Sommerzeit ist für mich Krimizeit. Ich habe zwar noch keinen Urlaub (das dauert noch einige Wochen), aber in den ersten Tagen dieses Sommers habe ich mich auf einen Kriminalroman gestürzt, der viel Spannung verhieß – und dies dann durchaus auch einhalten konnte.
Zunächst sagte mir der Autor, Martin Cruz Smith, überhaupt nichts. Dann las ich aber auf dem Umschlagtext zum Buch, dass Cruz Smith auch den Kriminalroman „Gorki Park“ geschrieben hat, der als Vorlage zu dem gleichnamigen Film diente. Und den Film kenne ich natürlich – ein außergewöhnlicher Thriller aus dem Jahr 1983, u.a. mit William Hurt als russischen Polizisten Arkadi Renko, Lee Marvin als Pelzhändler Jack Osborne und Joanna Pacula als Irina Asanova, der späteren Geliebte Renkos.
„Nacht in Havanna“ (im Original: Havana Bay), 1999 erschienen, gehört wie „Gorki Park“ (1981 erschienen) zu der inzwischen mehrbändigen Arkadi-Renko Serie. Es dürften jetzt sieben Romane sein:
Die Reihe um den Polizisten Arkadi Renko beschreibt nicht nur jeweils in sich abgeschlossene Kriminalfälle der verschiedensten Art, sondern dokumentiert eindrucksvoll die Entwicklung von der Sowjetunion der 80er Jahre bis zum heutigen Russland.
Der Autor Martin Cruz Smith wurde 1943 in Philadelphia als Sohn einer Indianerin und eines Jazz-Musikers geboren und arbeitete zunächst als Journalist.
Arkadi Renko ist ein melancholischer Held, wenn auch ein „Ermittler mit dem untrüglichen Gespür“. In „Nacht in Havanna“ ist er „desillusionierter denn je. Denn nach dem sinnlosen Tod seiner Geliebten Irina hat er mit dem Leben abgeschlossen. Nur eine Aufgabe bleibt ihm noch: das Verschwinden seines alten Gegenspielers Sergej Pribluda aufzuklären. Der einst mächtige Geheimdienstchef arbeitet Ende der 90er Jahre in der sozialistischen Enklave Kuba. Im Reich Fidel Castros spioniert er für die russische Regierung geheime Geldströme und ostwestliche Aktivitäten aus. Doch dann ist Pribluda eines Tages verschwunden. Und als wenig später eine unbekannte Wasserleiche in der Bucht von Havanna angeschwemmt wird, muß Renko auf der Zuckerinsel ermitteln. Die kubanischen Behörden und die russische Diplomatie möchten die Angelegenheit am liebsten mit der Identifizierung von Pribluda zu den Akten legen. Doch Renkos Skepsis wächst, je länger er sich in dieser ihm unverständlichen Welt bewegt. Er zweifelt an den Todesumständen und an der Polizei. Und er fragt sich, warum man ihn mit aller Gewalt ausschalten möchte. Was also steckt hinter Pribludas Tod? Scheinbar planlos erkundet Renko die letzten Bastionen der Ewiggestrigen und die Winkelzüge der Profiteure für die Zeit nach Fidel Castro. Alte Revolutionäre und neue Opportunisten, die Mafia aus Ost und West belauern die Insel wie Piraten ein sinkendes Schiff. Wo ist der rote Faden in diesem tödlichen Spiel aus Intrigen und Verrat? Schließlich stößt Renko auf einen Geheimzirkel, der einen irrwitzigen Coup plant …“ Er „gerät unvermittelt in eine flirrend unwirkliche Welt, in der nichts so ist, wie es scheint.“
Aus dem Umschlagtext zum Roman (2. Auflage – 1999 – C. Bertelsmann Verlag, München)
Größere Kartenansicht
Malecón (Uferstraße in Havanna) – ostwärts zum Castillo de San Salvador de la Punta … Havana Vieja [Alt-Havanna] … Im Western lagen Viertel, die Vedano und Miramar hießen … (S. 31)
Der Roman spielt zwar Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. Aber die Situation in Kuba dürfte heute ähnlich sein, nur dass statt Fidel Castro jetzt sein Bruder Raúl die Amtsgeschäfte führt. Entgegen gewisser Bedenken von mir gelingt dem Buch durchaus ein Stimmungsbild des heutigen Kuba, auch wenn auf gewisse Klischees nicht ganz verzichtet wurde. Aber es ist nun einmal ein Kriminalroman, ja ein politischer Thriller, dem es um Spannung geht. Die Charaktere haben sicherlich nicht die Tiefe wie in einem wirklich guten Roman, trotzdem wirken sie durchaus akzeptabel.
Das Ende ist dann ziemlich verwirrend und ‚verliert’ sich in der Aufdeckung eines „irrwitzigen Coups“, in dem auch der Máximo Líder bzw. Comandante (Fidel Castro) verstrickt ist. Das ist dann vielleicht doch etwas sehr dick aufgetragen. Spannend ist das aber allemal. Daher möchte ich diesen Kriminalroman durchaus zu den interessanten und damit lesbaren zählen. Und irgendwie regte er meinen Appetit auf Urlaub an (Sonne, Strand und Musik à la Buena Vista Social Club – und ‚’ne Buddel voll Rum’).