„Haller kommen seine hymnischen Verse über die Unsterblichen in den Sinn, Mozart tritt in die Loge und bedient sich des Radios, um Händels Musik zu hören – für Haller fast ein Sakrileg, für Mozart nur ein Anlass zum Lachen über den Kampf zwischen göttlicher Idee und profaner Erscheinung: Haller müsse das Lachen lernen, den Humor, der immer nur Galgenhumor sein könne. Für sein Verbrechen der (angekündigten und doch nicht wirklich vollzogenen) Ermordung Hermines wird Haller zur Strafe des ewigen Lebens und des einmaligen Ausgelachtwerdens verurteilt, weil er mit Messern gestochen (und nicht über sich und seine Eifersucht gelacht) habe. Haller ist optimistisch, dieses Spiel beim nächsten Mal besser spielen zu können.“ (Quelle: de.wikipedia.org zur Inhaltsangabe von Hermann Hesses ‘Der Steppenwolf’)
In Hermann Hesses Roman „Der Steppenwolf“ träumt Harry Haller, der Protagonist des Romans, von Goethe und Mozart, die ihm als Sendboten aus der Welt der Unsterblichen erscheinen. Das Ideal der Unsterblichkeit steht hierbei für die Realisierung des eigenen Selbst. (Nein, die rechtsextremistische Gruppe, die junge Leute für sich zu rekrutieren sucht, ist wahrlich nicht gemeint.)
1980, vor mehr als 30 Jahren, habe ich verschiedene literarische Texte (u.a. Albert Camus’ „Der Fremde“ und Kafkas Romane „Das Schloss“ und „Der Prozess“) musikalisch aufgearbeitet. Nichts Aufregendes, eigentlich nur für mich selbst gedacht. Eines der Lieder habe ich bereits vor längerer Zeit vorgestellt: Gegen Windmühlen kämpfen. Im Zusammenhang mit der Lektüre von Hesses Steppenwolf bin ich nochmals auf diese alten Lieder gestoßen. Und da gibt es ein sehr kurzes Lied mit nur wenigen Zeilen. Mein Neffe, damals gerade 14 Jahre alt, begleitete mich auf der Gitarre:
Die Unsterblichen sind unter uns
Sie sind Wissen, Zukunft und Kunst
Unser Geist
Wär schal und fad‘
Hätten kein Gewissen –
So skrupellos!
Die Unsterblichen sind unter uns.
Text, Musik, Gesang, Bassgitarre: Wilfried Albin
akustische Gitarre: Torsten Besch
Aufgenommen am 08./13.08.1980 in Bremen
Willi singt: Die Unsterblichen
Der Vollständigkeit halber hier das Gedicht aus Hesses Roman:
Immer wieder aus der Erde Tälern
Dampft zu uns empor des Lebens Drang:
Wilde Not, berauschter Überschwang,
Blutiger Rauch von tausend Henkersmählern,
Krampf der Lust, Begierde ohne Ende,
Mörderhände, Wuchererhände, Beterhände.
Angst- und lustgepeitschter Menschenschwarm
Dunstet schwül und faulig, roh und warm,
Atmet Seligkeit und wilde Brünste,
Frisst sich selbst und speit sich wieder aus,
Brütet Kriege aus und holde Künste,
Schmückt mit Wahn das brennende Freudenhaus,
Schlingt und zehrt und hurt sich durch die grellen
Jahrmarktsfreuden seiner Kinderwelt,
Hebt für jeden neu sich aus den Wellen,
Wie sie jedem einst zu Kot zerfällt.
Wir dagegen haben uns gefunden
In des Äthers sterndurchglänztem Eis,
Kennen keine Tage, keine Stunden,
Sind nicht Mann noch Weib, nicht jung noch Greis.
Eure Sünden sind und eure Ängste,
Euer Mord und eure geilen Wonnen
Schauspiel uns gleich wie die kreisenden Sonnen,
Jeder Tag ist uns der längste.
Still zu eurem zuckenden Leben nickend,
Still in die sich drehenden Sterne blickend,
Atmen wir des Weltraums Winter ein,
Sind befreundet mit dem Himmelsdrachen;
Kühl und wandellos ist unser ewiges Sein,
Kühl und sternhell unser ewiges Lachen.
Hermann Hesse
Hierzu gibt es natürlich auch eine englische Fassung – nur zum Vergleich:
Ever reeking from the vales of earth
Ascends to us life’s fevered surge,
Wealth’s excess, the rage of dearth,
Smoke of death-meals on the gallow’s verge;
Greed without end, spasmodic lust;
Murderers‘ hands, usurers‘ hands, hands of prayer;
Exhales in fœtid breath the human swarm
Whipped on by fear and lust, blood raw, blood warm,
Breathing blessedness and savage heats,
Eating itself and spewing what it eats,
Hatching war and lovely art,
Decking out with idiot craze
Bawdy houses while they blaze,
Through the childish fair-time mart
Weltering to its own decay
In the glare of pleasure’s way,
Rising for each newborn and then
Sinking for each to dust again.
But we above you evermore residing
In the ether’s star-translumined ice
Know not day nor night nor time’s dividing,
Wear nor age nor sex for our device.
All your sins and anguish self-affrighting,
Your murders and lascivious delighting
Are to us but as a show
Like the suns that circling go,
Changing not our day for night;
On your frenzied life we spy,
And refresh ourselves thereafter
With the stars in order fleeing;
Our breath is winter; in our sight
Fawns the dragon of the sky;
Cool and unchanging is our eternal being,
Cool and star-bright is our eternal laughter.