Es gibt Filme, die wollte ich immer schon einmal gesehen haben. Aber dann ‚verliert’ man sie wieder aus den Augen … So ging es mir mit A Clockwork Orange aus dem Jahr 1971, den ich endlich nach über 40 Jahren zusammen mit meine Söhnen betrachtete. Und da ich gerade bei Stanley Kubrick bin – für den noch etwas älteren Film von ihm 2001: Odyssee im Weltraum (1968) brauchte ich 45 Jahre, bis ich den vor einigen Tagen sah (dazu aber später mehr).
Den Film Dressed to Kill, einen US-amerikanischer Psychothriller des Regisseurs Brian De Palma aus dem Jahr 1980, kannte ich allerdings dann doch schon. So bin ich jetzt nicht nur über Hitchcock, dessen Œuvre im Juni im Fernsehen auf arte ausführlich vorgestellt wurde, so auch über De Palma und diesen Film gestolpert. Denn De Palma erweist mit diesem Spielfilm seinem Vorbild Alfred Hitchcock seine ganz besondere Reverenz.
Hitchcock verbinden wir oft mit dem Begriff Nervenkitzel. Er galt als der Meister des Suspense. In seine Fußstapfen trat Brian De Palma, denn in sehr vielen seiner Filme bezieht er „sich auf Alfred Hitchcock. So orientiert sich de Palma in seinen Thrillern an Grundthemen und Motiven von Hitchcock-Filmen, zitiert Szenen und greift auf viele Strategien der filmischen Erzählung wie Plansequenzen und Nahaufnahmen in ähnlicher Weise wie Hitchcock zurück. Die Zitierung wird besonders in de Palmas Thrillern wie ‚Schwarzer Engel’ (1976), ‚Dressed to Kill’ (1980) und ‚Der Tod kommt zweimal’ deutlich, in denen er nicht nur die Grunderzählung und Filmstruktur von Filmen Hitchcocks übernimmt (in Reihenfolge: ‚Vertigo – Aus dem Reich der Toten’ (1958), ‚Psycho’ (1960), ‚Das Fenster zum Hof’ (1954)) sondern auch Filmszenen dieser und weiterer Filme deutlich zitiert.“
In seinen Filmen geht De Palma Themen wie Spannung, Mord, Besessenheit und psychischen Störungen nach. Immer wiederkehrende Themen und Motive in seinen Filmen sind Voyeurismus und Überwachung, Doppelgänger, multiple Persönlichkeiten und Gewalt.
Am Wochenende habe ich mir nun den Film Dressed to Kill in ungekürzter Fassung angeschaut. Dieser Film ist also gewissermaßen das Pendant zu Hitchcocks ‚Psycho’ aus dem Jahre 1960.
Kate Miller (Angie Dickinson) ist eine sexuell frustrierte Hausfrau und Mutter mittleren Alters. Sie sucht regelmäßig ihren New Yorker Psychiater Dr. Robert Elliott (Michael Caine) auf, um mit ihm über Lösungen für ihr unbefriedigendes Liebesleben zu sprechen. Als sie kurze Zeit nach ihrer letzten Sitzung einem ihr völlig fremdem Mann in einem Museum begegnet, lässt sie sich in einem nahegelegenen Hotel unvermittelt auf ein sexuelles Intermezzo mit ihm ein. Doch als sie das Hotel verlassen will, wird sie im Fahrstuhl von einer blonden Frau mit Sonnenbrille brutal ermordet. Die Prostituierte Liz (Nancy Allen) wird durch Zufall Zeuge des Mordes und berichtet der Polizei von den Vorkommnissen. Doch anstatt ihr zu glauben, richtet sich der Verdacht der Beamten gegen Liz selbst, da sie als Einzige Person am Tatort gesehen wurde und gedankenlos die Tatwaffe aufgehoben hatte. Mithilfe des Sohnes der Toten (Keith Gordon) kann sie ihre Unschuld beweisen und begibt sich zu Dr. Elliott, um mit ihm über die ermordete Kate zu sprechen. Schon bald darauf wird auch Liz von einer unbekannten Person verfolgt…
aus: filmstarts.de
Dressed to Kill (1980) – englischer Trailer
Wie bei Hitchcock so spielt auch bei De Palma die Musik eine nicht unwesentliche Rolle. So beginnt der Film unter den romantischen Klängen von Pino Donaggios Musik und zeigt eine Frau in den Vierzigern, wie sie unter der Dusche steht, alles voller Dampf und diffusem Licht, und masturbiert, während sie ihren Mann beobachtet, der sich rasiert. De Palma zeigt viel nackte Haut und teils überraschend intime Aufnahmen, sodass das Ganze ein wenig wie ein sehr schick gefilmter Soft-Porno wirkt: der pure Edel-Kitsch. Man wähnt sich im falschem Film.
Der weitere Aufbau des Films ist äußerst behutsam. Wir folgen Kate Miller, einer sexuell frustrierten Ehefrau, die scheinbar in einer tiefen Midlife-Crisis steckt. Sie ist bei dem Psychiater Dr. Elliott in Behandlung und nach einem Gespräch, das ihr unzufriedenstellendes Sexualleben mit ihrem Ehemann betrifft, geht Kate ins Museum. Dort inszeniert De Palma eine seiner großartigsten Sequenzen, die minutenlang mit rein visuellen Mitteln Kates Katz- und Mausspiel mit einem für sie attraktiven Fremden zeigt. Das ist virtuose Filmkunst, die De Palma auf der Höhe seines Schaffens präsentiert. Die beiden landen in seinem Appartement, haben Sex. Dann macht Kate eine schreckliche Entdeckung, verlässt die Wohnung und jetzt passiert das im Fahrstuhl, was bei Hitchcock in der Duschkabine geschieht.
Spätestens hier ändert sich „Dressed to Kill“ schlagartig und zeigt sich in der zweiten Hälfte als ganz anderer Film. Was folgt ist Hitchcock im New York der 80er Jahre. De Palma manipuliert dabei die Zuschauer ähnlich wie der Altmeister und präsentiert eine lustvoll-sadistisch, manchmal aber auch durchaus augenzwinkernde Inszenierung. De Palma inszeniert hier keine Realität, sondern eine filmische, traumartige Zwischenwelt, die nicht auf Logik, sondern auf Atmosphäre und puren cineastischen Genuss aus ist. Was mich eben doch sehr erstaunte, ist, wie nah Da Palma dabei seinem Vorbild Alfred Hitchcock kam. Übrigens über Hitchcock mit Sir Anthony Hopkins in der Titelrolle und seinen Film „Psycho“ als Hintergrund gibt es ‚endlich’ auch einen Film: Demnächst in diesem Theater!