+++ Der Radsport-Weltverband UCI ist erwartungsgemäß dem Strafmaß der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada gefolgt und hat Lance Armstrong seine durch Doping erschlichenen Tour-Siege aberkannt. +++ Lance Armstrong sieht sich nach der Aberkennung seiner Tour-Siege mit einer Zahlungsaufforderung in Höhe von 7,5 Millionen Dollar durch die Versicherungsgesellschaft SCA Promotions konfrontiert. +++ Über weitere Sanktionen gegen Armstrong wird die UCI am Freitag beraten. So droht ihm die Rückzahlung sämtlicher Preisgelder der betreffenden Jahre. +++
„Heute nehmen wir Armstrong die sieben Siege weg, am Freitag werden wir weitere Maßnahmen besprechen. Dazu müssen wir die UCI-Regeln ändern“, sagt McQuaid, Vorsitzender der UCI. Der Ire sagte, der Radsport befinde sich in der „größten Krise, der er sich jemals entgegenstellen musste.“ (Quelle: zdf.de)
Neben Fußball und Leichtathletik hat mich der Radsport und hier in erster Linie die Tour de France, als größtes und bedeutendstes Radrennen der Welt, immer interessiert. In jungen Jahren war ich ein guter Weitspringer und Läufer und habe auch einige Zeit Fußball gespielt. Und im Sommer war ich öfter auf Radtouren, habe dabei halb Norddeutschland erradelt, zuletzt 2006 mit meiner Familie die Insel Fehmarn. Heute jogge ich immer noch einwenig.
Von daher habe ich natürlich auch immer etwas die Karriere des Lance Armstrong verfolgt, eine Karriere, die sehr bald zu einem Fall Armstrong wurde. Bereits im Juli 2006 schrieb ich in diesem Blog (Armstrongs Rache) bezogen auf den Verdacht des Eigenblutdopings eines Jan Ullrich:
„Und wie in den Vorjahren ein Lance Armstrong, der zuvor nie an größeren anderen Rennen teilgenommen hatte, wie Phoenix aus der Asche aufstieg, um Jahr für Jahr die Tour de France zu gewinnen, das konnte auch nicht mit rechten Dingen zugehen. Nicht um sonst kamen im letzten Jahr Verdächtigungen gegen ihn auf, die dann aber – aus welchem Grund auch immer – sehr bald unter den Tisch gekehrt wurden.“
Es war die UCI im Wesentlichen selbst (und ihr Vorsitzender Pat McQuaid), die immer wieder die schützende Hand über Armstrong gehalten hat. 2005 verkündet Armstrong im April seinen Rücktritt für den Zeitpunkt nach der Tour, die er zum siebten Mal gewinnt. Im August berichtet die französische Sportzeitung L’Equipe, dass in sechs Urinproben des Amerikaners von 1999 das Blut-Dopingmittel EPO nachgewiesen wurde. Armstrong bestreitet die Vorwürfe weiterhin.
2006 wird Armstrong vom Weltverband UCI freigesprochen, da die erneuten Tests der Proben nicht nach wissenschaftlichem Standard durchgeführt wurden. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA nennt den UCI-Bericht „fast schon lächerlich“.
Im Jahr 2008 verkündet Armstrong sein Comeback und starte 2009 erneut bei der Tour de France. Zuvor im April wirft ihm die französiche Anti Doping Agentur (AFLD) vor, dass er bei Dopingproben nicht kooperiere. Ich schrieb damals im Juli 2009 (Weiter auf Tour):
„Bei der jetzigen Tour spaltet besonders der Name Lance Armstrong, des siebenfachen Toursiegers, die Gemeinde, wurde ihm nachträglich Doping vorgeworfen und startet er jetzt in einem Comeback für den skandalumwitterten Rennstall Astana aus Kasachstan.
Die Tour de France und Doping sind leider immer im Zusammenhang zu sehen. Ein wirklich sauberer Radsport scheint unmöglich geworden zu sein. Der Name Armstrong trägt sicherlich nicht dazu bei.“
Armstrong wurde 2009 dritter und startete auch noch einmal 2010 bei der Tour mit dem Ziel, diese zum 8. Mal zu gewinnen. Er wurde lediglich 23. mit einem Rückstand von 39:20 Minuten auf den später nachträglich wegen Doping disqualifizierten (sic!) Sieger Alberto Contador.
Zu dieser letzten Tour-Teilnahme Armstrongs 2010 schrieb ich u.a. (Ein ehrenvoller Abgang sieht anders aus):
„Sicherlich ist Armstrong ein Beispiel dafür, dass sich Krebs bekämpfen lässt. Aber er ist gleichzeitig eine zwiespältige Persönlichkeit, die nur den Erfolg sieht und dafür alles zu tun bereit ist. Warum er noch einmal zur Tour de France zurückgekehrt ist, ist wohl sein persönliches Geheimnis. Vor einem Jahr schaffte er es noch aufs Treppchen und erreichte den 3. Platz. Glaubte er wirklich, in diesem Jahr die Tour noch einmal und damit zum 8. Mal gewinnen zu können? Neben Skrupellosigkeit ist es wohl Größenwahn, der Armstrongs Charakter prägt. Es wird endlich Zeit, dass man ihn seiner Taten überführt und er den Denkzettel erhält, der ihm zusteht.“
Den Denkzettel hat er nun bekommen: Am 29. Juni 2012 bezichtigt ihn die US-Anti-Doping-Agentur (USADA) des Doping-Missbrauchs und suspendiert ihn von allen Wettkämpfen. Am 20. August weißt ein Gericht Armstrongs Klage gegen die USADA zurück. Drei Tage später gibt er den Rechtsstreit um die Dopingvorwürfe auf, die USADA sperrt Armstrong lebenslang. […] Am 10. Oktober veröffentlicht die USADA ihre Urteilsbegründung. Armstrongs langjähriges Profiteam US Postal habe das „ausgeklügelste, professionellste und erfolgreichste Dopingprogramm betrieben, das der Sport jemals gesehen hat“, heißt es in dem Bericht. Am 22. Oktober folgt der Weltverband UCI der USADA und erkennt Armstrong sämtliche sieben Tour-Siege ab. (Quelle: zdf.de)
Damit nimmt der wohl größte Doping-Skandal der Sportgeschichte langsam sein Ende. Am Freitag nun wird der UCI darüber entschieden, ob die Tour-Zweitplatzierten der Jahre 1999 bis 2005, darunter Jan Ullrich (2000, 2001, 2003) und Andreas Klöden (2004), nachträglich zu Siegern erklärt werden. Besonders im Fall Jan Ullrich wäre das wenig sinnvoll, da auch er in Doping-Skandale verwickelt war.
Radsport und Doping – das ist ein Teufelskreis: „Wer wirklich über Jahre in der Spitze mitfahren will, dem reichen Talent (wie bei Jan Ullrich oder auch Lance Armstrong) und ständiges Training kaum aus.“ Aber wie will der Radsport aus diesem Teufelskreis ausbrechen? Vielleicht sollte man die Tour de France und all die anderen großen Radrennen für mindestens ein Jahr aussetzen. Aber dann, so ist zu befürchten, wäre das das Ende des Profiradsports. Vielleicht sollte auch ein Herr Pat McQuaid endlich seinen Hut nehmen.
Immerhin zeigt der Fall Lance Armstrong, dass auch die gewieftesten Betrüger am Ende erwischt werden. Ob aber die Einsicht, Doping lohnt sich auf lange Sicht nicht, wirklich Früchte trägt, ist leider zu bezweifeln.
Siehe hierzu auch meinen Beitrag Die Last der Beweise zu den Mechanismen der Selbsterhaltung durch Verdrängung