Was ist bloß mit Ian los? Teil 39: Widmungen und mehr

Hallo Wilfried,

ich habe einen kurzen Blick auf die Homepage von Florian Opahle geworfen. Scheint ein Gitarren-Mozart zu sein. Seine musikalischen Qualitäten sind sicher unbestritten; trotzdem finde ich, dass ein Martin B. besser in die Nähe des Mr. Anderson passt. Schon allein aus optischen Gründen.

Zum Konzert von 1985:
Das Baseball-Käppi ist sicher nicht die Krone, mit der der Meister sich selber gekrönt hat, aber im Vergleich mit dem Kopftuch das kleinere Übel.

Ja, die Stimmprobleme. Ich glaube, es war auf den Babyblauen Seiten, wo ich mal gelesen habe, dass die Stimmbänder des Meisters Mitte der 80er Jahre anfingen, Probleme zu bereiten. Das käme ja genau hin.

Bei den Videos aus dieser Zeit wird sichtbar, dass Mr. Jobson das gleiche Makeup benutzt wie Agnetha Fältskog Ende der 70er. Der Kerl hat wirklich Geschmack. Mittlerweile ist er 51 Jahre alt und ich vermute, dass er seinen Teint nun mit Hormocenta verwöhnt. Vorausgesetzt, Marika Rökk hat ihm etwas übrig gelassen. Glücklicherweise befinden wir uns gerade in der adventlichen Zielgeraden, sonst würde ich an dieser Stelle anfangen zu lästern.

In „No Lullaby“ geht es unbestritten darum, dass ein Vater alles tun würde, um sein Kind vor Gefahren jedweder Art zu schützen. Allerdings ist es kein Lied, dass er seinem Kind vorsingen sollte: Bangemachen gilt nicht. Allerdings könntest Du Recht haben, dass er das Lied schrieb und dabei an seinen Sohn dachte. Also durch seine Vaterschaft dazu inspiriert worden ist.

Widmungen sind mir auf seinen Alben tatsächlich noch nicht aufgefallen. Diese Tatsache und einige andere mehr verdichten bei mir den Verdacht, dass der Meister ein Problem damit hat, andere Menschen zu nahe an sich heran zu lassen. Er macht oft einen unnahbaren Eindruck. Wie ich uns kenne, ist zu dieser These das letzte Wort noch nicht geschrieben.

Wenn Du sagst, dass „Jack-a-lynn“ kein herkömmliches Liebeslied ist, bin ich auf Deiner Seite.

Du solltest an Deiner Wohnzimmerwand schon mal einen schönen Platz freimachen: Es kann nicht mehr lange dauern, dass Du für Deine Tull-Videosammlung bei youtube eine Auszeichnung erhältst. Im Namen aller Besucher danke ich Dir für diese Juwelen der Rockmusik !

Die englischen Künstlernamen deutscher Schlagermusiker waren wohl die ersten Vorboten der Globalisierung. Ich kann mich erinnern, dass Anfang der 70er Jahre alles Englische sehr angesagt war. Es suggerierte Internationalität, Weltbürgertum. Der deutsche Schlagerfuzzi als Metropolit der leichten Muse. In jener Zeit gab es bereits die ersten Verballhornungen dieses Phänomens: Vielleicht erinnerst Du Dich an Frank Zanders Disco-Polka. In dieser Satire legte sich der deutsche Schlagersänger Heinz Maria Braselfingen den Künstlernamen Telly Explosion zu. Von Braselfingen zu Äxploschen ist es auch nicht weiter als von Grabowski zu Dschi Dschi Änderßen.

Ich stimme Dir uneingeschränkt zu: Falls ich eine Schlagerkarriere anstreben würde, würde ich das nicht unter meinem eigenen Namen riskieren. Mein Name klingt auch nicht schlimmer als Gröhnemeyer, aber ich würde meine Verwandten schützen wollen.

Das Songbook hat mein Kollege über „Booklooker“ gefunden. Meine Lieferantin hat leider kein Exemplar mehr greifbar, auch ein ihr bekannter früherer Mitarbeiter des zuständigen Verlages muss passen. Mein Kollege hat heute noch einmal in die einschlägigen Webseiten geschaut, aber nichts mehr finden können. Die Dame, von der ich das Buch habe, könnte vielleicht eine englische Version auftreiben. Jedenfalls sieht es so aus, als hätte ich (bzw. mein hilfsbereiter Kollege) das vorerst letzte verfügbare Exemplar erwischt. Aber solange der Verlag immer wieder verspricht, eine neue Edition aufzulegen, besteht noch Hoffnung.

Auf den ersten Seiten des Buches schreibt der Meister über die Entstehungsgeschichte einiger Alben und die damalige Situation in und um die Band. Bemerkenswert finde ich, dass die Alben, die für mich die Klasse von JT verkörpern, vom Meister selber gar nicht so hoch bewertet werden. Sei versichert: Über den Inhalt des Buches werde ich noch häufiger schreiben.

Für Weihnachtseinkäufe fahre ich tatsächlich nach Aachen. Für größere Anschaffungen ist meine Wahlheimat etwas zu provinziell. Dafür genieße ich diese halb-ländliche Umgebung die übrigen 51 Wochen im Jahr.

Heute spielt die Alemannia gegen Bayern München. Pokal-Achtelfinale. In diesen Minuten müsste das Spiel beendet sein, aber ich habe keine Ahnung, wie es ausgegangen ist. Das werde ich morgen im Radio erfahren.

Das mit dem Weihnachtsbaum ist mir etwas peinlich. Sag’s nicht weiter, aber seit einigen Jahren haben wir einen zusammenklappbaren synthetischen „Baum“. Der letzte echte Baum, den ich gekauft habe, roch nach Katzendreck. Leider nicht zum ersten Mal. Danach hat meine Frau auf das Produkt der kunststoffverarbeitenden Industrie umgerüstet. Ich erspare uns an dieser Stelle, Vor- und Nachteile dieser Entscheidung aufzulisten.

Die Verfilmung der „Entdeckung des Himmels“ reicht nicht an das Buch heran. Das ist klar, das darf man auch nicht erwarten. Trotzdem hat der Film mich beeindruckt: Viele Bilder, die er verwendet, decken sich auf bisher nie gekannte Weise mit den Bildern, die beim Lesen des Romans vor dem geistigen Auge entstanden sind. Das ging so weit, dass ich überlegt habe, ob ich den Film bereits schon mal gesehen habe und ich mich an die Bilder des ersten Ansehens erinnere. Aber das ist nicht so; den Film habe ich vergangene Woche wirklich zum ersten Mal gesehen. Das Wiedererkennen beruht auf der detaillierten Beschreibung des Autors und der vorlagentreuen Umsetzung der Filmemacher. Davon hat jemand, der das Buch nicht kennt, natürlich nichts. Aber es ist immer noch eine schöne Story, die im Film erzählt wird. Es wird Dich nicht überraschen, dass ich Dir empfehle, mit dem Film zu warten, bis Du das Buch gelesen hast.

Lieber Wilfried, falls wir uns bis dahin nicht mehr lesen werden, wünsche ich Dir und Deiner Familie ein schönes Weihnachtsfest, eine schöne Geburtstagsfeier und noch einige erholsame Tage bis dahin.

Es grüßt Dich
Lockwood

20.12.2006

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Hallo Lockwood,

weil Du ihn so sehr magst, habe ich mich etwas mit Eddie Jobson beschäftigt. Es ist nicht nur das „A“-Album von Tull, auf dem er spielt, sondern ich habe (mindestens) noch eine 2. Scheibe, auf der Jobson mitmischt: Frank Zappas „Zoot Allures“ von 1976, da war Jobson also gerade 21 Jahre alt. Und wenn ein Musiker wie Zappa so einen jungen Schnösel ins Studio holt, um mit ihm Aufnahmen zu machen, dann muss an dem schon einiges dran sein (musikalisch gesehen, ist klar). Und unser Meister (Herr Anderson) wird auch gewusst haben, warum er ihn bei sich mitspielen lässt. Da wird das Aussehen (und die Benutzung von Kosmetika) lediglich eine zweitrangige Rolle gespielt haben (aber Tipps dieser Art werden auch von den „Herren der Schöpfung“ gern entgegengenommen).

Zappa mit Eddie Jobson

Es gibt auch eine eigene Website von Eddie Jobson, die sich aber irgendwie noch im Aufbau befindet. Interessant dabei der „Vaterstolz“, denn der jetzt 13-jährige Sohnemann trommelt in der Schulband wie ein Alter, sodass Vatern gleich zwei Videos auf die Homepage stellt.

Zu den Stimmproblemen des Meisters gibt es im Laufi-Forum eine aktuelle Diskussion; u.a. schreibt da einer (strange avenue): „Ist schon klar, dass seine Stimme schon nach 1984 kräftig gelitten hatte, sie ging aber m.E. noch einigermassen, der richtige Einbruch kam dann, ich denke, Ihr würdet mir zustimmen, irgendwann zwischen Herbst 1990 und Frühjahr ’91, aber wann genau? Datum? Uhrzeit??“. Ich gehe davon aus, und das wird an verschiedenen Stellen bestätigt, dass Ian Anderson schon öfter operativ behandelt wurde. Von daher kann es zeitweise zu einer Besserung seiner Stimme geführt haben. Inzwischen ist der Schaden aber wohl irreparabel (oder Herr Anderson hat keinen Bock mehr auf das Herumgeschnipsle in seinem Hals), sodass er sich mit einer bestimmten Technik über Wasser hält: bei hohen Tönen nicht pressen (evtl. das ganze Stück auch einen Ton tiefer ansetzen), leise singen (man kann dafür das Mikro etwas mehr aufdrehen) usw. Dazu müsste man vielleicht bestimmte Lieder einmal in den verschiedensten Versionen vergleichen. Ist aber eigentlich egal: Wir wissen, dass es mit dem Singen nicht mehr so klappt. Ist natürlich schade, besonders wenn man bestimmte Stücke hört, bei denen noch alles völlig okay war.

Ganz ohne Widmungen kommt auch Herr Anderson nicht aus. So heißt gleich ein Lied „For Michael Collins, Jeffrey and me“ auf dem Album „Benefit“. Michael Collins ist der Astronaut, der in der Kommandokapsel von „Apollo 11“ den Mond umkreiste, während sich Neil Armstrong und Edwin Aldrin auf dem Mond einen schönen Tag machten. Von Jeffrey hören wir ja öfter – es dürfte Jeffrey Hammond, der alte Kumpel und Mitspieler von Ian Anderson, sein. Aber eine Widmung für sich selbst? Ich habe nur kurz in den Text hineingeschaut (Du hast ja „bessere“ Quellen), ein Text, den ich auf die Schnelle nicht nachvollziehen kann. Ich lese da auf jeden Fall eine deutliche Kritik an der Raumfahrt Richtung Mond heraus. Also eine Widmung im herkömmlichen Sinne ist das bestimmt nicht bzw. nicht als solche gemeint. Oder anders: Allein in dieser scheinbaren Widmung steckt eine tiefere Bedeutung, die einem nicht sogleich aufgeht.

Je mehr ich einen Blick in die Texte werfe, desto mehr vermisse ich das Schramm’sche Songbook. Es wird sicherlich nicht alle Texte bis ins Letzte erhellen, dürfte aber doch eine Hilfe sein, sich den Texten zu nähern. Du Glücklicher! Aber ich will nicht neidisch sein. Irgendwann komme ich auch in den Besitz des Buches. An der englischen Version bin ich allerdings weniger interessiert.

Stichwort: Livegeschichten aus’m ZDF und Montreux. Für 2007 ist also wirklich die Veröffentlichung von zwei DVDs geplant. Gerade das ZDF muss über reichlich Material verfügen (nicht nur „Broadsword“ mit Playback in der Sendung „Drehscheibe“ aus dem Jahre 1982). Das Montreux-Konzert stammt aus 2003. Ich habe davon das gesamte Konzert als Video, allerdings in mittelprächtiger Qualität. Das ZDF-Material würde mich auf jeden Fall interessieren. Und laut offizieller Tull-Website ist von der Acoustic Tour auch noch eine Scheibe geplant. Gespannt sein darf man, was am Ende 2007 wirklich auf den Markt gekommen ist.

Also an unserer Wohnzimmerwand ist sicherlich noch Platz, aber der eignet sich wenig zum Aufhängen von irgendwelchen Auszeichnungen. Viele der Videos habe ich mir über laufi.de an Land gezogen (der gute Marco Laufenberg dürfte über ein weltweit unerreicht großes Tull-Archiv an Videos und Audios verfügen, schade, dass er nur so kleckerweise mit seinen Perlen ’rüberkommt – das soll aber keine Kritik sein, nur: ‚alle Welt’ wartet auf das Video des Monats Dezember 2006 und auf das versprochenen Bonusmaterial). Und dank meiner Tull Site im Internet konnte ich den einen oder anderen Kontakt knüpfen, der dazu führte, weiteres Videomaterial zu ergattern. Und daneben gibt es auch noch andere Quellen im mehr oder weniger grauem Bereich des WWW, die ich angezapft habe. Ich bin eben mehr Sammler als Jäger (aber Sammler mit Jägerinstinkt). Und da ich mich etwas mit Videobearbeitung usw. auskenne, es zudem Plattformen wie youtube.com, myvideo.de, myspace.com usw. gibt, da kommt dann das Eine zum Anderen. Dafür braucht es keine Auszeichnungen zu geben. Trotzdem nehme ich deinen Dank gern entgegen.

Nur so nebenbei: Seit wann schreibt sich Grönemeyer mit ‚h’? Höre ich da bei Dir einen gewissen Zynismus heraus (aber dann hättest Du ihn vielleicht auch mit einem ‚D’ am Anfang geschrieben)? Bei ‚uns’ heißt der gute Herbert meist „Gröhlemeyer“. Immerhin einer, der sich zu seinem Namen bekennt (welcher dabei zu solchen Wortspielchen einlädt). Aber Herby ist ja kein Schlageraffe im Sinne unserer Diskussion.

Zur Verfilmung der „Entdeckung des Himmels“ von Harry Mulisch: In der Regel lese ich tatsächlich zuerst ein Buch, bevor ich mir die Verfilmung dazu anschaue. Und mir ist bewusst, dass man am Ende beides schlecht miteinander vergleichen kann. Es sind einfach zwei Medien, die sich in vielen Dingen wesentlich unterscheiden: Film und Buch. Leider bin ich zz. in einem Leseloch, d.h. ich komme kaum zum Lesen (und habe auch nicht allzu viel Lust dazu). Außerdem liegen bei mir einige Bücher herum, die ich begonnen habe, aber noch nicht zu Ende gelesen habe. Habe also Geduld mit mir. Außerdem, ich weiß nicht warum und wie ich es anders beschreiben soll: Es sperrt sich bei mir im Inneren etwas gegen dieses Buch. Das Wenige, was ich bisher darüber gelesen habe, würde mich normalerweise nicht dazu einladen, es zu lesen.

So, für heute soll es genügen. Weihnachten steht vor der Tür. Lauschen wir Herrn Anderson am Heiligabend. Und lassen wir uns viele schöne Sachen schenken. Meine Frau hat einen Bekannten, der uns jedes Jahr aufs Neue „die fetteste Gans, den schrillsten Weihnachtsbaum und die überflüssigsten Geschenke“ wünscht. Da kommt die richtige Stimmung auf. Nein, ich wünsche Dir und Deiner Familie wirklich geruhsame und besinnliche Feiertage. Leider wird es mit Schnee nichts werden. Aber auch so wünsche ich Dir die rechte Weihnachtsstimmung. Und gerade in diesem Tagen ist es doch schön, eine Familie zu haben.

Bis bald (zwischen den ‚Tagen’)
Wilfried

P.S. Irgendwo las ich von einem musikalischen Experiment des Herrn Anderson, was eigentlich nicht ganz so neu ist (z.B. die Beatles auf „Sgt. Pepper ’s“): In einem Stück gibt es eine rückwärts gespielter Flöte! Hast Du davon gehört?

21.12.2006

English Translation for Ian Anderson