Nicht schon wieder Walser?! Doch, doch … Es gibt noch einige Bücher von Martin Walser, die ich bisher nicht gelesen habe, und das hole ich jetzt nach. So habe ich mir in diesen Tagen den kleinen Roman Jagd aus dem Jahre 1988 vorgeknöpft. In „Jagd“ beschreibt Walser einige Tage im Leben des Immobilienmaklers Gottlieb Zürn, der bereits im 1980 erschienenen Roman „Schwanensee“ im Mittelpunkt stand und in „Der Augenblick der Liebe“ 2004 nochmals der Held eines Romans (Walsers Zürn-Romane) wurde. Damit nicht genug: Gottlieb Zürn ist der Vetter von Xaver Zürn, dem Protagonisten aus „Seelenarbeit“ (1979), und er war der Vermieter einer Ferienwohnung an Helmut Halm und Frau in „Ein fliehendes Pferd“ (1978).
Allein diese Bezüge zu anderen Büchern von Walser machen diesen Roman interessant. Irgendwie will man wissen wie es ‚weitergeht’ oder, kommt man vom Roman „Der Augenblick der Liebe“ her wie ich, wie es ‚früher war’.
Der Buchtitel Jagd steht in diesem Werk sinnbildlich für die Darstellung der menschlichen Existenz als lebenslangem Kampf. Und so wechselt der Protagonist Gottlieb Zürn im Verlauf des öfteren die Rolle zwischen Jäger und Gejagtem. Übrigens: Das Wort Jagd und seine Variationen (Jäger, jagen) kommt achtmal vor (wenn ich richtig gezählt habe), obwohl der Roman selbst ja keinerlei Bezug zur ‚echten’ Jagd hat.
Nun worum geht es in diesem Buch? Es ist wieder ein Ehe- und Familienroman. Gottlieb Zürn hat seinen Immobilienmaklerjob weitestgehend seiner Frau übergeben. Er ist nur noch für Akquisitionen zuständig – für Werbung und das Heranschaffen von Immobilien. Nebenbei schreibt er Gedichte, die er unter dem Titel „Achillesverse“ zusammenfasst. Man erkennt sehr bald: Zürn fühlt sich schwach, der Konkurrenz unterlegen und der Umwelt ausgeliefert. Er erkennt bei der Konkurrenz „die vielbödige Hinterhältigkeit des höher gebildeten Normalmenschen …“ (S. 128 – suhrkamp taschenbuch 1785 – 3. Auflage 2002). „Gute Manieren sind ein Ausdruck schlechten Gewissens.“ (S. 135). Nicht nur im Geschäftlichen bahnt sich Ärger an, auch zu Hause – als seine ältere Tochter wegläuft. Die Jagd beginnt. Die Jagd hinter seiner Tochter, die Jagd nach Frauen, wobei Zürn selbst eher der Gejagte ist. Am Ende kommt alles wieder ins Lot – wie so oft bei Walser; man glaubt es kaum.