Archiv für den Monat: Dezember 2012

Vorweihnachtszeit 2012 (2): Maxim Gorki: Von einem Knaben und einem Mädchen, die nicht erfroren sind

Im bereits erwähnten Das Weihnachtsbuch: Mit alten und neuen Geschichten, Gedichten und Liedern (insel taschenbuch it 46) herausgegeben von Elisabeth Borchers – Insel Verlag 1973, das ich als 10. Auflage – 253.-262 Tausend 1980 vorliegen habe, gibt es eine kleine Erzählung von Maxim Gorki, die etwas Herzerfrischendes innehat (siehe online weitere Erzählungen und Bühnenstücke vom Maxim Gorki)

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Die Erzählung beginnt in einem spöttischen Ton und nimmt dabei die Massenproduktion von Weihnachtserzählungen, die mit kalendarischer Regelmäßigkeit in russischen Provinzzeitungen erschienen sind, aufs Korn:

In den Weihnachtserzählungen ist es von alther üblich, jährlich mehrere arme Knaben und Mädchen erfrieren zu lassen. Der Knabe oder das Mädchen einer angemessenen Weihnachtserzählung steht gewöhnlich vor dem Fenster eines großen Hauses, ergötzt sich am Anblick des brennenden Weihnachtsbaumes in einem luxuriösen Zimmer und erfriert dann, nachdem es viel Unangenehmes und Bitteres empfunden hat.

Ich verstehe die guten Absichten der Autoren solcher Weihnachtserzählungen, ungeachtet der Grausamkeit, welche die handelnden Personen betrifft; ich weiß, daß sie, diese Autoren, die armen Kinder erfrieren lassen, um die reichen Kinder an ihre Existenz zu erinnern; aber ich persönlich kann mich nicht dazu entschließen, auch nur einen einzigen Knaben oder ein armes Mädchen erfrieren zu lassen, auch zu solch einem sehr achtbaren Zweck nicht. Ich selbst bin nicht erfroren und bin auch nicht beim Erfrieren eines armen Knaben oder armen Mädchens dabeigewesen und fürchte, allerhand lächerliche Dinge zu sagen, wenn ich Empfindungen beim Erfrieren beschreibe, und außerdem ist es peinlich, ein lebendes Wesen erfrieren zu lassen, nur um ein anderes lebendes Wesen an seine Existenz zu erinnern.

Das ist es, weshalb ich es vorziehe, von einem Knaben und einem Mädchen zu erzählen, die nicht erfroren sind. (S. 74f.)

Er folgt die Erzählung der kleinen „Helden – arme Kinder: der Knabe Mischka Pryschtsch und das Mädchen Katjka Rjybaja.“

„Die ‚Weihnachtserzählung’ (Untertitel) von Maksim Gorki, zuerst erschienen in der Zeitung ‚Nizhegorodskij listok’, 1894, 25. Dezember, ist ein interessantes Beispiel für die Frische und Originalität der Erzählweise Gorkis in der ersten Periode seines Schaffens. Vieles ist dort unverkennbar Gorki: der ‚gewiefte Frechdachs’ (opytnyj prostrelenok) Mischka, ein kindliches Exemplar des Bosjaken (Barfüßers) und des Ozornik (Unruhestifters); seine weniger mutige kleine Gefährtin Katjka, die ihn glühend bewundert, und ebenso ihre gemeinsame Arbeit, das mit viel Talent organisierte Handwerk des Bettelns. Das alles wird in einem humorvollen und zärtlichen Ton erzählt, der offensichtlich darauf gerichtet ist, dem Leser die Welt dieser Kinder nahezubringen, seine Rührung und Begeisterung über diese Äußerungen kindlicher Lebensfreude zu wecken und Bewunderung für ihre Fähigkeit, den grausamen Bedingungen ihrer sozialen Umgebung zu widerstehen.“ (Quelle: der-unbekannte-gorki.de)

Beide Kinder erbetteln sich an diesem Abend mehr als einen Rubel, damals viel Geld. Eigentlich müssen sie das Geld an ihre Tante abgeben. Aber an diesem Abend gönnen sie sich einige Kopeken, um sich Essen zu kaufen und in einer schmuddeligen, aber warmen Schenke bei einem Glas Tee einzukehren:

Er schüttelte den Kopf und sagte: „Nun wollen wir essen ..“ „Ja, los!“ stimmte Katjka bei, die schon längst gierige Blicke auf Brot und Wurst geworfen hatte.

Dann begannen sie ihr Abendessen zu verspeisen inmitten des feuchten, übelriechenden Dunkels der mit berußten Lampen schlecht beleuchteten Schenke, im Lärm zynischer Schimpfreden und Lieder. Sie aßen beide mir Gefühl, Verstand und Bedacht, wie echte Feinschmecker. Und wenn Katjka, aus dem Takt kommend, heißhungrig ein großes Stück abbiß, wodurch sich ihre Backen blähten und ihre Augen komisch hervortraten, brummte der bedächtige Mischka spöttisch: „Schau mal einer an, Mütterchen, wie du über das Essen herfällst!“

Das machte sie verlegen, und sie bemühte sich, beinahe erstickend, die wohlschmeckende Kost rasch zu zerkauen.

Nun, das ist auch alles. Jetzt kann ich sie ruhig ihren Weihnachtsabend zu Ende feiern lassen. Glauben Sie mir, sie werden nun nicht mehr erfrieren! Sie sind am richtigen Platz … Wozu sollte ich sie erfrieren lassen ….? Meiner Meinung nach ist es äußerst töricht, Kinder erfrieren zu lassen, welche die Möglichkeit haben, auf gewöhnliche und natürliche Weise zugrunde zu gehen. (S. 84)

Vorweihnachtszeit 2012 (1): Das Weihnachtsbuch

Spätestens mit dem heutigen Tag beginnt die Vorweihnachtszeit. Wenn man rechtzeitig die meisten der von uns erwarteten Geschenke besorgt hat, kann es eine geruhsame Zeit werden. Denn das sollte sie eigentlich sein. Statt der Hetze durch überfüllte Kaufhäuser sollte man die Ruhe suchen und finden, die unsere Seelen brauchen. Das soll nicht heißen, untätig zu sein. Wer kleine Kinder hat, sollte mit ihnen basteln. Und um leckere Kekse zu backen, geht es auch ohne Kinder. Die schmecken auch uns Größeren.

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Da die Tage so kurz geworden sind, laden die Abende zum Lesen ein. Es muss nicht unbedingt etwas Weihnachtliches sein. Aber um in ‚Stimmung’ zu kommen, dann vielleicht doch … Ja, Stimmung … ein schönes deutsches Wort, das mehrere Bedeutungen hat. Zum einen hat es etwas mit der Erzeugung von Sprache und Tönen zu tun, dann betrifft es Musikinstrumente (‚hauptsächlich die geigen, … welche vor allen dingen rein und sauber gestimmt seyn müssen’ – lt. Wörterbuch der Brüder Grimm) – oder bedeutet ‚in eine haltung versetzen’ (immer noch die Grimms) bzw. wie der Duden schreibt: ein bestimmter Gemütszustand … Letzteres ist gemeint. Weihnachtliche Stimmung ist nicht immer frei von Sentimentalität, also von Rührseligkeit oder gar Gefühlsduselei (auch das sind ‚schöne’ deutsche Wörter). Daher graut es manchem vor dem ‚Fest’.

Um die richtige Stimmung zu finden, empfehle ich Das Weihnachtsbuch: Mit alten und neuen Geschichten, Gedichten und Liedern (insel taschenbuch it 46) herausgegeben von Elisabeth Borchers – Insel Verlag 1973, das ich als 10. Auflage – 253.-262 Tausend 1980 im Bücherschrank neben viel anderer weihnachtlicher Lektüre stehen habe und jetzt nach langer Zeit wiederlese.

    Das Weihnachtsbuch – herausgegeben von Elisabeth Borchers

„Dies ist ein Buch zum uralten Fest, das geliebt und gefeiert, verschmäht und angefeindet wird, das Empfindungen von Sanftmut, Freude, Erinnerung oder ‚zeitgemäße Ungeduld’ aufkommen läßt. Ein legendäres Fest, das ein alter Brauch ist und von Bräuchen mißbraucht wird. Das Weihnachtsbuch enthält Texte von Abraham a Santa Clara, Walter Benjamin, Heinrich Böll, Bertolt Brecht, Alphonse Daudet, Günter Grass, Friedrich Hebbel, Johann Peter Hebel, Heinrich Heine, Hermann Hesse, Hölderlin, Franz Kafka, Luther, Rainer Maria Rilke, Ringelnatz, Martin Walser, Robert Walser, Oscar Wilde, W. B. Yeats u.v.a.“
(aus dem Klappentext)

Allein die Autorenliste zeigt, dass das Buch frei ist von allzu großer Gefühlsduselei. Manchmal geht es eher herbe zu – sowie ziemlich gleich am Anfang mit einem alten deutschen Weihnachtsspiel (Verfasser: unbekannt). Das ist in einem bayrischen Tonfall gehalten, ziemlich rustikal und nicht beschönigend wie es der Dialog zwischen Herodes und seinen Knechten zeigt. Es geht um den Befehl Herodes’ zum Kindermord von Bethlehem:

Spricht Herodes u.a.: Ihr Soldaten, euch befehl ich nun:
Seht im ganzen Land herum
Und tötet geschwand die Knäblein all,
Die da seind unter der anderen Jahreszahl.

[…]
Laßt euch mit Worten nicht überlisten,
Reißt ihnen die Kinder von den Brüsten,
Schlauft in alle Winkel, Ort und Eck,
Daß man vor euch kein Knaben versteck;

[usw.]

Ein erster Knecht vermeldet dann: Vollzogen haben wir diese Schlacht.
Die Kindlein sind alle umgebracht.
Wir habens zerstochen und zerhaut,
An meinem Schwerte hängt noch die Haut.

Und ein zweiter Knecht ergänzt: Wie habens gerissen aus Mutters Hand,
Wir habens geschmissen an die Wand
[…]

Worauf Herodes: Recht, das klingt meinen Ohren hold,
Ihr Knechte, gut, so hab ich’s gewollt.

Drei Herren und neue Denkmäler für Tostedt

Die Samtgemeinde baut ein Polizeidienstgebäude in der Schützenstraße. Innenminister Uwe Schünemann legte den Grundstein (siehe den ganzen Artikel aus abendblatt.de – und auch den Beitrag auf tostedt.de)

    Grundsteinlegung – Polizei Tostedt

v.l.n.r. Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann, Innenminister Uwe Schünemann, Mitglied des Landtages und stellv. Landrat sowie Geflügelzüchter Heiner Schönecke, Polizeipräsident Friedrich Niehörster, 1. Kriminalhauptkommissar Karl Langner und ein Mitarbeiter der Firma Rosebrock (Polier Krause) © bim/kreiszeitung.net

Da haben sich ja die Richtigen zusammengefunden: die Herren Schünemann, Bostelmann und – warum auch immer – Schönecke. Letzterer bestimmt der Schnittchen wegen, die gereicht wurden. Und vielleicht bekam er auch ein Gläschen Grauburgunder oder zwei zum Hinunterspülen. Dirk wird schon mehrere Fläschchen aus dem Rathauskeller ob seines trockenen Halses kredenzt haben („Warum baut die Samtgemeinde Tostedt völlig aufgabenwidrig der Polizei ein neues Dienstgebäude? Dirk Bostelmann bekommt bei dieser Frage einen trockenen Hals: ‚Ich habe schon so oft etwas dazu gesagt, dass mir die Sätze mittlerweile im Hals stecken bleiben’, sagt er und räuspert sich.“ – Grauburgunder hilft gegen trockene Hälse!)

Ja, Anlass der Veranstaltung war die Grundsteinlegung zu einem Polizeidienstgebäude in der Schützenstraße zu Tostedt, das wie erwähnt von der Samtgemeinde Tostedt gebaut und dann an die Polizei vermietet wird. Es ist eines von vielen umstrittenen Bauobjekten der kommenden Zeit – trotz der hohen Verschuldung Tostedts.

Neben einem Neubau einer Kindertagesstätte an der Dieckhofstraße und eines Parkhauses am Bahnhof für die Pendler ist dann das Polizeigebäude die dritte ‚Investition’ in Immobilien, die unser Samt- und Seidebürgermeister aus dem Hut zu zaubern gedenkt. Dann wird natürlich für ein Freibad nichts mehr bleiben.

Ja, Herr Bostelmann schafft sich Denkmäler. Die Tostedter Bürger werden seiner noch lange nach seiner Amtszeit als Samtgemeindebürgermeister gedenken, wenn sie für die dann noch immer bestehenden Kosten aufkommen dürfen. Apropos Denkmäler! Ich plädiere dafür, dass der Name Bostelmann auch in Zukunft weiterhin in aller Munde bleibt. So sollte man das Polizeigebäude „Dirk Bostelmann-Polizeiwache Tostedt“ taufen. Und die oberste Ebene des Parkhauses vielleicht etwas legerer „Bostelmanns Parkdeck“. Eine Kinderkrippengruppe könnte „Die Bostelmännchen“ heißen. Und auch Herr Feindt (SPD) sollte nicht zu kurz kommen: „Die Feindte“. Immerhin bläst er ins gleiche Horn wie unser Bostelmännchen. Da fragt man sich, warum man in Tostedt auf Kommunalebene überhaupt SPD wählen soll, wenn man gleich die CDU wählen kann.

Nun, ich hoffe der Grauburgunder ist gut bekommen. Die nächsten Grundsteinlegungen sind geplant. Die Firma Werner Behrens Architekten Ingenieure GmbH & Co KG in Rotenburg/Wümme wird’s freuen …