Archiv für den Monat: März 2011

Einar Kárason: Das gelobte Land

Im letzten Teil „Das gelobte Land“ (Original: Fyrirheitna landið) der Barackentrilogie von Einar Kárason, die in den siebziger Jahren spielt, besuchen wir mit Mundi (Ásmundur Grettisson), den Ich-Erzähler und Sohn von Dolli, und Manni (Hermann Þórgnýsson), den Sohn von Toti und Fia, die Vereinigten Staaten, das ‚gelobte Land’. In New York treffen sie auf Bobo, Mundis Halbbruder, der sie zur deren Großmutter Gogo, die zusammen mit ihrem Sohn (dem Onkel der beiden) Baddi irgendwo in der amerikanischen Provinz in einem Wohnmobil (Mobile Home) wohnt, begleitet. Manni und Mundi betrachten es als eine Art Studienreise: „Forschung! …kulturanthropologische Untersuchung!“ Wie Manni es nennt.

Immer wieder erfolgen Rückblenden auf die Zeit in Island, die teilweise auch noch in den sechziger Jahren spielen und hier den Tonfall des Erzählers aus den ersten beiden Romanen (Die Teufelsinsel und Die Goldinsel) wiedergibt. Am Ende dieser Rückblenden erfolgt der Entschluss von Mundi und Manni, in die Staaten zu reisen.

Mundi, Manni, Bobo & Baddi

Literatur von Einar Kárason

Auszug aus dem isländischen Original:

Úr Fyrirheitna landinu:

Og einu sinni kom Fía að leita eftir sérfræðiráðgjöf; hvað er hægt að gera við drykkfelda syni? Ég veit að enginn hefur meiri reynslu af því en þú Lína mín, eins og vandræðin hafa nú verið með hann Badda! Æ æ æ, það sem er á okkur lagt.
Það kom styggð að langömmu. Átti nú að fara að skíta hann Badda út?
Hvað ert þú að hafa áhyggjur af honum, spurði hún hvöss.
En Fía sagði, ekkert nema ljúfmennskan, að það væri nú ekki þannig meint, hún væri bara svo slegin og sjokkeruð útaf honum Hermanni syni sínum, sem lægi í brennivíni allar helgar. Allir hans peningar færu í brennivín. Hann slægi jafnvel slöku við vinnu útaf andskotans brennivínsfýsninni!
Og langamma sá að kellingin kom með friði og var ekki að fiska eitthvað upp um Badda sem hún gæti smjattað á meðan hún væri að telja allar sínar milljónir. Svo að gamla konan trúði henni fyrir leyndardómum drykkjusýkinnar: Tilfellið væri einfaldlega það að þessum mönnum væri ekki sjálfrátt. Þarna væru illir andar að verki.
Ji minn almáttugur hjálpi mér!
Jaá, það er ekkert að efast um. Það eru drykkjupúkar og illir andar sem drekka í gegnum þessa menn. Ég man eftir því uþþuþvuzz þegar við vorum hérna útí Minnakoti sjö sé og hann Tómas heitinn var alltaf að drekka! Ég ákvað, no! Nú rek ég úr honum illa andann. Ja, svo er ekkert með það, ég hef nú mínar aðferðir, er kannski ekkert að gaspra svona um það, en svo er hann sofnaður brennivínsdauða uzzuzz þarna inní herberginu og ég fer að særa, og svo sé ég hreinlega hvernig andinn fór úr honum svona púff uppí loftið og ég verð voða glöð. Jæja! En bara heldurekki að púkinn stingi sér þá ofaní vögguna hjá litla barninu uþþuþþuþvuzzz; og nú gerði Lína krossmörk og bænaði sig í bak og fyrir.
Hjá litla barninu? spurði Fía skjálfrödduð. Var það hún Úlla, sem dó?
Neei, sagði langamma, örlítið ergileg yfir skilningsleysinu: Það var hann Baddi!

(s. 175-176)

Hierzu der deutsche Text:

Einar Karason: Das gelobte Land
Minnakoti = ‚Meine Hütte’
(S. 188-189 – 1. Auflage Taschenbuchausgabe Februar 1999 – btb Taschenbuch 72228)

Es ist eine Reise in die amerikanische Provinz der Südstaaten. „Die Selbstverständlichkeit, mit der dieser Autor auch von Bagatellen zu erzählen weiß, die dann unter seiner Feder zu bedeutsamen Ereignissen werden, ist hierzulande ohne Bespiel.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung). Es sind eben tatsächlich meist die scheinbar unbedeutenden Dinge, die das Leben bestimmen. Wir begegnen in diesem dritten Teil auch wieder Baddi, dem Trunkenbold, dem „verdammte Säuferschwein“, dem nicht nur der Leser zwischen Sympathie bis hin zur körperlichen Unerträglichkeit begegnet, sondern auch die jungen US-Reisenden. Alle sind sie wieder einmal die geborenen Verlierer, aber wie sie ihr Schicksal tragen, macht sie zu Helden!

Tariftreueerklärung

Die Lokführergewerkschaft GDL feiert ihren 24-stündigen Streik (von Montag 2 Uhr 30 bis Dienstag 2 Uhr 30) bei den großen Bahn-Konkurrenten als vollen Erfolg. Sie hofft nun auf schnelle Angebote der Arbeitgeber.

Dazu GDL-Chef Claus Weselsky: „Die Sturheit der Arbeitgeber führt dazu, dass der Tarifkonflikt erneut auf dem Rücken der Reisenden ausgetragen werden muss.“ Wirklich ein Muss?

Meinen Beitrag Italienische Verhältnisse hier im Blog, in dem ich u.a. die verwickelten Eigentumsverhältnisse bei der metronom Eisenbahngesellschaft mbH aufgebröselt habe, hatte ich an alle drei betroffenen ‚Partner’ (Lokführergewerkschaft GDLmetronom EisenbahngesellschaftLandesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG)) per Mail versandt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Kunde der metronom Eisenbahngesellschaft mbH, also als Pendler, der alltäglich als Arbeitnehmer auf die Bahn angewiesen ist, auch als Vater eines 17-jährigen Sohnes, der mit dem Zug zur Schule fahren muss, erlauben Sie mir, Ihnen den folgenden Artikel zukommen zu lassen.

Ich kann nur noch einmal an Sie als Beteiligte appellieren, den Kunden, für den Sie arbeiten und der Sie bezahlt, bei all den Tarifstreitigkeiten nicht zu vernachlässigen.

Mit freundlichen Grüßen

Bis zum heutigen Tag habe ich keine Antwort bekommen. Das deutet nicht nur auf Sturheit, sondern unverkennbar auf Ignoranz gegenüber all den Kunden hin. Zudem gibt es wenige bis gar keine Informationen auf den jeweiligen Websites zu dem Stand des Streiks, z.B. Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG)Arriva Deutschland als Eigner der metronom Eisenbahngesellschaft (noch diese selbst).

Heute nun, nach genau drei Wochen, hat sich dann doch die LNVG per Mail bei mir gemeldet. Hier der – wie ich finde – interessante Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Albin,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Wir möchten kurz auf einen Punkt in Ihrem Anschreiben eingehen. Sie schreiben: Kritiker behaupten nun, Metronom hätte den Zuschlag bekommen, weil diese durch ‚Dumping-Löhne’ den Preis drücken konnte.

Hinsichtlich der Personaltarife haben wir in einzelnen Ausschreibungen Mindestlöhne auf Basis repräsentativer Tarifverträge vorgegeben, sofern Landesvergabegesetze dieses vorsehen. Inzwischen verlangen wir in der Regel eine Tariftreueerklärung, bei der die Eisenbahnverkehrsunternehmen bestätigen müssen, dass sie ihre Mitarbeiter nach einem mit einer tariffähigen Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrag, der in Niedersachsen für die Mitarbeiter der nichtbundeseigenen oder der bundeseigenen Eisenbahnen gültig ist, bezahlen werden.

Wir unternehmen erhebliche Anstrengungen, um eine tarifliche Entlohnung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und eine hohe Qualifikation und Motivation bei diesen zu gewährleisten und deren Arbeitsplätze auch im Ausschreibungswettbewerb zu sichern. In allen aktuellen Ausschreibungen haben wir außerdem die Zugbegleitquote deutlich erhöht und schaffen damit neue Arbeitsplätze.

Mit freundlichen Grüßen
i. A. B. T.

Das klingt schon einmal sehr gut. Besonders die „Tariftreueerklärung“ halte ich für angebracht. Inwieweit diese allerdings bereits bei den Verträgen mit der metronom Eisenbahngesellschaft (hier besteht z.B. ein Acht-Jahresvertrag bis 2018 für das erwähnte Hanse-Netz) Berücksichtigung findet, ist leider nicht ersichtlich.

Und noch eines: Die Metronom-Züge verkehren auch im Hamburger Verkehrsverbund (das betrifft alle Züge ab Tostedt in Richtung Hamburg):

„Fahrgäste mit einem Fahrschein des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) können selbstverständlich die neue Kundengarantie des HVV in Anspruch nehmen. Grundsätzlich gilt die HVV-Garantie, wenn das genutzte Verbundverkehrsmittel mehr als 20 Minuten später als im Fahrplan angegeben an Ihrer Zielhaltestelle ankommt.

Geben Sie bei der HVV-Garantie die Details zu der verspäteten Fahrt im HVV an, die maximal drei Tage zurück liegen darf. Bitte halten Sie für den folgenden Antrag zur HVV-Garantie Ihre persönlichen Daten, Ihre Emailadresse und die verwendete Fahrkarte bereit. Sie erhalten sofort nach dem Absenden eine Eingangsbestätigung an Ihre Emailadresse. Bitte beachten Sie, dass Sie entweder die HVV-Garantie oder die bundesweiten Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr wahrnehmen können. Eine Kombination beider Leistungen ist nicht möglich. Der Unterschied Fahrgastrechte / HVV-Garantien wird unter folgendem Link beschrieben: HVV-Garantie!“

aus: Informationen Fahrgastrechte der Metronom-Website

Ich habe ‚spaßeshalber’ online diese Kundengarantie des HVV in Anspruch genommen und bin jetzt gespannt, wie entschieden wird. Übrigens: Mein Entschädigungsbetrag beträgt 1,60 Euro für eine Fahrt. In der Antwortmail stand u.a.:

„Die HVV-Garantie ist ein Leistungsversprechen. Pünktlichkeit ist für unsere Kundinnen und Kunden des öffentlichen Nahverkehrs eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale. Mit Ihren Angaben helfen Sie uns dabei, die Qualität des öffentlichen Nahverkehrs im Hamburger Verkehrsverbund stetig zu verbessern.

Wir haben Ihren Antrag in unserem System unter der oben genannten Garantienummer erfasst. Sobald Ihre Angaben geprüft wurden, erhalten Sie von uns eine Nachricht über das Ergebnis.“

Nachtrag: Schlimmer geht immer … Jetzt kommt es für uns Pendler ganz dicke: Die GDL bestreikt die Bahn-Konkurrenz (dazu gehört über die Arriva eben auch der Metronom) am Donnerstagmorgen 3 Uhr bis Samstag 2 Uhr ganze 47 Stunden lang: ‚Der Kunde ist wieder einmal der Arsch, in den man bis zum Abwinken treten kann!‘

Online-TV bei EWETEL

Als regionales Unternehmen hinkte unser Telekommunikationsanbieter (Internet via DSL und Telefon) vielleicht den ‚Standards’ der Deutschen Telekom etwas hinterher. Aber die EWETEL (in den Regionen Niedersachsen, Bremen, Bremerhaven, Brandenburg, Osnabrück sowie Ostwestfalen-Lippe tätig) bietet seit einigen Wochen Online-TV kostenlos zum DSL-Paket.

EweTel - Telekom-Anbieter in Norddeutschland

Und das heißt: Mehr als 35 öffentlich-rechtliche und private Sender via Adobe Flash Player im Internet in einer Auflösung von ca. 696 x 392 Pixel (also im Bildformat 16 x 9). Somit kann man überall dort, wo das eigene WLAN-Netz hinreicht, zweitfernsehen. Daneben gibt es dann natürlich auch noch eine allerdings kostenpflichtige Online-Videothek.

Online-TV bei EweTel

Einzigstes Manko: Man kann die TV-Bilder nicht ohne Weiteres aufnehmen. Will man TV-Sendungen auch auf den Rechner speichern, dann benötigt man dazu ein spezielles Aufnahme-Tool, wie z.B. Stream Catcher 2 von Data Becker. Hiermit wird der Ton direkt von der Soundkarte und das Bild ähnlich wie bei einer Hardcopy (Screenshot) gespeichert. Empfehlenswert ist allerdings hierfür der Data Becker MPEG2-Video-Encoder, den man für einmalig 5 € Kosten freigeschalten kann.

Einar Kárason: Die Goldinsel

Während Einar Kárasons Die Teufelsinsel in einer Barackensiedlung in Reykjavík, der Hauptstadt Íslands, in den 50-er Jahren spielt, handelt „Die Goldinsel“ (Gulleyjan) von den sechziger Jahren des Wirtschaftsaufschwungs. Ja auch Island hatte sein Wirtschaftswunder. Dank des Herings, der von den Fischern der Insel in Massen gefangen wurde. „Die Sonne, die Island in eine Goldinsel zu verwandeln schien, ging dabei im Westen auf. Alles kam aus Amerika: Das Fernsehen, die Rockmusik, die großen Schlitten und das große Geld. Unerhörte Zeiten brachen an – auch im Camp Thule, dem Barackenviertel von Reykjavik, wo die Anarchie üppige Blüten treibt und sich Tommi, der Krämer, und seine Frau Lina, die Wahrsagerin, durchs Leben schlagen, samt ihrem Clan von trotzigen Verlierern, die nie aufgeben, und Goldgräbern, die den amerikanischen Traum in die Bude brachten. Doch die Überlebenskünstler aus dem Slum boten sogar dem plötzlichen Dollarsegen kühn die Stirn. Nicht einmal das neu erbaute Krankenhaus konnte ihre Wunden heilen. Die Familiensaga aus dem Wilden Norden kennt kein Happy-end. Das Alte Haus wird plattgewalzt. Doch mit der halsstarrigen Lebensfreude seiner Bewohner wird kein Bulldozer fertig …“
(aus dem Klappentext zum Buch)

Ahnentafel

Literatur von Einar Kárason

Auszug aus dem isländischen Original:

Úr Gulleyjunni:

Meðan Gamla húsið stóð hélt Baddi áfram að halda þar næturveislur flestar helgar, þessar veislur sem oftast enduðu með rotunum, eyðileggingu og umsátri lögreglunnar. Þessar veislur voru að verða einsog óumflýjanlegur hluti tilveru fólksins í Gamla húsinu, það var hætt að láta sér bregða, stundum kom það fyrir að einhver svaf af sér allan djöfulganginn og þurfti að spyrjast fyrir alveg steinhissa næsta morgun hvort enginn hefði komið um nóttina. Og um tíma, meðan Daisy og Herman voru sem óvinsælust, hafði fjölskyldan jafnvel lúmskt gaman af næturheimsóknum þessara fullu brjálæðinga; Baddi ætlaði ekki að láta sér nægja minna en alla neðri hæðina undir gleðskapinn og það fyrsta sem hann gerði vanalega var að opna innri stofuna, kveikja ljósið, og henda the hermit út. Oft var Daisy svo króuð af og mæld út með jakalegum krumlum og slapp ekki fyrren eftir mikil óp, slapp hrasandi út til Herman sem beið glamrandi af kulda og skelfingu á hlaðinu. Oft reyndu þau að komast inn aftur og flýja uppá efri hæðina þarsem allt var læst nema kannski skáphurðin hjá tröllinu (sem þau voru bæði hálfhrædd við)… Eina nóttina héldu þau til í vaskahúsinu þarsem ýmist heyrðist breim eða tíst, vissu að þau myndu ekki geta lifað af aðra slíka helgi en svo varð það þeim til lífs að Fía og Tóti komu í heimsókn ásamt Gosa syni sínum einn daginn þegar Lína var að spá og enginn til að sinna gestum nema kanarnir. Og þeim kom svona afbragðsvel saman; kanarnir gerðu Snæfríði og Þórgný að trúnaðarvinum, sögðu þeim frá hinni illu meðferð og ofsóknum á hendur sér í Gamla húsinu og Fía hrærðist svo af þessari raunasögu að hún bauð þeim að flýja út í Rafmagnsveitublokk til sín næst þegar þeim yrði fleygt um nótt útá gaddinn. Kanarnir komu náttúrlega strax um næstu helgi og Fía hitaði handa þeim kaffi og gróf búðingstertuleifar uppúr frystikistunni og vakti Gosa svo hann gæti túlkað fyrir sig raunasögu hins vestræna flóttafólks. JesúsGuð! Og eigum flóttafólksins var engin virðing sýnd í þessum árásum, öllu hvolft og gramsað; oftar en einu sinni máttu þau tína saman Bítlaplöturnar hennar Daisy útum allt hverfi því að Baddi þoldi það ekki þegar samkvæmisgestir vildu fara að spila þetta kjánalega væl á fóninn sinn; skutlaði Bítlaplötunum út um gluggann og spilaði bara hinn sígilda Elvis Presley…
Oft enduðu samkvæmin þannig að allir kvöddu nema einhver ein stúlka sem fór uppí herbergi með Badda og var hjá honum fram á næsta dag og þá var Lína forvitin og kvíðin og tautandi, vildi vita hvaða hórkona og tittlinganáma væri nú að draga barnið á tálar, en fékk aldrei neitt um það að vita. Baddi var ekkert að kynna þessar vinkonur sínar fyrir heimilisfólkinu, fylgdi þeim bara hratt til dyra, ýtti þeim út um gættina og lokaði, og ef Lína var að reyna að hefta för þeirra með kaffi eða tilboði um að láta hann Gretti keyra þær heim, þá afþakkaði Baddi snarlega fyrir þeirra hönd, rámur og hranalegur. Las svo ömmu sinni pistilinn þegar þær voru farnar; hvort hún ætlaði aldrei að geta skilið að hann vildi fá frið þegar hann væri þreyttur og slappur.

(s. 98-99)

Hierzu der deutsche Text:
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„… Leviten; ob sie es nicht in ihren Kopf kriegte, daß er in Ruhe gelassen werden wollte, wenn er müde und abgeschlafft war.“

(S. 118-120 – 2. Auflage Taschenbuchausgabe Mai 1997 – btb Taschenbuch 72143)

Ja es geht wieder um Tommi, dem Besitzer des kleinen Ladens, der sein Geschäft um einen Kiosk erweitert, der auch in den späten Abendstunden geöffnet hat. Und um Lina, die Wahrsagerin. Und im weiteren Umkreis sind es Linas Enkel, Dolli mit ihrem Mann Grettir – und den beiden so gegensätzlichen Brüdern Baddi und Danni. Baddi ist der Liebling Linas, während Tommi dem jungen Danni zugetan ist und ihn finanziell beim Erwerb eines Flugscheins unterstützt. Die Fliegerei wird Danni dann auch zum Verhängnis. Am Ende ist der Spuk des Wirtschaftswunders verzogen. Tommi gelingt es immerhin noch, sein dem Abriß geweihtes Haus gegen eine andere Unterkunft (die ‚Neue Hütte’) einzutauschen. Aber so wie die Heringsschwärme, die für Islands Wohlstand sorgten, ausbleiben, so geraten auch unsere Helden wieder in Not. Das Barackenviertel ist abgerissen, die Bewohner in alle Winde verstreut.

Einar Kárason findet auch in diesem Roman den gleichen Tonfall wie in der „Teufelsinsel“. Man spürt seine ganze Zuneigung zu diesen sonderbaren Überlebenskünstlern, auch wenn sie manchmal nicht sehr freundlich erscheinen.

Kamikaze Mappus

Es war schon überraschend, wie bei den Politikern der Union und der FDP eine kollektive Nachdenklichkeit ausgebrochen ist und sie plötzlich Skrupel zeigen, was die Energiegewinnung aus Atomkraft betrifft. So plötzlich von heute auf morgen, als wären sie in Japan dabei gewesen. Und besonders die Hardliner a la Mappus, die bisher bedenkenlos (gedankenlos?) Atomkraft befürwortet haben, begeben sich in innere Klausur: „Merkel sagte, durch die Störfälle in japanischen Atomkraftwerken habe sich die Realität verändert. ‚Ein kluger Ministerpräsident wie Stefan Mappus reagiert darauf’, sagte sie. Wer nicht zur Kenntnis nehme, was passiert sei und sich keine Gedanken darüber mache, sei ein Ignorant. Auch hätten die Ereignisse Mappus und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ‚einander energiepolitisch näher gebracht’. In der Debatte um die Laufzeitverlängerungen im vergangen Jahr hatte Mappus den Rücktritt Röttgens gefordert, weil ihm dessen Pläne für eine Laufzeitverlängerung nicht weit genug gingen. In dieser Woche sprach Mappus sich dann für die schnelle und dauerhafte Stilllegung des Atommeilers Neckarwestheim I aus.“ (Quelle: zdf.de)

Aber was hören wir da auf einmal? Was meinte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle im Kreise der Atom-Lobby? „Am Tag, als die Bundesregierung ihren atemberaubenden Atomschwenk verkündete, saß Brüderle mit Kernkraftbossen beim Lobbyverband BDI und lüftete offenbar in trauter Runde den Schleier der Politik. ‚Der Minister… wies … darauf hin, dass angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht immer rational seien.’ So zitiert die ‚Süddeutsche Zeitung’ aus dem Sitzungsprotokoll des BDI..“ (Quelle: zdf.de)

Auf gut Deutsch: „Das Atom-Moratorium ist offenbar nur unter dem Druck der Landtagswahlen entstanden.“ (Quelle: zdf.de) Gewissenbisse aus wahltaktischem Kalkül? Von einer größtmöglichen Wählerverachtung will ich gar nicht sprechen (das machen andere viel besser). Ich kann nur auffordern, den Lügenbaronen und Machtbesessenen morgen am Sonntag eine Abfuhr zu erteilen. Schickt Mappus und Co. in die Wüste. Wir haben alle genug von solchen Kamikaze-Politikern, wie sie uns in Berlin meinen regieren zu können.

Adèle und das Geheimnis des Pharaos

Adèle und das Geheimnis des Pharaos (Orig.: Les aventures extraordinaires d’Adèle Blanc-Sec) ist ein französischer Abenteuerfilm aus dem Jahr 2010 von Regisseur Luc Besson mit Louise Bourgoin in der Titelrolle, basierend auf den Comics „Les aventures extraordinaires d’Adèle Blanc-Sec“ von Jacques Tardi.

„Die so attraktive wie schlagfertige Adèle Blanc-Sec (Louise Bourgoin) lebt als emanzipierte Reporterin und Teilzeit-Archäologin im Paris des Jahres 1912. In Ägypten gelingt sie auf abenteuerliche Weise – und gegen den Willen ihres Konkurrenten Dieuleveult (Mathieu Amalric) – in den Besitz einer Mumie, die sie in ihre Heimatstadt verschifft. Sie hofft, die Mumie mit Hilfe der telekinetischen Fähigkeiten eines steinalten Professors (Jacky Nercessian) auferstehen zu lassen, damit diese ihrer Schwester dank antiker Medizin-Geheimnisse aus dem Koma hilft. Doch Paris steht gerade Kopf: Ein Flugsaurier ist aus einem Millionen Jahre alten Ei des Naturkundemuseums geschlüpft und versetzt die Großstädter in helle Aufregung. Inspektor Caponi (Gilles Lellouche) übernimmt die Ermittlungen und macht alsbald den Telekinese-Professor dingfest, dessen Fähigkeiten das Unheil zu verantworten haben. Das harsche Urteil: Enthauptung durch die Guillotine. Das verträgt sich jedoch gar nicht mit den Erweckungs-Plänen Adèles und so schnell gibt die rasende Reporterin nicht auf.“

aus: filmstarts.de

Nach dem schwer verdaulichen Stoff von „Enter the Void“ genehmigte ich mir zusammen mit meinen Lieben mit dem Film am Samstagabend weitaus leichtere Kost. Der Film ist sowohl als DVD Adèle und das Geheimnis des Pharaos als auch Blue-ray Adele und das Geheimnis des Pharaos erhältlich.


Adèle und das Geheimnis des Pharaos – Deutscher Trailer

Im Mittelpunkt steht die titelgebende Adèle Blanc-Sec (wie der Wein: weiß und trocken), eine Art weiblicher Indiana Jones. Indiana Jones für Arme, wie ich irgendwo las. Aber das finde ich nicht ganz gerecht. Vergleiche hinken bekanntlich (schon der Vergleich Dani Levy mit Woody Allen zum Film Das Leben ist zu lang hatte diesen Klumpfuß). Sicherlich ist die Geschichte etwas verfahren. Und die Spezialeffekte hinken (schon wieder?!) dem gegenwärtigen Standard leicht hinterher. Aber langweilig wird der Film dank der rasanten Abfolge der Ereignisse, der teils skurrilen Situationen und den gnadenlos (besonders optisch) überzeichneten Figuren nie.

Der eigentliche Grund, diesen Film zu betrachten, ist die witzig überzeugende Louise Bourgoin mit ihrer charismatischen Präsenz. Ja, die Bourgoin, die ihr Debüt vor nicht allzu langer Zeit in Anne Fontaines „Das Mädchen aus Monaco“ feierte.

Sicherlich: Wer beim Namen Luc Besson etwas mehr erwartete, wer enttäuscht sein. Aber für einen entspannend-spannenden Filmabend reicht der Film (eher Kinder- oder Jugendfilm) allemal.

just setting up my twttr – 5 Jahre Twitter

Twitter ist eine Anwendung zum Mikroblogging. Es wird auch als soziales Netzwerk oder ein meist öffentlich einsehbares Tagebuch im Internet definiert. Privatpersonen, Organisationen, Unternehmen und Massenmedien nutzen Twitter als Plattform zur Verbreitung von kurzen Textnachrichten im Internet.“ (Quelle: de.wikipedia.org)

Und in diesen Tage wurde Twitter fünf Jahre alt. Am 21. März 2006 schrieb Jack Dorsey aka @jack, Entwickler von Twitter, seinen ersten Tweet: „just setting up my twttr“.

Und passend zum Fünfjährigen schreibt @jack:

Happy Birthday @Twitter! Proud of everything our users & the team have created. It’s been an inspiring & humbling #5yrs. Okay, back to work.

Nun denn: Happy birthday, Twitter!

Enter the Void

Enter the Void ist ein französischer Spielfilm aus dem Jahr 2009. Gaspar Noé schrieb das Drehbuch und führte Regie.

„Nach dem Unfalltod ihrer Eltern haben Oscar (Nathaniel Brown) und Linda (Paz de la Huerta) sich geschworen, immer und ewig zusammen zu bleiben. Jahre später schlägt Oscar sich in Tokio als Drogendealer durch und spart, um für die Nachreise seiner Schwester aus den Staaten aufkommen zu können. Dass diese – endlich in Tokio angekommen – in einem Striplokal jobbt und mit ihrem Boss schläft, lässt erste Risse durch das innige Verhältnis laufen. Einmal noch stehen die Geschwister auf dem Balkon von Oscars düster-chaotischem Apartement und blicken gemeinsam ins Neon-Zwielicht Tokios. Dann begibt sich der junge Mann auf einen Trip, der ihn jenseits aller leiblichen Grenzen führen wird und der in seinem Bett beginnt. Dort halluziniert er sich auf Dimethyltryptamin (kurz: DMT) durch die Nacht, bis sein Kumpel Alex (Cyril Roy) auftaucht und ihn zum Treffpunkt eines Deals navigiert. Gerade eben noch kann der zugedröhnte Oscar den hastigen Schritten seines Freundes und dessen Ausführungen zum tibetanischen Buch der Toten folgen – dann kommt es zur Katastrophe. Die Spelunke „The Void“ erweist sich als Falle und kurz darauf sinkt Oscar von Polizeikugeln durchbohrt zu Boden. Während sein Körper zurückbleibt, erhebt sich seine Seele zur transzendentalen Odyssee…“

aus: filmstarts.de


Enter the Void – deutscher Trailer (siehe auch HD-Version)

Letzten Freitag traf sich meine Frau mit ‘ihren Damen’ zu einer Tupper-Party. Und meine beiden Söhnen waren bei einem Freund zur LAN-Party. Ich hatte also ‚sturmfreie’ Bude – und nutze den Abend, mir den Film Enter The Void (Limited Edition) (inkl. DVD) [Blu-ray] anzuschauen.

Regisseur Gaspar Noé sorgt mit diesem Film einmal nicht für einen Skandal, auch wenn dieser Film nicht gerade gewaltfrei zu nennen ist. Man könnte ihn unter das Motto „Sex and Drugs and … Tibetisches Totenbuch“ stellen. Das ist eine etwas merkwürdige Mischung, sicherlich, aber es trifft den Kern des Films. Und es ist ein Film aus drei ‚subjektiven Perspektiven’. Zunächst erleben wir den Film aus der Sicht von Oscar, den einen Protagonisten des Films. Die erste halbe Stunde des Films ist in Echtzeit, also ohne Schnitt gedreht – bis auf die Momente, in denen Oscar blinzelt und die durch so genannte Hypercuts imitiert werden und der minutenlangen DMT-Ekstase, einem pulsierenden Fraktalgebilde, das in diesem Zusammenhang an Mandala-ähnliche Gebilde erinnert.

Nachdem Oscar erschossen wurde, wechselt die Sicht. Oscar bzw. Oscars Geist (und damit der Zuschauer) sieht sich jetzt von hinten und steht so dem Zuschauer gewissermaßen im Weg. Zuletzt „löst sich die Kamera vom Kadaver und gleitet schwerelos in die Nacht, durchdringt Materie und folgt den Hinterbliebenen.“ Es beginnt eine körper- und schrankenlose Reise meist mit einer Sicht aus der Vogelperspektive, ob nun in Räumen oder über die neon-beleuchteten Stadt Tokio. Diese Reise ähnelt stark dem Zwischenzustand des Werdens aus dem Tibetisches Totenbuch: Das persönliche Karma und die Taten des Lebens Oscars werden durchlebt. Und es ist eine „bewusst ermüdende Irrfahrt zwischen Tod und Wiedergeburt, bis endlich ein Wiedereinstiegspunkt gefunden ist.“ Zuletzt erleben wir Oscars Wiedergeburt durch seine Schwester.

Also ein buddhistischer Film? Nach buddhistischer Lehre ist das Leben Leiden. Und die Protagonisten dieses Films leiden. Eine bedrückende Atmosphäre lastet auf dem Film. Ziel des Buddhismus ist es, den vermeintlichen Kreislauf der Wiedergeburten zu durchbrechen, um in das Nirwana einzutreten. Nirwana als das „Verlöschen“ oder als Eintritt in die „Leere“. Enter the Void?

Enter the Void ist nichts für müde Augen und müde Geister. Schon die eröffnenden Credits als nahezu unleserliche, hysterische Collage aus Farben und Schrifttypen gehen gewaltig auf die Augen. Dafür entschädigen die Kamerafahrten über ein bonbonfarbenes Tokio nur wenig. Sehr explizit ist manche Sexszene. Gaspar Noé entfaltet einen sehr eigenwilligen, atemberaubenden Stil, der manchem Zuschauer schon früh den Nerv rauben wird. Und doch fesselt der Film, wenn man sich auf ihn einlässt. Ein filmisches Halluzinogen mit spiritueller Verbrämung? Ohne Zweifel hat der Film eine Nachhaltigkeit, die jedem so genannten Blockbuster abgeht.

Neue Vahr Süd – im Theater

Kaum habe ich aus der Herr Lehmann Trilogie von Sven Regener „Der kleine Bruder“ gelesen, da sehe ich, dass in Hamburg am Altonaer Theater der zweite Teil, der Roman „Neue Vahr Süd“ als Theaterstück aufgeführt wird.

„Herrn Lehmann“ selbst wurde hier am September 2008 erfolgreich aufgeführt, sodass man sich entschlossen hat, jetzt auch diesen Roman auf die Bühne zu bringen. „Neue Vahr Süd“ wurde ja auch bereits verfilmt.

Die Premiere war am 20. März. Das Stück läuft erst einmal bis zum 30. April 2011. Verfasst wurde das Stück von Georg Münzel und Anja Del Caro. Und in einem Sonderprogramm kann man sich dann auch noch (einmal) die Theaterfassung von „Herrn Lehmann“ angucken.

Beharrlichkeit zahlt sich aus

In der Fußball-Bundesliga dreht sich das Trainerkarussell unaufhaltsam. Schalke feuert Magath und dieser findet schnell und erneut beim VfL Wolfsburg ‚Unterschlupf’. Die hatten schon vor längerer Zeit den ehemalige Nationaltrainer Englands Steve McClaren wegen Erfolglosigkeit in die Wüste geschickt. Nicht anders erging es vor kurzem Armin Veh beim HSV. Und für Louis van Gaal ist am Ende der Saison bei den Bayern Schluss. Die Zeit von Bruno Labbadia beim VfB Stuttgart dürfte auch bald gezählt sein (bei Bayer 04 Leverkusen und beim HSV wurde er zuvor vorzeitig entlassen), wenn er die Mannschaft nicht endlich aus dem Keller holt.

Bleibt eigentlich nur der SV Werder Bremen, der die bescheidenste Saison seit Jahren spielt und erst mal nach langem in den Abstiegssog geriet. Zwar gab es in den Medien einige Kritik am Double KATS (Initialen für Klaus Allofs, dem Manager, und Thomas Schaaf, dem Trainer), aber selbst bei den Fans war der Rückhalt in den schlimmsten Tagen weiterhin vorhanden – nicht wie in Schalke, wo Magaths Rücktritt schon lange von den Tribünen gefordert wurde.

Und diese Beharrlichkeit scheint sich wirklich auszuzahlen. Die Mannschaft findet plötzlich wieder zusammen. Spieler wir Tim Borowski und Sandro Wagner (letzterer wurde bereits als Fehleinkauf verschrieen) finden zurück in die Spur. Und auch das Glück ist der Elf aus Bremen wieder öfter hold. Ein neuer Trainer hätte es kaum besser machen können.

Bis auf die 0:4-Niederlage beim HSV kann man wieder Erfolge vorweisen. Okay, zu Hause läuft es noch nicht rund (drei Unentschieden, immerhin aber gegen eine in dieser Saison starke Mannschaft aus Hannover und auch gegen Leverkusen) stehen zwei Auswärtssiegen gegenüber (gegen Mannschaften wie Freiburg und Nürnberg, die sich noch Ambitionen machen, nächste Saison im ‚europäische Geschäft’ mitzumischen).

Das Abstiegsgespenst hat man damit sicherlich noch nicht endgültig abgeschüttelt (das Spiel am 2. April gegen Stuttgart ist ein Schlüsselspiel). Aber Besserung ist in Sicht – auch für weitere Pläne in der nächsten Saison.

Anaïs Nin: Die verborgenen Früchte

Anaïs Nin wurde 1903 in Neuilly bei Paris als Tochter des spanischen Musikers und Komponisten Joaquin Nin geboren. Später verließ der von ihr abgöttisch verehrte Vater die Familie, was sie nie ganz verwunden hat. Als Dreizehnjährige kam sie in die USA. Schon damals begann sie ein Tagebuch zu schreiben. Mit fünfzehn Jahren verließ sie die Schule und versuchte sich als Autodidakt in Bibliotheken weiterzubilden. In den zwanziger Jahren heiratete sie Hugh Guiler und ließ sich in Louveciennes bei Paris nieder. Seit 1931 war Anaïs Nin mit Henry Miller befreundet. Beide haben sich künstlerisch stark beeinflusst. Ihr ist es auch gelungen, einen Verleger für Miller Wendekreis des Krebses zu finden.

In ihrem Heim in Greenwich Village verkehrten bedeutende Künstler wie Dali, Max Ernst, Yves Tanguy, Tennessee Williams, William Sarovan und Miller. 1932 erschien D.H.Lawrence: An Unprofessional Study (dt. D. H. Lawrence – Lektüren der Leidenschaft. ( Die Frau in der Literatur), ihre erste größere Arbeit als Schriftstellerin. Im Frühjahr 1966 wurden die ersten Proben aus ihren Tagebüchern veröffentlicht, die aber schon lange vorher als die bedeutendste Confessio des Jahrhunderts galten. Inzwischen ist der größte Teil ihrer Tagebücher in deutscher Sprache erschienen. Anaïs Nin ist 1976 in Kalifornien gestorben.“ (aus dem Klappentext zum Buch).

Ebenfalls aus dem Klappentext zum Buch:

„Poetisch pornographisch“, nannte Henry Miller die erotischen Schriften von Anaïs Nin. Diese Schriftstellerin scheute sich nicht, wirklich alles, was es an Sinnlichkeit, Sexualität, Trieb und Liebe gibt, offen und unverstellt zu beschreiben. Doch bei aller Direktheit und Offenheit was es auch ihr Ziel, zu zeigen, daß Sex erst durch Gefühle zu wirklicher Erotik wird. „Über Sexualität und Sensualität zu schreiben“, so die Nin, „hat nichts mit Pornographie zu tun. Erotika schreiben ist für mich wilde Poesie.“

Das neue Erotikon Die verborgenen Früchte geht auf diesem Weg noch weiter: Die Sprache ist noch poetischer; was sie beschreibt, ist nicht weniger offen, doch noch sensibler und sensitiver. Ohne Frage hat hier Anaïs Nin die erotische Poesie in ihrer „wildesten“ und reinsten Form erreicht.

„Anaïs Nin löst das wahre Erlebnis geheimnisvoller Erotik aus … ihre Sprache ist noch delikater, noch geschmeidiger.“ New York Times

„Poetisch pornographisch“, nannte Henry Miller also die erotischen Schriften der Anaïs Nin. Sie selbst sprach von „Prostitution“. Aber lesen wir, was sie in dem Vorwort zu diesem kleinen Büchlein von etwas mehr als 120 Seiten zur ‚erotischen Literatur’ zu sagen hatte:

Es ist eine interessante Tatsache, daß nur sehr wenige Schriftsteller aus eigenem Antrieb erotische Erzählungen oder Bekenntnisse niedergeschrieben haben. Sogar in Frankreich, wo die Erotik angeblich eine so wichtige Rolle spielt, sahen sich die Autoren, die so etwas doch taten, lediglich von der Not dazu gezwungen – der Geldnot.

Die Erotik im Rahmen eines Romans oder einer Erzählung zu Wort kommen zu lassen, ist eines; sich ausschließlich mit ihr zu beschäftigen jedoch etwas ganz anderes. Ersteres ist wie das Leben selbst. Es ist, möchte ich sagen, etwas Natürliches, Aufrichtiges, wie in den sinnlichen Passagen bei Zola oder Lawrence. Sich aber ausschließlich auf die Sexualität zu konzentrieren, ist unnatürlich. Das gleicht dann etwa dem Leben einer Prostituierten, einer anormalen Betätigung also, aufgrund derer sich die Prostituierte schließlich von der Sexualität abkehrt. Vielleicht ist den Schriftstellern das bekannt. Und vielleicht haben sie deshalb, wie auch Mark Twain, nur gerade ein Bekenntnis, höchstens ein paar Erzählungen geschrieben, um auf diese Weise ihre Aufrichtigkeit den Dingen des Lebens gegenüber, unter Beweis zu stellen.

Doch was geschieht mit einer Gruppe von Schriftstellern, die so dringend Geld benötigen, daß sie sich ausschließlich der Erotik widmen? Wir wirkt sich diese Tatsache auf ihr Leben, auf ihre Einstellung der Welt gegenüber, auf ihre Arbeit aus? Wie wirkt es sich auf ihr Sexualleben aus?

Bevor ich meinen Beruf ergriff, galt ich als Dichterin, als eine unabhängige Frau, die nur zu ihrem Vergnügen schrieb. Es kamen viel junge Schriftsteller und Dichter zu mir. So unterschiedlich sie in ihrem Wesen, ihren Neigungen, Gewohnheiten und Lastern auch waren, eines hatten sie alle gemeinsam: Sie waren arm. Verzweifelt arm. Nicht selten verwandelten sie meine maison in ein Kaffeehaus, das sie hungrig, schweigend aufsuchten, und dann aßen wir Haferflocken, weil das am billigsten war und man behauptete, es mache stark.

Die meisten Erotika wurden mit leerem Magen geschrieben. Nun wird durch den Hunger in hohem Maße die Phantasie angeregt; … Je größer der Hunger, desto größer das Verlangen – wie bei Gefangenen, wild und quälend. Daher lebten wir in einer für das Gedeihen der Blume Erotik absolut perfekten Welt.

… ich hatte meine richtige schriftstellerische Arbeit aufgegeben, als ich mich auf die Suche nach der Erotik machte. Dies sind nun meine Abenteuer in jener Welt der „Prostitution“. Sie aus mir herauszuholen, war anfangs nicht leicht, Denn das Geschlechtsleben liegt bei uns allen – den Dichtern, Schriftstellern, Malern – unter vielen Schichten verborgen. Es gleicht einer verschleierten Frau: halb erträumt.
(aus dem Vorwort zum Buch)

Zeichnung von Gustav   K l i m t
Zeichnung von Gustav K l i m t

Je größer der Hunger, desto größer das Verlangen … Das klingt für mich nostalgisch. Wie aus einer anderen, früheren Welt. Und so ist es wohl auch. Es hat einen ‚romantischen’ Anklang und ist lange nicht so abgeschmackt, wie die Produkte, die uns heute die Pornografie liefert. Sicherlich geht es bei Anaïs Nin auch ‚zur Sache’, im Vordergrund steht die trieb- und körpergesteuerte Beziehung, also Sex, und weniger das Emotional-Seelische. Das mischt sich zu einem erotischen Cocktail, steht beim Schreiben solcher Erotika als Intention der Autorin der Aspekt einer psychologisch-geistige Anziehung der Personen beiseite.

Zwei sich ungekannte Schöne treffen sich nachts am Strand bei Mondlicht. Es kommt zu einem Techtelmechtel. Und schon liegen sie am Strand, beide Körper ineinander verwoben – wie das Tier mit den zwei Rücken (Rabelais bzw. Shakespeares „Beast with the two backs“):

Sie eilte dem Meer zu. Er folgte ihr. Lange wanderten sie durch die schneeweißen Dünen. Am Wasser warf sie die Kleider ab und stand nackt in der Sommernacht. Sie lief in die Brandung. Louis machte es ihr nach, zog sich ebenfalls aus und warf sich ins Wasser. Da erst entdeckte sie ihn. Zunächst verhielt sie sich still. Doch als sie im Mondlicht deutlich den jungen Körper, den schönen Kopf und sein Lächeln sah, schwand ihre Angst. Er schwamm auf die zu. Sie lächelten einander an. Sein Lächeln war sogar bei nacht blendend; genau wie das ihre. Sie konnten kaum etwas anderes als das Lächeln und die Umrisse des vollkommen gestalteten Körpers des anderen.

Er näherte sich ihr. Sie duldete es. Plötzlich schwamm er geschickt und graziös über sie hinweg, berührte kurz ihren Körper und war vorbei.

Sie schwamm weiter, und er wiederholte das Manöver. Dann richtete sie sich auf, er tauchte und schwamm zwischen ihren Beinen hindurch. Sie lachten. Beide bewegten sich leicht und sicher im Wasser.

Bis hierhin ist es Spielerei. Vorspiel. Erregendes Vorspiel, von dem beide, Frau wie Mann, sich hinreißen lassen. Und so verwandelt sich das Spiel schnell in ‚Handgreiflichkeiten’, erst noch sanft, dann drängender.

Er war zutiefst erregt und schwamm mit steifem Glied. Sie näherten sich einander, geduckt wie im Kampf. Er drängte sich an sie, und sie spürte seien straffen, gespannten Penis. Er schob ihn zwischen ihre Beine. Sie berührte ihn. Seine Hände suchten sie, liebkosten sie überall. Dann zog sie sich abermals zurück, und er mußte sie schwimmend fangen.

(and so on) …

aus: Anaïs Nin: Die verborgenen Früchte (mit 15 Zeichnungen von Gustav Klimt – Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. München – Knaur Bestseller 806)