Ich habe 11 € geopfert, um mir die letzten beiden Ausgaben (Mai und Juni) des Rockmagazins eclipsed zu gönnen. Immerhin enthalten diese einen zweiteilige Bericht zum 40-jährigen Bestehen der Gruppe Jethro Tull. So oft findet man heute keine Artikel zu dieser Band in Musikzeitschriften. Gut, langjährige Tull-Fans finden hier kaum etwas Neues zu Ian Anderson und seine Mannen. Aber ein, zwei Anekdoten sind doch enthalten, die ich ganz witzig finde. Hier das erste kleine Geschichtchen aus dem Jahre 1969, als die Gruppe ein Konzert von Elvis Presley besuchte:
Mafiosi auf dem Weg zum Friseur – Jethro Tull besuchten 1969 geschlossen eine Show von Elvis Presley
Dass die LP „Stand Up“ Nummer 1 in der britischen Hitparade geworden war, erfuhren Jethro Tull während ihrer USA-Tournee im Sommer 1969 – und bekamen vom Management als Belohnung Tickets für eine Show in einem der ersten Hotels von Los Angeles geschenkt. Anderson, Barre, Bunker und Cornick staunten nicht schlecht, als sich herausstellte, dass an diesem Abend ausgerechnet der King of Rock ’n’ Roll persönlich auf der Bühne stehen würde – „rotten old Elvis“, wie sich Ian Anderson nach der Rückkehr in London ausdrückte.
Presley hatte allerdings mit seinem Auftritt offensichtlich Eindruck bei den vier Briten hinterlassen: „Um fair zu sein: Er war richtig gut und sang nicht einen einzigen falschen Ton – was man von den Sängern der meisten Bands von heute nicht sagen kann.“ Was Anderson und seinen Kollegen besonders gefiel: Elvis, der unter anderem „Heartbreak Hotel“ und „Hound Dog“ im Programm hatte, habe sich durchaus das Können aus den Anfangstagen seiner Karriere bewahrt: „Er küsste die Hände seiner weiblichen Fans und wackelte wie einst mit den Hüften, aber das alles ohne peinlich zu wirken, sondern er machte es geschmackvoll, mit Würde und mit einem unglaublichen Südstaatencharme.“ Niemand im Publikum sei auf die Idee gekommen, über Presley zu lachen, vor allem, weil er sich während seines Auftritts ständig selbst auf dem Arm genommen habe.
Damit die schrillen Rocker aus England die strengen Türsteher des Hotels passieren konnten, mussten sie sich übrigens die bei solchen Veranstaltungen obligatorischen Smokings ausleihen. Anderson, der keine schwarzen Schuhe dabei hatte, trug zu der vornehmen Kleidung grüne Stiefel, was naturgemäß für einiges Aufsehen bei den Gästen sorgte: „Aber ansonsten waren wir makellos, wie wir mit einem Blick in den Spiegel feststellen konnten: Die Hosen waren erstklassig geschnitten und passten wunderbar. Wir sahen eben aus wie Mafiosi auf dem Weg zum Friseur.“
aus: eclipsed – Rock Magazin – Nr. 101 Mai 2008 (Wolfgang Thomas)