Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. So ähnlich äußerte sich Rosa Luxemburg. Freiheit hat aber auch seine Grenzen, nämlich dort, wo es die Freiheit anderer beschneidet. Freiheit lässt sich auf viele Arten definieren, so gilt sie als Freiheit der Rede, Freiheit Gott auf eigene Weise zu verehren und auch als Freiheit von Not.
Wenn gerade Politiker das hehre Wort von Freiheit in den Mund nehmen, werde ich hellhörig, da meine Skepsis geweckt ist. Jetzt hat trotz geballter Proteste von Muslimen Kanzlerin Angela Merkel den dänischen Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard für seine unbeugsame Haltung ausgezeichnet. Es geht um Pressefreiheit – aber eben auch um Religionsfreiheit. Im Fall der Mohammed-Karikaturen berühren sich beide auf ‚unheilvolle’ Weise.
Frau Merkel sieht im Mut „das Geheimnis der Freiheit“. Mut, sich zu äußern, wenn es andere nicht tun. Und es ist sicherlich angebracht, solchen Mut auszuzeichnen. Im vorliegenden Fall halte ich das aber für sehr bedenklich. Muss eine Person ausgezeichnet werden, die ihre Meinung bildlich geäußert hat (so viel Mut gehört zunächst nicht dazu)? Die dafür aber auch in Kauf genommen hat, Millionen Menschen in ihrem Glauben zu beleidigen?
Die Kehrseite der Medaille: Westergaards Zeichnung zeigt Mohammed mit einer Bombe als Turban. Die Veröffentlichung der Karikatur sowie der von Kollegen war 2005 als Provokation empfunden worden und hatten weltweit gewaltsame Proteste von Muslimen ausgelöst. Westergaard wird von radikalen Islamisten mit dem Tode bedroht und steht seit fünf Jahren unter Polizeischutz.
Herrn Westergaard ist freie Meinungsäußerung zuzugestehen. Die Reaktionen darauf offenbaren die gewaltbereite Haltung von fundamentalistisch-religiösen Islamisten. Aber seine Karikaturen beleidigen auch gemäßigte Moslems, so wie sicherlich auch Karikaturen des Papstes katholische Gläubige beleidigen würden.
Frau Merkel windet sich einmal wieder wie ein Aal, wenn sie sagt: „Egal, ob wir die Karikaturen geschmackvoll finden oder nicht, ob wir sie für nötig oder hilfreich halten – oder eben nicht.“ Dies widerspreche keinesfalls der Tatsache, dass Europa auch ein Ort sei, an dem Freiheit und Religion ein hohes Gut seien.
Sicherlich hat Freiheit nicht unbedingt etwas mit Geschmack zu tun, denn geschmackvoll sind diese Zeichnungen nicht. Karikaturen sind nun einmal überzeichnete Bilder, Zerrbilder, die es auf einen bestimmten Punkt absehen, der im Betrachter den Kontrast zur Realität, den Widerspruch aufzeigen soll. So sind Karikaturen in der Regel beleidigend.
Karikaturen können auch Öl sein, das ins Feuer gegossen wird. Westergaards Zeichnungen sind solches Öl und verursachten einen Flächenbrand, der bis heute nicht gelöscht ist. Ich frage mich deshalb, ob so etwas sein muss. Muss bewusst provoziert werden, nur um offen zu legen, dass die ‚Angesprochenen’ in dargestellter Weise gewalttätig sind? Darf ich riskieren, dass sich gemäßigte mit radikalen Kräften solidarisieren? UND: Muss man das dann noch auszeichnen – mit dem Verweis auf Freiheit?
Apropos Freiheit, Presse- und auch Rundfunkfreiheit. Gab es da nicht den Fall Nikolaus Brender, ehemals Chefredakteur des ZDF? Die hehren Worte von Freiheit aus Politikermund erweisen sich wie so oft als zwiespältig. Als es um die Vertragsverlängerung für Herrn Brender ging, nahm ein gewisser Roland Koch maßgeblich Einfluss auf das Geschehen, sodass sicherlich zurecht von parteipolitischer Einflussnahme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesprochen wurde – oder von parteipolitischen Seilschaften, die nach parteipolitischen Kriterien Journalistenposten bestimmen.
Zurück zur Preisverleihung: Frau Merkel verurteilte in diesem Zusammenhang die Ankündigung radikaler Christen in den USA, den Koran öffentlich zu verbrennen. „Das ist schlicht respektlos. Abstoßend – einfach falsch.“ Sie tut gut daran, das zu sagen, obwohl ich einen unmittelbaren Zusammenhang nicht erkennen kann, es sei denn, sie rügt hier falsch verstandene Freiheit. Nur soviel: Es macht wenig Sinn, Herrn Westergaard mit diesen so genannten Christen in einen Topf zu werfen.
Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden. Freiheit ist allein daher schon nicht grenzenlos. Sie gebietet Rücksichtnahme, wenn auch nicht faulen Kompromiss. Freiheit lässt sich nicht verbiegen oder bestimmten Situationen anpassen. Und Freiheit lässt sich nicht feiern, nicht so, Frau Merkel!