Es ist nicht bewiesen, dass Swetlana Tichanowskaja, wäre die Wahl in Belarus ordnungsgemäß verlaufen, gesiegt hätte. Ich behaupte sogar, dass Alexander Lukaschenko auch ohne Wahlfälschungen die Präsidentschaftswahl gewonnen hat. Denn, und da widerspreche ich den Aussagen Tichanowskajas, die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger von Belarus steht weiterhin hinter ihrem „batka“ („Papa“), wie sich Lukaschenko gern nennen läßt.
Warum war er nun so blöd, hat allerorten die Wahl zu seinem Gunsten ‚korrigieren‘ lassen? Mussten es unbedingt 80,1 % der Wählerinnen und Wähler sein, die für ihn stimmten?
Warnung vor alten, weißen Männer! (nur eine Auswahl!)
„Papa“ ist der Beste. Das sagen vor allem die Älteren und die Leute vom Lande über ihren Präsidenten. Und diese Bevölkerungsgruppen bestimmten bisher die Zukunft des Landes. Man schaue nur, wer für Lukaschenko auf die Straße geht, meist alte Menschen, die den Altersdurchschnitt nur dadurch senken, in dem sie ihre Enkel mitbringen. Gegen Lukaschenko stellen sich junge Menschen und solche, die endlich die Schnauze voll haben von einem Mann, der sich an das hält, was er zu Sowjetzeiten gelernt hat. Demokratie ist ihm suspekt.
Warum also die doch anscheinend unnötigen Wahlmanipulationen? Warum der Einsatz der Spezialeinheit der belarusischen Polizei OMON (Омон) gegen das eigene Volk? Warum die Lügen, die uns an einen im Westen ansässigen Präsidenten erinnern?
Die Gründe liegen im ‚Wesen der Sache‘. Lukaschenko ist ein Relikt alter Sowjetherrschaft. Und nach 26 Jahren an der Macht, verschiebt sich der Blickwinkel eines solchen Mannes um einiges. Lukaschenko ist alt geworden und seine Sicht der Realität ist eine andere als die von jungen Menschen. Wer ständig in der Unwahrheit lebt, wem von den eigenen Schergen immer Honig um den (Oberlippen-)Bart geschmiert wird, der glaubt sich im Recht. Lukaschenko klebt wie alle Autokraten an der Macht. Keiner kann es besser machen als er, vielleicht in einigen Jahren nur der eigene Sohn. Aber wer so autoritär regiert, der fürchte den Machtverlust. Überall wird Verschwörung gewittert. Es können nur böse Menschen sein, die ihm ans Leder wollen. Gegen solche Menschen kann nur mit aller Härte vorgegangen werden.
Wenn Lukaschenko wahrscheinlich auch ohne Wahlfälschung die Präsidentenwahl gewonnen hätte, so wäre es für ihn eine bittere Pille, einsehen zu müssen, dass er hohe Stimmenverluste (denn nie und nimmer hätte er über 80 % der Stimmen bekommen) hinnehmen musste. Ein Bröckeln seiner Macht ist für ihn nicht hinnehmbar. Es wäre der berühmte Anfang vom Ende.
Und so belügt er sich im Grunde selbst und lebt in einer Welt, die sich von der seines Volkes deutlich unterscheidet. Wie lange sich dieser alte, weiße Mann in Minsk noch halten kann, ist vor allem abhängig von einem anderen weißen Mann, der in die Jahre gekommenen ist und in Moskau residiert.
Ich bin der gleiche Jahrgang wie Lukaschenko (und Frau Merkel) und ein gutes Jahr jünger als Putin. Also auch ein alter, weißer Mann. Aber mich ekelt es mehr und mehr an, wenn die alten Knaben (und auch Mädels) meinen, unsere Geschicke bestimmen zu müssen. Irgendwann (nach 26 Jahren) sollte Schluss sein, Herr Lukaschenko!
Ergänzung: Die belarusische Oppositionsbewegung ist besorgt: Eine ihrer wichtigsten Aktivistinnen wird vermisst. Unbekannte sollen Kolesnikowa in einem Kleinbus verschleppt haben. Die Polizei dementiert eine Festnahme.
Von einer der wichtigsten Anführerinnen der Opposition in Belarus, Maria Kolesnikowa, fehlt jede Spur. Der Pressedienst des Koordinierungsrates der Demokratiebewegung teilte mit, ihre Kollegen hätten keinen Kontakt zu ihr. Ihr Telefon sei abgeschaltet. Außerdem seien ihr Mitarbeiter Iwan Krawzow und ihr Sprecher Anton Rodnenkow nicht mehr erreichbar. Lukaschenkos Schergen schlagen zu! Stalin lässt grüßen!
Außerdem: Pawel Latuschko, Mitglied des Koordinierungsrates, ehemaliger Kulturminister und ehemaliger Diplomat, erklärte, er habe ein Ultimatum erhalten: Entweder er verlasse Belarus oder er werde strafrechtlich verfolgt.
Lukaschenko setzt auf Eskalation: Sollten der Oppositionsaktivistin Kolesnikowa und ihren Mitarbeitern ‚etwas passieren‘, dann fürchte ich, dass die bisher friedlichen Proteste in gewalttätige Unruhen umschlagen. Wollen wir das nicht hoffen!