Was ist bloß mit Ian los? Teil 75: Andersons Interview

Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

mit dem Video von „Brighton Rock“ scheine ich wirklich einen Griff ins Klo getan zu haben. Zum operettenhaften Eindruck der ersten Queen-Platten: Gerade das gefällt mir daran. Aber lassen wir das; ich will nicht missionieren.

David Lindley ist mir in der Tat vollkommen fremd. Sein „Bon Tempes Roulez“ drängt mich nicht dazu, mehr von ihm hören zu wollen.

Wilfried hat in seiner letzten mail ein Interview mit Ian Anderson vorgestellt. Leider, lieber Wilfried, verstehe ich nicht, was Du daran glaubhaft findest. Der Meister erklärt hier seiner gläubigen Gemeinde, dass er weiterhin auf Tour geht, um sich immer weiter in Richtung des perfekten Auftritts zu entwickeln. Das ist doch der reinste Hohn, soviel Arroganz hätte ich nicht einmal ihm zugetraut. Wenn er nach Perfektion strebt, hätte er vor über 20 Jahren aufhören sollen, spätestens nach seiner Halserkrankung.

Wenn er auf seinen Instrumenten nach eigener Aussage einen falschen Ton trifft, – was niemand bemerkt – so stört ihn das. Aber es ist ihm gleichgültig, wenn er (wie neulich in einem Blog-Kommentar sehr treffend zu lesen war) den Hals wie ein Ganter strecken muss, um einen hohen Ton zu treffen. Wo ist die Verbindung zwischen seinem aktuellen Gesang und Perfektion ?

Seine Aussage, dass er sich mit seinem Alter und seiner physischen Kondition gut arrangieren kann, nehme ich ihm ebenfalls nicht ab. Wenn es so wäre, würde er sein gefärbtes Resthaar nicht unter einem Lappen verstecken. Seine schlaffen Arme sind wirklich sein geringstes Problem. Ansonsten versteht es der Meister wie eh und je, sich und seine Musik gekonnt in Szene zu setzen. Ich wünsche ihm, dass er damit ein unkritischeres Publikum erreicht als ich es bin.

Als Geschenk für den Meister zu seinem runden Geburtstag fällt mir noch etwas Gehässigeres ein als ein (längst überfälliger) Rentenbescheid: Ein Mitschnitt des Tampa-Konzerts oder vom Hippodrom, damit er sich vergegenwärtigen kann, was die Fans unter Perfektion verstehen.

In eigener Sache: In NRW haben die Ferien vergangenen Donnerstag begonnen. Ich muss noch zwei Wochen zur Arbeit, um dann ab dem 9. Juli für vier Wochen Urlaub (incl. Abbau von Überstunden) zu nehmen. Vier Wochen ! So lange hatte ich noch nie an einem Stück Urlaub. Hoffentlich geht das gut. Das ist schon fast „Pappa ante portas“.

Mit den besten Wünschen für ein trockenes Wochenende verbleibe ich
Lockwood

22.06.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

nach längerer Sendepause melde ich mich wieder bei Euch. Entschuldigt, aber die letzten Tage hatte ich keine große Lust auf Herrn Anderson, zudem gab es auf der Arbeit reichlich Stress (ich bin einfach urlaubsreif, muss aber noch bis Ende des Monats durchhalten, aber dann …).

Aber zunächst zu Dir, Kretakatze, wie war Dein Urlaub, hoffentlich nicht zu heiß, oder? – und warst Du beim Tull-Konzert in Iraklio und wenn ja, wie war es? Der erste Teil der Deutschland-Tour ist ja vorbei und es gibt dazu viele unterschiedliche Meinungen, auch viele Bildchen usw., im Laufi-Forum ist davon vieles zu finden. Oder hier von der Kieler Woche (ohne Segelboote).

Achtung, Anderson!

Es sind auch einige Bilder vom Publikum dabei, die mich wirklich nachdenklich gestimmt haben. Okay, ich bin nun wirklich auch nicht mehr der Jüngste, aber betrachtet man z.B. das Foto unten, dann deutet wenig daraufhin, dass das die Besucher eines Rockkonzertes sind. Es sieht irgendwie nach einem Freiluft-Rentnertreff aus. Stimmt nicht ganz, ziemlich vorn links ist ein junges Gesicht zu sehen (aber wohl ein Enkel, der seine Großeltern begleiten musste oder ein Zivi, der den Rollstuhl schiebt – vielleicht gibt es für Begleitpersonen von Rollstuhlfahrern freien Eintritt zum Konzert).

Rentnertreff

Auch noch einige Worte zum Anderson-Interview. In gewisser Hinsicht halte ich es nicht nur für aufschlussreich, sondern durchaus für glaubhaft, wenn man es aus der Sicht von Ian Anderson betrachtet. Ältere Menschen haben nun einmal die Gewohnheit, die Dinge manchmal so hinzubiegen, dass diese für sie ‚stimmig’ werden (So hebt man gern manche ‚Sachen’ hervor, um andere zu ‚verdecken’). Rein instrumental denke ich wirklich, dass Ian Anderson nach höchster Perfektion strebt. Das hat nichts mit seinem Gesang zu tun (immerhin hat selbst er inzwischen gemerkt, „dass das Alter auch in meiner Stimme seine Spuren hinterlassen hat“, wie er sagt; okay, das ist äußerst beschönigend betrachtet). Und instrumental ist er, was die spieltechnische Seite betrifft, sicherlich besser, als z.B. beim Tampa-Konzert. Von daher wäre es keine so gute Idee, Herrn Anderson einen Mitschnitt von diesem Konzert zum Geburtstag zukommen zu lassen. Er würde mit sich unnachsichtig jeden Fehler aufzeigen wollen, der ihm damals unterlaufen ist.

Okay, es geht natürlich nicht nur um Spieltechnk. Unser Hauptkritikpunkt ist und bleibt eben der Gesang. Ein Grund, weshalb ich vorerst in kein Konzert mehr gehen werde. Kann man aber Herrn Anderson deshalb verbieten, weiterhin Konzerte zu geben? Andere sind nachsichtiger mit ihm. Erst jetzt habe ich über youtube eine Nachricht von einem 17-jährigen Mädel bekommen, die das Konzert in Chemnitz gesehen hat und es „einfach nur geil“ fand. Also sind es dann doch nicht nur Rentner, die die Konzerte besuchen, sondern es ist auch Jungvolk. Das mit dem „einfach nur geil“ lasse ich dabei unkommentiert durchgehen.

Kretakatze hat ihren Urlaub hinter sich, Lockwood muss nur noch diese eine Woche durchstehen (Pappa ante portas ist gut, so lange Du nicht versuchst, den Haushalt zu managen, wirst Du zu Hause geduldet sein, Lockwood, ich kenne das). Ich muss mich noch über drei Wochen quälen. Aber auch das werde ich schaffen. Und dann geht es zwar nicht nach Kreta, aber in die Berge.

Übrigens, das Montreux-Konzert von Jethro Tull 2003 gibt es ab 24. August auch als DVD. Ich könnte mir denken, die Scheibe anzuschaffen. Eigentlich warte ich vor allem auf die Veröffentlichung alten Materials von Konzertaufzeichnungen, die das ZDF in seinen Archiven hat. Entsprechende Ankündigungen gab es ja bereits.

Jethro Tull live at Montreux 2003

Für erstes soll das genügen. Man/frau liest sich weiterhin.
Eine angenehme Woche wünscht Euch
Wilfried

03.07.2007

English Translation for Ian Anderson