Wer kennt es nicht, diese Schreiben vom Amt, die dermaßen verklausuliert sind, dass es meist nicht reicht, sie zwei-, dreimal zu lesen, um sie zu verstehen. Es geht um Amtsdeutsch, das Deutsch der Beamten, wie diese sich als Verwaltungssprache in den Amtsstuben deutscher Behörden eingenistet hat. Sie ist gewissermaßen ein Ableger der Rechtssprache, in der unsere Gesetze gehalten sind, die ohne das nötige Hintergrundwissen selbst Juristen nicht verstehen würden.
Kennzeichnend für das Amtsdeutsche sind die Anhäufung von Substantiven und die Substantivierung und Adjektivierung von Verben: Es wird „zur Anzeige gebracht“ statt angezeigt und es gibt jede Menge Durchführung, Vornahme (nein, nicht der Vorname, die Vornahme) und Tätigkeit. Besonders gefragt sind Substantivketten („Antrag auf Aufhebung des Bescheides des Ordnungsamtes über die Beseitigung …“) und mehrgliedrige Substantive („Leistungsnachweiserbringungspflicht“). Des Weiteren muss man sich mit formelhaften Umstandsbestimmungen („zwecks Nachlassgewährung“, „unter Hintansetzung meiner Bedenken“), komplexen Adjektivbildungen („kindergeldrechtliche Berücksichtigung“) und häufige Passivbildungen („Es wird hier anerkannt“, „Um Rückantwort wird gebeten“) herumschlagen.
Ganz besonders nett sind allerdings Begriffe, Eigengeschöpfe der Amtssprache, die zwar dahin tendieren, etwas möglichst genau zu beschreiben, meistens aber überflüssig sind, weil es dafür umgangssprachlich weitaus verständlichere Wörter, also gängige Alltagsbegriffe, gibt. Hier nur einige Beispiele:
Ein Kind, das zur Schule geht, wird „beschult“
„Fahrtrichtungsanzeiger“ für Blinker
„Postwertzeichen“ anstelle von „Briefmarke“
„Raumübergreifendes Großgrün“ anstelle von Baum
Nun gibt es bei der Uni Bochum ein Team von Sprachexperten, die zusammen mit den Mitarbeitern der Verwaltungen schwierige Begriffe übersetzen, komplizierte Passagen umformulieren und ganze Texte verständlicher, freundlicher und geschlechtergerecht machen wollen. Ihre Ergebnisse sammeln sie in einem lernenden Online-Wörterbuch, so dass alle Projektteilnehmer auch von der Arbeit der anderen profitieren können. So lohnt sich die Arbeit doppelt, denn viele Textmodule sind gleich oder ähnlich in vielen Verwaltungen: IDEMA (Internet-Dienst für eine moderne Amtssprache) – verständlicher, freundlicher, gerechter
siehe hierzu ein Video bei zdf.de: Amtsdeutsch auf dem Prüfstand
und einige weitere interessante Links:
Rotkäppchen auf Amtsdeutsch
Verstehen Sie Beamtendeutsch? – der Test bei stern.de
Mir ist es immerhin gelungen, 15 von 20 Fragen richtig zu beantwortet. Danach bin ich ein Behörden-Kenner: „Sie durchschauen verquaste Formulierungen. Bei einigen Begriffen wissen Sie jedoch auch nicht weiter“.
Siehe hierzu auch meine Beiträge:
Von Archaismen und Neologismen — Was ist ein Jackpot?