Romananfänge (6): Garp

Heute möchte ich noch einmal auf den Roman Garp und wie er die Welt sah von John Irving zurückkommen, den ich gestern hoffentlich nicht zu sehr verrissen habe. Vielen Irving-Liebhabern muss es seltsam anmuten, den ‚Garp’ einerseits in einer Liste meiner liebsten Bücher zu finden, andererseits solch kritische Worte über das Buch zu vernehmen. Vielleicht sollte der werte ‚Liebhaber’ dann vielleicht doch etwas genauer lesen …

In einer Vorbetrachtung zum Thema Romananfänge läutete ich gewissermaßen einen Wettbewerb für gekonnt formulierte erste Romansätze ein. Dazu bin ich, wie geschrieben, durch John Irving angeregt worden. Was liegt da näher, als hier auch einmal einen Anfang eines Romans von John Irving in den Wettbewerb zu schicken – eben aus seinem besagten Roman: Garp und wie er die Welt.

Garps Mutter, Jenny Fields, wurde 1942 in Boston festgenommen, weil sie einen Mann in einem Kino verletzt hatte. Es war kurz nachdem die Japaner Pearl Harbor bombardiert hatten, und die Leute waren tolerant gegen Soldaten, weil plötzlich jeder Soldat war, aber Jenny Fields blieb fest in ihrer Intoleranz gegen das Benehmen von Männern im allgemeinen und Soldaten im besonderen.
(1. Kapitel – Das Bostoner Mercy Hospital)

Nun, der Soldat wurde gegenüber Jenny Fields sexuell aufdringlich, was Garps Mutter, die Krankenschwester, die immer ein Skalpell bei sich trug, entsprechend beantwortete.

Willi und die Romananfänge

Das Witzige ist, dass Irving zunächst einen anderen Romananfang im Sinne hatte. In einem Nachwort: Vor zwanzig Jahren (1998) – der Roman war 1978 erschienen – schreibt John Irving:

„Damals fiel mir ein, daß ich neben meinen übrigen Versuchen, einen Romananfang zu finden, vor langer Zeit auch einmal mit dem jetzigen Schlußsatz begonnen hatte („… in der Welt, so wie Garp sie sah, sind wir alle unheilbare Fälle.“), und ich erinnerte mich daran, wie dieser Satz durch das Buch gewandert war, wie ich ihn dauernd vor mir herschob. Anfangs war es der erste Satz des zweiten Kapitels, später war er der letzte Satz des zehnten Kapitels und so weiter, bis er zum Ende des Romans wurde – dem einzig möglichen Ende.“

Manchmal liegt Anfang und Ende so nah beieinander. Ein guter Anfang soll den Leser zum Weiterlesen animieren, ein gutes Ende wie das Feuerwerk zu Silvester, dem Jahresende, dem Ganzen des Romans die Krone aufsetzen.

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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