Was ist bloß mit Ian los? Teil 90: 2x Aschenputtel

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

ein gutes Neues Jahr wünsche ich noch allerseits! Und dem Herrn Anderson gratuliere ich natürlich noch ganz herzlich zu seinen neuen Ehren als MBE (Member of the Order of the British Empire). Das mit dem „Sir“ kann ja noch werden…

Es freut Euch sicher zu hören, dass ich das Neue Jahr mit Jethro Tull begonnen habe. Ungefähr um Mitternacht kam mir der Gedanke, dass jetzt „Fires At Midnight“ passen könnte, inszumal sich allerlei „firework“ vor meinem Fenster abspielte. Da es sich hierbei wirklich um ein einfaches Lied handelt, habe ich auch keine 5 Minuten gebraucht, bis ich die Akkorde beieinander hatte, und so konnte ich bereits kurz nach Mitternacht folgendes spielen: Fires At Midnight (ich habe mir erlaubt den Text etwas an meine Gegebenheiten anzupassen…). Über die Tonart möchte ich auch garnicht mit Dir streiten, lieber Wilfried – E-Moll oder G-Dur, ganz wie es Dir beliebt. Da in diesem Lied ungefähr gleich viele Dur- und Moll-Akkorde vorkommen, würde ich mich da nicht festlegen wollen, und mein unzuverlässiges „Musikgefühl“ ist sowieso kein Kriterium. Für die Richtigkeit der Tonart übernehme ich auch keinerlei Garantie, ich habe meine Akkorde nicht mit dem Original abgeglichen.

Damit aber nicht genug, so ein einfaches Lied kann mich nicht lange fesseln. Also habe ich mich gleich auf das nächste gestürzt, das mir schon seit ein paar Tagen im Kopf herumging. Es hat den gleichen Rhythmus wie „Ride Across The River“ (vielleicht ein bißchen schneller) und fängt – für mich sehr passend – mit einer Katze an. Ich halte es für den letzten mir bekannten Geniestreich unseres Meisters: Rocks On The Road. Daran habe ich ein paar Tage geknabbert, und an einigen Stellen passen meine Akkorde immer noch nicht zum Original. Aber wenn ich es für mich allein spiele klingt’s ganz gut, und das reicht mir. Ach ja, vielleicht sollte ich noch kurz erwähnen, dass man das mit dem Kapodaster im 3. Bund spielt – das macht Mr. Anderson auch so, siehe dieses Video. Und noch etwas – ich konnte den Text nirgends finden und musste daher das aufschreiben, was ich vom Abhören verstanden habe. Das macht teilweise wenig Sinn. Vielleicht könnt Ihr mir da noch weiterhelfen? (Vor allem habe ich nicht verstanden, was ihn da am Morgen weckt…)

Der arme Lockwood tut mir langsam leid, er wird auch noch anfangen müssen Gitarre zu spielen, damit er sich über Harmonielehre, Barre-Griffen und Tonartwechseln nicht zu Tode langweilt. Also wechseln wir nicht die Tonart sondern das Thema.

Heute möchte ich Euch von einem jungen Mann berichten, über den ich auf Youtube gestolpert bin – wo auch sonst. Auch in seinem Falle war es Leonard Cohen’s Hallelujah, das mich zu ihm geführt hat. Das Video trägt die Überschrift Hallelujah (shrek song), und als ich das erste Mal seiner angesichtig wurde, da dachte ich das müsse wohl Shrek persönlich sein (anhand dieser Beschreibung werdet Ihr ihn unter den vier jungen Herren sicher sofort identifizieren können). Aber dann, oh Shrek, setzt er in der 3.Strophe gar noch zu singen an, und da wollte ich zuerst meinen Ohren kaum trauen. Ich konnte garnicht glauben, dass diese Klänge tatsächlich von ihm stammen sollten – die Stimme schien überhaupt nicht zum Aussehen zu passen.

Nach dieser bemerkenswerten Performance versuchte ich über YouTube herauszufinden, um wen es sich bei dem jungen Mann wohl handeln könne, und natürlich wurde ich fündig. Vielleicht kennt Ihr ihn ja schon längst und ich erzähle Euch hier alte Kamellen. Die Videos kennt Ihr vielleicht trotzdem noch nicht alle.

Also: Es handelt sich hier um Herrn Kurt Nilsen aus Bergen in Norwegen, seines Zeichens der Gewinner des ersten und einzigen World Idol Contest, der am 1. Januar 2004 stattfand. 11 bedeutende Nationen der uns bekannten westlichen und östlichen Welt schickten ihre in unzähligen Fernsehshows auf Herz und Nieren geprüften und auserwählten Superstars ins Rennen, um den größen unter ihnen zu ermitteln, und sie fanden – Herrn Nilsen. Wer hätte zu Beginn der Castings für die Shows vermutet, dass der ultimative Superstar, also sozusagen die Krone der Schöpfung und das strahlende Vorbild für die Jugend der Welt, so aussehen würde:





Wie hatte es so weit kommen können?

Nicht immer saß Herr Nilsen beim Singen so ruhig auf einem Stuhl wie ein Chorknabe. So konnte er bereits bei den norwegischen Superstar-Shows erste Erfahrungen beim Living The Vida Loca sammeln. Da störte es dann auch nicht mehr, dass er in der Finalrunde mit unpassendem Anzug und Halsentzündung antreten musste. Zwar entfahren ihm bei The Day After Tomorrow einige Krächzer und er verliert teilweise die Kontrolle über seine Stimme, aber trotzdem ist sein Cover immernoch besser als das Original. Er gewinnt den Titel.

So kommt es, dass er sich zusammen mit 10 durchgestylten Konkurrenten in der World Idol Ausscheidung wiederfindet. Er tritt als Letzter auf und singt Beautiful Day. Danach hätte es Bono nicht mehr gewagt den Mund aufzumachen. Ja, ein schöner Tag war es für Mr. Nilsen bestimmt. Zunächst muss er sich von den Juroren noch einige spitzzüngige Bemerkungen über sein Erscheinungsbild anhören: „Sie sehen aus wie ein Hobbit“…“wir haben schon eine Menge hässlicher Leute Platten aufnehmen lassen… unter normalen Umständen würden Sie nie einen Plattenvertrag bekommen…“ (was sind in dieser Branche eigentlich „normale Umstände“?), aber „what you don’t have, you don’t need it now“ – treffender hätte er es nicht singen können. Was er nicht hat, das braucht er auch nicht. Und alles, was er an diesem Abend braucht um das Publikum und die Juroren zu begeistern, das hat er – eine faszinierende Stimme, eine sympathische Austrahlung und die Fähigkeit sich in die Musik einzufühlen und sie überzeugend zu interpretieren. Und es wird entsprechend honoriert.

Das hat mich bis zu einem gewissen Grad mit unserer heutigen Musikbranche versöhnt. Ich hätte nicht erwartet, dass sich zwischen all die aufgeputzten Schaufensterpuppen, aufgezogenen Hüpf-Frösche und high-tech Sing-Marionetten auch noch echte Menschen mit Talent und Persönlicheit verirren könnten. Und schon garnicht hätte ich für möglich gehalten, dass so ein Musiker eine Chance hätte, wenn er nicht den aktuellen Schönheitsnormen entspricht. Es scheint noch Hoffnung zu geben.

Aber damit kam sie nun auf die Marketing-Experten zu – die Herausforderung mit Namen Kurt Nilsen. Ich habe den Eindruck, sie sind ihr nicht immer gerecht geworden. Zwar hatte er in Norwegen zunächst einen riesigen Erfolg – seine erste Single wurde die meistverkaufte in der Geschichte Norwegens, sein erstes Album das am schnellsten verkaufte aller Zeiten (es erreichte bereits am Tag der Veröffentlichung Platin-Status). Auch europaweit war seine erste Single in den Charts. Aber dann wurde es langsam ruhiger. In Norwegen ist er immer noch ein Star, aber über Norwegens Grenzen hinaus scheint Mr. Nilsen inzwischen weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein. Seine deutsche Homepage – von Sony erstellt – wurde seit 2005 nicht mehr gepflegt, hier wird sein Album von 2004 noch als „neu“ angepriesen. Seine CD vom letzten Herbst hat bei Amazon 2 – 4 Wochen Lieferzeit – holen sie die zu Fuß in Norwegen ab? Wer schläft hier eigentlich?

Dabei hat man sich schon Mühe gegeben. Es ist nicht leicht mit diesem Hauptdarsteller ein MTV-taugliches Video zu erstellen. Für die Aufnahmen zu Here She Comes wurde er daher extra nach Hollywood gekarrt – und so sieht das Ergebnis auch aus. Natürlich wissen die Profis schon, wie sie ihn herrichten und filmen müssen, damit er nicht ganz so shrek-lich aussieht. Aber die Lady, die man für ihn ausgesucht hat, ist ja wirklich tiefstes Hollywood-Cliche und passt überhaupt nicht, weder zu ihm noch zum Song. Sie scheint mir das exakte Gegenteil von dem Mädchen zu verkörpern, von dem er singt. Von der Aufgabe für Mr. Hobbit ein schlüssige Story zu inszenieren waren die Herren Profi-Filmer offensichtlich überfordert.

Da wirkt das Video zu Never Easy doch schon viel glaubwürdiger. Außerdem ist es endlich Mal kein Cover sondern ein Song, den er selbst geschrieben hat. Das gilt auch für seine letzte Single Push Push. Was mir dabei auffällt: Er scheint immer jünger zu werden, teilweise wirkt er auf den Aufnahmen fast wie ein Kind. Vielleicht versucht man gerade eine Boygroup aus ihm zu machen… Und noch etwas sticht mir natürlich ins Auge: Er trägt ein blaukariertes Hemd und hält eine Telecaster (wenn auch verkehrt herum). Das erinnert mich doch an irgend jemanden…ach ja genau:




Ja, auch Mr. Fogerty sah in seinen jungen Jahren nicht immer so aus wie man sich gemeinhin eine Lichtgestalt vorstellt. Und auch er konnte mit einer Zahnlücke aufwarten, wenn sie auch deutlich schmaler war als die von Mr. Nilsen. Dafür gewann sie durch ihre asymetrische Lage einen ganz besonderen Reiz. Leider hat er sich schon vor Mitte der 80er Jahre von ihr getrennt. Für Mr. Nilsen ist seine Zahnlücke so etwas wie sein Markenzeichen, er würde es nicht wagen irgendwo ohne sie aufzutauchen – das hoffe ich jedenfalls stark.

Kommen wir noch auf Mr. Nilsen’s Gitarrenspiel. Als Linkshänder hält er die Gitarre natürlich verkehrt herum, aber er spielt sie außerdem auch noch „auf den Kopf gestellt“. Das heißt er hat die Saiten nicht umgespannt, er spielt mit den Baßsaiten unten und den Melodiesaiten oben. Das ist auch der Grund, warum er keine Linkshänder-Gitarren spielt – er spielt normale Gitarren einfach umgedreht. Ich kann mir garnicht vorstellen, wie das gehen soll, und habe deshalb schon nach Videos gesucht, in denen man sehen kann wie er die Akkorde greift. Aber da gibt es wenig brauchbares Material, entweder ist die Kamera zu weit entfernt oder die Gitarre nicht richtig im Bild. Das beste waren noch ein 10 Sekunden Schnipsel ca. ab 1:00 in diesem Video mit einem Interview und dieser Ausschnitt aus einer Talkshow. Aber so richtig schlau geworden bin ich aus keinem von beiden, ich bräuchte auf YouTube mal eine Zeitlupen-Funktion …

Nun soll zu guter Letzt in meiner heutigen Bildergalerie zum Thema „geistreicher Gesichtsausdruck mit Zahnfehlstellung“ auch Mr. Anderson nicht fehlen, schließlich ist dies ja eigentlich seine Seite:




Jetzt wird mich sicher Wilfried gleich wieder schelten, dass das ja überhaupt nicht vergleichbar sei. Da hat er natürlich völlig recht. Während sich die Gebisse der Herren Nilsen und Fogerty vor allem durch einen zu weiten Zahnstand auszeichnen, stehen bei Mr. Anderson die Zähne eher zu eng. Außerdem ist bei ihm der geistreiche Gesichtsausdruck beabsichtigt. Es handelt sich also einmal wieder um das exakte Gegenteil.

Genug der Blödelei, machen wir Schluss für heute. Irgendwie habe ich das Gefühl ich werde auch immer jünger…

seid gegrüßt bis demnächst
Kretakatze

PS.: Jetzt gibt’s als Gutenacht-Lied noch ein Video von Kurt Nilsen – versprochen, es ist das letzte (für heute). Dieser Mainstream Pop-Rock ist ja vielleicht nicht so Eure Sache. Zugegeben, diese Musik ist nicht besonders tiefschürfend, aber für mich hat sie Ohrwurm-Charakter und sie läuft mir rein wie Öl. Das Gute-Nacht-Lied fällt allerdings vom Stil her etwas aus dem Rahmen. Es ist ein Kiss-Cover, wobei man der Version von Herrn Nilsen nicht mehr anhört, dass der Song ursprünglich von Kiss stammt. Also, dann wünsche ich Euch jetzt noch recht geruhsame Crazy Crazy Nights.

18.01.2008

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Liebe Kretakatze, lieber Wilfried,

auch von mir die besten Wünsche, dass das neue Jahr mindestens so gut werden möge wie das vergangene !

Eure Ausführungen über Tonarten, Grifffolgen und Akkorde verfolge ich in der Tat mit offenem Mund. Aber das macht nichts, ich lasse mich gerne beeindrucken.

Kurt Nilson war für mich kein alter Hut. Ich kannte weder seinen Namen noch seine Stimme. Seine überaus beachtliche Stimme. Den Vergleich des Jurymitglieds mit einem Hobbit finde ich sehr treffend, wenngleich man darüber diskutieren kann, so etwas vor einem Millionenpublikum laut auszusprechen. Ich schließe mich in allen Punkten Kretakatzes Urteil an. Herr Nilsons Stimme passt wirklich nicht zu seiner Physiognomie. Seine Darbietungen wirken stets synchronisiert. Jedenfalls ist sein Erfolg ein Indiz dafür, dass das Ohr über das Auge siegen kann. Dafür wurde es wieder einmal Zeit. Gut so.

Liebe Kretakatze, im Song „Rocks On The Road“ wurde der Meister von alten Leitungsrohren („tired plumbing“) geweckt. Hier der komplette Text:

There’s a black cat down on the quayside.
Ship’s lights, green eyes glowing in the dark.
Two young cops handing out a beating:
know how to hurt and leave no mark.
Down in the half-lit bar of the hotel
there’s a call for the last round of the day.
Push back the stool, take that elevator ride.
Fall in bed and kick my shoes away.
Rocks on the road.

Can’t sleep through the wild sound of the city.
Hear a car full of young boys heading for a fight.
Long distance telephone keeps ringing out engaged:
wonder who you’re talking with tonight.
Who you talking with tonight ?
Rocks on the road.

Tired plumbing wakes me in the morning.
Shower runs hot, runs cold playing with me.
Well, I’m up for the down side, life‘ s a bitch
and all that stuff:

so come and shake some apples from my tree.
Have to pay for my minibar madness.
Itemised phone bill overload.
Well now, how about some heavy rolling ?
Move these rocks on the road.

Crumbs on the breakfast table.
And a million other little things to spoil my day.
Now how about a little light music
to chase it all away ?
To chase it all away.

Zu guter Letzt etwas in eigener Sache:
Vielleicht habt Ihr mitbekommen, dass das deutsche Fernsehprogramm es wieder für notwendig hielt, dem Löffelmagier Uri Geller ein Forum zu bieten. Eben jenem Herrn Geller, an dem andere Illusionisten und professionelle Taschenspieler kein gutes Haar lassen. Nun, zumindest bekommt Herr Geller bei den Öffentlich-Rechtlichen keinen Fuß mehr in die Tür. Jedenfalls, vor ca. zwei Wochen lief eine Show mit ihm im Fernsehen. Ich saß gerade in meinem Arbeitskämmerlei n, als einer meiner Söhne zu mir kam und mich fragte, ob ich eine defekte Uhr habe. Zufällig hatte ich eine. Bei dieser Uhr hatte ich im November die Batterie wechseln lassen, da sie überraschend stehen geblieben war. Nach dem Batteriewechsel lief sie immer noch nicht, also legte die Dame im Uhrengeschäft die alte Batterie wieder ein und meinte, die Uhr müsse zum Uhrmacher. Seither lag das Ding kaputt in der Ecke, bis ich sie meinem Jan gab, damit er sie von Herrn Geller heilen lassen konnte. Nach zwei Minuten vor dem TV-Gerät kam Jan zurück in mein Kämmerlein und brachte mir eine funktionierende Uhr zurück !!

Ich wiederhole: Die Uhr lief wieder.

Ich bin der letzte, der an die übersinnlichen Fähigkeiten eines Herrn Geller glaubt. Also suchte ich nach anderen Erklärungsmöglichkeiten. Im www fand ich die Website des Dachverbandes deutscher Magier (oder so ähnlich). Hier versuchen professionelle „Magier“; die Geller’schen Tricks zu durchleuchten. Auch für das Uhrenphänomen gab es eine Erklärung: Dadurch, dass die defekte Uhr zum Fernseher gebracht und einige Minuten in der Hand gehalten werden muss, erfährt das Uhrwerk Bewegung und Körperwärme. Das reicht manchmal aus, um eine kaputte Uhr (je nach Defekt) für einige Minuten zum Laufen zu bringen. Hinzu kommt ein rein statistischer Effekt: Angenommen, 10.000 Menschen sitzen mit ihren defekten Uhren vor der Glotze und bei 100 von ihnen würde der Chronometer wieder ticken. Von diesen 100 würden vielleicht 50 im Sender anrufen und vom Uhrenwunder berichten. Durch diese 50 Anrufer würde sich der Wunderheiler (und sein Sender) bestätigt sehen. Die von mir verwendeten Zahlen sind nur Beispiele, die ich mir gerade ausgedacht habe. Die tatsächlichen Werte kenne ich nicht. Aber so könnte das Uhrenwunder funktionieren. Gegen diese Theorie spricht bloß, dass meine Uhr nicht nur einige Minuten lief. Sie läuft immer noch. Und als ich sie im November zum Uhrenladen brachte, war sie auch Bewegungen und Wärme ausgesetzt, ohne sich davon beeindruckt zu zeigen. Vielleicht hat von Euch jemand eine Idee, was davon zu halten ist.

Übersinnliche Grüße entsendet Euch
Euer Lockwood

19.01.2008

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

das Jahr ist zwar nicht mehr ganz so jung, aber trotzdem schließe ich mich Euren Neujahrswünschen an: Alles Gute fürs neue Jahr.

Nun da habt Ihr ja gleich frischen, neuen Wind in die anderson-verstaubte „Was ist bloß…“-Thematik wehen lassen. Zu den Geller’schen Tricks fällt mir natürlich nicht viel ein. Mein Jüngster, Lukas mit Namen, hat wohl einmal eine Sendung mit dem guten Uri gesehen, fand es aber nicht so aufregend, wie wir es vor vielen, vielen Jahren gefunden haben, als Geller, der Urige, unser gesamtes Besteck zu Schrott verarbeitete (1974 war das wohl). Dass er es über ein Medium wie das Fernsehen schafft, defekte Uhren wieder in Gang zu setzen, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Da sind Bewegung und Körperwärme als Verursacher eher möglich. Nicht das ich alles für Humbug halte. Man weiß nie, welche magischen, also übersinnlichen Kräfte einige Menschen besitzen (Psi). Vor vielen Jahren habe ich einmal ein zumindest spannendes Buch zu diesem Thema gelesen: Colin Wilson – Das Okkulte (ist über dem Market-Place bei Amazon zu beziehen). Im Grunde zeigt Uri Geller seit Jahrzehnten die immer gleichen Tricks. Das ist heute wirklich langweilig und lockt kaum einem von seinem Besteckkasten weg.

Also den Kurt Nilsen (ja bei der deutschen Wikipedia gibt es auch einen Eintrag, wenn auch nicht viel zu erfahren ist, außer: in diesem Jahr wird er 30 Jahre alt) kannte ich wie Lockwood überhaupt nicht. Zum einen erfährt man bei uns wenig über das Kulturtreiben in Norwegen. Und DSDS-Formate im Fernsehen gucke ich nicht (schon allein deshalb, weil ich wochentags höchstens Nachrichten gucke, mehr nicht). Aber ich habe da ja einen von zwei Söhnen (gesagten Lukas, 14 Jahre alt), der erkannte den Wikinger sofort. Na klar, den hatte er schon im Fernsehen gesehen (vielleicht sollte ich mich doch mehr darum kümmern, was meine Jungs so im Fernsehen gucken).

Also ich schließe mich Eurem Urteil ohne Einschränkungen an. Eine wirklich außergewöhnliche Stimme, wenn mir die Musikrichtung auch nicht so ganz zusagt (richtig erkannt, Kretakatze). Das Lied Never Easy gefällt mir aber dann doch wirklich sehr gut. Irgendwie ist es mit viel Eigenironie gewürzt (das Mädel im Fahrstuhl guckt so verstohlen gen Himmel, wenn auch nur dem imaginären). Noch besser finde ich die Interpretation von Kurt Nilsen beim Hallelujah-Auftritt – allein der Stimmlage wegen. Wenn er nämlich im Bereich des Baritons singt, besitzt er noch mehr Ausdruckskraft.

Kurt Nilsen: Never Easy

Aussehen und Stimme mögen sich auf dem ersten Blick nicht decken. Aber man gewöhnt sich mit der Zeit daran. Und ganz so übel finde ich den guten Kurt eigentlich gar nicht. Die Zahnlücke entstellt ihn zunächst. Aber als Markenzeichen sollte er diese wirklich behalten. Bisschen pummelig ist er allerdings. Für sein Alter etwas zu sehr. Aber das scheint die Wikinger im hohen Norden nicht ganz so zu stören. Mich (als Mann) auch nicht. Im Gegenteil. Kurt Nilsen erinnert mich an einen alten Schul-Kumpel, der nicht nur so blond wie Kurt war, sondern ebenso dicklich. Nur eine Zahnlücke kurt’schen Ausmaßes besaß er nicht. Er könnte fast sein Ebenbild sein. Später hatte er allerdings ganz tüchtig abgespeckt (mein alter Kumpel) und plötzlich einen enormen Erfolg bei Frauen (nicht bei irgendwelchen Frauen, sondern wirklich bei den besonders hübschen – aber kein Neid, Willi). Denken wir uns beim Kurt die Zahnlücke weg und etliche Kilos, dann würde er auch um einiges besser aussehen. Aber uns interessiert das Aussehen eines Künstlers ja weniger. Sein eigentliches Können muss und sollte uns überzeugen.

Was das Gitarrenspiel anbelangt, da hilft das Video Venke Knutson and Kurt Nilsen – When the Stars Go Blue vielleicht weiter. Als Linkshänder spielt er tatsächlich eine Rechtshändergitarre, die tiefen Saiten unten (statt oben). Und so greift er dann auch: saitenverkehrt! (ein schönes Wortspiel, gelt?).

Apropos Kurt: Da fällt mir eine ähnliche Geschichte ein. Schon einmal den Namen Paul Potts gehört? Wieder war es mein Jüngster Lukas, der mich darauf brachte: „Da gibt es auch einen Opernsänger, mit schiefen Zähnen und so …!“. Ja, den hatte auch ich schon einmal im Internet gesehen. Der war irgendwie eine Zeitlang Handyverkäufer, kommt aus Wales, besticht durch schlechte Zähne und Dicklichkeit – und machte in einem ähnlichen Format wie DSDS Furore. Eben jener Paul Potts. Als ich das Video dazu zum ersten Mal sah, hatte ich ähnlich Gänsehaut wie die Dame aus der Jury. Nicht zu glauben, da kommt ein Mann von der Straße und singt plötzlich auf atemberaubende Weise Opernarien.

Nun ganz so märchenhaft ist natürlich die Geschichte nicht. Um eine solche Stimme zu haben, muss man eine entsprechende Ausbildung absolviert haben (gilt in gewisser Hinsicht auch für Kurt Nilsen): Von nichts, kommt nichts! Aber selbst, wenn man die ganze Geschichte kennt, so bleibt sie ein Märchen. Paul Potts hatte viel Geld in seine Stimme investiert. Sang wohl auch dem inzwischen seligen Pavarotti vor. Plötzlich eine Krankheit und ein schwerer Unfall. An Weitermachen war nicht mehr zu denken. Dann diese komische Sendung im Fernsehen. Angemeldet und großer Auftritt!


Paul sings Nessun Dorma

Natürlich kann mir keiner erzählen, dass die Jury nichts von den besonderen Fähigkeiten des Paul Potts wusste. Auch die Standing Ovations des Publikums scheinen mir inszeniert. Trotzdem dürfte dieser Auftritt manche überrascht haben.

„Wunderkind, Betrüger – oder Opfer?“ wird da gefragt (diepresse.com), und: „Spätestens auf der Opernbühne dann, ohne Mikrofon und „Nessun dorma“, wird der Traum grausam enden.“ Mag ja sein, das kann ich nicht beurteilen. Aber das kümmert selbst Herrn Potts wenig. Er tritt zwar nicht in Opernhäuser auf, sondern findet auch so sein Publikum. Viele kommen vielleicht nur, weil sie von diesem Märchen vernommen haben und sind alles andere als Opernfans. Wunderkind – sicherlich nicht. Und Betrüger auch nicht. Auch als Opfer macht er sich schlecht, dafür hat er inzwischen gut Kasse gemacht.

Nur so zur Info: Was die Texte von Jethro Tull-Liedern betrifft, da gibt es ja im Internet gleich mehrere Adressen. Die wohl bekannteste, bei der angeblich auch Herr Anderson nachschaut, wenn er einen Text vergessen hat, ist cupofwonder.com, hier auch mit jeder Menge an Anmerkungen. Aber zz. ist die Wundertasse im Netz wohl nicht zu erreichen (kam schon öfter vor). So könnt Ihr hilfsweise bei rutgers.edu (State University of New Jersey) fündig werden.

Nun ich habe wie versprochen in meinem Archiv (klingt gut) nach Aufnahmen von meiner früheren Band nachgeschaut. Für Kretakatze hatte ich einen Cat Stevens-Titel angekündigt. Hier ist er. Gesungen hat unser Schlagzeuger, der später eine unvergleichliche Karriere als Jo Lander gestartet hatte (ist aber über den Start nicht hinausgekommen):



Black Out: Morning Has Broken (Cat Stevens-Cover)

Was mich wundert, ist, dass Ihr bisher nicht gewagt habt zu fragen, ob es da nicht auch einen Tull-Titel gibt, den wir damals gecovert haben. So komme ich Eurer Frage zuvor: Ja, wir hatten „We Used To Know“ im Programm. Leider gibt es davon keine wirklich gute Aufnahme. Bevor sich unsere Gruppe auflöste, hatten wir zwar noch Aufnahmen gemacht, auch „We Used To Know“, allerdings ist die Aufnahme nicht fertig geworden. So fehlt u.a. der Gesang. Ich könnte mich jetzt hinsetzen und den Gesang nachträglich einspielen. Aber das lasse ich dann doch lieber. Meiner Stimme will ich das nicht antun (und noch weniger Euch, sich das anhören zu müssen). Es gibt aber eine Aufnahme so ziemlich vom Anfang her, ist nicht toll, aber vorenthalten will ich Sie Euch dann doch nicht (ich habe die Aufnahme etwas gekürzt). Also bitte weder Beifallsstürme noch Gepfeife. Übrigens haben wir das Lied immer für längere Improvisationen genutzt frei nach dem Wilhelm Busch-Zitat:

„Musik wird oft nicht schön gefunden,
Weil sie stets mit Geräusch verbunden.“

Hier also Willi & Black Out irgendwann Anfang/Mitte der 70-er Jahre mit „We Used To Know“:



Black Out: We Used To Know (Jethro Tull-Cover)

Jetzt ist aber genug.
Viele Grüße
Euer Wilfried

21.01.2008

English Translation for Ian Anderson

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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