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Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

Ted

Ted ist eine US-amerikanische Filmkomödie aus dem Jahr 2012. Regisseur und Drehbuchautor des Films ist Seth MacFarlane. In den Hauptrollen spielen Mark Wahlberg und Mila Kunis.

    Ted – der Film

Als kleiner Junge wünscht sich John (Mark Wahlberg) nichts so sehr, wie, dass sein Teddy-Bär und bester Freund lebendig wird. Und auf magische Art und Weise passiert das dann auch. Doch im Laufe der Jahre stellt sich Ted (Stimme im Original: Seth MacFarlane) zwar als guter Freund heraus, aber auch als Stolperstein für John auf dem Weg erwachsen zu werden. Das wird besonders dann deutlich, als John seiner Freundin Lori (Mila Kunis) einen Heiratsantrag macht, diese aber nicht sicher ist, ob eine so feste Bindung mit Ted in der Wohnung möglich ist. Zumal dieser mit seinen Drogen-, Alkohol- und Sexeskapaden nicht unbedingt den besten Einfluss auf John zu haben scheint. Wird John seinen besten Freund für die Frau, die er liebt auf die Straße setzen? Und wird Ted vielleicht auch endlich mal erwachsen?

aus: filmstarts.de


Ted – der Film

Die Grundidee zu diesem Film ist ohne Zweifel originell. Und wer das Filmplakat betrachtet, ahnt, was auf ihn zukommt. Meine Frau als Teddybärenfan wollte den Film natürlich auch sehen. Wir warnten sie vor zu zotigen Sprüchen. Nun Ted, der lebendig gewordene Teddy, äußerst sich schon ziemlich ordinär und obszön – aber auf durchaus sympathische Weise, sodass selbst meine Frau am Ende eher ‚enttäuscht’ war. Oder anders gesagt: Das Thema ist irgendwie nicht voll ausgeschöpft worden. Und am Ende ist es wieder ein ziemlich typisch amerikanischer Film – mit Happy End und Tralala.

Joseph Caldwell: Das Schwein war’s

Bis gestern hatte ich noch Resturlaub aus dem alten Jahr und habe einige Bücher gelesen und abends Filme geguckt, die bisher ‚liegen’ geblieben waren. Dazu im Einzelnen später mehr. Zu Weihnachten bekam ich von meiner Frau u.a. einen Kriminalroman, der wohl ziemlich erfolgreich in Deutschland ist. Dieser spielt in Irland, obwohl er von einem US-amerikanischen Autoren ist: Joseph Caldwell: Das Schwein war’s (Aufbau taschenbuch 2627 – Aufbau Verlag, Berlin) – 2. Auflage 2010 – Originalausgabe: The Pig Did It (2008)). Es ist eigentlich mehr eine Liebesgeschichte, allerdings eine sehr verwickelte, und erinnert mich einwenig an Kriminalkomödien wie Kopf über Wasser oder den Hitchcock-Klassiker Immer Ärger mit Harry, denn es geht um einen Toten, der offensichtlich ermordet wurde. Die Frage ist nur: Von wem? Als Täter kommen drei Personen in Frage. Aber eines nach dem anderen … Übrigens: Das Schwein war es nicht; es hat lediglich den Toten ausgebuddelt.

„Eine stürmische Nacht an Irlands Steilküste: Eine Leiche, zwei Lieben und drei Tatverdächtige. Und mittendrin: Ein Schwein mit detektivischem Spürsinn.“
(aus dem Klappentext)

„Caldwell erzählt absurde Begebenheiten in einer leichten und humorvollen Sprache und überrascht mit einem Ende, das der Leser so nicht erwartet.“ (Publisher Weekly)

Joseph Caldwell: Das Schwein war’s

Aaron McCloud, ein Literaturprofessor aus New York leidet an Liebeskummer, denn eine Studentin, Phila Rambeaux, hat ihn abblitzen lassen. So reist er zu einer irischen Verwandten, seiner Tante Kitty McCloud, die in der Grafschaft Kerry in Irland beheimatet ist. Diese ist allerdings gerade einmal zwei Jahre älter als er.


Perry Street Greenwich Village/NY – Wohnanschrift von Aaron McCloud

Schon bei der Ankunft in Irland läuft Aaron McCloud ein Schwein über den Weg und erweist sich als äußerst anhänglich. Dieses gräbt, wie bereits erwähnt, im Garten der Tante die eine bereits zum Skelett verkommene Leiche des Dachdeckers Declan Tovey aus. Nun hatte dieser Declan Tovey offensichtlich früher einmal ein Verhältnis mit der Tante.

Da gibt es dann als weitere Hauptpersonen noch die Schweinezüchterin Lolly McKeever und Kieran Sweeney, der, obwohl die McClouds und die Sweeneys ein uralter Familienstreit trennt, in die Tante verliebt ist.

Am Ende haben sowohl die Tante als auch Schweinezüchterin und Kieran Sweeney Motive für die Ermordung. Und es kommt, wie es kommen muss: Alle drei bezichtigen sich selbst des Mordes. Aber es kann dann doch nur einer gewesen sein. Aber nur wer? Übrigens: Daran, die Polizei zu rufen, denkt keiner, außer Aaron McCloud, den man aber sehr schnell aufzuklären versteht:

„Gewiss würde sie die Herangehensweise der Iren begründen als von den Jesuiten ererbt und damit den unwiderlegbaren Beweis erbringen, dass bei Verbrechen der vorliegenden Art nicht die übliche Verfahrensweise in Betracht käme, dass die Beurteilung der Dinge nicht auf den Korridoren der Staatsgewalt, sondern mehr auf dem Gang im eigenen Haus erfolgen müsse. Es sei der heimische Herd und nicht der Gerichtssaal, wo man die Wahrheit zutage fördert, so wie auch Beweise nicht in dem grellen Schein von Neonleuchten im Labor erbracht werden, sondern eher im flackernden Licht des Kaminfeuers, wo die Schatten gleichermaßen über die Gesichter der Gerechten und der Schuldigen huschten. Wahrheit wäre höher zu bewerten als Rache, denn die Wahrheit als solche wäre die höchste Form von Strafe. Könne man sich eine größere Strafe vorstellen, als das die Wahrheit bekannt würde und alle Taten eines Menschen vor dem Auge des Klägers offengelegt werden? Ohne Gefängnismauern und folglich ungeschützt, ständig dem allwissenden Blick der bohrenden Wahrheit ausgesetzt, würde der Schuldige geistige und seelische Qualen erleiden, egal, wie er damit umgeht, ob er sich schaudernd verkriecht oder eine arrogante Gleichgültigkeit zur Schau trägt.“ (S. 93)

Nun der Roman beginnt etwas schleppend mit einer Schweinejagd von über zehn Buchseiten. Dann nimmt die Geschichte aber bald ihren Lauf und entwickelt sich zu einem sehr amüsanten, durchaus irisch geprägten Roman eben über Liebe, Leute und Landschaft – und reichlich Whiskey (den mit dem e) und Guinness fließen dann auch, sodass Aaron McCloud wohl schon Gespenster sieht, oder nicht?

„Aaron begriff, weshalb der Mann lächelte. Er lächelte, weil ihm seine Wiederkehr gelungen war. Er lächelte, weil er wusste, dass sein Schicksal und das Schicksal von Lolly McKeever für alle Ewigkeit miteinander verbunden waren. Keine Beziehung zueinander konnte inniger sein als ihre: die des Ermordeten zur Mörderin. Keine Leidenschaft konnte feuriger sein als die in den selbstvergessenen Momenten ihrer Verbindung: keine Liebe konnte sich messen mit der Intensität ihres Ineinanderverschmelzens.“ (S. 126 f.)

Natürlich ist diese Art von Kriminalroman Geschmackssache (siehe u.a. die eher kritische Rezension auf belletristiktipps.de). Stilistisch ist der Roman aber durchaus ausgefeilt, manchmal etwas langatmig, aber das liegt eher an dem irischen Element, denn die Iren schwelgen gern wortgewaltig in ihrem Redefluss – und wenn ein Tröpfchen guter alter Whiskey mit hineinspielt, dann wird’s oft ausschweifend. Übrigens hat dieser Roman noch zwei Fortsetzungen. Mir hat die Schweine-Geschichte auf jeden Fall ganz gut gefallen …


Joseph Caldwell Profile (englisch)

Neonazi-Laden in Tostedt schließt zum Monatsende

Man mag es kaum glauben, aber Stefan Silar wird mit Ende dieses Monats seinen Neonazi-Laden in Tostedt schließen. Er habe den Mietvertrag aus freien Stücken gekündigt, der Online-Handel gehe nur solange weiter, bis er seine Restbestände los geworden ist. Es brauche auch niemand Angst haben, dass er woanders ein neues Geschäft eröffne, so Silar.

Ist Silar auf dem Weg vom Saulus zum Paulus, wie es die Kreiszeitung – Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt in seiner Ausgabe vom 12. Januar 2013 verkündet?

aus: Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 12. Januar 2013

Zunächst ist die Schließung nicht ganz so freiwillig, wie Silar meint. Der Vermieter, der zuvor vergeblich versucht hatte, die Immobilie, die Silars Ladengeschäft einschließt, zu verkaufen, wird künftig die Räume als Wohnungen nutzen.

Mit Schließung des Ladens dürfte fürs erste der Treffpunkt der rechtsextremen Szene in Tostedt entfallen. Ob damit ‚das Problem’ allerdings auf lange Sicht gelöst ist, muss bezweifelt werden.

Ob nun freiwillig oder nicht – Silar zieht sich als Galionsfigur der rechten Szene in Tostedt zurück. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Sicherlich ist ein Grund die manchmal bitter erfahrene Ausgrenzung Silars und seiner Familie in Tostedt. Natürlich ist es nicht hinzunehmen, wenn ein Kind der Familie Silar auf Betreiben anderer Eltern im Kindergarten isoliert bzw. von anderen Kindern gemieden wird, was ohne Zweifel geschehen ist. Dass man um Herrn Silar selbst einen großen Bogen macht, ist nicht verwunderlich, so lange dieser für ein Gedankengut einsteht, das nicht akzeptabel ist.

Ob nun Herr Silar vielleicht ein in die rechtsextremistische Szene tätiger V-Mann ist, wie ich einmal an anderer Stelle spekuliert habe (Kleinkrieg in Tostedt?), und der jetzt ‚zurück gepfiffen’ wird, erscheint unwahrscheinlich, denn dann hätte er mehr Schaden in Tostedt angerichtet als Nutzen bewirkt. Aber wer weiß das schon. Heute ist vieles möglich, auch das schier Unmögliche.

Was sind also die Gründe? Dazu müsste sich Stefan Silar schon selbst äußern. Von Einsicht oder gar Reue sehe ich bis heute nichts.

Im Zusammenhang mit der Berichterstattung zur Schließung des Neonazi-Ladens wurde ich auf eine Stellungnahme von Herrn Erwin Hilbert aufmerksam gemacht, der „zu einem liebevollen Umgang mit sogenannten ‚schwarzen Schafen’ ermuntern“ möchte. In dem Web-Artikel „LIEBE gegen RECHTS!“ Der etwas andere Umgang mit politisch Andersdenkenden! führt das Erwin Hilbert näher aus.

Nun Erwin Hilbert scheint Herrn Silar sehr gut zu kennen. Ob Stefan Silar und seine Familie die „wunderbaren und wertvollen Menschen“ sind, wie Hilbert behauptet, vermag ich nicht zu beurteilen. Seine Taten sprechen da doch eindeutig gegen ihn. Natürlich gestehe ich ihm zu, sich zu wandeln. Und sicherlich sollte er darin die Unterstützung finden, die man allen ‚Gestrauchelten’ angedeihen lässt. Also nichts gegen christliche Nächstenliebe. Nur fürchte ich, dass Herr Hilbert da einiges zu blauäugig sieht, um es gelinge auszudrücken. Meine Frau hat Herrn Hilbert in seinem Atelier „Hinterm Diekhof!“ in Tostedt kennengelernt und war doch etwas verwundert über ihn. Vielleicht muss man ‚etwas abgedreht’ sein, um Verständnis für Menschen wie Silar entstehen zu lassen. Wahrscheinlich fehlt mir das als ‚Gutbürger’, wie Herr Hilbert etwas kritischer denkende Menschen zu nennen pflegt. Gutbürger = Gutmensch, ein Terminus, den übrigens die rechte Szene gern verhöhnend verwendet.

Stefan Silar, dass sollte doch betont werden, ist kein unbedarfter Mitläufer der Neonazis. Er hat sich aufgeschwungen zu einer regionalen Größe, hat sich als Obernazi feiern und bestaunen lassen – und hat im übrigen durch seinen Laden nicht schlecht daran verdient, ein Neonazi zu sein. Wer ein Gedankengut propagiert, das Menschenverachtung beinhaltet, es tut mir Leid, Herr Hilbert, kann für mich kein wunderbarer Mensch sein. Aber vielleicht steckt in Herrn Silar doch noch einiges Gutes, dass endlich seinen Weg nach Außen zu bahnen sucht. Herr Hilbert, helfen Sie Herrn Silar dabei. Vielleicht zeigt sich Herr Silar eines Tages auch mir und den Bürgern Tostedts als der wertvolle Mensch, den Sie bereits heute in ihm sehen.

Noch eines am Schluss: Ich möchte mich zu einem Kommentar eines M[ichael] Grau in diesem Zusammenhang äußern, den ich so nicht stehen lassen kann: „Auch ist es einfach gegen etwas zu demonstrieren was andere vorgeben.“ Gemeint sind die über 1000 Tostedter Bürger, die im Februar 2012 gegen rechte Gewalt demonstriert hatten. Ich glaube kaum, dass man vielen von denen ‚etwas vorgeben’ muss, um gegen den rechten Spuk auf die Straße zu gehen. Es ist eine Verunglimpfung, die Sie da betreiben, M. Grau, die leider den Gepflogenheiten rechter Kreise sehr ähneln. Eher sind es die Rechten selbst, den von Leute wie Silar und z.B. auch Sebastian Stöber ihre Vorgaben erhalten (haben) und sich als blinde Mitläufer zeigen. Mich mit solchen Leuten verglichen zu sehen, ist dann doch ein sehr starkes Stück.

Grün-weißer Maulwurf

Dieser Maulwurf, aus Ton gebrannt, steht lange schon in unserem Garten und ist ‚in die Jahre’ gekommen. Der Lack ist ab (im wahrsten Sinne des Wortes), die schwarze Farbe abgeblättert – er hat längst Moos angesetzt. Und heute ist er durch einwenig Schnee weiß gesprenkelt. Aber er hält immer noch die Arme hinter dem Kopf verschränkt (wie sollte er auch anders) und blickt in die Welt, als würde er sagen: Was soll’s – jeder wird einmal alt!

Grün-weißer Maulwurf in AlbinZ Garten (Januar 2013)

Nun, der Winter ist zurückgekehrt. Wenig Schnee nur, aber Dauertemperaturen unter null Grad. Dazu auch wieder die Sonne, die sich lang genug verborgen hielt. Da schaut man doch gleich anders in die Welt hinaus – ähnlich dem Maulwurf in unserem Garten: So lässt es sich leben …!

Fütterung der Vögel in AlbinZ Garten

Bei uns im Garten zwitschert es auch im Winter. Meine Frau hat zwei Futterhäuschen für die Vögel aufgebaut und daneben Futterquellen für die Meisen und andere kleinere Vögel aufgehängt. So kommen zu bestimmten Zeiten (man könnte wohl die Uhr danach stellen) die unterschiedlichsten Piekmätze, um sich ihr Futter abzuholen. Bei den Futterhäuschen bedienen sich meist die größeren Vögel wie Amseln. Ein Futterhaus wurde schon einmal von einem Amselpärchen als Nest genutzt.

An den hängenden Futterquellen finden sich fast ausschließlich Meisen ein, Blau- und Kohlmeisen und seltener die besonders kleinen Schwanzmeisen, die meist wie Kolibris die Nahrung im Flug aufnehmen. Rotkehlchen haben wir allerdings auch schon beobachtet. Blau- und Kohlmeisen habe ich letzten Sonntag filmisch beim Fressen festgehalten:


Meisen in AlbinZ Garten (06.01.2013)

Regen. Sprühregen. Nieselregen.

Wie fängt dieses Jahr nur an?! Bereits mit Glockenschlag 0 Uhr am Neujahrsmorgen begann es zu regnen. Und seitdem scheint es nur noch feucht vom Himmel zu kommen, mal als Sprühregen, mal etwas mehr als Nieselregen, weniger als Regen mit dicken Tropfen. Aber (fast) immer: Regen!

Dazu ein bedeckter Himmel, der die Sonne nicht einmal erahnen lässt. Genau, vor einer Woche, da kam die Sonne für kurze Zeitabschnitte noch einmal hinter einzelnen Wolken hervor. Auch das Blau des Himmels zeigte sich, wenn auch nur kurz. Seitdem aber ist es dunkel, triste, grau in grau …

    ‚Vögel’ im Regen

Und ich habe meinen Resturlaub nehmen müssen. Was bleibt mir anderes übrig, als mich in meiner Bettdecke einzukuscheln, ein Buch nach dem anderen zu lesen … Obwohl, ein Spaziergang bei Sprühregen und trotz für diese Jahreszeit viel zu hoher Temperaturen hat etwas Erfrischendes. Am Ende ist man zwar genauso durchnässt wie bei einer Regenschauer, aber da kein zusätzlich lästiger Wind weht, geht es sich ganz angenehm.

Nun spätestens ab Freitag soll es wieder winterlich werden. Und sicherlich lässt sich dann auch ab und zu die Sonne blicken. Wir sind eben Sonnenkinder – lange Zeit ohne sie ist es geradezu unerträglich …

Besser, ruhiger, entspannter, einfach schöner pendeln

Ich bin Pendler – von Beruf. Nicht ganz, aber fast. Wer wie ich aus der niedersächsischen Provinz jeden Arbeitstag nach Hamburg hin und wieder zurück fährt, weiß Geschichten zu erzählen – egal, ob er mit dem Auto oder der Bahn ‚pendelt’. Ich fahre Bahn – wie viele von Euch längst wissen, denn oft genug habe ich diesem Blog meine ‚Sorgen’ hinsichtlich des Bahnfahrens anvertraut.

Wer nun wie ich seit fast 18 Jahren rund 50 km nach Hamburg und wiederum 50 km zurück mit dem Zug fährt (und dabei rechnerisch in zwei Jahren einmal um die Erde fährt – also habe ich unseren Planeten nun fast neunmal umkreist), tut gut daran, sich adäquat einzurichten. Ob man dem Pendeln wirklich Sinn geben kann (wie heute.de einen entsprechenden Artikel überschreibt), bezweifle ich, aber die Zeit nutzen, das sollte man schon (siehe u.a. auch faz.net und tagesspiegel.de).

Pendler gibt es inzwischen immer mehr. Und rund 1,5 Millionen Arbeitnehmer fahren werktäglich 50 km und mehr zur Arbeit (und 50 km zurück) – wie ich.

Fährt man wie ich mit der Bahn, dann braucht man nicht auf den Verkehr zu achten und kann sich entspannen – oder auch arbeiten. Besonders für Schüler und Studenten kann die Zeit dann sinnvoll genutzt werden, um Hausaufgaben zu erledigen oder sich auf eine Klausur oder auf ein Referat vorzubereiten. Ich nutze die Zeit z.B. zum Lesen, Musikhören oder neuerdings auch gelegentlich zum Videogucken. Morgens, ich gestehe es, schließe ich meist die Augen und döse, um ganz entspannt zur Arbeit zu kommen.

Wer pendelt, sollte sich entsprechend einrichten. Ohne Planung geht das heute einfach nicht mehr. Das beginnt mit den Fahrzeiten. Ich habe eine flexible Arbeitszeit und nutze diese, um nicht in die jeweiligen Hauptströme (Rushhour) anderer Pendler zu gelangen. Also morgens zeitig los und am nicht zu späten Nachmittag wieder zeitig in die Gegenrichtung. Auf diese Weise entgehe ich dem zu großen Gedränge und sichere mir einen Sitzplatz.

Der Schweizer Tagesanzeiger verrät dabei Dinge, die ich nach 18 Jahren Pendeln längst verinnerlicht habe (und eigentlich gar nicht weitergeben möchte – die spätestens mit diesem Wissen aufgeklärte Konkurrenz wird dann nur größer). Manches klingt geradezu brutal (Regel 3), ist aber für einen Pendler überlebenswichtig. Hier einige Tipps (den Rest kann man ja nachlesen), die Schweizer ‚Fachausdrücke’ habe ich versucht zu übersetzen (lassen):

Regel 1: Seien Sie – obgleich die Bahn es nie ist – pünktlich

Pendlerregel Nummer eins, aufgestellt vor mehr als zehn Jahren, hat unvermindert Gültigkeit: «Die S-Bahn ist immer unpünktlich, ausser du bist es.» Will heissen: Sie können rechtzeitig auf dem Perron [Bahnsteig] stehen, es kommen alle Züge, nur Ihrer nicht. Sind Sie aber einmal im Jahr knapp dran, hetzen zu Fuss aus dem Haus, weil Ihnen das Velo [Fahrrad] geklaut wurde, verfluchen den Regen (und die Frisur: sie mit Gel zu drapieren, hätten Sie sich sparen können; sie ist nach 200 Metern im Eimer), verfallen in leichtes Joggen, dann in Trab, nehmen die Unterführung im Spurt und keuchen entnervt die Treppe hoch – dann können Sie sicher sein, dass die S-Bahn für einmal pünktlich abgefahren ist. Ohne Sie.

Regel 2: Seien Sie altmodisch! Nehmen Sie eine Thermosflasche mit!

Die good old Wärmeflasche aus Edelstahl daheim mit dem Getränk Ihrer Wahl zu füllen (es darf dann ruhig Nieren-Blasen-Tee sein), mag Ihnen bünzlig [spießig] erscheinen, aber es ist zweckmässig. Denn wenn Sie den Kafi [Kaffee] noch rasch am Bahnhof besorgen wollen, kramt bestimmt eine Rentnerin vor Ihnen umständlich im Münz [Kleingeld], und Sie müssen ohne Kafi losfahren. Ergattern Sie dennoch einen Pappbecher, verschütten Sie ihn garantiert beim Einsteigen, weil der Plastikdeckel nicht recht sitzt, und sollte es gar gelingen, ihn bis zum Platz zu balancieren, ist dieser Platz inzwischen besetzt, weil Sie so langsam balancieren mussten; ausserdem ist der Kafi bereits erkaltet – dabei wäre er schon warm untrinkbar. (Es gibt eine, aber landesweit wirklich nur eine Ausnahme: Am Bahnhof Liestal serviert ein charmanter Halbglatzkopf in der «Caffeteria Pasticceria L’Angolo Dolce» den besten Cappuccino, den Sie Ihrer Lebtag getrunken haben, sì, Signori! Auf Wunsch auch in Pappbechern. Aber wer pendelt schon von Liestal aus?) Für alle anderen gilt: Die Edelstahlflasche ist gut verschliessbar, hält Ihr Getränk warm und spart Geld. Schliesslich wird das Bahnfahren teurer, da muss man aufs Budget achten.

Regel 3: Seien Sie skrupellos!

Wer im öffentlichen Verkehr zaudert, hat schon verloren: seinen Sitzplatz. In den nächsten sechs Jahren, rechnet der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), wird die Zahl der Fahrgäste um 25 Prozent steigen. Doch weil ein Ausbau des Angebots aus Spargründen nicht drinliegt, wirds im Nahverkehr künftig noch enger, stickiger, unangenehmer. Wer da wenigstens noch sitzen will, muss lauern, ehe Tram, Bus oder Zug halten. Und zwar seitlich neben dem Eingang. Stellen Sie sich nie frontal vor die Türe des Gefährts! Dort ergibt sich aus dem Schwall der Aussteigenden und der Gruppe an Wartenden eine solche Blockade, dass Sie in der Zwischenzeit hurtig seitlich reinschlüpfen und sich einen Platz ergattern können.

Gewiefte Pendler wissen, wo auf dem Perron sie stehen müssen, um beste Chancen aufs Hineinschlüpfen zu haben; sie merken sich die Stelle – Güselkübel [Mülleimer], vis-à-vis H&M-Plakat –, lassen sich ihre Absicht aber nicht anmerken, sondern begeben sich erst im allerletzten Moment dorthin. Ist es dann so weit, gilt es, egoistisch zu sein. Gewähren Sie niemandem den Vortritt! Ältere Menschen? Sind selber schuld, wenn sie zur Stosszeit unterwegs sind. Väter mit Kinderwagen genauso. Und Aussteigende, die zu spät daran gedacht haben, dass sie aussteigen wollen, gehören ohnehin weggewuchtet.

Seien Sie im Übrigen besonders rücksichtslos gegenüber denjenigen, die nur zweimal im Jahr den ÖV [Öffentlicher Verkehr] benutzen: wenn der BMW im Service ist und beim ersten Schnee (weil am BMW die Winterpneus [Winterreifen] noch nicht montiert sind). Das sind dann die, die blöd fragen, ob da noch frei sei, dabei ist unter wahren ÖV-Pendlern stillschweigend ausgemacht, dass immer frei ist, wenn frei ist. Sagen Sie deshalb extra «Nein!», sonst müssen Sie sich während der ganzen Fahrt das Gemotze anhören, wie sauteuer die Eisenbahn doch sei – diese Löli [dummer Kerl] haben nämlich kein Halbtax.

Bänz Friedli: Ich pendle, also bin ich

Und es gibt noch sieben weitere Tipps unter dem Titel: Schöner pendeln? So fahren Sie besser – verfasst von Bänz Friedli, dem Autoren aus Zürich einer Pendlerbibel mit Kolumnen über den öffentlichen Verkehr: «Ich pendle, also bin ich», Verlag Huber, Frauenfeld, 266 Seiten, 353 Fotos – wahrlich das ultimative Überlebens-Manual einer ganzen Generation von Pendlern.

Martin Walser: Finks Krieg

Martin Walser erzählt in seinem Roman Finks Krieg von dem Konflikt um eine Stellenbesetzung in der Hessischen Staatskanzlei, der sich von 1988 bis 1994 tatsächlich zugetragen hat. Im Mittelpunkt der Ereignisse steht der Leitende Ministerialrat Stefan Fink, der in der Staatskanzlei für die Verbindung zu den Kirchen zuständig ist. Als er im Zuge einer politischen Veränderung, einer Intrige, versetzt werden soll, wehrt er sich und führt, mit der Zeit immer einsamer werdend, einen langen Kampf über viele Instanzen, der Formen eines persönlichen Krieges annimmt. Je länger er diesen Kampf führt, desto mehr muß er erfahren, daß sein Krieg eben nur sein Krieg ist. Alle raten, diesen zu beenden, Fink dagegen ist der Meinung: ‚Jemand, der um sein Leben kämpft, kann nicht aufhören, um sein Leben zu kämpfen.’“
(aus dem Klappentext)

Martin Walser: Finks Krieg

Walsers Roman habe ich als Taschenbuch (Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main – st 2900 – erste Auflage 1998) vorliegen und erneut vor Weihnachten 2012 gelesen. Wie im Klappentext erwähnt bezieht sich der Roman auf einen tatsächlich zugetragenen Fall, den Fall des Rudolf Wirtz. Zum Hintergrund ist u.a. bei FOCUS Online im Artikel Schlacht der Leitz-Ordner zu lesen:

„Rudolf Wirtz, Katholik, Sozialdemokrat, seit 1970 Leitender Ministerialrat in der hessischen Staatskanzlei zu Wiesbaden, zuständig für Kontakte zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften des Landes, wurde am 23. November 1988 über seine Versetzung informiert. Der Beamte fiel beim Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Alexander Gauland (CDU), in Ungnade, weil sich angeblich Kirchenvertreter über ihn, Wirtz, beklagt hätten. In zwei Eilverfahren wehrte er sich erfolgreich gegen die Versetzung. Gaulands durch eine eidesstattliche Versicherung untermauerter Verdacht gegen Wirtz wurde von den Kirchen weder bestätigt noch dementiert.

Zum vorläufigen Sieg des Beamten Wirtz trug auch bei, daß sich sein vermeintlicher Nachfolger, Wolfgang Egerter (CDU), als aktives Mitglied des völkischen Witiko-Bundes entpuppte und somit als untragbar für ein Amt, das unter anderem auch mit der jüdischen Gemeinde Kontakte zu pflegen hat. Um es kurz zu machen: Die rot-grüne Opposition meldete sich zu Wort, vornehmlich in Person von Joschka Fischer. Der forderte, vergeblich, die Entlassung Gaulands, bezeichnete später sein Verhalten gegenüber Gauland aber als ‚Fehler’.

Immerhin: Der Fall Wirtz avancierte zum Politikum. Am Ende blieb der Beamte in seinem Amt, womit er sich allerdings nicht zufrieden gab. Mit juristischen Mitteln wollte Wirtz Gaulands eidesstattliche Versicherung widerlegen, die Kirchen hätten sich unzufrieden über ihn, Wirtz, geäußert. Doch das Ermittlungsverfahren gegen Gauland wurde eingestellt. Der Fall Wirtz versickerte im Sande.“

Sicherlich benötigt der Leser dieses Romans einen gewissen Nerv, denn der finksche Karriere-Fall ist eigentlich nicht die Welt. Aber es ist doch erstaunlich, wie sich Martin Walser dieses Stoffs angenommen hat und in die Rolle des Stefan Fink alias Rudolf Wirtz geschlüpft ist. Beim Erscheinen des Buchs gab es den Vorwurf, Walsers ‚Psychologie’ stimme nicht so ganz. Aber es ist ja nicht Walser, der schreibt, sondern durch ihn schreibt der Beamte Fink. Und dessen Sichtweise wird im Laufe der Zeit immer verschrobener und lässt den Ich-Erzähler Fink zunehmend von sich selbst in der dritten Person reden. Sein Monolog wird zum ‚Selbstentzweiungsgespräch’. Ein altmodischer Mann, dem es um die Ehre geht – ‚der Posten war mein Lebenswerk’ (siehe hierzu den Artikel Kohlhaas im Amt – spiegel.de).

„Sein Kampf um Rehabilitierung nimmt bald kafkaeske Züge an und erinnert an Michael Kohlhaas; bald kann Fink an nichts anderes mehr denken. Das juristisch-bürokratische wird von einem kriegerischen Vokabular abgelöst.“ (Quelle: dieterwunderlich.de)

Sitzen bleiben mußten wir am Computer und einen Artikel entwerfen für eine noch zu findende, wenn nicht sogar zu erfindende Zeitschrift. Einen Artikel gegen das System, aber das Wort System durfte nicht vorkommen. Der Linguist hatte gerügt, daß der Beamte Fink alles, wogegen er anrenne, System nenne. So aber sei die Weimarer Republik von den Nazis genannt worden. Und überhaupt habe der Beamte Fink mit Don Quijote gemeinsam, daß er Erscheinungen so lange auf bausche, bis eine Windmühle herauskomme, gegen deren mächtige Flügel er dann anrennen könne. Das System, das sei die übermächtige Windmühle des Beamten Fink. Zum Schein hatte der Beamte Fink gefragt, wie er denn den Gegner zusammenfassend bezeichnen solle. Überhaupt nicht zusammenfassend, hatte der Linguist gesagt, differenzierend, analysierend, also auseinandernehmend …
Ach ja, ach ja. Mein Gott! Wie soll jemand, der im Krieg lebt, sich verständigen mit einem, der im Frieden lebt!
Martin Walser: Finks Krieg (S. 99 f)

Die vier Kapitel des Romans:

I. Der Rausschmiss [23.11.1988]
II. Unperson
III. Distelblüten
IV. Höhengewinn mit Tractatus skatologikus [etwa: Abhandlung vom Kot] oder Cacata Charta [etwa: Scheiß-Urkunde]

Geschichtlicher Hintergrund (Landesregierung Hessen):

11. Legislaturperiode 1983-87
Wörner SPD ab Oktober 1985 mit den Grünen (u.a. J. Fischer)

12. Legislaturperiode 1987-91
Wallmann CDU mit FDP

13. Legislaturperiode 1991-95
Eichel SPD mit den Grünen

Sicherlich ist dieser Roman nicht jedermanns Sache. Vielleicht sollte man selbst die Strukturen behördlicher Einrichtungen kennen gelernt haben, um einen gewissen Geschmack an diesem Roman zu finden. Man sagt, „Gottes Mühlen mahlen langsam“ und ergänzt das dann mit: „die des Staates aber noch langsamer!“. Bürokratie – und in Übersteigerung der Bürokratismus – findet sich im Besonderen bei staatlichen Stellen und ist als Beamtenwirtschaft verschrieen. Wer in die Zwickmühle des Staates gerät, findet kaum einen Ausweg heraus. Von daher gelingt Martin Walser mit diesem Roman eine Art Lehrstück zu diesem Thema.

Stefan Fink ist sicherlich ein gesitteter Mensch. Aber mit zunehmender Zeit im Verlauf des Verfahrens ‚verroht’ er förmlich und schmeißt mit Fäkalausdrücken um sich, dass es nur so kracht. Wer könnte sich nicht selbst manchmal mit dem Beamten Fink identifizieren?!

„Seit Koeppens Treibhaus 1953 erschienen ist, hat es ein besseres Buch über das leise Verhältnis von Macht und Wahn nicht gegeben.“ Frank Schirrmacher, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Kurt Grobecker: Alstergeschichten

Gestern war ich gewissermaßen auf dem Jungfernstieg in Hamburg spazieren. Diese Flaniermeile grenzt an die Binnenalster, den kleineren, südlichen Teil des Alstersees, der einen großen Teil des innerstädtischen Gebiets von Hamburg einnimmt. Der Alstersee (bestehend aus Binnen- und Außenalster) prägt Hamburg auf besondere Weise. Zu Weihnachten bekam ich nun von meiner Frau ein Buch mit interessanten Geschichten samt Informationen zur Alster geschenkt: Alstergeschichten: Kleine Laudatio auf Hamburgs große Liebe – Edition Temmen 2011, Bremen.

„Alles begann mit einem Rechenfehler: Als die Hamburger im Mittelalter einen Staudamm anlegen wollten, um mehr Wasser auf die Alstermühle des Müllers Hein Reese zu lenken, verkalkulierten sie sich und es kam zu einer Riesenüberschwemmung. Innerhalb kurzer Zeit stand ein weites Gebiet nordöstlich der Hansestadt von Rotherbaum bis Uhlenhorst unter Wasser. Wie der so entstandene Stausee, der den Stadtrat damals horrende Entschädigungen kostete, im Laufe der Jahrhunderte zu einem Herzstück der Stadt wurde, erzählt Grobecker unterhaltsam und pointenreich in diesem Büchlein. Wer die Lektüre einmal begonnen hat, wird sie höchstens unterbrechen, um die liebevoll geschriebenen Geschichten direkt vor Ort am Alsterufer auszulesen.“
(aus dem Klappentext)

Die Alster ist also eigentlich „ein erbärmliches Gesellenstück mittelalterlicher Wasserbauingenieure!“

„Doch wie kam es, dass sich der durch ein Unglück entstandene Alstersee im Laufe der Zeit zu einer topografischen Attraktion entwickelte, für die Hamburg von vielen anderen Städten beneidet wurde? Was hatte Heinrich Heine im Blickfeld, wenn er vor rund 190 Jahren auf der Terrasse des Alsterpavillons saß? Und wie hat sich seine Aussicht von damals bis heute verändert? Wie kamen die Alsterschwäne auf den See? Und können ‚Elbhanseaten’ auch ‚Alstermenschen’ sein?

Diesen Fragen geht Kurt Grobecker in seinem Büchlein ‚Alstergeschichten – Kleine Laudatio auf Hamburgs große Liebe’ auf den Grund.“ (Quelle: hamburg-magazin.de)

Der Autor schreibt einen sehr saloppen Stil und weist sich als Kenner Hamburgs in mehr als 70 Büchern über die Hansestadt und seine Geschichte aus. Kein Wunder, war er lange Zeit Leiter des Ressorts „Hafen und hamburgische Geschichte“ beim NDR und dort u.a. verantwortlich für das Hamburger Hafenkonzert, die älteste Live-Hörfunksendung der Welt.

Wie erwähnt gibt es von Kurt Grobecker noch viele andere Bücher zu Hamburg, die mir für den Interessierten der Hansestadt an Elbe und Alster lesenswert erscheinen.

Christian Hanke: Hamburgs Straßennamen erzählen Geschichte

Über 12 ½ Jahre habe ich in Hamburg gewohnt (Wo Willi wohnte) und seit über 30 Jahre arbeitet ich in Hamburg. Die Hansestadt steht also schon lange im Mittelpunkt meines Lebens. Trotzdem, die Hamburger mögen mir verzeihen, kann ich die kritiklose Bewunderung der Bewohner für ihre Stadt nicht ganz teilen. Da gibt es Städte (auch in Deutschland), die mir einen Tick mehr gefallen. Vielleicht waren die rund 25 Jahre in Bremen so prägend, sodass ich immer noch einen heißen Draht zu dieser anderen Hansestadt (die mit dem Schlüssel zum Hamburger Tor der Welt) habe. Aber das ist ein Thema für sich. Im Beitrag Hanseatische Rivalität habe ich das schon einmal kurz angerissen.

Natürlich ist Hamburg eine schöne und interessante Stadt. Nur für ganz so weltstädtisch, wie sie sich gern ausgibt, halte ich sie nicht. Da fehlt dann doch noch ‚een lütt beden’ (ein klein bisschen). Das heißt natürlich nicht, dass mich Hamburg en détail nicht interessiert. Zu Weihnachten 2011 hat mir meine Frau das Buch Hamburgs Straßennamen erzählen Geschichte: Mit Stadtteilrundgängen, Karten, Fotos und den neuesten Straßen – Medien-Verlag Schubert, Hamburg – 4. überarbeitete und ergänzte Auflage 2006 – von Christian Hanke geschenkt, dass ich im Laufe des letzten Jahres nicht nur durchgeblättert, sondern vollständig gelesen habe.

„Nach welchen ‚Jungfern’ ist der Jungfernstieg benannt? Wer waren Mönckeberg und Ballin? Was verbirgt sich hinter der Bezeichnung Schoppenstehl? Dieses Buch gibt Antworten auf viele Fragen, die Hamburger Straßennamen aufwerfen, und erzählt damit etwas von Hamburgs Geschichte. Es handelt aber auch von der Geschichte der Straßen selbst. Wußten Sie zum Beispiel schon, daß auf dem Gänsemarkt und auf dem Rödingsmarkt nie etwas verkauft wurde, oder das die Brandstwiete im Gegensatz zur Straße Brandsende nichts mit einem Brand zu tun hat? Rundgänge regen außerdem dazu an, sich näher mit einigen besonders vielseitigen Stadtteilen zu beschäftigen.“
(aus dem Klappentext)

Lt. diesem Buch gibt es in Hamburg 8476 amtlich benannte Straßen, Wege, Plätze und Brücken. Nicht jede ist aufgeführt, für die meisten bietet es meist kurze Erklärungen und will anregen, sich weiter mit den Namensgebern zu beschäftigen. Durch die Eingemeindung früherer Dörfer nach Hamburg gab es das Problem von doppelten Straßennamen. „Nachdem 1894 eine ganze Reihe von Vororten Hamburger Stadtteile geworden waren, tauchten manche Bezeichnungen nun sogar drei- und viermal auf. 1899 wurden daher 130 Straßen umbenannt und zum Teil zusammengezogen. Altona erlebte 1928 eine ähnliche Umbenennungsaktion …“. „Nach dem Ersten Weltkrieg wichen einige Namen aus dem Bereich der Hohenzollern-Monarchie verdienten Demokraten, die 1933 wiederum NS-Größen und braunen Märtyrern Platz machen mussten. 1938 wurden auch alle verdienten Juden von Hamburgs Straßennamen verbannt. 1945 kehrten die meisten der von den Nazis geschassten Demokraten und Juden zurück. In den Jahren 1947 bis 1952 erfolgte dann die größte Umbenennungsaktion […] 1613 Straßennamen bekamen […] neue Namen.“

Nun Hamburg liegt in Norddeutschland, also im niederdeutschen Sprachraum. So gibt es hier oft verwendete Begriffe bei Flurnamen, die aus dem Niederdeutschen stammen. Diese Begriffe werden in diesem Buch aufgeführt, hier nur einige Beispiele:

Barg – Berg
Bek – Bach
Brook – Bruch, feuchtes gebiet, Niederung
Büttel – Haus mit Grund und Boden
Deel – Teil oder Niederung
Diek – Teich oder Dickicht
Dörp – Dorf
Glind, Glinde – Umzäunung aus Latten, Brettern oder Pfählen, abgegrenztes Flurstück
Högen – Anhöhe, Hügel
Höpen – feste Stelle inmitten eines Moores
Hoff – Hof
Kark – Kirche
Liet(h) – sanft abfallend
Lo(h) – Waldlichtung oder Waldgebiet
Nien – neu
Ohe – Gehölz
Reye, Rei, Riggen, Ree – kleiner Wasserlauf
Sieth – seichte Stelle
Wisch – Wiese
Wort, woort – erhöhter Wohnhügel

Twiete ist ein gebräuchlicher Name für einen Verbindungsweg zwischen zwei Straßen oder einen schmalen Pfad zwischen den Häusern, und kommt in Hamburg ca. 110 Mal vor.

Während der 12 ½ Jahre, die ich in Hamburg lebte, bin ich einige Male umgezogen. So wohnte ich u.a. in der Grindelallee und in Hamburg-Niendorf im Vielohweg. Übrigens hat Hamburg ebenfalls eine Euckenstraße wie Bremen (wo ich in jungen Jahren bei meinen Eltern wohnte). Eine der bekanntesten Straßen (neben der Reeperbahn) ist in Hamburg natürlich der Jungfernstieg. Hier die jeweiligen Erläuterungen aus dem Buch:

Jungfernstieg (um 1680), Hamburgs schöner Boulevard an der Binnenalster wurde als Damm zur zweiten Aufstauung der Alster um 1235 errichtet. Er hieß zunächst „Der Damm“ oder „Reesendamm“ (s. auch Reesendamm/Altstadt) und wurde 1665 durch das Anpflanzen von Baumreihen in eine attraktive Flaniermeile umgestaltet, der vor allem die Hamburgerinnen zum Spaziergehen einlud. So wurde er mit der Zeit zum Jungfernstieg.

Hamburgs Jungfernstieg um 1900

Euckenstraße (1951), Rudolf Eucken (1846-1926), Philosoph, erhielt 1908 den Nobelpreis für Literatur. Vor 1951: Gneisenaustraße.

Grindelallee (1858), Grindelberg (1858), Grindelweg (1882), der Straßenzug Grindelallee-Grindelberg ist der alte Weg vom Dammtor nach Hohehluft. Lokstedt und Niendorf sowie nach Eppendorf (über den Lehmweg). Alle drei Straßen haben ihren Namen von dem Grindelwald, der mindestens bis zum Ende des 14. Jahrhunderts das Gebiet zwischen ihnen und den heutigen Straßen Grindelhof und Parkallee bedeckte. Grindel soll auf Alt-Plattdeutsch Riegel bedeutet haben. Der Wald wurde so benannt, weil hier durch den Eisbach (Isebek) ungebetene Gäste gestoppt werden konnten. Der Name könnte aber auch mit dem Wort Grind für Moor oder Sumpf zusammenhängen. Am Grindelberg wurden 1946-1956 Deutschlands erste Hochhäuser, die Grindelhochhäuser erbaut. Grindelweg vor 1882: Grindelterrrasse.

Vielohweg (vor 1925), Vielohwisch (1950), Vielohkamp (vor 1933), „Vie“ bedeutet Bruch, „loh“ Wald und „wisch“ Wiese.

Wer sich für die Herkunft von Straßennamen interessiert (und das tut man spätestens dann, wenn man in einer Straße wohnt, deren Namen nicht gerade selbsterklärend ist), dem kann ich dieses Buch nur empfehlen. Und das nicht nur Hamburgern. Allein das Blättern macht Spaß.

Ein gutes neues Jahr 2013

Auch zum Jahresanfang 2013 sind wir hier im Norden Deutschlands weit davon entfernt, so etwas Ähnliches wie Winter zu haben. Von Schnee keine Spur, dafür eher frühlingshafte Temperaturen. Robert Walsers kleine Schneelandschaft ließ erahnen wie es sein könnte, wenn … Mit dem Schweizer Robert Walser, einem besonderen Sonderling und eigenartigen Poeten, will ich das neue Jahr auch beginnen – und wenigstens noch einmal mit fiktivem Schnee. Aber es wird sicherlich auch bei uns hier noch einmal Winter geben. Der kann sich bekanntlich bis in den Anfang des Mais erstrecken.

Raureif

Warum Robert Walser? Für mich ist er einer der liebsten Schriftsteller. Warum, das vermag ich kaum zu beantworten. Man sollte ihn lesen – dann wird man ihn mögen für alle Tage, oder einfach für verschroben und altmodisch abtun. Peter von Matt, ebenfalls ein Schweizer Schriftsteller, hält für Robert Walser besonders «die Unvorhersehbarkeit des nächsten Satzes» für charakteristisch. Das heute vorgestellte Prosastück wird das sicherlich verdeutlichen. Meine Ex-Schwägerin würde sagen, dass er von Kuchen backen auf Pobacken käme. Ich sehe darin eher einen bunten Blumenstrauß mit vielen einzelnen Farbtupfern.

Zuvor will ich Euch allen aber ein friedvolles und geruhsames neues Jahr 2013 wünschen mit viel Gesundheit und Zufriedenheit. Vom Glück will ich gar nicht schreiben. Das ist oft so flüchtig … Macht es also gut. Mögen wenigstens einige Eurer Wünsche in Erfüllung gehen. Wer keine Wünsche mehr hat, wem alles erfüllt wurde, der hat auch nichts mehr zu erwarten …

Schnee liegt auf Straßen und Plätzen, auf Denkmälern, Dächern, das paßt zur Neujahrszeit. Weihnachtsbäume, Süßigkeiten gönne ich andern. Dichter sind darin großartig, daß sie ihrer Mitmenschen Freude mit ansehen können, ohne gleich zu meinen, daß sie mitgenossen haben müßten. Eine warme Stube ist im Winter schon viel. Les’ ich nicht außerdem in einem Büchlein, betitelt: „Treu wie Gold“? – „Guten Tag, Frau Direktor von Stempel“, sprach ich neulich eine Dame an, die anders heißt, und die laut ausrief: „Was ist Ihnen?“ – „Gut aufgelegt bin ich“, gab ich zur Antwort. Den ersten Theaterabend meines Lebens erlebte ich in einer Neujahrsnacht, trug den hohen Eindruck heiß ins Elternhaus. An einem himmelblauen Frühlingstag erwartete eine Mutter ihren geliebten Sohn, den Leutnant von Schöllermark. Da klopfte es energisch an die Türe; der Ersehnte war’s, sie lagen sich in den Armen. Er kam dann nach Berlin, wo er die wundersamste Motzsträßlerin oder Millionärin kennenlernte; sie war jung und unerhört schön. Im Tiergarten gaben sie sich Rendezvous; flogen zusammen auf Schlittschuhen um die Rousseauinsel, die im kleidsamen Dezemberlichkeitsgewand lieblich aussah. Die Schöne sagte ihm, indem sie Kuß um Kuß von ihm empfing, ihr Papa habe Pläne mit ihr; er taumelte zurück, erlebte seine große Enttäuschung, was ich alles aus einem Vergissmeinnichtbüchlein habe. Nun meld’ ich etwas von mir und beichte, daß ich als Knabe auf einen Neujahrswunschzettel unachtsamerweise „ich wüsche“ schrieb, statt „ich wünsche“. Wie einem so etwas im Kopf bleibt! Der junge Napoleon siegte schon als Schüler im Schulhof zu Brienne in Schneeballschlachten. Schneemänner haben einen breiten Mund, nicht sehr eindrucksvolle Augen, in der Hand einen Besen und stehn unglaublich ruhig da. „Zwischen zwei Herzen“ nennt sich eine rührende Geschichte, die ich meinem Bibliothekchen einverleibte: Einer, der Geld hat, tritt einem, der keins hat, die, die er liebt, ab, da er nicht mehr jung ist, während dem andern die Jugend zum Antlitz herausstrahlt. Das Mädchen hieß Roberta und der Glückliche Max. Anderntags saßen alle friedlich beisammen. Möglich ist, daß sie bei Tisch saßen und aßen. Ich war neulich dabei, wie sich einer Wirtin ein netter, junger Mensch als Officebursche stramm vorstellte. Achtung erweckt man meist hinter seinem Rücken; daher weiß man nichts davon. Die, denen wir sympathisch sind, bleiben still, und das ist richtig, man nähme sich sonst zu wichtig. Ein Kurzwarenhändler sagte mir, man käme mit der Höflichkeit am besten weg; ich pflichtete ihm bei. Zu Neujahr wird geschenkt, Schenkende erhalten wieder ihrerseits Geschenke. Beides, Nehmen wie Geben, darf und will geübt sein. Ich erinnere mich an eine Zeichnung mit leichter Anfärbung: ein weißgefiederter Engel schaut zu einem Fensterchen in die Stube hinein, wo das Christkind liegt; nur ein kleines Blatt, und doch vergaß ich’s nicht. Man kann viel vergessen, sich wieder auf vieles besinnen, und herrlich ist im Erinnerungsbereiche dann ein wiedergefundenes Schäfchen; der Verlust wird lieb, da er sich ausglich.

Schnee liegt auf Straßen und Plätzen
Aus: Robert Walser – Dichtungen in Prosa …