Eine Extrawurst für ein Riesenwürstchen?

Zusammen mit meiner Familie bin ich ein Tatort-Fan. Die Krimi-Serie der ARD, die es bereits seit 1970 gibt, kenne ich von Anfang an. Viele Sonntagabende bin ich erst mit meinen Eltern, heute mit meiner eigenen Familie den Ermittlern und Kommissaren namens Trimmel, Kressin, Veigl, Finke, Haferkamp, Schimanski und Thanner, Stoever und Brockmöller , Wiegand, Odenthal, Ballauf und Schenk sowie natürlich Thiel und Boerne u.v.a. auf der Spurensuche gefolgt. Tatort hat sich immer wieder mit gesellschaftlich brisanten Themen befasst, kann auch sehr witzig sein, ist aber (fast) immer wirklich spannend.

Jetzt ging ein Raunen, nein ein gemeinsamer Aufschrei durch die Tatort-Gemeinde, als bekannt wurde, dass Til Schweiger die freigewordene Stelle als Ermittler in Hamburg übernehmen soll. Ich kann mich (und mit mir meine Familie) diesem Aufschrei nur anschließen. Dieser nuschelnde, selbstüberhebliche Macho, der Dieter Bohlen des Films, als Tatort-Kommissar ist einfach undenkbar.

Mag man manches Macho-Gehabe Schweigers als einen Anhauch von Selbstironie interpretieren (wie z.B. diese unselige Werbung für eine Boulevard-Zeitung), so bekommt man spätestens dann wieder den schiefen Blick, wenn man den nun auch langsam in die Jahre kommende Schweiger (er geht hart auf die 50 zu) protzen hört: „In den ersten fünf Minuten von meinem ‚Tatort’ wird mehr die Post abgehen als in den letzten 20 ‚Tatort’-Folgen zusammen.“ Nun, denn … Hamburg liegt bekanntlich in Amerika.

Til Schweiger trieft vor ‚Selbstironie’

Apropos Amerika: Schweiger ist ja unser aller Filmheld und ein deutscher Weltstar, der es selbst bis nach Hollywood geschafft hat. Erst letzte Woche konnte man einen absolut sensationellen Spielfilm aus den USA im Fernsehen bewundern, der wahrscheinlich für an Schlaflosigkeit leidende Mitmenschen in den frühen Morgenstunden gesendet wurde (jetzt leiden diese armen Menschen auch noch an Hysterie): Deuce Bigalow: European Gigolo aus dem Jahre 2005. Zur Hauptrolle hat es Til Schweiger zwar selbst bei einem solchen Machwerk nicht geschafft, dafür aber zur Filmleiche:

Gigolo Deuce (Rob Schneider) nimmt die Einladung seines „Kollegen“ T. J. (Eddie Griffin) an und fliegt nach Amsterdam. Dort wird Europas berühmter Callboy Heinz Hummer (Til Schweiger), auch bekannt als „Frankfurter Riesenwürstchen“, tot aufgefunden. Um den Mörder zu schnappen, trifft sich Deuce mit allen Frauen aus Hummers Adressbuch.

Die TV Movie Redaktion meint dazu: Die kindischen Sexwitzchen sind einfach nur zum Fremdschämen. Peinliche Pubertätspossen – pfui!

Wer solche Rollen übernimmt, muss an Großenwahn leiden, wenn er meint, hier bei uns in der wohl erfolgreichsten deutschen Fernsehreihe mitwirken zu können. Welche Fernsehverantwortlichen (Lutz Marmor, NDR Intendant, & Co.) sind nur auf die Schnapsidee gekommen, unsere Fernsehgebühren auf diese Art aus dem Fenster zu werfen?

Dem aber nicht genug: Großmaul Schweiger will für seine Fälle den Vorspann der Reihe, das Jahrzehnte alte Erkennungszeichen mit dem Fadenkreuz, ändern: „Der ist wirklich outdated.“ Der ‚Tatort’-Erfinder Gunther Witte meint dazu nur: „Die Forderung ist völlig absurd.“ Und Kollegin Simone Thomalla spottet: „Da muss ich lachen.“ Auch die dienstälteste Kommissarin Ulrike Folkerts alias Lena Odenthal – seit 1989 Kommissarin im „Tatort“ Ludwigshafen – macht sich für den Trailer mit dem Blick durch ein Zielfernrohr und den Musik-Klassiker stark: „Ich finde den Vorspann, gerade weil er so alt und dadurch Kult ist, wunderbar. Der soll bleiben! Es gibt wichtigere Dinge zu revolutionieren beim ,Tatort‘ als den Vorspann. Wichtiger sind die Krimis, die nach diesem Vorspann kommen.“ Ulrich Tukur, der erst seit 2010 als Kommissar Felix Murot für das Erste in Wiesbaden im Einsatz ist, vergleicht die erfolgreichste deutsche Krimireihe mit einer „Kirche mit einer großen, gläubigen Gemeinde“. Tukur: „Am Wochenende ist Gottesdienst. Eine Kirche erneuert man spirituell und von innen heraus und nicht, indem man den Glockenturm abreißt.“ (Quelle: wuv.de)

Outdated? Wenn etwas oder wer outdated ist, dann bist Du es, lieber Til! Eine Extrawurst für ein Frankfurter Freiburger Riesenwürstchen? – Nein danke! Dreh deine Mainstream-Macho-Filmkomödien, aber bewahre uns vor Deiner knittrigen Visage im Tatort!

Hier ist die letzte Tatort-Folge aus Hamburg mit Mehmet Kurtulus „Die Ballade von Cenk und Valerie“ nochmals zum Anschauen:


Tatort Hamburg 2012: Die Ballade von Cenk und Valerie

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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