Wenn Dominik Graf Regie führt, dann darf man mit etwas Besonderem rechnen. Vorgestern bin ich einmal fremd gegangen und habe statt eines Tatorts die neueste Folge aus Polizeiruf 110, dem ehemaligen DDR-Pendant zum bundesrepublikanischen Tatort, gesehen, die am vergangenem Sonntag lief. Regie, man kann es sich denken: Dominik Graf; Titel der Folge aus München: Smoke on the Water
Bereits am letzten Samstag hatte ich einen Kriminalfilm in der Regie von Graf gesehen: Die reichen Leichen – ein Starnberg-Krimi. Bekanntlich ist der Bayern-König Ludwig II. auf bis heute ungeklärte Weise im Starnberger See, der bis 1962 noch Würmsee hieß, ertrunken. Das wird in diesem ‚heimatkundlichen’ Krimi auf besondere Weise thematisiert:
„Der Kini (König Ludwig II.) wurde ermordet und die Sisi entführt. „Die reichen Leichen. Ein Starnbergkrimi“ ist keiner jener Gaudi-Krimis, die auf der Grundlage von bayerischer Lebensart und deftigem Humor Mord zur schönsten Nebensache der Provinz machen. Dafür gibt es abgedrehte Geschichten, Auswüchse historischer Heimatkunde & Momente, die regionale Poesie verströmen. Heimat, das entspringt in diesem Film mehr der Mentalität der Menschen, weniger dem bayerischen Stereotypen-Kabinett. Anders als in seinen Stadt-Krimis setzt Dominik Graf statt auf wilde Montagen verstärkt auf die Raum-Komponente. Die (königliche) Geschichte, die Magie von Landschaft & See geben den Rhythmus vor.“
Die reichen Leichen – ein Starnbergkrimi D/2014 HD
Dominik Graf kennen wir auch durch seine Regiearbeiten bei einigen Tatort-Folgen. So zeichnete er bereits 1986 für die Filmleitung der Schimanski-Folge Schwarzes Wochenende verantwortlich. Dem folgten 1995 Frau Bu lacht der Münchener Ermittler Batic und Leitmayr (es geht Kindesmissbrauch – die sehr interessante Folge habe ich erst kürzlich gesehen) und vor nicht so langer Zeit 2013 die etwas verquere Folge Aus der Tiefe der Zeit (ebenfalls mit Batic und Leitmayr).
Jetzt also Polizeiruf 110: Smoke on the Water. Rainer Tittelbach, unser onliniger TV-Experte, schreibt dazu:
Hanns von Meuffels [der ermittelnde Hauptkommissar in München] bekommt es im ‚Polizeiruf 110 – Smoke on the Water’ mit einem blaublütigen Überflieger zu tun, der sich gebärdet wie ein Provinzkönig. Hat dieser einen anderen bezahlt, damit der sein Todschlagdelikt absitzt? Oder walten in und um Cadenbach globalere Kräfte, für die ein, zwei Morde Peanuts sind? Das Wechselspiel von Macht und Ohnmacht treibt diesen Film an, der in einem wahnwitzig brutalen 15minütigen Totentanz sein verzweifeltes Ende findet. Dominik Graf quält mit diesem Thriller Sonntagskrimi-Fans weniger als zuletzt. Das liegt auch an der großen Sinnlichkeit, mit der er Schütters komplexes Drehbuch umsetzt. Atmosphärisch, cool, schräg, politisch & ein bisschen sexistisch.
Apropos sexistisch! Die Regionalbischöfin des Kirchenkreises München und Oberbayern, Frau Susanne Breit-Keßler, beschwerte sich dann auch umgehend über das Frauenbild, den dieser Film vermittelt. So ganz unrecht hat sie sicherlich nicht.
In der Figur des Herrn von (und zu) Cadenbach ist übrigens der aus Bayern stammende, ehemalige Bundesverteidigungsminister (auch ein ‚… von und zu …’) erkennbar, wenn dieser hier auch reichlich überzeichnet wird. Und auch der im Film gezeigte bayerische Ministerpräsident ähnelt dem augenblicklich amtierenden (Herr Graf wählt sicherlich nicht die Christlich-Sozialen).
Hintergrund des Polizeiruf-Krimis bildet übrigens das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus der Europäischen Union, ein aus Steuergeldern subventioniertes Milliardengeschäft. Da geht man auch schon ’mal über Leichen.
POLIZEIRUF 110: Smoke on the Water (München – 20.10.2014)
Dieser Krimi hat es in sich, wenn er nach meiner Meinung auch etwas zu überambitioniert wirkt (ich will ehrlich sein: überdreht!). Dominik Graf und Drehbuch-Autor Günter Schütter teilen so richtig aus, decken alte Seilschaften auf, die sich bereits auf Eliteschulen bildeten, zeigen die Verquickung aus Politik und Wirtschaft auf und die Spielchen der Oberen aus Geld, Macht und Sex. Manchmal zeitigen scheinbar banale Dialoge auch eine feine Spur Ironie wie der folgende, für den Film durchaus bezeichnende Dialog:
Der Kommissar befragt in einer Kneipe im Münchner Umland die Freundin der Ermordeten, Corry Hüsken.
Von Meuffels: Vielleicht will er (Joachim von Cadenbach, ein Verdächtiger, Anm. d. Red.) Außenminister werden, oder Verteidigungsminister.
Hüsken: Na ja, der Adel bringt halt noch immer einen besonderen Menschenschlag hervor.
Von Meuffels: Sagen Sie das, um mir zu schmeicheln?
Hüsken: Ach so. Ich bin begeisterte Bunte-Leserin.
Von Meuffels: Ach, du lieber Himmel! Noch eine von denen, die das Leben lieber anderen überlassen.
Hüsken: Meinen Sie?
Von Meuffels: Ja. Ich habe die Theorie, dass nur solche Menschen Klatsch brauchen, die selber nicht leben, weil sie Angst haben, es kommt was an sie dran.