Als 1980 das bisher sechste Album von Joan Armatrading erschien, war ich enttäuscht: Mit Me Myself I begann die zweite Phase im musikalischen Schaffen von Joan Armatrading „und brachte einen Wandel, der mir bis heute nicht gefällt. Joan orientierte sich mehr am Mainstream und damit an härterer Pop-Musik, die ihr dann allerdings auch eindeutig mehr Erfolg brachte. Der ‚amerikanische’ Einfluss ist dabei unverkennbar (z.B. ‚Me Myself I’ wurde in den USA, im Studio Record Plant in New York City im März 1980 aufgenommen). Vieles klingt eher nach New Wave als nach Joan Armatrading. Manches Stück ist ‚überarrangiert’, mit für meinen Geschmack zu sehr schepperndem Schlagzeug und zu aufdringlicheren Keyboardpassagen belegt. Nur wenige Lieder hören sich noch nach ihr selbst an.“ (siehe meinen Beitrag Joan Armatrading: If Women Ruled The World)
Es sollten bis 1986 immerhin fünf Alben werden (1980: Me Myself I · 1982: Walk Under Ladders · 1983: The Key · 1985: Secret Secrets · 1986: Sleight of Hand), die in diese, wie soll ich sagen, eher kommerziell ausgerichtete Phase fielen. Denn mit Me Myself I, das lässt sich nicht leugnen, gewann sie neue Fans. Das Album erreichte Platz 5 in Großbritannien und Platz 28 in den USA und war damit ihre erfolgreichstes Scheibe. Produziert wurde das Album vom US-Amerikaner Richard Gottehrer, der den Engländer Glyn Johns ‚ablöste’. Und es fanden sich wieder viele Studiomusiker um Joan ein. Der mir bekannteste dürfte Chris Spedding sein, außerdem der Gitarrist Rick ‚Ricky’ Hirsch, den ich von Joans damaligen Live-Auftritten her kenne.
Trackliste des Albums:
(alle Lieder wurden von Joan Armatrading komponiert)
1. „Me Myself I“ *
2. „Ma-Me-O Beach“
3. „Friends“
4. „Is It Tomorrow Yet“
5. „Turn out the Light“
6. „When You Kisses Me“
7. „All the Way from America“ *
8. „Feeling in My Heart (for You)“
9. „Simon“
10. „I Need You“
(* auch als Single erschienen)
Das Album beginnt gleich mit dem Titelsong, der auch als Single erschien und gewissermaßen die neue Richtung vorgibt und auf mich damals wie heute eher abschreckend wirkt(e). Halbwegs akzeptabel finde ich noch das kurze, etwas schräge Gitarrensolo gegen Ende des Liedes von Chris Spedding. Aber dieses Lied wie überhaupt das ganze Album muss ja Fans gefunden haben, sonst wäre es nicht so erfolgreich.
Joan Armatrading – Me Myself I
Das nächste Lied ‚Ma-Me-O Beach’ bezieht sich auf einen Urlaubsort in Alberta, Kanada. Joan sah wohl bei einer Fahrt durch die dortige Gegend das Straßenschild mit dem Namen des Ortes und fand den Namen so witzig, um diesen für dieses Lied zu benutzen. Man mag es mögen oder nicht: Mir geht das Popping beim Bass, das Anreißen der Saiten, etwas auf den Nerv und ist auch auf mindestens zwei anderen Liedern des Albums zu hören.
Aber kein Album aus dieser 80-er Jahre-Phase ohne mindestens zwei, drei Stücke, die mir dann doch gefallen und die ‚alte’ Joan Armatrading hören lassen. ‚Turn Out the Light’ ließ ähnlich wie das Lied ‚Willow’ die Zuschauer bei Konzerten die Feuerzeuge zücken.
Joan Armatrading – Turn Out the Light
‘When You Kisses Me’ spielte sie bereits bei ihrem Auftritt im Rockpalast 1980. Die Live-Aufnahme gefällt mir dabei um einiges besser als die Studioaufnahme. Das liegt ohne Zweifel an den Musikern, die dann aber schon bald gegen dem Aussehen nach jüngere ausgetauscht wurden.
Joan Armatrading – When You Kisses Me
Hier noch ein Stück, das sich für mich irgendwo zwischen der ‚alten’ und der damals ‚neuen’ Joan ansiedeln ließe. Das Lied brachte sie dann auch später immer wieder auf die Bühne.
Joan Armatrading – All the Way from America (2010)
‚Feeling in My Heart (for You)’ und ‚Simon’ – beides sind Reggae-Stücke. Bedenkt man, dass Joan Armatrading in der Karibik auf der Insel St. Kitts geboren ist, dann würde man meinen, mehr Einflüsse karibischer Klänge in ihrer Musik anzutreffen.
Das Album endet mit dem Lied ‚I Need You’, wie so oft ein langsames Stück am Schluss einer CD von Joan, und fällt durch die ‚Streicher’-Begleitung aus dem Rahmen. Immerhin noch ein Stück, was für mich den Kauf der Scheibe rechtfertigte.