Vor wenigen Wochen lief im Fernsehen ein Film aus der Schimanski-Reihe. In der Schlussszene stand Schimi in der Küche und aus seinem Radio erklang eine aktuelle Version von Wondering Aloud. Das war übrigens die beste Szene im ganzen Film.

Liebe Kretakatze, mich würde interessieren, ob Du zu Ian Anderson über die gemeinsame Liebe zu Katzen gekommen bist oder ganz einfach über seine Musik. Deine Anmeldung im Laufi-Forum ist ziemlich frisch; bist Du erst seit jünger Zeit JT – Fan ? Die Frage nach der Dauer Deines Fanstatus interessiert mich, weil ich mich seit einigen Wochen damit beschäftige, ob Mr. Anderson auch in unseren Tagen noch neue Fans rekrutieren kann.

Vor einigen Tagen hast Du den Song Broadsword dazu benutzt, Andersons Abstammung von Wikingern zu belegen. Ich habe dieses Lied nie mit Wikingern in Verbindung gebracht, denn viele Völker benutzten Breitschwerter. Eine genauere Analyse des Textes ergab jedoch, dass das Lied tatsächlich von einem drohenden Wikingerüberfall handeln könnte. Allerdings erzählt aus der Sicht des Angegriffenen. Ich denke jetzt nur laut vor mich hin: Wenn Mr. Anderson mit diesem Lied seinen ruhmreichen Vorfahren ein Denkmal setzen wollte, hätte er dann nicht aus ihrer Sicht erzählen müssen ?

Vielleicht hast Du das Thema „Wikinger“ schon abgehakt, aber Wilfried und ich haben gute Erfahrungen damit gemacht, auch dem kleinsten Indiz nachzugehen, um ein klein wenig Transparenz in die komplexe Persönlichkeit des Mr. Anderson zu bringen. Ja, man könnte fast sagen, wir seien detailverliebt.

Also dann, Ihr Lieben, bis demnächst !

Viele Grüße
Lockwood

19.05.2007

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Lieber Lockwood, hallo Wilfried,

Prinzipiell war mir der Name Jethro Tull seit 1970/71 ein Begriff, ich gehörte damals auch zu den fleißigen Bravo-Lesern, aber mit der Musik habe ich zu der Zeit noch nicht viel anfangen können, dazu war ich wohl noch zu jung. Zum ersten Mal bewußt gehört habe ich Jethro Tull Ende 1977, es war eine Nach-Abi Party bei einer Klassenkameradin. Da lag Songs from the Wood auf dem Plattenteller, und das musste ich nur EINMAL hören um zu wissen, dass ich das auch brauche. Sparsam wie ich bin – das habe ich mit manchen Schotten gemeinsam – habe ich die Platte gekauft, auf Cassette überspielt und dann einer Freundin zum Geburtstag geschenkt.

Danach habe ich so etwa bis 1980 noch ca. 10 Platten von Jethro Tull zusammengekauft (und nicht verschenkt!), und zeitweise war die Musik von Jethro Tull das, was ich hauptsächlich gehört habe. Als Fan hätte ich mich trotzdem nicht bezeichnet. Wäre ich Mr. Anderson irgendwo begegnet, ich hätte ihn nicht erkannt. Von keinem anderen Mitglied der Band habe ich auch nur den Namen gewußt. Irgendwie hat mich das alles nicht interessiert. Fans sehen anders aus.

Ich habe die Gruppe allerdings auch nie gesehen, nicht im Fernsehen und auch nicht live. 1978 war ich dummerweise gerade auf Kreta als Jethro Tull nach Stuttgart kamen – da wäre ich sonst wohl schon hingegangen. Als ich 1980 Karten fürs Konzert kaufen wollte, war schon ausverkauft (Songs from the Wood vorgetragen im Strahlenschutz-Anzug hätte mich aber vermutlich auch damals schon nicht besonders begeistert). Das wars.

1981 ereilte mich dann ein schwerer Schicksalsschlag, ich habe mich in einen Griechen verliebt (übrigens in einen mit dunkelblonden Haaren und grünbraunen Augen – ohne Witz!). Das hat mein musikalisches Interesse in eine völlig andere Richtung gelenkt. Da ich kein Radiohörer bin und die Rock- und Pop-Musik in den 80ern dann sowieso in eine Richtung ging, mit der ich nichts anfangen konnte, habe ich Jethro Tull, ihre Musik und ihre weitere Entwicklung praktisch komplett aus den Augen verloren.

Bis ich im März 2007 erstmals in YouTube hineingestolpert bin, und dort angefangen habe, Videos herauszusuchen von all den Musikern und Gruppen, die ich in den 70ern gehört habe. Und so kam es, dass ich der facettenreichen Persönlichkeit des seltsamen Mr. Anderson erstmals im Jahre 2007 auf YouTube begegnet bin.

Im Nachhinein ärgere ich mich da schon ein bißchen, dass das in den 70ern alles so an mir vorbeigegangen ist, wo es doch zum Greifen nahe war. Ob ich jetzt ein Fan bin? Ich weiß auch nicht – woran merkt man, dass man ein Fan ist? Andererseits, was würde ich sonst hier tun? Ich habe den Verdacht ich bin ein verhinderter Fan aus den 70er Jahren. Vielleicht hätte ich damals die exzentrischen Bühnenauftritte des Mr. Anderson aber auch nur blöd gefunden, das kann ich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Der (Musik-)Geschmack ändert sich ja manchmal im Laufe der Jahre (wobei ich inzwischen dazu übergegangen bin von Musikbedürfnis zu sprechen, der Ausdruck Geschmack ist zu oberflächlich und trifft den Kern nicht wirklich). Dazu ein Beispiel:

Eines der ersten Videos, auf das ich gestoßen bin, war Witch’es Promise aus den Top of the Pops von 1970. Vermutlich bin ich beim ersten Anschauen mit offenem Mund vor dem Bildschirm gesessen. Danach habe ich mir die Augen gerieben „Was war’n das, ich glaub das muss ich nochmal gucken“ – Klick. „Und dann vielleicht doch nochmal“ – Klick, usw.. Nach dem x-ten Anschauen habe ich beschlossen, dass das jetzt mein neues Lieblings-Video ist.

Natürlich hat mich dann interessiert, auf welcher Platte das erschienen ist, ich war mir sicher den Titel noch nie zuvor im Leben gehört zu haben. Zu meiner Überraschung habe ich festgestellt, dass es z.B. auch auf der 20 Year Collection zu finden ist, die ich schon seit Jahren mein eigen nenne. Auf dieser CD habe ich – vermutlich beim 2. Hören – alle Titel mit einem Kringel markiert, die ich besonders gut fand und alle mit einem Punkt, die für mich auch noch ganz ok waren. Der Rest (den ich für überflüssig hielt) blieb unmarkiert. Witch’es Promise hat nicht das kleinste Pünktchen bekommen. Wo hatte ich eigentlich damals meine Ohren? (Oder wohl eher das, was sich eigentlich dazwischen befinden sollte).

Soweit die Geschiche meines Lebens mit und ohne Jethro Tull.

Jetzt zum Wikinger. Ich glaube nicht, dass man Broadsword dazu benutzen kann, irgend etwas zu belegen, außer dass Mr. Anderson ein Lied geschrieben hat – der Link sollte ein Gag sein! Ich hatte auch keine Ahnung, dass Wikinger Breitschwerter benutzt haben, da weißt Du bedeutend mehr als ich. Diese ganze Wikinger-Geschichte war doch von Anfang an nur ein Scherz von mir, habt Ihr das etwa ernstgenommen? Ich habe von der Abstammung des Mr. Anderson ungefähr soviel Ahnung wie der Wilfried vom Sirtaki-Tanzen, wahrscheinlich eher weniger. Ich fand nur den Gedanken witzig und hab ein bißchen rumgeblödelt. Wäre ja nicht ganz ausgeschlossen – mehr nicht. „And if sometimes I sing to a cynical degree, it’s just the nonsense that it seems“ (Baker Street Muse 1975).

Ich hoffe Du bist jetzt nicht sehr enttäuscht, aber ich fürchte zur exakten Entschlüsselung der Gensequenzen des Mr. Anderson werde ich nicht viel Hilfreiches beitragen können. Jetzt würde mich aber trotzdem noch interessieren, welche Indizien für einen Wikinger-Überfall Du in Broadsword gefunden hast. Wenn Du jetzt überhaupt noch mit mir sprichst…

Liebe Grüße
Kretakatze

20.05.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Wilfried,

Deine JT-Fan – Karriere, liebe Kretakatze, scheint ähnlich verlaufen zu sein wie meine. Auch ich war in der besten Zeit der Gruppe, den 70ern, zu jung, um sie bewusst wahrzunehmen. Ich habe die Alben alle nur in der Retrospektive bejubeln können. So wie das Licht der Sterne, dass einige Jahre braucht, um uns zu erreichen (soviel Poesie hätte ich mir gar nicht zugetraut). Mir geht es genau wie Dir: 1980 war ein entsetzliches Jahr für Jethro-Tull-Fans. Das Album A läutete den Niedergang ein. Es war so schlimm, dass selbst der alte Mitstreiter und Fast-Gründungsmitglied John Evan schreiend davongelaufen ist. Broadsword, 1982, wurde wieder ein wenig tullischer, aber danach war der Untergang nicht mehr aufzuhalten. 1985 kamen die Stimmprobleme des Meisters dazu und…, ach, es ist alles so tragisch !

Streng genommen bin ich kein Jethro-Tull – Fan. Fast drei Viertel der Alben der Gruppe treffen nicht meinen Geschmack Es sind lediglich die Folkalben und Aqualung, TAAB, und Passionplay, die mich begeistern können. Aber das eben richtig ! Vielleicht hast Du im Blog gelesen, dass ich es Mr. Anderson richtig übel nehme, dass er keine weiteren Folk-Alben produziert hat. Dieses Thema habe ich mit Wilfried sehr ausführlich erörtert, aber mein „Zorn“ ist geblieben.

In diesem Punkt ist Wilfried uns beiden haushoch überlegen: Er verfolgt die Geschicke der Band fast vom ersten Tag an. Dadurch steht er verständlicherweise hin und wieder meinen Kritiken kritisch gegenüber.

Sehr interessant fand ich Deinen Hinweis auf den blonden helläugigen Griechen. Das war also ein klassischer Hellene. Da kommt man nicht sofort drauf: Die Dunkle ist Deutsche und der Blonde ist Grieche. Soviel zu ethnischen Schubladen. Ich kenne übrigens auch dunkelblonde Türken mit blauen Augen. Aber auch hier dürfte erst eine aufwendige vergleichende DNA-Analyse Aufschluss über historische Verwandtschaften geben. Wir müssen bedenken, dass die Turkvölker seit etwa 1.000 Jahren das Gebiet Kleinasiens bevölkern, also in etwa genau so lange, wie die ersten Normannenbesuche auf den Britischen Inseln zurückliegen. Aber lassen wir das, es führt wirklich zu weit.

Ich muss gestehen, dass ich Deinen Wikinger-Link tatsächlich ernst genommen habe. Wenn man einen Menschen nicht kennt, weiß man nicht, in welchem Maß er zu Späßen neigt. Aber unabhängig davon, ob Mr. Anderson nun Kelte, Normanne oder Exil-Kirgise ist, er hat fast zehn Jahre lang hervorragende Musik gemacht. Und nur deshalb sitze ich jetzt am PC und tippe.

Flötengnom mit Breitschwert

Zum Breitschwert: Dieser Begriff bezeichnet im Grunde jedes einhändig geführte Schwert. Ein Schwert also, dass es seinem Träger erlaubt, zusätzlich einen Schild zu tragen. Breitschwert umfasst also ein weites Spektrum. Etwas anders verhält es sich mit dem englischen Begriff „Broadsword“ (bevor der Eindruck entsteht, ich sei gebildet: das steht alles in Wikipedia). Broadsword bezeichnet das schwere Schwert der Schotten mit großem Gefäß (Handschutz). Vielleicht kennst Du den Film Rob Roy, Liam Neeson schleppte so ein Ding mit sich herum. Nicht zu verwechseln mit Braveheart; Mel Gibson trug ein Claymore-Schwert. Jedenfalls hätten wir mit dem Anderson-Song Broadsword wieder einmal einen Bezug zur schottischen Herkunft des Meisters.

Wie komme ich auf den Wikingerangriff ? Im Text heißt es: „I see a dark sail on the horizon…..“ Der Erzähler sieht also ein dunkles Segel. Ich bin zwar nautischer Laie, aber ich kenne nur einen Schiffstypen, der mit nur einem Segel auskommt, und das ist das normannische Drachenboot.

„Bring me my broadsword…“ bringt uns überhaupt nicht weiter, da diese Klingen weit verbreitet waren. Aber weiter: „Bring me my cross of gold as a talisman…“ Die Wikinger, die die britischen Inseln angriffen, waren aus Sicht der Mitteleuropäer Heiden. Mehr als das, es waren Sendboten der Hölle. Und der beste Schutz gegen Geschöpfe der Finsternis ist nun mal ein Kruzifix, vorzugsweise aus edlem Metall. Dann der Begriff „Talisman“. Ein Talisman ist ein Fetisch aus Zeiten vor der Christianisierung. Die ersten Strandhiebe der Wikinger auf die Britischen Inseln fielen in das 9. Jahrhundert, also in eine Zeit, in der die Christianisierung der wilden Stämme Schottlands, namentlich der Pikten und Skoten, noch nicht allzu lange zurücklag. Im frühen Mittelalter war es fast überall in Europa so: Das Christentum war nominell anerkannt, aber die Bevölkerung hielt parallel dazu an ihren alten Religionen fest. Deshalb der Talismann. (Der Interessierte findet hierzu weiterführende Informationen in Wilfrieds Beitrag über das Osterfest).

„Put our backs to the northwind…“ Nordwind weht vom Norden. Aber wenn der Erzähler diesen Wind im Rücken haben möchte, könnte das bedeuten, dass der Wind die Angreifer zurück nach Norden tragen soll, wo sie herkommen. Rein technisch gesehen hatten die angreifenden Wikinger den Nordwind im Rücken. Aber wenn ich mich allzu wörtlich an den Text halte, gibt das ganze keinen Sinn mehr.

Also, kurze Zusammenfassung meiner Interpretation von Broadsword:
Ein braver Schotte der Ostküste steht am Strand und sieht ein Wikingerboot auf sich zukommen. Um Familie und Vaterland zu schützen ruft er nach Waffe und göttlichem Beistand. Möglicherweise liege ich mit meiner Deutung vollkommen daneben, aber so sehe ich das eben. Ich finde, andere Texte von Anderson sind sehr viel schwerer zu interpretieren.

Lasst es Euch gut gehen, Ihr Lieben !

Bis bald
Lockwood

20.5.2007

English Translation for Ian Anderson