Ich weiß: Ich hinke zwei Monate hinterher. Nun aber … Ende November letzten Jahres erschien wie berichtet von Jethro Tull die War Child – 40th Anniversary Theatre Edition in einer Box mit zwei CDs und zwei DVDs – wieder von Steven Wilson neu in einer Stereo-CD-Version und 5.1-DVD-Version abgemischt und mit viel zusätzlichem Material (mit sogar mir bisher völlig unbekannten und daher unveröffentlichten Stücken) angereichert. Und manchmal lohnt sich das Warten: die Box gibt’s inzwischen noch etwas billiger, obwohl die 30 € bereits das Geld wert waren.
War Child, 1974 erschienen, ist vielleicht nur bedingt ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Gruppe Jethro Tull (und damit der Rockmusik). Aber da das Album quasi eng verbunden mit A Passion Play ist, sollte es in keiner guten Sammlung fehlen, speziell, wenn sich der Eigentümer dieser als Tull-Fan auszugeben getraut. Und wer das Album jetzt in seiner durch Steven Wilson völlig entstaubten Aufmachung hört, der wird sich wundern, was ihm (oder ihr) da um die Ohren rauscht.
Boten schon die zuvor neu abgemischten Scheiben meiner (vormals) Lieblingsband ein neues Hörerlebnis, so hat sich der Meister des Mischpults (eben jener Herr Wilson) hier geradezu selbst übertroffen (wahrscheinlich liegt’s am Ausgangsmaterial): so klar klingt es (auch das Schlagzeug fristet kein Nischendasein mehr) und kommt mit akustischen Details daher, die man zuvor nicht nur nicht überhört, sondern erst gar nicht wahrgenommen hat. Und so macht War Child sogar richtig Spaß.
Zum Album selbst ist nicht mehr viel zu sagen: 40 Jahre hatten Rezensenten Zeit, ihre Meinung dazu zu äußern. Ian Anderson, Mastermind der Gruppe, spielt hier verstärkt Saxophon, was sich durchaus gut bis bestens ausmacht. Und John Evan greift öfter als man denkt in die Tasten des Akkordeons – das trägt ohne Zweifel mit zum ungewöhnlichen Klang des Albums bei. Vorn weg aber die Orchestersätze, die von Dee Palmer (damals noch David Palmer) in Noten gesetzt wurden. Und anders als man es kennt, klingt das Orchester hier nicht wie Untermalung, sondern schon wie ein eigenständiges Instrument und hat so gehörig Anteil an dem erzeugten Schallereignis.
Nun laut.de wiederholt es eigentlich nur noch: Zum 40. Geburtstag [von War Child gibt’s] Mehrwert en masse. Erwähnenswert sind dabei die Orchesterarrangements, die im Zuge von Ian Andersons Vorhaben, „War Child“ in Filmform umzusetzen, entstanden sind. Bis auf „Waltz Of The Angels“ sind sämtliche dieser zehn Tracks bislang unveröffentlicht. Und neben einem umfangreichen Booklet stapelt sich Videomaterial eines Fotoshootings plus Pressekonferenz in Montreux, das Ian Anderson amüsiert aus dem Off kommentiert, obenauf.
Meine Lieblinge kommen übrigens am Schluss des (regulären) Albums mit The Third Hoorah und Two Fingers. Besonders The Thrid Hoorah belegt nach meiner Meinung, dass Anderson nicht nur in Schottland geboren ist, sondern auch einiges an schottischer Musik mit der Muttermilch eingesogen haben muss. Witzig im Zwischenstück, wie ein Spielmannszug an Dudelsackpfeifern durchs akustische Bild huscht. Aber hört selbst (wenn auch nur in der 2002 remastered Version) …
Jethro Tull: The Thrid Hoorah (War Child 1974)
Jethro Tull: Two Fingers (War Child 1974)