Anfang 1971 kaufte ich mir das Album „Daughter of Time“ von der Gruppe Colosseum, das im Sommer 1970 aufgenommen wurde. Wenn es die Gruppe selbst auch nie bis an die Spitze der Rockmusik gebracht hatte, so tauchten Anfang der 70-er Jahre ihre Musiker Jon Hiseman (Schlagzeug) und Dick Heckstall-Smith (Saxophon) ständig in den Pop Polls, also Ranglisten, unten den Top Ten auf. So machte z.B. Dick Heckstall-Smith in der Rubrik „Verschiedene Instrumente“ 1972 Ian Anderson reichlich Konkurrenz: Ian Anderson wurde von den Lesern des Melody Makers zur No. 1 gewählt, Heckstall-Smith schaffte es immerhin auf Platz 4 (ebenso Jon Hiseman, der Drummer, der sich nur Carl Palmer, Ginger Baker und Keith Moon geschlagen geben musste).
„A Daughter of Time“ ist neben „Valentyne Suite“ aus dem Gründungsjahr 1969 wohl das bekannteste Album der Gruppe, die bis 1971 fast ständig auf Achse war. Dieses permanente Touren war wohl mit ein Grund dafür, dass sich Collosseum so früh auflöste. Es dauerte bis ins Jahr 1994, als sich die Mannen um Hiseman und Heckstall-Smith wieder zusammentaten – und bis heute auch noch Konzerte geben (Heckstall-Smith starb 2004 immerhin schon siebzigjährig und wurde durch die Frau von Jon Hiseman, Barbara Thompson, kongenial ersetzt, die zuvor mit diversen Größen der Jazz-Szene gespielt hatte und wohl noch spielt – weitere Infos siehe auch temple-music.com – und hier gleich auch ein Live-Video mit Barbara Thompson’s Paraphernalia (Drums: Jon Hiseman): Close to the Edge).
Von 1975 bis 1977 gab es die Gruppe Colosseum II, die Jon Hiseman mit hervorragenden Musikern wie mit Gary Moore und Don Airey gegründet hatte. Die Band konnte aber nie an den Erfolg der Vorgänger anknüpfen. Don Airey dürfte auch Fans von Jethro Tull bekannt sein; 1987 schloss er sich Jethro Tull als Tourmusiker an und spielte als Keyboarder auf deren Europa- und USA-Tournee.
Komme ich aber auf das Album „A Daughter of Time“ zurück. Anfang 1971 verließ die Scheibe kaum meinen Plattenspieler. Es ist eine gelungene Mischung aus Rock, Jazz und Blues mit klassischen Elementen, wie diese uns, wenn auch in anderer Art, von Jethro Tull geboten wurden. Bestimmend für die Musik war Dick Heckstall-Smith mit seinem Saxophon-Spiel, wobei er Tenor- und Sopran-Saxophon oft simultan spielte. Zu diesem Album war auch Chris Farlowe zur Gruppe gestoßen, dessen Gesang, der von schwülstigem Pop über rauhen Rhythm and Blues bis hin zu jazzigem Scat reichte, ebenfalls wesentlichen Einfluss auf dieses Album nahm. Hier ein Stück von dieser Scheibe (aus der Feder von Jack Bruce, Musik, und Pete Brown, Text), das 1994 beim Reunion-Konzert im E-Werk zu Köln aufgenommen wurde:
Colosseum – Theme for an Imaginary Western
Vom gleichen Konzert hier Aufnahmen von der insgesamt dreiteiligen Valentyne Suite – Part 1 – Part 2
Zuletzt ein Titel von Colosseum II mit Don Airey an den Keyboards: The Scorch (live)
Colosseum habe ich live nie gesehen; allerdings sah ich Mitte der 70-er Jahre die Dick Heckstall-Smith Group als Vorgruppe von Deep Purple in der Ernst-Merck-Halle zu Hamburg, als ich einen Freund zu dem Konzert begleitete.