Was ist bloß mit Ian los? Teil 37: Kein Wiegenlied

Hallo Wilfried,

mittlerweile weiß fast meine ganze Abteilung, welch außergewöhnliche Darbietung uns am Heiligen Abend erwartet. Bei mir ist die Erwartungshaltung jedenfalls ziemlich hochgeschraubt. Der Meister wird das schon machen…

Ich habe mir die Montage zum Aquaclaus noch einmal näher angeschaut. Mit dem Färben des Mantels war es nicht getan. Da steckt noch einiges mehr drin. Wirklich gut gemacht.

Ich kann mir gut vorstellen, dass Mr. Anderson während der „Minstrel“ – Zeit unter der Scheidung litt. Ich habe zwar keine Erfahrungen mit dieser Thematik, halte es aber für denkbar, dass es einem jungen Menschen -der Mr. Anderson damals war- spürbar zusetzt. Ich denke, Du hast mit Deiner Theorie den Nagel wieder auf den Kopf getroffen.

Während ich dies schreibe, gucke ich hin und wieder bei youtube in Dein Video von „Roots to Branches“. Hier trägt der Meister das Headset, das, wenn ich Herrn Weber richtig verstanden habe, seinen Sturz von der Bühne verursacht hat. Ich muss sagen: Das war es nicht wert. Durch sein ständiges Gefummel an diesem Ding macht er einen überforderten Eindruck. Und dann die Musik. Und die ständige Notwendigkeit, fast gleichzeitig zu flöten und zu singen…Nein, Herr Weber, hier gehen unsere Meinungen wirklich auseinander.

Das aktuelle Foto der Anderson-Familie halte ich trotz Genickbruch für sehenswert. Zeigt es doch, dass die Jahre sehr gnädig mit Mrs. Anderson umgegangen sind. Auch der Meister kommt gut rüber; er wirkt frisch und vital. Wenn mich nicht alles täuscht, hat er auch etwas an Gewicht verloren. Allerdings passt die Bierflasche in seiner Hand nicht so recht zu seinem Status als Milchtrinker.

Die Weihnachtstage im Hause Lockwood laufen nach einem eingespielten Schema ab:
Heiligabend verbringen wir alleine zu Hause (allein ist gut; immerhin sechs Personen). In diesem Jahr wird erstmals zur üblichen Bescherungszeit der Fernseher laufen. Wir werden die Bescherung danach ausrichten müssen. Den ersten Weihnachtstag verbringen wir traditionell bei meinen Schwiegereltern bzw. bei meiner Schwiegermutter; der Vater meiner Frau ist vor 7 Jahren verstorben. Der zweite Weihnachtstag sieht uns bei meinen Eltern, zusammen mit meinem Bruder und seiner Familie. Als unsere Kinder noch jünger waren, bedeuteten diese Festtage sehr viel Stress für meine Frau und mich. Ich kann mich an Jahre erinnern, in denen ich in der zweiten Dezemberhälfte um Monate gealtert bin. Diese Zeit ist Gott sei dank vorbei. Die Kinder können sich alleine anziehen, sich im Auto alleine anschnallen, sie wissen sich an guten Tagen einigermaßen zu benehmen und und und.

In diesem Zusammenhang fällt mir gerade etwas auf: Viele Künstler, die während ihrer Karriere Vater geworden sind, haben das in ihren Liedern thematisiert. Nicht so Mr. Anderson. Grob gerechnet müsste sein Ältester (wie viel Kinder hat er eigentlich ?) zwischen „Heavy Horses“ und „Broadsword“ geboren sein (das wär’s doch: Wir messen die Zeit nicht mehr in Jahren, sondern in JT-Alben). Auf keinen dieser Alben entdecke ich einen Hinweis auf Vaterfreuden. Seltsam. Dabei lässt sich diese Lebenserfahrung so wunderbar in Musik und Lyrik umsetzen. Wenn ich ein schaffender Künstler wäre, hätte ich meinen Kindern ganz gewiss ein musikalisches Denkmal gesetzt. Wieder ein neuer Aspekt in der komplexen Persönlichkeit des Mr. Anderson.

Weißt Du, an wen der unbeschreibliche Schlagersänger G.G. Anderson seinen Künstlernamen anlehnt ? Dieser Name ist geschickt gewählt: er kling international, erinnert an einen hervorragenden Musiker und beinhaltet einen doppelten G-Punkt. So bringt man die Damenwelt auf seine Seite. Aber das reicht jetzt, wir leben schließlich im Advent.

Mögen Eure Vorbereitungen für die doppelten Festtage ruhig und erfolgreich verlaufen !
Lockwood

12.12.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

ich habe mich mit der Werbung in Sachen Anderson-Konzert (am Heiligabend 2006 übertragt das ZDF ab 17 Uhr das Weihnachtskonzert des Bundespräsidenten – Ian Anderson ist einer der Mitwirkenden) bisher zurückgehalten. Nicht das ich glaube, dass das nichts werden könnte. Aber manchmal sollte man den Leuten (wen auch immer) nicht zu sehr mit eigenen Anliegen auf den Geist gehen. Wenigstens erscheint es mir so. Aber ich werde noch die Werbetrommel rühren. Meine Erwartungshaltung ist eher gedämpft. Klar, freue ich mich darauf, dass der Meister uns auch zu Weihnachten beglückt. Aber er wird nur einer von vielen sein, denke ich.

Zu dem „Roots to Branches“-Konzert: Was Herr Weber da geschrieben hat, deckt sich doch mit Deinen Eindrücken, oder nicht? Das Headset diente u.a. dem schnellen Wechsel zwischen Gesang und Flötenspiel über das Mikrofon. Warum er beim Singen dauernd an bzw. in sein rechtes Ohr greift, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Auch später (oder früher) greift sich der Meister an sein Ohr. Es dient eigentlich dazu, die eigene Kopfstimme zu hören. Wenn die Instrumente um einen herum die eigene Stimme übertönen, dann verliert man schnell die Kontrolle über diese. Hält man sich dann ein Ohr zu, dann hört man sich ‚von innen’. Ich verstehe den Griff zum Ohr deshalb nicht, weil er ja einen Kopfhörer im Ohr hat. Aber die Technik war damals wohl noch nicht so ausgereift, um die notwendige Lautstärke zu übertragen. Auf neuen Videos (und auch bei vielen anderen Sängern) sieht man diesen ‚Knopf im Ohr’. Der Kopfhörer übermittelt den eigenen Gesang und trägt dazu bei, die Kontrolle zu bewahren. Ich kenne das selbst aus eigener Erfahrung, besonders wenn mehrstimmig gesungen wurde. Manchmal hilft auch ein Ohropax (statt Finger im Ohr).

Wegen des Fotos von Ehepaar Anderson: Ich habe noch einmal nachgeguckt. So neu ist es leider doch nicht mehr, sondern stammt wohl aus dem September 1998. Auch als Milchtrinker gönnt man sich am Abend (nach einem Konzert) ab und zu ein Bierchen. Vielleicht gab es ja auch nirgends Milch. Und schließlich macht Herr Anderson ja keine Werbung für Milch (wie z.B. seinerzeit Dieter Bohlen).

Die Weihnachtstage haben wohl bei vielen, die Familie haben, den gleichen oder einen ähnlichen Ablauf: Heiligabend ganz unter sich, die beiden Feiertage dann im Wechsel bei Eltern und Schwiegereltern. Ist bei uns nicht anders, nur in diesem Jahr gibt es wie geschrieben eine Änderung des Programms. Der Stress hielt sich bei uns aber immer in Grenzen. Was Weihnachtsgeschenke betrifft, so sind wir so schlau geworden, diese nicht erst kurz vor Weihnachten zu kaufen. Immer wenn wir im Laufe des Jahres etwas Schönes finden, so kaufen wir es und lagern es an geheimen Plätzen. Das kann natürlich dazu führen (wie bei Clark Griswold im Film „Schöne Bescherung“), dass man plötzlich Sachen findet, die man eigentlich schon längst verschenkt haben wollte.

Was die Thematisierung des Vaterwerdens und –seins von Ian Anderson betrifft, so hast Du nicht Unrecht. Shona und Ian Anderson haben zwei Kinder, James und Gael. Ich denke James Duncan ist der Erstgeborene. Wir kennen ihn ja als trommelnder Begleiter seines Vaters. In der Anderson-Biographie auf der offiziellen Tull-Site steht:

Ian Anderson lives on a farm in the southwest of England where he has a recording studio and office. He has been married for 27 years to Shona who is also an active director of the companies. They have two children – James and Gael – who work in the music and television industries respectively.

James Duncan müsste ziemlich zum Anfang der Ehe geboren sein, also spätestens 1977. Auf „Heavy Horses“ (1976) gibt es ja ein Lied: No Lullaby, in dem es gleich am Anfang heißt:

Keep your eyes open and prick up your ears
rehearse your loudest cry.
There’s folk out there who would do you harm
so I’ll sing you no lullaby.
There’s a lock on the window; there’s a chain on the door:
a big dog in the hall.
But there’s dragons and beasties out there in the night
to snatch you if you fall.

Jan Voorbij von cupofwonder.com sieht in dem (gesamten) Liedertext einen Zusammenhang mit dem Erstarken des Rechtsextremismus in vielen europäischen Staaten. Es bezieht sich aber ebenso eindeutig auf ein Kind und mahnt zur Wachsamkeit, um das Kind zu beschützen.

Auf “Stormwatch” (1979) kommen die Wörter child bzw. children immerhin fünfmal vor, was allerdings weniger mit der eigenen Vaterschaft zu tun hat. Wenigstens scheint es so. Da sowohl „Heavy Horses“ als auch „Stormwatch“ ( z.B. „Dark Ages“„Dun Ringill“„Elegy“) themenbezogene Alben sind, war vordergründig ‚wenig’ Platz für die Gegenstände Kind und Vaterschaft. Und für ein Album „My son and me“ oder so war und ist sein Privatleben zu sehr tabu. Bis auf „Jack-a-Lynn“ hast Du ja auch bisher kein Lied gefunden, dass als Liebeslied für seine Frau zu werten wäre (und dabei ist „Jack-a-Lynn“ alles andere als ein Liebeslied).

Also G.G. Anderson, der Schlagerfritzi, hat es Dir angetan. Das mit dem doppelten G-Punkt ist allerdings ein Hammer. Manchmal sind die scheinbar so offensichtlichen Tatsachen die verstecktesten. Vor lauter Bäumen sieht man den Wald nicht. Aber ich kenne Dich ja als scharfen Beobachter, dem kein Detail entgeht. Nur klingt dieses Dschi-Dschi ich weiß nicht wie (hätte fast „schwul“ geschrieben). Vor vielen Jahren, als der Sozialismus noch real existierte, war ich zum Winterurlaub mit meiner heutigen Frau in Rumänien. Wir hatten dort einen Ski-Lehrer, der sich auch Dschi-Dschi riefen ließ. Wie der sich nun schrieb, habe ich allerdings nicht erfahren. Vielleicht hatte es auch etwas mit dem Wort ‚Ski’ zu tun. Ski-Lehrer bringt man ja ganz schnell mit dem weiblichen Geschlecht in Zusammenhang. Ich vermag es nicht zu beurteilen, aber vielleicht hat dieses G.G. oder wie auch immer eine erotische Note, dem G-Punkt ähnlich.

Du hast Recht. Es ist Adventszeit. Lassen wir es dabei bewenden und kümmern uns um die letzten Vorbereitungen für das Fest.

Bereits jetzt schon einen besinnlichen 3. Advent (am Samstag noch nach Aachen?).

Bis bald
Wilfried

14.12.2006

English Translation for Ian Anderson