Die Kommunalwahlen in Niedersachsen liegen hinter uns. Viele der angetretenen Parteien versprachen, mehr Wohnraum zu schaffen und stellten dabei die Forderung nach ‚bezahlbarem Wohnen‘. Allerdings muss ein Mehr an Wohnraum nicht unbedingt mit dessen Bezahlbarkeit korrespondieren – wie wir es auf dem Immobilienmarkt beobachten können:
Mehrere Hunderttausend Deutsche sind in den vergangenen Jahren in die Großstädte und Uni-Städte gezogen, dort wurden aber bisher nicht genügend neue Wohnungen hochgezogen. Zugleich stecken viele Sparer und Investoren Geld in Wohnungen, 2015 war ein Rekordjahr auf dem Immobilienmarkt. Die Folge: In Hamburg stiegen die Mieten seit 2010 um 12 Prozent, in München um 14 Prozent, in Berlin um 26 Prozent. Diese Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft bilden nur den Durchschnitt – in den Innenstädten steigen die Mieten noch schneller. Dort verzeichnen die Gutachten für den Mieterbund auch die deutlichsten Verstöße gegen die Mietpreisbremse. (Quelle: NWZ online)
Hypothekenkredite sind wegen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) historisch günstig. Für langfristige Darlehen lag der Zins Ende des zweiten Quartals nach Angaben der Deutschen Bundesbank im Schnitt bei gerade einmal 1,8 Prozent. Zugleich herrscht bei Investoren Anlagenotstand, weil viele Finanzprodukte wegen der Niedrigzinsen kaum noch etwas abwerfen. (Quelle: ÄrzteZeitung)
Auf der einen Seite wird Wohnraum dringend gesucht. Die Zuwanderung Hunderttausender Flüchtlinge nach Deutschland sorgt zudem dafür, dass mehr Unterkünfte gebraucht werden. Auf der anderen Seite wirft der Finanzmarkt kaum Erträge ab, sodass Anleger in so genanntes Betongold flüchten und auf steigende Immobilienpreise resp. Mieten setzen.
Daneben gehen die Aktien von Immobilienkonzernen wie ‚Deutsche Wohnen‘ oder ‚Vonovia‘ geradezu durch die Decke. Verantwortlich dafür sind die Minuszinsen bei Staatsanleihen, die etwa Versicherungen in die Immobilienaktien treibt. Zugleich profitieren die Immobilienkonzerne von den extrem niedrigen Zinsen und kaufen kräftig zu. Der Wohnungsmarkt wird zunehmend ‚industrialisiert‘ und gerät mehr und mehr in die Hände von Konzernen. Verlierer sind dabei Menschen, die in Ballungsräumen auf der Suche nach günstigem Wohnraum sind. Und trotz niedriger Zinsen wird es auch für den Häuslebauer immer schwerer, für sich erschwingbare Immobilien zu erwerben.
Was ist aber mit der Mietpreisbremse?
Seit Juni 2015 gibt es das Gesetz zur Mietpreisbremse, inzwischen gilt sie in Hunderten von Städten in 11 der 16 Bundesländer. Vermieter dürfen dort bei der Wiedervermietung nur noch zehn Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete des Mietspiegels verlangen. Ausnahmen gibt es bei Neubauten, nach umfassender Modernisierung und wenn die Miete schon vorher höher war. Doch wer sich als Vermieter nicht an die Bremse hält, muss keine Nachteile fürchten. Fliegt er auf, muss er von dem Zeitpunkt an niedrige Einnahmen fürchten – Rückzahlungen oder Bußgelder nicht. (Quelle: NWZ online)
Dank Herrn Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, und seiner Null-Prozent-Politik wird nicht nur die private Altersvorsorge vieler Bürger, wer die sich leisten kann, zum Fiasko, auch der Immobilienmarkt erfährt einen dramatischen Wandel, der durch die angesprochene ‚Industrialisierung‘ die Schere zwischen arm und reich weiter auseinanderklaffen lässt.
Unter diesen Aspekten sollten unsere Kommunalpolitiker ihr Versprechen, mehr und dabei bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sehen. Ein möglicher und nach meiner Meinung durchaus guter Weg ist die Gründung einer Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, an der u.a. die dem Landkreis Harburg angehörigen Kommunen und die Sparkasse Harburg-Buxtehude beteiligt sein sollen. „Mit einem Stammkapital von 45 Millionen Euro soll dieses Vorhaben umgesetzt werden, wovon der Landkreis 17 Millionen Euro, die Sparkasse Harburg-Buxtehude 4,5 Millionen Euro und die zwölf Kommunen gemeinsam 23,5 Millionen Euro beitragen. Mindestens 70 Prozent des Stammkapitals sind für die Gründung der Gesellschaft erforderlich. Davon will diese in einem Zeitraum von fünf Jahren im Landkreis 1.000 Wohnungen bauen. 30 Prozent sozialer Wohnungsbau sind darin vorgesehen.“ (Quelle: kreiszeitung-wochenblatt.de).
Ein anderer Weg wäre der, private Investoren ‚die Sache‘ machen zu lassen. Davon gibt es zz. in meiner Heimatgemeinde Tostedt scheinbar einige. Zum einen möchte das Ingenieurbüro Gottschalk in der Triftstraße 14 zwei Häuser mit je acht Wohneinheiten errichten, dafür allerdings den Ententeich im Herzen Tostedts dazu von 1.800 auf 800 Quadratmeter verkleinern. Die Mehrheit des Planungsausschusses teilte aber die Meinung der Bürger, die sich als „Teich-Verteidiger“ formiert haben: Der ortsbildprägende historische Teich dürfe auf keinen Fall verkleinert werden. (Quelle: kreiszeitung-wochenblatt.de).
Der Teich soll erhalten bleiben und dafür das Bauvorhaben etwas kleiner ausfallen: Es sollen acht allerdings luxuriös ausgestattete Wohnungen geplant sein, die dann für Otto Normalverbraucher wohl kaum bezahlbar sein dürften.
Inzwischen gibt es auch einen Bauantrag für das Grundstück Bahnhofstraße 25 in der Ortsmitte: Geplant war zunächst ein viergeschossiges, rund elf Meter hohes Wohn- und Geschäftshaus mit einer 30 Meter breiten Gebäudefront. Zu wenige Parkplätze, ein zu massives und zu hohes Gebäude und nicht berücksichtigte, geschützte Bäume – der Planungsausschuss fordert Nachbesserung. Nun soll statt der 30-Meter-Straßenfront nur noch eine Gebäudebreite von 18 Metern verbaut und ein größerer Abstand zur Straße eingehalten werden. Der geänderte Plan sieht auch den Erhalt der großen Kastanie vor. Das oberste Geschoss soll versetzt, in der Fachsprache „abgetreppt“ werden. Entstehen könnten in der Bahnhofstraße 25 ca. 20 Zwei- bis Vierzimmer-Wohnungen mit Balkons bzw. Terrassen und fünf Gewerbe-Einheiten. Bei der nächsten Sitzung des Planungsausschusses am 24.11. kommt dieses Bauprojekt erneut auf die Tagesordnung. Ob diese Wohnungen bezahlbar sein werden, danach scheint niemand zu fragen.
Vom Bauvorhaben Am Bahnhof 9/9a in Tostedt habe ich hier an derer Stelle schon öfter geschrieben. Wie es aussieht, so ist die Mehrzahl der Ratsmitglieder der Gemeinde Tostedt begeistert von dem Bauvorhaben, denn gleich 100 Wohneinheiten in der unmittelbaren Nähe des Bahnhofs, was will man mehr. Die kleinen Tücken übersieht man dabei ganz schnell. Eine der Tücken ist, dass dieses Bauvorhaben von acht Wohnhäusern ganz offensichtlich als Anlageobjekt für Investoren vorgesehen ist. Zwar wurde vom jetzigen Bauherrn eine Miete von 8 € pro qm versprochen. Aber wird es dabei auch am Ende wirklich bleiben? Für Investoren gilt der Grundsatz der Gewinnmaximierung. Und wenn der Markt es hergibt, dann dürften die Mieten auch hier schnell in die Höhe schießen. Davon, einen Teil als Sozialwohnungen auszuweisen, wollte der Bauherr nichts wissen.
Letztlich sei es Sache der Politik, zu entscheiden, wie Tostedt sich entwickeln soll, so Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Peter Dörsam. Es gab schon einmal politische Entscheidungen in Tostedt, die leider in die falsche Richtung gingen (Stichwort Krech-Siedlung). Tostedt ist keine Stadt, wenn wohl auch einige Politiker vieles dafür tun, den Stadtstatus für den Ort zu bekommen. Der ländliche Charakter überwiegt nun einmal. Und daran sollten sich geplante Bauvorhaben halten. Das gilt für Haushöhe, für die Gesamtgröße des Objektes wie auch für den Baustil.
Ja, die Politik hat es in der Hand, wohin sich ein Ort wie Tostedt entwickelt. Wünschen wir ihr ein hoffentlich glückliches Händchen bei ihren Entscheidungen. Immerhin ist an den letzten Entscheidungen z.B. des Planungsausschusses der Gemeinde Tostedt zu erkennen, dass dieser nicht jeden planerischen Größenwahn mitmacht.
In diesem Zusammenhang sei auf die undurchsichtigen Machenschaften beim Verkauf der bayerischen GBW-Gruppe, einer der mit rund 30.000 Wohnungen größten Wohnungsgesellschaft in Süddeutschland, hingewiesen. Lt. Markus Söder, dem bayerischen Finanzminister, sollte die GBW bayerisch bleiben. Eine Recherche des Bayerischen Rundfunks (BR) ergab aber, dass die Suche nach den Investoren ins europäische Steuerparadies Luxemburg und in die Niederlande führe. Im Zentrum steht ein geschlossener Immobilienfonds. Das Ganze diene einer „aggressiven Steueroptimierung“. Und die Mieter? „In München-Moosach leben Menschen, die sich andere Viertel der Stadt schon lange nicht mehr leisten können. Jetzt werden die Wohnblöcke von der GBW modernisiert. Die Mieten steigen.“ – „Beim GBW-Deal bewahrheiten sich die schlimmsten Befürchtungen: Sozial schwache Mieter fühlen sich durch Mieterhöhungen und Schikanen zum Ausziehen gedrängt.“ (siehe und höre hierzu den Podcast auf Bayern2: Die Akte GBW bzw. siehe: Die GBW-Affäre).