Archiv für den Monat: Februar 2007

Was ist bloß mit Ian los? Teil 47: Von Rubbing Elbows zu Acoustic Tull

Hallo Wilfried,

in unseren selbstgewählten Rollen bleiben wir verlässliche Größen: Auf der einen Seite der Ankläger und Schmäher und auf der anderen Seite der Verteidiger, Erklärer und Versteher. Jedenfalls denke ich, dass wir Mr. Anderson, Jethro Tull und alles, was damit zusammenhängt, aus allen denkbaren Perspektiven beleuchtet haben. Wir haben gesehen, gehört und bewertet. Dazu sind wir angetreten und ich finde, wir haben diese Aufgabe bisher mit viel Fleiß, Leidenschaft und Engagement erfüllt.

Ob wir in naher Zukunft noch viel zu hören, sehen und zu bewerten bekommen werden, wird sich zeigen. An ein bombastisches Alterswerk des Meisters glaube ich persönlich nicht. Ich fürchte, er ist zu sehr damit beschäftigt, sein eigenes Andenken zu verwalten. Da bleibt kein Raum mehr, um den Schwanengesang zu komponieren.

Living in the Past – unter diese Überschrift hat Mr. Anderson sein musikalisches Wirken der letzten Jahre gestellt. Er baut seine musikalischen Aktivitäten auf den vergilbten Lorbeeren vergangener Jahrzehnte auf und zehrt dabei vom Ruhm früherer Zeiten. Was wäre Mr. Anderson heute ohne die von ihm wenig geachteten uralten Fans ? Wenn diese Menschen die Erinnerung an glorreiche Zeiten nicht hochhalten würden, wäre unser Meister nur noch eine peinliche Lachnummer. Ein weltfremder Narr, der nicht merkt, dass sein letzter Vorhang schon lange gefallen ist.

Nur so als Beispiel: Wer war es denn, der Ende letzten Jahres den Auftritt von Mr. Anderson in Maria Laach thematisiert und republikweit verbreitet hat ? Waren das 15jährige ehemalige Tokio-Hotel – Fans, die der Meister auf seine Seite zu konnte ? Waren es übergelaufene Robbie Williams – Fans ? Waren es Renegaten aus dem George Michael – Lager ? Oder waren es nicht doch die „alten Säcke“, auf die der Meister meint leicht verzichten zu können?

Genau diese alten Säcke sind es, die verhindern, dass bei dem austherapierten Komapatienten Jethro Tull die lebenserhaltenden Systeme abgestellt werden. Ich rechne nicht mehr damit, dass unser Komapatient noch etwas großes Neues auf die Beine stellen wird.

Wenn es irgendwann heißen wird, JT haben sich unwiederbringlich aufgelöst, würde es mich nicht wundern. Es ist auch nicht so, dass dadurch eine Welt für mich zusammenbrechen würde. Die Gruppe, die mich begeistern konnte, gibt es schon lange nicht mehr. Mein Faible für diese Gruppe lebt seit Jahren aus der Retrospektive.

Vielleicht ist es für Martin Barre gar nicht einmal so schlecht, sich so langsam vom Meister zu lösen. Einen Stern bei seinem Sinkflug zu begleiten zeugt zwar von Treue, ist der eigenen Weiterentwicklung aber nicht förderlich. Genau: Einem Musiker wie Mr. Barre traue ich zu, dass er noch etwas eigenständig Neues zustande bringt. Möge er sich wie Phoenix aus der Anderson’schen Asche erheben !

Ich sehe es plastisch vor mir: Mr. Anderson wird als 103jähriger Musiker wie Johannes Heesters von Intensivmedizinern auf die Bühne gekarrt, um dort die Urenkel seiner wahren Fans zu „unterhalten“. Aber es gibt einen feinen Unterschied: Herr Heesters ist noch einigermaßen bei Stimme.

Man kann über die späten Aktivitäten des Meisters denken wie man will. Was immer er in Zukunft noch verbrocken wird, seine großartigen frühen Alben nimmt ihm und uns keiner ! Sie sind das, was im Andenken der Fans Bestand haben wird und nicht die Kopftücher und Geigen-Nymphen.

Eine 40jährige Schaffensperiode, in der man es jedem Recht macht, ist einem Menschen nicht möglich.

So ist eine Beschränkung und Konzentration auf die Handvoll hervorragender Alben vergangener Tage mein Beitrag zu „Living in the past“. Nicht Innovation ist die Kraft, die mich an Jethro Tull bindet, sondern Nostalgie.

Es grüßt Dich herzlich
Lockwood

27.01.2007

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Hallo Lockwood,

Ian Anderson muss wissen, was er tut – und wird es wissen. Da bin ich mir sicher. Ich will hier gar nicht den Verteidiger und Erklärer spielen. Und dass ich sogar das Ganze verstehe, liegt mir fern. Vielleicht doch eher erklären, so wie ich es sehe …

Zunächst zum Schwanengesang, wie Du es nennst – ein mögliches Alterswerk des Meisters. Das mit der „schottischen Sinfonie“ habe ich eher ironisch gemeint, mit leichtem Augenzwinkern. Ich bin darauf gekommen, weil Ian Anderson zuletzt mit den unterschiedlichsten Orchestern aufgetreten ist und wir von früher her wissen, dass er sich auch an einer Ballett-Musik versucht hat, wenn auch mit Unterstützung von David Palmer. Also an ein Alterswerk glaube ich schon noch. Es wird sicherlich noch einige Zeit dauern, bis es soweit ist, aber dann … Um es klar zu stellen: Dieses Alterswerk dürfte nach meiner Ansicht wenig mit Jethro Tull alter Tage zu tun haben.

Da ich gerade dabei bin: Bei der Acoustic/Electric Tull-Tour mischen neben den Herren Anderson und Barre (hin und wieder vertreten von Herrn Opahle) die Herren David Goodier (Bass) und John O’Hara (an Keyboards und Akkordeon) mit. Natürlich auch Sohnemann James Duncan am Schlagzeug. Das sind genau die Herren, die Ian Anderson als seine IA solo band guys bezeichnet und die auch bei den Orchester-Auftritten mitwirkten (John O’Hara dann auch noch als Dirigent). Irgendwo tauchte dann auch die Bezeichnung „Rubbing Elbows“-Tour Band auf. Also von Leihmusikern würde ich nicht unbedingt sprechen. Das Problem ist nur, dass diese Jungs so langsam unter dem Namen Jethro Tull ihr Zuhause finden. Für manchen alte Tull-Fan dürfte das ein Affront ohnegleichen sein.

Das mit der Lachnummer und dem weltfremden Narr mag Deine Einschätzung sein. Andere sehen das bestimmt etwas anders. Die Scheibe „Ian Anderson Plays The Orchestral Jethro Tull“ war kurz nach Erscheinen immerhin auf Platz 3 in den deutschen Charts. Und in den Kundenrezensionen bei amazon.de findest Du folgende Kommentar, die Dich doch erstaunen müssten:

„Meine Partnerin und ich hatten das Konzert in Mannheim erlebt und waren begeistert und noch tagelang danach in Hochstimmung.“

„Vor allem die Arrangements der Songs, die zusammen mit den Philharmonikern gespielt werden, lassen aufhorchen. Etwa das wunderschöne Wond’ring Aloud mit Originalstreichersatz.Bourée und God Rest Ye Merry Gentlemen kommen sehr überzeugend daher.My God ist superb und Aqualung ist das Sahnehäubchen schlechthin. Sehr luftig und lebendig arrangiert, mit einem etwas dahinplätschernden Mittelteil zwar, hebt es sich deutlich ab vom Rest. Das Finale von Budapest kommt mit gewaltigen Tönen aus dem Orchester daher.“

„Was nun folgt ist meiner Meinung nach der künstlerische Höhepunkt einer beispiellosen Karriere. Ian Anderson hat eine junge Band um sich geschart (Keyboard, Bass, Gitarre, Schlagzeug), um zusammen mit der „Neuen Frankfurter Philharmonie“ die Klassiker der Band Jethro Tull, als auch Solowerk in faszinierend neuem Gewand zum Besten zu geben.“

Vielleicht sind wir es, die „in the past“ leben. Mit dem Koma-Patienten hast Du dabei gar nicht einmal Unrecht. Auch Herr Anderson sieht das ähnlich. Für einen, der fast 60 Jahre alt ist, ist es wirklich eine Lachnummer, wenn er als alter Rocker auftritt. Das ist wirklich nur etwas für Nostalgiker, denen der Kopf bereits wackelt. Also macht er etwas Neues: Erst die „Rubbing Elbows“, die natürlich nur im angelsächsischen Raum ankommen. Dann die Orchester-Auftritte, die besonders bei den Deutschen beliebt zu sein scheinen. Dafür muss er nicht extra neue Stücke schreiben. Die alten tun es auch (David Palmer hat es bewiesen). Klar, es müssen die Arrangements/Partituren geschrieben werden. Aber dafür finden sich schon welche. Vielleicht hat er die auch von David (Dee) Palmer zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ich gehe davon aus, dass Ian Anderson z.B. von der Neuen Frankfurter Philharmonie angesprochen wurde, ob er mit ihnen auftritt (nicht umgekehrt – Herr Anderson hat es noch nicht nötig, anderen hinterher zu laufen). Und da das so toll lief, rufen gleich andere Orchesterchefs bei dem Meister an und fragen nach, ob er auch mit ihnen auftreten könne.

Ian Anderson - Rubbing Elbows

Und jetzt die Acoustic/Electric Tull-Tour. Betonung auf acoustic! Dafür verspricht er auch Stücke, die er so noch nie auf die Bühne gebracht hat. Einem alten Folk-Fan muss es da doch warm ums Herz werden. Eigentlich! Und dann noch in einem so tollen Ambiente (Parkbühne, Wasserschloss, Amphitheater, Burg, Zitadelle oder als Kulisse viele hübsche Segelboote – schau Dir doch einmal die Tourdaten an). Die alten Fans sind gern eingeladen zu kommen. Aber sie müssen sich sputen, damit die ‚anderen’ nicht schon alle Karten im Vorfeld aufgekauft haben.

Ja, mein lieber Lockwood – so wird ein Paar Schuh daraus. Natürlich riecht (riechen kann es nicht, es hat keine Nase – also: stinkt) das alles sehr verdächtig nach „Musikantenstadl“ und André Rieu. Und dabei hätte ich gewarnt sein müssen: Als ich meiner Frau vor vielen Jahren empfahl, ihrer Freundin die „Classic Case“-Scheibe zu kaufen, da diese auf solche klassischen Adaptionen von Rockmusik steht, die sich dann mit viel Lob für die Scheibe auch bei mir bedankte … Hätte ich ihr „Thick as a Brick“ schenken lassen, wäre der Dank weitaus schmaler ausgefallen. Die Anekdote kennst Du bereits. Was ich sagen will: Der Markt ist unergründlich, aber Herr Anderson hat das richtige Näschen dafür.

Und nur so nebenbei und als Ergänzung: Wer lädt eine Lachnummer zu einem feierlichen Weihnachtskonzert ein oder zur Mozartgala? Nein, ich denke Du bist auf dem Holzweg. Und Martin Barre muss froh sein, wenn er sich weiterhin neben Herrn Anderson auf die Bühne stellen darf. Mit seinen bereits erreichten 60 Jahren wird er sich kaum aus der Anderson’schen Asche erheben.

Also was bleibt uns? Die alten Platten auflegen, alles andere, was Herr Anderson plant und tut, ignorieren. Oder vielleicht doch eines dieser Konzerte besuchen?

Lass Dich nicht von Deinen Gewissensnöten quälen, die Dich um des Meisters willen plagen.
Und eine geruhsame Woche.

Wilfried

29.01.2007

English Translation for Ian Anderson

Ein Wintermärchen mit gutem Ende

Manche Märchen nehmen kein gutes Ende. Aber das Handball-Märchen in Deutschland endete wie es wohl kaum einer für möglich gehalten hätte: Deutschland ist nach 1978 (mit Heiner Brand als Spieler) wieder Handball-Weltmeister (mit Heiner Brand als Trainer).

Handball-Weltmeister 2007: Deutschland (viele Heiner Brands)

Und ähnlich wie bei der Fußball-WM vor einem Jahr gab es eine Euphorie um die Mannschaft, wie man diese nicht alle Tage in Deutschland erlebt. Das Endspiel gegen Polen selbst (29:24) konnte leider nicht mehr an das spielerische Niveau der Viertel- und Halbfinalspiele anknüpfen. Am Ende war es aber ein verdienter Sieg, wenn es auch eine kurze Zeitlang auf des Messers Schneide stand, als sich das deutsche Team Konzentrationsfehler erlaubte.

Glückwunsch an Heiner Brand und eine deutsche Mannschaft, die sich im Turnierverlauf stetig zu steigern verstand.

Schlaganfall – Wie verhalte ich mich

In letzter Zeit habe ich mehrmals Mails zum Thema „Schlaganfall“ bekommen. Der Schlaganfall ist eine heimtückische Krankheit, die nicht immer rechtzeitig erkannt wird. Aber gerade das ist wichtig. Je früher die richtige Diagnose gestellt wird und Hilfe erfolgt, um so mehr kann man die Folgen (bis zum Tode) mildern. Ich kenne mehrere Menschen, die den Schlaganfall erlitten und die lange Zeit der Rehabilitation bedurften bzw. noch heute an den Folgen tragen.

Infos zum Thema Schlaganfall

Murmeltiertag …

Gestern hatte Willi (also ich) nicht nur seinen 2. Jahrestag in Sachen Weblog, sondern auch noch Geburtstag (Spenden nehme ich gern entgeben). Wenn man Söhne hat, muss man damit rechnen, dass sich diese einen Spaß mit ihrem alten Herrn machen. Danke, Jan, für Dein aufschlussreiches Comic. Ich also als blinder Maulwurf. Kurt und Herbert sind Murmeltiere, denn der 2. Februar ist ja auch Murmeltiertag. Man muss hoffentlich kein Eingeweihter sein, um zu verstehen, was damit gemeint ist …

Willi hat Geburtstag

Zwei Jahre WilliZBlog.de

Frei nach dem Pfandfinder-Motto „Jeden Tag eine gute Tat!“ versuche ich hier, seit nunmehr zwei Jahren jeden Tag einen guten Beitrag in mein Weblog (Internettagebuch) zu stellen. Ähnlich dem Pfadfinder, der einer alte Dame, die an einer Straßenkreuzung steht, über diese hinweg zu helfen bemüht ist (eigentlich wollte sie gar nicht über diese Kreuzung), bemühe ich mich manchmal auch vergeblich:  Nicht jeden interessiert das, was mich bewegt. Aber vielleicht ist es auf der anderen ‚Straßenseite‘ ja doch nicht so schlecht …

Wie auch immer: Seit zwei Jahren schreibe ich mir hier die Finger wund und frage mich oft genug, warum? Aber da ich weiß, dass es doch den einen oder anderen Leser gibt (ich staune selbst über die Anzahl), da mag ich nicht aufgeben. Und kleine Fingerübungen (die gleichzeitig auch kleine Hirnübungen sind) schaden bekanntlich nicht. Also auf ins nächste Jahr …

Willi packt 's

Fußball-verrückt

Der AC Milan hat für 7,5 Millionen Euro den bei Real Madrid aufs Abstellgleis geschobenen Ronaldo gekauft, den wir noch von der Weltmeisterschaft her kennen, wie dieser nicht gerade in beeindruckender Manier seinen übergewichtigen Körper über den Rasen wälzte.

Glaubt man der Website des AC Milan, dann muss das ja wohl der super-tollste Transfer der Vereinsgeschichte sein. Ich kann dabei allerdings nicht so ganz nachvollziehen, weshalb man gleichzeitig Ronalds Landsmann Oliveira als Leihgabe an Real Madrid gibt, den immerhin viermaligen Saisontorschützen, und für diesen wiederum Andrea Caracciola vom FC Palermo zu verpflichten bemüht ist. Silvio Berlusconi wird ’s wissen.

Jupp Heynckes war so schlau, bei Mönchengladbach nach langer Erfolgslosigkeit selbst den Hut zu nehmen. Und als man Felix Magath den Stuhl bei Bayern vor die Türe stellte, lauschte ich in Richtung Hamburg, ob da nicht verdächtige Geräusche zu vernehmen wären: Der gute Alleskleber hat nichts genützt. Man klebt nicht für alle Tage an seinem Stuhl – auch Thomas Doll macht den Abgang, nachdem es beim HSV auch mit dem Rückrundenstart nicht aufwärts, im Gegenteil abwärts auf den letzten Tabellenplatz ging.

Was ist bloß mit Ian los? Teil 46: Andersons letzte Schaffensperiode

Guten Abend lieber Wilfried,

Deine letzte mail gibt mir Gelegenheit, mich auf das ursprüngliche Thema unseres Gedankenaustauschs zu besinnen: Auf Jethro Tull. Mr. Anderson sorgt mal wieder für Aufregung in der Fangemeinde, da ist es nur angemessen, wenn ich das aufgreife.

Ich bin Deinen gelinkten Anregungen gefolgt und habe mich bei den Laufi-Leuten ein wenig umgelesen. Hier schwappen die Wogen der Emotion hoch. Den Laufis geht es genau wie mir: Sie stören sich daran, dass der Meister seine bewährten Musiker, vielleicht sogar Mr. Barre, durch (preiswerte) Leihmusiker ersetzt. Das ganze verkauft Mr. Anderson dann auch noch als Jethro Tull.

Man stelle sich vor: Mr. Jagger schart die Leasing-Musiker Tom Hinz und Tim Kunz um sich und tritt mit ihnen als Rolling Stones auf. Paul McCartney tritt mit Eddie Egal und Kurt Kompatibel als die Beatles auf. Ich schrieb es schon in einem anderen Zusammenhang: Es gibt Dinge, die gehen einfach nicht. Für manche Entscheidungen braucht man wohl die arrogante Kaltschnäuzigkeit eines Ian Anderson. Man kann ihm sicher einiges vorwerfen; übertriebene Demut sicher nicht.

Nun zu den Geigerinnen: Dir, der Laufigemeinde, mir und dem Rest der Welt ist aufgefallen, dass es sich bei den streichenden Musikern ausnahmslos um sehr ansehnliche junge Damen handelt. (Meine Frau meint, diese würde Mr. Anderson einsetzen, um von sich selber abzulenken – aber da kennt sie den Meister schlecht). Vor einiger Zeit hast Du mehr oder weniger unverblümt angedeutet, dass Mr. Anderson mehr als nur ein musikalischen Interesse an seinen Musikantinnen habe. Das mag sein, jedenfalls liegt der Verdacht nahe. Genau wie Dir ist mir das aber gleichgültig. Andere Leute sollen von mir aus geigen, wen oder was sie wollen. Mich stört an diesen Künstlerinnen viel mehr ihre Heterogenität: Sie fügen sich überhaupt nicht in das Bild der Gruppe ein. Die JT-Musiker spielten schon zusammen, als die Eltern der Damen noch ihre Akne behandelten. Und nun stehen diese blühenden Schönheiten auf der Bühne, eingerahmt von knorrigen alten Eichen. (Zuerst wollte ich schreiben, dass auf der Bühne neben einem Kuhfladen eine Rose blüht, aber das wäre Dir sicher wieder zu hart erschienen.)

Wie Du weißt, bin ich aus der Folk-Ecke zu JT gestoßen. Ich höre also von jeher gern den Klang einer Fiedel. Oft habe ich mir bei JT den Einsatz einer Geige gewünscht. Vielleicht statt der Flöte, vielleicht in Ergänzung dazu. Da wären sicher einige Spielarten möglich gewesen. Gerade in der fabelhaften, ruhmreichen, unwiederbringlich verlorenen Zeit der Folkalben (wie ich sie vermisse !) hätte eine Fiddel sehr gut zur Musik gepasst. Gespielt von einem bärbeißigen Musikanten mit Rauschebart, Whiskyfahne und gelb gerauchten Fingern. So wie bei den Dubliners. Aber nein, nichts dergleichen. Wenn Mr. Anderson sich Mietgeiger an Bord holt, dann sind das feenähnliche Geschöpfe wie Eddie Jobson, Ann Marie Calhoun oder Lucia Micarelli. Die letzten beiden erinnern mich irgendwie an Vanessa Mae, die nymphengleiche Pop-Geigerin, die in Europa vor einigen Jahre Furore machte. Naja, eben alles kompatibel.

Deine Links sind wie immer sehr hilfreich. So bin ich eben auf der Homepage von Anna Phoebe gelandet. Und was höre ich ? Musik von akustischen Gitarren und Geige. Na also, geht doch. In nächster Zeit muss ich mehr in diese Richtung lauschen.

Ich danke Dir für Dein Lob zu meiner Montage ! Es ist sicher kein Meisterwerk, wenn ich es mit den Montagen auf digicamfoto.de vergleiche. Aber wenn ich meine Ansprüche an meine Fähigkeiten anpasse, komme ich zurecht. Meinen Satz zu meinem Bildchen in Deinem Blog hast Du missverstanden: Erst sah ich mein Bild auf Deiner Seite, dann habe ich geschrieben, dass ich auf diese Veröffentlichung auch gehofft hatte. Du weißt doch: Wenn ich morgens den PC anwerfe, führt mein erster Weg auf Dein Blog, der zweite auf Wikipedia, der dritte zum Lokalblättchen und erst dann wende ich mich dem Tagesgeschäft zu.

Du hast es sehr mutig in Worte gefasst: Jethro Tull stirbt einen qualvollen, langsamen Tod. So etwas schreibt oder liest kein Fan ohne Bedauern. Selbst wenn wir das A – Album ausklammern: Eine Rockband sind JT schon lange nicht mehr. Weltmusik ist ja OK, aber das sollte nicht mehr unter Rock firmieren. Sollte jetzt auch noch der gute Martin ausscheiden, was ich nicht zu fürchten wage, dann wird es wirklich zappenduster um Mr. Anderson. Er selber hat doch vor einiger Zeit gesagt, Martin sei derjenige, der die Gruppe zusammengehalten hat. Es sieht so aus, als hätte die Realität die Gruppe eingeholt. Mittlerweile bröckelt nicht nur der Putz.

Die Ratten flüchten, die Fans rennen weg. Aber wohin ? Viele der Fans, so wie Du, begleiten die Gruppe schon seit Jahrzehnten. Fühlt der Meister sich ihnen verpflichtet ? Versucht er, sich in sie hineinzuversetzen ? Nein, tut er nicht. Das hat ein Wirtschaftstycoon wie er gar nicht nötig. Er kocht sein eigenes Süppchen. Schon vor Jahren schrieb er im Vorwort des Songbooks, dass ihn die alten treuen Fans nicht interessieren. Die kommen von alleine, fast zwanghaft, in die Konzerte und Plattenläden. Ihm gehe es darum, neue Fans zu gewinnen. Ich denke, da wird er in Zukunft ausreichend Gelegenheit haben, seine Fähigkeiten beim Rekrutieren zu beweisen.

Stirb wohl, Jethro Tull. Das Ende wird Dich von langem Leid erlösen.

Faithfully
Lockwood

25.01.2007

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Hallo Lockwood,

ja, die Aufregung ist wirklich groß. Aber ich möchte meine Sicht doch etwas präzisieren, um Missverständnissen vorzubeugen. Zunächst würde ich Jethro Tull nicht mit den Stones und den Beatles vergleichen. Doch selbst die Rolling Stones hatten eine gewisse personelle Fluktuation, wenn auch nicht in dem Maße wie Jethro Tull. Lediglich die Beatles werden immer die vier – John, Paul, George und Ringo – bleiben (auch sie begannen einmal in einer anderen Besetzung). Jethro Tull ist aber zunächst Ian Anderson. Und dann kommen jede Menge talentierte Musiker, die je nach ‚Jahreszeit’ auswechselbar waren. Einzigste Ausnahme: Martin Barre, der mit seinem Gitarrenspiel nachhaltig den Stil und Sound der Gruppe geprägt hat.

Dann gibt es Jethro Tull in den verschiedenen Schaffensperioden (die hatte Picasso ja auch). Zunächst der eher schnelle Wechsel vom Blues und Jazz (This Was) über blusigen Rock mit ersten Folk-Elementen (Stand up), dann schon ‚schwereren’ Rock (Benefit) zu Aqualung, das irgendwo zwischen Rock und Folk angesiedelt ist. Nach den Konzeptalbem die Alben mit Folk-Ausrichtung.

Jedes dieser Alben hat einen für sich eigenen Stil und wird besonders durch die Instrumentalisierung geprägt. Diese ist wiederum von den Musikern abhängig. Aber irgendwie war das alles noch Jethro Tull als eine Gruppe, die einen Stil pflegte, der zwar etwas abseits des Mainstreams ansässig war, aber Album für Album eine kontinuierliche Weiterentwicklung verriet.

Dann der erste große Bruch 1980 mit dem Album „A“. Nicht nur bisher prägende Musiker wie John Evan und David Palmer wurden ausgetauscht, der ganze Stil war ein anderer bis zum Outfit der Herren Musiker. 1982 mit „Broadsword and the Beast“ gab es einen kurzen Schwenk zurück, dann aber kamen Ians erstes Soloalbum und dann „Under Wraps“. Bis 1991 präsentierte sich Jethro Tull wieder eher als Rockgruppe mit einigen Anleihen (z.B. bei Dire Straits – sowohl gesanglich, als auch vom Gitarrenspiel her – wie ich finde).

Und dann die Alben, die wir beide wohl in die Schublade „Weltmusik“ stecken würden.

Nach 1980 also einige kleinere Brüche (oder eben jeweils neue Schaffensperioden). Mit dem neuen Jahrtausend dann aber Andersons Abschied vom kreativen Schaffen und die Hinwendung zur reinen Interpretierung eigener Werke. Dieses betrachte ich als den größten Bruch in der Laufbahn von Ian Anderson – und damit von Jethro Tull. Es ist nun nicht so, dass Herr Anderson von Schützenfest zu Schützenfest tingeln muss. Das hat er schon finanziell nicht nötig. Nein, er schart junge Talente um sich, gibt sich denen gewissermaßen als musikalischer „Godfather“ aus (ähnlich wie es David Palmer für Ian Anderson war). Und den eigenen Sohn will er dabei nicht im Regen stehen lassen – also spielt der Vater mit dem Sohne (ich kann das sehr gut nachvollziehen, geht es mir mit meinem ältesten Sohn zz. ähnlich).

Das in dieser (letzten?) Phase die Gruppe Jethro Tull auf der Strecke bleibt, ist dann zwangsläufig. Aber außer Martin Barre waren die Musiker namens Giddings, Perry und Noyce sowieso schon keine echten Tuller mehr (in den Augen der alten Fans). Wenn Herr Anderson trotzdem noch das Fähnlein „Jethro Tull“ hoch hält, dann sicherlich aus Gründen der Publicity. Und man spielt ja auch noch alte Tull-Titel, wenn auch im neuen Kleide (dabei ist der Verweis „acoustic“ fast ein Versprechen – diese Tulls, die akustischen, mögen wir doch eigentlich). Wohin am Ende (z.B. im 40. Jahr von Jethro Tull) der Zug wirklich fährt, weiß wohl selbst Herr Anderson nicht so genau. Ich denke aber, dass es irgendwann noch ein Alterswerk von Ian Anderson geben wird. Vielleicht wird das ja dann doch noch der große Knaller: Jethro Tull in Person von Ian Anderson mit der schottischen Sinfonie Nr. 1 – From Broadford to Wiltshire (aber das liegt ja schon in England – dort in der Nähe lebt der Meister, wenn er nicht gerade auf Tour ist) – für Orchester und 5-köpfige Band. Und Herr Anderson ohne Kopftuch!

Was ist bloß mit Ian los?

Was will ich damit sagen: Ian Anderson betrachtet sich als Künstler, der rein zufällig in die Rockszene abgetrieben wurde. Aber dort hat er sich möglichst immer am Rande aufgehalten. Es ist mehr Künstler/Musiker als Rocker. Und je älter er geworden ist, um so mehr hat er sich von der Rockszene verabschiedet. Das Kopftuch ist nur noch ein Art Überbleibsel aus alten Tagen.

Man muss und kann das akzeptieren – oder nicht. Mir gefällt auch nicht alles aus dem Anderson’schen Werk. Aber es hat eigentlich auf jeder Scheibe für mich etwas gegeben, was mir gefiel. Gut, dass war nicht der Aha-Effekt, der sich bei mir am Anfang einstellte. Von diesem Aha-Erlebnissen gibt es nun einmal nicht viele in einem Leben. Aber wenigstens ein AHA bringe ich mit Jethro Tull und damit mit Ian Anderson in Verbindung.

Aber genug. Bei aller Kritik und Verwunderung, die die letzten Nachrichten zum Thema Jethro Tull ausgelöst haben: Irgendwo kann ich Herrn Anderson doch noch etwas verstehen. Die Geschäfte laufen weiterhin prächtig, das Musizieren macht noch Spaß (Hahn im Korb). Und im engeren Kreise gibt es keinen, der er wagt, den Meister zu kritisieren (es gibt ja auch keinen Grund dafür).

Noch ein schönes Wochenende
Wilfried

P.S. Heute einmal keine ‚weiterführenden’ Links.

27.01.2007

English Translation for Ian Anderson