Scheik Nefzaui ist der Nachwelt nur als der Verfasser des Duftenden Gartens bekannt geworden; es ist das einzige Buch, das er überhaupt geschrieben hat. Obgleich sich in diesem Buche viele Irrtümer und Fehler finden, die größtenteils der Nachlässigkeit und Unwissenheit der Abschreiber zur Last zu legen sind, und obgleich auch der Gegenstand des Buches nicht nach jedermanns Geschmack sein wird, entstammt es doch offenbar der Feder eines Mannes von gründlicher Bildung, der auf den Gebieten der Literatur und Medizin tiefere Kenntnisse besaß, als man sie im allgemeinen bei Arabern anzutreffen gewohnt ist.
Aus der historischen Bemerkung in der Einleitung dieses Buches können wir, obgleich der Name des zu jener Zeit in Tunis regierenden Beys offenbar falsch angegeben ist, doch schließen, daß das Werk ungefähr zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung – etwa um das Jahr 925 der Hedschra – verfaßt worden ist.
Vorbemerkungen des französischen Übersetzers
Der parfümierte Garten (auch Der duftende Garten) ist der deutsche Name eines arabischen Ehehandbuchs aus dem frühen 15. Jahrhundert, das aufgrund seiner erotischen Geschichten und freizügigen Behandlung menschlicher Sexualität schon im 19. Jahrhundert auf ein ähnlich großes Interesse wie das indische Kamasutra stieß. Der vollständige lautet „Der duftende Garten zur Erbauung des Gemüts“.
Ich schrieb dieses herrliche Werk auf Grund eines Büchleins betitelt »Die Fackel der Welt«, worin die Geheimnisse der Zeugung behandelt werden. Dieses Werkchen kam zur Kenntnis des Wesirs unseres Herrn Abd-el Aziz, des Beherrschers von Tunis. Dieser erlauchte Wesir war sein Dichter, sein Genosse, sein Freund und Geheimschreiber. Er war wacker im Rat, treu, klug und weise, der gelehrteste Mann seiner Zeit und wohl bewandert auf allen Gebieten. Er nannte sich Mohammed ben Uana ez Zonaui. Er war in Algier aufgewachsen, und in dieser Stadt hatte unser Herr Abd-el Aziz el Hafsi seine Bekanntschaft gemacht.
An dem Tage, da Algier erstürmt wurde, floh der Herrscher mit ihm nach Tunis – möge Gott dieses Land beschützen bis zum Tage der Auferstehung! – und ernannte ihn zu seinem Großwesir. Als er das oben erwähnte Buch in die Hände bekam, sandte er zu mir und lud mich dringend ein ihn zu besuchen. Unverzüglich begab ich mich in sein Haus, und er empfing mich auf höchst ehrenvolle Weise.
Drei Tage später kam er zu mir, zeigte mir mein Buch und fragte: »Ist dies dein Werk?« Und da er mich erröten sah, fuhr er fort: »Du brauchst dich dieses Buches nicht zu schämen; alles, was du darin gesagt hast, ist wahr; niemand braucht sich über deine Worte zu entrüsten. Übrigens bist du nicht der erste, der diesen Gegenstand behandelt hat; und ich schwöre bei Gott: wahrlich, die Kenntnis dieses Buches ist notwendig. Nur ein schamloser Ignorant oder ein Feind aller Wissenschaft wird es nicht lesen oder sich darüber lustig machen, nachdem er es gelesen hat. Aber es sind verschiedene Dinge, mit denen du dich noch wirst beschäftigen müssen.« Ich fragte, was für Dinge das seien, und er antwortete: »Ich wünsche, daß du deinem Buch noch einen Anhang beifügst, worin du die Heilmittel behandelst, von denen du noch nichts gesagt hast; führe alle Tatsachen an, die in dieses Kapitel hineingehören, und lasse nichts aus. Du wirst darin beschreiben, wie der Akt der Zeugung zustande kommt, sowie auch, wie er sich verhindern läßt. Du wirst die Mittel anführen, durch die das zeitweilige Unvermögen behoben wird, sowie die Mittel, durch die man das männliche Glied, wenn es zu klein ist, größer macht und ihm einen stattlichen Anblick verleiht. Ferner wirst du angeben, wie man den unangenehmen Geruch der weiblichen Achselhöhlen und Schamteile beseitigt und wie man die Schamteile enger macht. Ferner wirst du von der Schwangerschaft sprechen, damit dein Buch vollkommen und lückenlos sei. Mit einem Wort: wenn dein Buch allen Wünschen entspricht, dann erst wird deine Arbeit beendigt sein.«
Ich antwortete dem Wesir: »O! mein Herr und Meister, alles, was du hier gesagt hast, ist nicht schwer zu machen, wenn es Gott in der Höhe gefällt.« Unverzüglich ging ich an die Abfassung dieses Buches, nachdem ich Gott um seinen Beistand angefleht hatte – (möge er seinen Segen über seinen Propheten ausströmen, und möge Glückseligkeit und Gottes Liebe bei diesem weilen!).
Ich nannte dieses Werk: »Der duftende Garten für die Erlustigung der Seele« (Er Roud el Aater p’nezaha el Khater).
Und wir beten zu Gott, der alles zum besten lenkt – (und es ist kein anderer Gott außer ihm, und alles Gute kann nur von ihm herkommen) –, er möge uns seine Hilfe leihen und uns auf rechten Wegen führen; denn es ist keine Kraft und keine Freude außer in dem hohen und mächtigen Gott.
Scheik Nefzaui: Der duftende Garten für die Erlustigung der Seele