Hermann Hesse hatte sich als einer der ersten wenigen deutschsprachigen Schriftsteller mit fernöstlichen Denkweisen beschäftigt, so auch mit dem Buddhismus. In seiner kleinen indischen Dichtung Siddhârtha beschreibt er das Leben eines Brahmanensohnes, der sein Elternhaus verlässt, um nach dem Sinn des Lebens zu suchen. Er wird Asket, er wird Lebemann und Händler, um am Ende als armer Fährmann eine höhere Weisheit zu erlangen. Parallel erfahren wir u.a. von Gautama aus dem Geschlecht der Sâkya, dem Buddha, der eigentlich auch Siddhârtha hiess.
Der Buddhismus, insbesondere der Zen-Buddhismus, hat mich schon immer interessiert, wenn er auch für uns westliche Menschen sehr schwer zu fassen ist. Wir sind einfach zu sehr von der Logik und dem Dualismus geprägt. Die alten Griechen, besonders Aristoteles, haben uns da zu sehr auf diese Schiene gebracht. Wir denken einfach zu sehr (eigentlich: ausschließlich) in Gegensatzpaaren. Die Gegensätzlichkeit bzw. Verschiedenartigkeit der Dinge ist Ausgang unseres Denkens. Dabei geht der Gesamtzusammenhang für uns völlig verloren. Gut und böse, Tag und Nacht, hell und dunkel – wer versteht das nicht. Und wenn wir mit unserem „gesunden Menschenverstand“ an die Dinge gehen, so bildet sich sehr schnell ein Urteil: Das ist gerade und das ist schief! Aber es geht noch weiter: Wir benennen alles und einmal benannt, wird es auch gleich noch klassifiziert. Ob nun der Mensch ein Säugetier ist, die Philosophie eine Geisteswissenschaft oder ein bestimmter Tumor bösartig, ein Ding „kann“ nicht allein im Raume stehen, wir finden einen Namen und eine Klasse (und dazu genügend Eigenschaften). Der Zen-Buddhismus sucht die Gesamtsicht. Und ein Baum kann dann ein Baum sein, aber er kann auch kein Baum sein. Aus dieser Bejahung eines Dinges und dann der Verneinung entspringt dann die Bejahung im höherem Sinne (man könnte es absolute Bejahung nennen).
Unsere Sinne nehmen von Sekunde zu Sekunde eine Unzahl an Eindrücken auf. Aber nur ein geringer Teil davon dringt in unser Bewusstsein. Das andere geht im Unterbewusstsein unter. Das, was uns als „lebenswichtig gefiltert“ bewusst wird, ist unsere „Sicht“ der Dinge. Was uns fehlt, ist das Bewusstsein vom Bewusstsein, die Sicht in die Natur unseres Selbst. Was mag das heißen? Ich esse ein Stück Brot, das mich am Leben erhält. Aber es ist nicht allein dieses Stück Brot, das mich am Leben erhält, sondern es sind alle die Brote, die ich in meinem Leben gegessen habe und noch essen werde (und vieles mehr), was ich am Leben erhält. Und auch das allein ist es nicht, was mich am Leben erhält. Es ist alles und nichts, was ich esse und was mich am Leben erhält. Das Brot, das ich gerade esse, „sehe“ ich. Dabei sehe ich aber nicht, die anderen Brote, die ich bisher gegessen habe (und noch essen werde). Die anderen Brote sind in mein Unterbewusste entschwunden. Ohne diese Brote, die ich jetzt nicht sehe, wäre ich aber nicht mehr am Leben. Hier und jetzt erscheinen sie mir – aus meiner Sicht – aber unwichtig. Es erscheint mir nur das jetzt zu essende Brot wichtig. Dieser Schein ist unsere Sicht! Eigentlich aber gehören all die anderen Brote auch „zu meinem Leben“, nur werde ich mich dessen in der Regel nicht bewusst. Aber es gehört noch mehr dazu: Es sind ja nicht nur das eine Brot, das ich augenblicklich esse, und all die anderen Brote, die ich gegessen habe (und essen werde), zu meinem Leben, es sind alle Brote mein Leben (um es erklärbar zu machen, was nicht dem Zen entspricht: alle Brote daher, da ich sie hätte ja essen können). Wenn mir das bewusst wird, komme ich einer Bewusstwerdung meines Bewusstseins einen großen Schritt näher.
Wenn man, wie ich, nach vielen Jahren ein Buch, wie das von Hesse, erneut liest, wenn man mit den Jahren selbst etwas weiser (vielleicht auch nur etwas schlauer) geworden ist, dann versteht man ein solches Buch ganz anders, viel besser.
Hier noch einige Links zu Hesse:
Weiteres zum Buddhismus in WilliZ Kolomnen