Die Massenproteste gegen den Betrug bei der Präsidentschaftswahl im August 2020 und für die Forderungen nach Neuwahlen, der Abdankung Lukaschenkos und die Freilassung der politischen Gefangenen in Belarus sind verebbt. Es gibt nur noch sporadische Versammlungen der Gegner des belarusischen Regimes. Sicherlich liegt es am extremen Wintereinbruch, der starke Schneefälle und Temperaturen nahe – 20 ° C zur Folge hatte. Aber eigentlich ist es Lukaschenko gelungen, den Großteil der protestierenden Bevölkerung durch den brutalen Einsatz seiner Schergen einzuschüchtern. Selbst vor 13-jährigen Jugendlichen macht die Staatsmacht nicht halt: So wurde z.B. ein Junge verhaftet und in Verhören massiv bedroht.
Das ist natürlich alles nichts Neues in Belarus. In dem Buch Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus der belarusischen Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch erzählt eine damals 21-jährige Studentin von den Protesten nach der Präsidentschaftswahl 2010 (das letzte Kapitel: Vom Mut und Bangen) und ihrer Flucht nach Russland. Auch damals gab es Repressionen ohne Ende. Und auch damals verlief die Protestwelle zuletzt im Sande.
Das Regime gibt keine Ruhe und geht jetzt auch gegen Journalisten und Journalistinnen hart vor. So sollen zwei TV-Mitarbeiterinnen heute zu drei Jahren Haft verurteilt werden. Sie hatten im November von einer Oppositionskundgebung live berichtet – laut Anklage eine „Störung der öffentlichen Ordnung“.
Das eigentlich Perfide: Die staatlichen Stellen (Polizei, Gerichte usw.) geben sich als Rechtsstaat aus. So kommt niemand ins Gefängnis, wenn er nicht zuvor ‚ordentlich‘ von einem Gericht verurteilt wurde. Das erinnert schon stark an den Volksgerichtshof, einem Sondergericht der Nazizeit.
Jetzt gab es die 6. Allbelarusischen Volksversammlung, zu der sich 2700 ausgewählte Delegierte aus angeblich allen Bevölkerungsschichten trafen. Die Hauptbestimmung der Versammlung ist die Verabschiedung eines fünfjährigen sozial-wirtschaftlichen Entwicklungsprogramms des Landes. In diesem Jahr wurde das Treffen vor allem für Propagandazwecke genutzt. So wurde es dargestellt als Forum, bei dem jeder seine Position zum Ausdruck bringen könne. Dabei trafen sich hier nur ausgewählte, linientreue Funktionäre. Alexander Lukaschenko erklärte: Die Allbelarusische Volksversammlung hat eine hohe Nachfrage der Gesellschaft nach der Erhaltung von Wertsystem und Prioritäten gezeigt. – Ein Wertsystem im Sinne des Machthabers.
Dass die Delegierten ohne Abstand und meist ohne Maske auf ihren Plätzen saßen, schien keinen zu stören. Corona hin, Corona her. Und dass Alexander „Sascha“ Lukaschenko auch noch einen halbminütigen Hustenanfall bekam ( „Ізноў да мяне гэтая зараза прыйшла. Прабачце. Трэці дзень…“ – „Diese Infektion ist wieder bei mir aufgetreten. Es tut mir leid. Der dritte Tag …“), erschreckte nur einen der Anwesenden, der seine Maske etwas fester ins Gesicht zog. Von welcher Infektion sprach da der gute Mann?
Quellen: Telegram-Kanal von Euroradio / arte.tv / Belarusische Telegraphenagentur BelTA (staatliche Nachrichtenagentur)