Island, der Inselstaat hatte die bisher besten Voraussetzungen für einen soliden Wohlstand. Billige Energie, hoher Bildungsstand, junge Einwohner, die bereit sind überdurchschnittlich viel zu arbeiten – die isländische Wirtschaft hatte und hat eigentlich noch, wovon viele andere europäische Länder nur träumen.
Jetzt droht dem Land der totale Bankrott, denn nach Jahren des Aufschwungs stehen die isländischen Banken – und mit ihnen ein ganzes Land – vor dem Kollaps. Die Banken haben sich im Ausland Geld geliehen und dieses auch wieder im Ausland investiert; in andere Banken, Kaufhäuser, Pharmaunternehmen, Fluggesellschaften. Als Zweifel an ihrer Zahlungsfähigkeit aufkam, bekamen die isländischen Banken ein Finanzierungsproblem.
Plötzlich sollten sie überdurchschnittlich hohe Zinsen zahlen. „Es besteht die Gefahr, dass unsere Volkswirtschaft dem Abwärtstrend der globalen Bankenkrise nicht entkommt und unsere Nation am Ende bankrott geht“, warnte Ministerpräsident Geir Haarde in einer dramatischen Fernsehansprache. Ein Staatsbankrott tritt ein, wenn ein Land Schulden oder Zinsen darauf nicht mehr bedienen kann, wie Argentinien im Jahr 2002.
Nicht nur der Staat, auch die Einwohner der Insel sind hoch verschuldet. Angesichts eines Wirtschaftsaufschwungs ohne gleichen in den vergangenen Jahren haben sich viele Wohnung, Auto und Fernseher per Kredit finanziert. Weil die Zinsen in Island hoch waren, liehen sich Konsumenten auch Geld in Fremdwährungen. In den letzten Monaten ist die isländische Krone aber drastisch gefallen. Zins und Tilgung in Auslandswährungen zu bedienen, ist deshalb für viele ein Problem geworden.
Island will einen Staatsbankrott durch Verstaatlichungen von Banken und russische Hilfen abwenden. Am Dienstag übernahm die Finanzaufsicht in einer Rettungsaktion die Kontrolle über die zweitgrößte Bank des Landes, Landesbanki. Tags zuvor hatte das Parlament der Regierung per Notgesetz erlaubt, Finanzinstitute zu übernehmen, zu fusionieren oder für bankrott zu erklären. Zudem bemüht sich Island um milliardenschwere Hilfen aus Russland.
Haarde erklärte, isländische Regierungsvertreter würden so bald wie möglich nach Russland reisen, um über das angeblich vier Milliarden Dollar schwere Darlehen zu verhandeln. Noch sei „nichts sicher“, sagte er. Der Kreml erklärte, die Anfrage „wohlwollend prüfen“ zu wollen. Nach Ansicht von Experten ist der 320 000 Einwohner zählende Staat auf das Geld dringend angewiesen.
(aus: Welt Online vom 08.10.2008)
Und um diesen Milliardenkredit gibt es viele Spekulationen. Erst einmal wird dementiert (zunächst aus Moskau), dann kommt als Gegenleistung für den Kredit eine Militärbasis für Russland ins Gespräch. Schon dementiert man in Reykjavik – ein Kuhhandel käme nicht in Frage. Im Zusammenhang mit der deutlichen Kritik des isländischen Ministerpräsidenten Geir Haarde an den westlichen Staaten, sie hätten Island im Regen stehen lassen, halte ich aber einen solchen oder ähnlichen Deal gar nicht für ausgeschlossen. Wenn Island erst einmal mit dem Rücken zur Wand steht …
Es ist kaum zu glauben, wie ein ganzes Land durch die weltweite Finanzkrise innerhalb kürzester Zeit dem Ruin zusteuert. Überhaupt kostete dieses durch die US-Immobilienkrise ausgelöste Desaster gemäß dem Internationalen Währungsfond (IWF) weltweit bisher 1,4 Billionen Dollar (rund eine Billion Euro, eine Eins mit 12 Nullen: 1.000.000.000.000 Euro). Und mit weiteren dramatischen Verlusten ist zu rechnen. Nicht nur auf Island.
Ein Land wie Island, das in der jüngeren Vergangenheit viel zu sehr auf ein expandierendes Finanzsystem gesetzt hat, wird wieder auf andere Dienstleistungen und das produzierende Gewerbe setzen müssen, um sich aus der Krise heraus zu arbeiten. Dank günstiger Energie, die zudem umweltfreundlich produziert werden konnte – Island hat viele heiße Quellen und Wasserfälle – gelang es dem Inselstaat im Nordatlantik in den vergangenen Jahrzehnten, eine umfassende Aluminiumindustrie anzusiedeln. Im ersten Halbjahr 2008 haben Aluminium und das ebenfalls sehr energieaufwendig zu produzierende Ferro-Silizium den Fisch als bisher wichtigstes Exportprodukt der Insel abgelöst.
Es wird also Zeit, sich wieder der Realwirtschaft zuzuwenden. Es sei denn, Island möchte bald zur Außenstelle Moskaus werden.
siehe hierzu auch:
Island geht nicht bankrott (auf Englisch: Iceland is not going bankrupt)
An dieser Stelle möchte ich noch auf einen sehr interessanten Artikel bei ard.de hinweisen. Dieser betrifft das Rückversicherungsgeschäft der Banken, so genannte credit default swaps, kurz cds, die bereits der amerikanische Großinvestor Warren Buffet nach deren Einführung als „Massenvernichtungswaffe der Finanzwelt“ bezeichnet hatte. Und der sollte es wissen, wird er allgemein als reichster Mann der Welt geführt. Auch hier geht es im Wesentlichen um einen Finanzpoker, der laut Schätzung einen Rahmen von bereits 60 Billionen Dollar sprengt. Dieser Wert ist weit mehr als das Bruttoweltprodukt, also mehr als der Gesamtwert aller auf unserem Planeten pro Jahr hergestellten und gehandelten Produkte und Dienstleistungen. Was wir zz. als Weltfinanzkrise erleben ist also nur die Spitze eines Eisbergs. Und was da an staatlichen Hilfen (700 Milliarden Dollar bei den Amerikanern und neuerdings 200 Milliarden Pfund bei den Briten) fließt, dürfte wie wenige Tropfen Wasser in der Wüste, der Finanzwüste, verdampfen, ohne nennenswerte Erfolge zu zeitigen. Erleben wir nach dem Ende des Kommunismus jetzt das Ende des Kapitalismus? Hier der erwähnte Artikel (um uns das Fürchten zu lehren): Die Kreditversicherungsfalle