Hallo Wilfried,
da bin ich wieder.
Zunächst möchte ich auf das Schreiben von Theo eingehen:
Theo ist in der glücklichen Lage, das fast 40jährige Schaffen des Mr. Anderson mit großer Freude und Begeisterung anzunehmen. Von der Ersten bis zur letzten Platte. Das vermag ich leider nicht. Die frühen und späten Werke von JT verkörpern nicht die Musik, die ich hören möchte. Das ist weder meine Schuld noch die von Mr. Anderson, es ist einfach so. Ich bedauere lediglich, dass Mr. Anderson nicht 40 Jahre lang Folk-Alben gemacht hat. Aber, wie Du an früherer Stelle schon treffend bemerkt hast, versteht Mr. Anderson sich als Musiker (nicht als Folk-Musiker). Für ihn ist das Spektrum der Musik zu breit, um sich auf eine Richtung zu beschränken. Wer mehr Folkmusik hören möchte, kann sich bei anderen Bands umschauen. Mr. Anderson hat dieses Kapitel abgehakt. Diese Lektion habe ich während unseres Gedankenaustauschs gelernt.
Zu den Kritikern:
Irgend einer dieser Zunft warf JT vor, dass sich ihre Musik nicht entwickeln würde, dass sie seit Jahrzehnten mehr oder minder das Gleiche produzieren. Wovon, frage ich Dich, redet dieser Mann ? Er kann doch unmöglich die Gruppe JT meinen, die anfangs Blues, dann Konzeptalben, dann Folkrock und später Weltmusik produzierten und zwischendurch mit Synthesizern experimentierten ! Bei manchen Kritiken habe ich den Eindruck, dass der Verfasser fertige Vordrucke in der Schublade liegen hat und nur noch den Namen des zu kritisierenden Künstlers eintragen muss. Dann kann es schon mal passieren, dass eine Kritik nicht zum Künstler passt. Ähnliches vermute ich mit der Kritik in Deiner letzten mail. Hier sieht es so aus, als ob der Kritiker mit einigen Fachausdrücken um sich wirft (z.B. Tonarten, Inspiration) um Fachkompetenz zu suggerieren. Ob diese Fachausdrücke den Kern der Sache treffen, ist ebensächlich. Ich kann Dich nur dazu ermutigen, Dich von solchen Pamphleten nicht verärgern zu lassen. Wann hat man jemals einem Kritiker ein Denkmal gesetzt ?
Zur Übersetzung von ‚Bungle in the Jungle‘:
Es ist das erste Mal, dass ich Kontakt mit dem Text habe. Der Song hat mir nie gefallen, da war der Text für mich ebenfalls uninteressant. Jetzt sehe ich, dass Mr. Anderson wieder Themen aufgreift wie Kritik an Gesellschaft und göttlicher Einflussnahme. Diese Themen hat er in seinen Liedern häufiger angesprochen als ich anfangs dachte. Er ist eben ein Denker, unser Mr. Anderson. Mehr Poet als Fußballspieler. Die vorliegende Übersetzung macht wieder deutlich, wie schwer es ist, einen Text zu übersetzen ohne die Intention des Autors zu verraten und sich gleichzeitig einer flüssigen Ausdrucksweise zu bedienen. Der vorliegende deutsche Text gefällt mir nicht, obwohl ich es selber nicht besser machen könnte; ich bekäme es nicht halb so gut hin. Ich weiß, es ist leicht, rumzumosern ohne es besser zu machen, aber mit dieser Übersetzung werde ich nicht warm. Der Kern des Original ist m.E. getroffen, allerdings scheint mir die Wortwahl ein zu großes Gewicht auf die Umgangssprache zu legen. Sicher, das macht Mr. Anderson auch hin und wieder, vor Ausdrücken wie Sperma und Rotze hat er keine Angst. Aber der Jungle-Übersetzer hat in meinen Augen etwas übertrieben.
Zu der bürgerlichen Herkunft der Musiker:
Ich denke, die Musik von JT würde mir nicht besser gefallen, wenn Clive Bunker Latein könnte oder Mick Abrahams Philosophie studiert hätte. Allerdings lese ich gerne, dass auch ‚gebildete‘ Leute die Musik machen, die ich gerne höre. Andersherum ist es aber auch in Ordnung. Mir fällt gerade Bruce Springsteen ein, dessen Musik ich ebenfalls schätze. Er hat bekanntermaßen ein Problem mit der Bildung. Trotzdem hat er seinen Weg gemacht. Und wie !
Zu Poppern und Punks:
Ich war weder das eine noch das andere. Allerdings tendierte ich ganz leicht in Richtung Popper. Das lag daran, dass ich mich damals gerne chic (so empfand ich es jedenfalls) angezogen habe und dass ich meinen gescheitelten Pony bis tief ins Gesicht trug. An dieser Stelle lege ich Wert auf die Feststellung, dass ich diese Allüren schon lange vor der Popper-Bewegung hatte. Karotten-Hosen und Kaschmir-Pullover hatte ich nie. Ich habe auch die Musik der Popper nicht gehört. Damals wie heute hörte ich Rockmusik. Allerdings muss ich einräumen, dass ich ähnlich wie die Popper nie besonders rebellisch war. Man könnte mich als angepasst bezeichnen. Das liest sich ein einer Biographie nicht besonders spannend, aber wir wissen spätestens seit Darwin, dass nur der Angepasste überlebt.
Zu JT und der Salvation Army:
Unbestreitbar sind beides sehr britische Institutionen. Du wunderst Dich, dass eine so britische Gruppe wie JT auf dem Kontinent ihr Publikum findet. Ich denke, auf dem Festland geht es vielen Tull-Fans wie mir lange Jahre: Ihnen gefällt die Musik, ohne auf Texte zu achten. Ich habe erst vor wenigen Jahren bemerkt, dass JT – Texte es in sich haben. Bis dahin habe ich einfach die Musik genossen. Ich habe auch schon bereut, einen Text übersetzt zu haben: Die Musik erzeugte in mir Bilder von Wäldern, Zauberern, Feen usw. und bei der Übersetzung musste ich feststellen, dass das Lied von Arbeitslosigkeit oder Verdauungsstörungen handelt. Nur so als Beispiel, bitte nicht wörtlich nehmen.
Ich habe ein Faible für alles Britische: Für die keltische Folklore, Miss-Marple-Filme, überhaupt für alle Darstellungen des British Way of Life: Der Doktor und das liebe Vieh, Task Force Police und wie die englischen Serien alle heißen. Ich kenne mich in der englischen Geschichte besser aus als in der Deutschen. Ich war dreimal in London, aber noch nie in Berlin. Ich habe mehr Schuhe von Lloyd als von Salamander. Mir gefallen uralte schwarze Taxen besser als moderne gelbe Mercedes. Rote hölzerne Telefonzellen besser als die Edelstahlgerippe der Telekom. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Ich habe es oben bereits angedeutet: Im Pantheon der Folkmusik tummeln sich noch andere Größen als Mr. Anderson. In youtube entdeckte ich einen, wie ich finde, sehr sehenswerten Liveauftritt der Waterboys aus 1986. Also, wenn es Dich interessiert: „The Waterboys Fisherman’s Blues Live 1986“.
So long
Lockwood
05.10.2006
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Hallo Lockwood,
Bis Weihnachten ist es noch etwas hin, aber zur ersten Vervollständigung eine weitere Übersetzung eines Anderson’schen Textes (nach weiteren suche ich noch im Netz):
Jethro Tull – Another Christmas Song
Hope everybody’s ringing on their own bell, this fine morning. Hope everyone’s connected to that long distance phone. Old man, he’s a mountain. Old man, he’s an island. Old man, he’s a-walking says: „I’m going to call, call all my children home“. |
Hoffentlich läutet ihr alle eure Glocken heute. Und hoffentlich ruft ihr alle eure Freunde an. Der alte Mann – er ist so was wie „ne Insel, oder besser: ein Berg – der alte Mann wacht auf und sagt sich: “Heute sollen alle meine Kinder kommen.“ |
Hope everybody’s dancing to their own drum this fine morning: the beat of distant Africa or a Polish factory town. Old man, he’s calling for his supper. Calling for his whisky. Calling for his sons and daughters, yeah calling, calling all his children round. |
Hoffentlich tanzt ihr heute alle schön brav, egal wo ihr grade seid: in Afrika oder in irgendeiner polnischen Fabrikstadt. Der alte Mann ruft nach seinem Abendessen, nach seinem Whiskey. Er ruft nach seinen Kindern, seinen Söhnen und seinen Töchtern. |
Sharp ears are tuned in to the drones and chanters warming. Mist blowing round some headland, somewhere in your memory. Everyone is from somewhere even if you’ve never been there. So take a minute to remember the part of you that might be the old man calling me. |
Ihr hört heute nur eure Musik, Dudelsäcke hört ihr. Aber irgendwo in eurem Hirn seht ihr eine Insel im Nebel. Jeder kommt von irgendwo her, selbst wenn er niemals mehr dort war. Also hört mal kurz auf und denkt daran, dass ihr irgend wann mal nach euren Kindern ruft. |
How many wars you’re fighting out there, this winter’s morning? Maybe it’s always time for another Christmas song. Old man he’s asleep now. He’s got appointments to keep now. Dreaming of his sons and daughters, yeah, proving, proving that the blood is strong. |
Wie viele Kriege führt ihr eigentlich da draußen, an diesem Wintermorgen? Vielleicht ist es mal wieder Zeit für ein Weihnachtslied wie dieses hier. Der alte Mann ist schlafen gegangen. Schließlich hat er ja morgen eine Verabredung. Er träumt von seinen Töchtern und Söhnen, und davon, dass das Band noch nicht zerrissen ist. |
Zu “Bungle in the Jungle” geht es mir ähnlich wie Dir. Das Lied war zwar als eines der wenigen in den Top Ten vertreten, aber ähnlich wie „Locomotive Breath“ ist es reichlich flach und nicht das, was Jethro Tull ausmacht. Aber gerade mit solchen Liedern ist die Gruppe in der Öffentlichkeit bekannt. Als mein Sohn Jan noch ganz klein war, da hatte ich ihm es vorgespielt und erzählt, dass es vom „Dschungel“ handelt und den Tieren dort. Er fand es ganz lustig.
Die Texte sind wirklich sehr umgangssprachlich übersetzt. Bei dem Lied mag es noch passen, wenn auch die Feinheiten flöten gehen. Bei anderen wäre es fehl am Platze. Es ist aber eben nicht leicht, einen Text zu übersetzen (wenn dann auch noch der Sprachrhythmus, also das Versmaß, stimmen soll). Und gerade Übersetzungen englischer Texte ins Deutsche führen dazu, dass die deutsche Übersetzung viel zu lang wird. Dem wurde beim Dschungel-Lied durchs Umgangssprachliche „nachgeholfen“ (ist eben kürzer zu verfassen)…
Zu den Kritikern: Ich habe weitere Kritiken aus alter Zeit gelesen und konnte eigentlich nur lachen. Plötzlich war da „Stand up“ das beste Album, innovativ usw. und alles Neue steril und nur ein erneuter Aufguss. Es lohnt sich nicht, den Sermon hier zu veröffentlichen. Vielleicht später als kleine Zusammenfassung einmal. Allerdings sind die Kritiken zu anderen Bands meist nicht viel besser. Es muss an der Zeit (70-er und 80-er Jahre) gelegen haben. Da wollte man wohl besonders kritisch sein und kam sich schlau vor, wenn man alles möglichst in kleine Schnipsel verriss. Von Ärger bei mir keine Spur. Es ist eher zum Lachen.
Kurz zu Theo: Ich denke, er ist kein „reiner“ Tull-Fan. Und ob er alles, was Anderson und Co. abgeliefert hat, begeistert angenommen hat, bezweifle ich. Ich bin wie erwähnt nicht erst mit den Folk-Alben Tull-Fan geworden. Gerade das „Stand up“-Album hatte es mir damals (als Du noch in der Sandkiste gespielt hast 😉 ) angetan. Die gute Vinyl-Scheibe dürfte nicht mehr abspielbar sein und hat höchstens noch Sammlerwert, so oft drehte sie sich auf dem Plattenteller. Eine der ersten CDs, ich mir später kaufte, war dann „Stand up“: Endlich einmal wieder vollen (fast schon unbekannter) Hörgenuss! Und so habe ich mich dann von Scheibe zu Scheibe durchgehangelt. Erst spät kamen die Folk-Alben … Aber auch bei mir gibt es dann Alben, die mich alles andere als vom Hocker rissen. Der Höhepunkt: „Under Wraps“ mit diesen monotonen Drums aus der Retorte. Und neben echten Höhepunkten hatte fast jede folgende Platte auch Scheußlichkeiten, die man am CD-Player (oder Rechner) mit einem Tastendruck (oder Mausklick) überspringen kann. Also von Anbetung oder so kann keine Rede sein.
In diesem Zusammenhang. Hast Du Dir schon einmal Gedanken gemacht, wie man die einzelnen Alben von Jethro Tull bestimmten Musikstilen zuordnen könnte (Mehrfachnennungen sind zulässig)? Du weiß, diese netten Schublädchen … Auf der Tull-Website habe ich eine solche Zuordnung gefunden. Ist witzig: “Here’s a quick guide organizing the albums by their dominant musical style.”
Blues / Jazz
This Was (1968), Stand Up (1969), Catfish Rising (1991)
Folk or Acoustical Rock
Stand Up (1969), Aqualung (1971), Minstrel in the Gallery (1975), Songs from the Wood (1976), Heavy Horses (1978), Stormwatch (1979), J-Tull Dot Com (1999); The Jethro Tull Christmas Album (2003).
Prog / Art / „Concept“ Rock
Aqualung (1971), Thick as a Brick (1972), A Passion Play (1973), Too Old to Rock and Roll: Too Young to Die (1976)
Heavy (more like medium [sic]) Rock
Benefit (1970), Aqualung (1971), Too Old to Rock and Roll: Too Young to Die (1976), Crest of a Knave (1987), Rock Island (1989), Catfish Rising (1991)
Elizabethan / Medieval / Classical
War Child (1974), Minstrel in the Gallery (1975)
Electronic Keyboards / Synthesizers
A (1980), The Broadsword and the Beast (1982), Under Wraps (1984)
Far East / Asian Influences
Roots to Branches (1995), J-Tull Dot Com (1999)
Ist doch interessant, wo der Meister seine Musik selbst ansiedelt. Dass mit dem Heavy Rock ist gewissermaßen ein Entgegenkommen gegenüber den Juroren, die seinerzeit (1988) die Scheibe „Crest of a Knave“ mit einem Grammy für das beste Hard Rock Album auszeichneten („Metallica“ zum Verdruss).
Jugendkultur: Ich schrieb es bereits. Im Gegensatz zu Dir war ich ein Vertreter des Lumpenlooks (Popper und Punks pupsten noch in ihre Windeln – ich weiß, dass es kein Vorrecht ist, Dir gegenüber so viel früher geboren zu sein). Als Spät-68-er trug ich einen Parka, einen ausgelatschten dunkelblauen Pullover ohne Kragen, Jeans und meist halbhohe Stiefel. Ich muss gestehen, auch heute nicht allzu sehr auf mein Äußeres zu achten. Ich trage meine Klamotten auf bis zum Verfall, gehe zum Friseur, erst wenn es lästig wird, die Haare dauernd aus dem Gesicht zu streichen. Und: nur zwischenzeitlich gab es Interesse von meinem großen Sohn Jan (in seiner Punkphase) an alten Jeans von mir, die selbst ich nicht mehr tragen wollte. Immerhin waren die Löcher in diesen durch natürlichen Verschleiß entstanden und nicht künstlich unter Zurhilfenahme einer Schere. Überhaupt Jugendkult. Mit meinem Großen sind wir damit mittendrin. Du und Deine Frau haben da noch einiges vor Euch … Viel Spaß! Aber nicht verzweifeln. Immer schön locker bleiben und daran denken, dass die lieben Kleinen sich später nicht mehr so ‚austoben’ können (und denk auch an Deine Jugendzeit und – als Negativbeispiel – an Deinen alten Schulfreund).
Mit Deinen Anmerkungen zum typisch Britischen hast Du bei mir Erinnerungen geweckt: Klar doch, am Sonntagnachmittag gab es „Der Doktor und das liebe Vieh“, montags bei uns auf NDR3 nach der Tagesschau „Task Force Police“. Was gibt es Herrlicheres als diese skurrilen britischen Typen. Aber auch das nimmt nach und nach ein Ende. Bobbies laufen zunehmend ohne diese schwarzen Helme herum (den letzten Polizisten mit Bobbyhelm habe ich vor 6, 7 Jahren in Gibraltar gesehen). Die Taxen haben sich ein moderneres Outfit zugelegt. Und auch die roten Telefonzellen verschwinden im Zeitalter des Handys mehr und mehr oder werden durch Konservenbüchsen anderer Telefongesellschaften abgelöst. Die voll schönste Telefonzelle habe ich auf der Isle of Skye gesehen: Irgendwo in dem Pampa mit herrlichen Blick auf eine Bucht. Leider waren wir (ich und meine Lieben) mit einem Bus unterwegs und konnten auf die Schnelle kein Foto machen.
Das typisch Britische übt auf viele Deutsche, überhaupt Nicht-Briten, einen gewissen exotischen Reiz aus. Das fängt mit den Essensgewohnheiten an. Wo gibt es grausameres Essen als auf der Insel (vielleicht in skandinavischen Ländern noch). Und doch kommt man nicht ohnehin, einmal davon zu kosten. Sicherlich heißt es, dass man am Morgen wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettelmann speisen soll. Aber was sich da manche Briten schon morgens in die Wampe hauen, ist einfach zu viel. Und es zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen lieben Tag: Briten sind anders als die anderen! Sie leben anders, essen, trinken, arbeiten anders. Wahrscheinlich lieben sie sich auch anders. Und das findet sich dann auch bei Ian Anderson, seinen Jungs und seiner Musik wieder. Du hast recht: Hört man z.B. das Lied „Broadford Bazaar“, so tauchen vor dem inneren Auge schöne Landschaften auf. Aber der Text handelt von Touristen, die die Insel (Isle of Skye) bevölkern und von den Problemen der Leute. Das können nur Briten unter einen Hut bringen.
Das klingt nach Klischees. Aber wenn man durch eine Stadt selbst wie Edinburgh geht, erlebt man es am eigenem Leibe, dass hier die Uhren anders gehen. Da outet man sich als Deutscher und ist doch herzlich willkommen. Schottland vor einem Jahr hat auch meinen Jungs viel Spaß gemacht. Selbst der Kleine, Lukas, der meist schon nach drei Tagen ‚in der Fremde’ am liebsten wieder nach Hause möchte, hat es dort genossen und wäre länger geblieben.
Aber mit meiner Begeisterung schreibe ich mich jetzt in einen Rausch hinein. Jethro Tull ist eben very british. Und ich weiß gar nicht, ob ich Jethro Tull aus díesem Grund liebe oder das Britische, weil ich ein Fan dieser Gruppe bin. Es ist wie mit der Henne und dem Ei. Ist aber auch egal: ich mag beides.
Ich schrieb ja, dass ich beim Aufräumen altes Material von und über Jethro Tull gefunden habe. Hier ein Artikel aus dem Jahre 1978, der sich u.a. mit den weiteren Plänen von Herrn Anderson befasst. Höchst interessant, wenn man gedenkt, was am Schluss dabei herausgekommen ist.
aus: Musikexpress vom Mai 1978 (S. 12) Jethro Tull – Ian Anderson wechselt die Pferde
Nach „Songs From The Wood“ hatte Ian angekündigt, sein nächstes Album würde wieder schärfer ausfallen. Nun entstand mit „Heavy Horses“ aber wieder eine akustisch und traditionell orientierte LP. „Im nächsten Jahr muß ich endgültig etwas anderes machen“, erklärt Ian, „aber in diesem Jahr konnte ich noch mal ein ähnliches Album wie „Songs From The Wood“ herausbringen. 1979 werde ich dafür drei LP’s machen: eine Rock’n’Roll-LP, ein Album mit ruhigen, akustischen Titeln und eines mit klassischer Ballettmusik für ein 50köpfiges Orchester. Das halte ich für besser, als alle Spielarten immer in eine einzige Schallplatte hineinzupferchen.“ Die Ballettmusik schreibt Ian für ein schottisches Theater. Dies wird die erste Zusammenarbeit mit seinem Bruder, der als Ballettdirektor in Schottland arbeitet. Im März 1979 soll das Opus fertig sein. 1978 wird wohl noch ein Jethro Tull-Album erscheinen, das man jetzt während der Tournee mitschneidet.
Das Album mit den akustischen Songs wird Ian nicht unter dem Namen Jethro Tull veröffentlichen. „Es könnte die Leute enttäuschen, die von uns eine rockigere LP erwarten.“ Aber als Solo-LP will er es auch nicht deklariert wissen. „Ich nehme es ja nicht allein auf, sondern arbeite noch mit anderen Musikern zusammen.“ Von Tull wird keiner dabei sein, und die anderen sind unbekannte Studiomusiker.
Das Live-Album ist dann ja wohl „Bursting Out“. Das Ballett hat es dann auch wirklich gegeben habe: Water’s Edge Ballet (ein Ausschnitt gibt es auf der bereits erwähnten DVD Jethro Tull – Lively Arts, der BBC-Dokumentation zur USA-Tour von Tull 1979 – hierzu gibt es wiederum einige Ausschnitte bei youtube.com). Und irgendwo hatte ich dazu auch einiges zum Lesen gefunden, u.a. bei tullpress.com. Danach wurde (holprig übersetzt) DER RAND DES WASSERS zuerst durch das schottische Ballett am 7. März 1979 durchgeführt, am königlichen Theater, Glasgow. Als Komponisten werden David Palmer und Ian Anderson, auch Martin Barre genannt.
Ians Bruder heißt übrigens Robin – siehe auch einen Artikel im Melody Maker hierzu. Eigentlich eine spannende Sache, die aber irgendwie im Sande verlief. Ich habe Dir den Ausschnitt als Real-Media-Datei im Anhang beigelegt.
Jetzt aber genug. Sonst geht mir das Material noch vor Jahresende zur Neige.
Man liest voneinander.
Bis dann – und noch ein schönes Wochenende Dir und Deinen Lieben.
Wilfried
P.S. Auch so das Waterboys-Video. Ich hab’ s gefunden und muss gestehen, dass ich darauf nicht ganz so abfahre. Klingt für mich auch etwas wie Bob Dylan in alten Zeiten (Blowing in the Wind und so), was ja nicht schlecht war.
07.10.2006