Kategorie-Archiv: Tatort

Tatort-TV-Reihe der ARD (seit 1970)

WilliZ Krimi des Jahres 2015

Ich weiß: Im Fernsehen, besonders bei den Öffentlich-Rechtlichen, werden fast nur noch Krimis und Heimatfilme gesendet. Mancher Krimi ist dann auch noch eine Art Heimatfilm – und umgekehrt. Wenn man weder das eine noch das andere mag, wird man wahrscheinlich längst den Dauerauftrag für den ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice (früher GEZ genannt) widerrufen haben. Oder man guckt Sport (aber immer die Bayern mag auch selbst der Fußballbegeisterte nicht mehr sehen).

Ich mag Krimis. Und Krimis mit einem gewissen Lokalkolorit sind mir auch durchaus recht. Viele fragen sich natürlich, warum man sich das antun muss: Mord und Todschlag ohne Ende. Ich denke, der Mensch ist eine Bestie und in jedem steckt, wenn auch nur verborgen, das Raubtier. Wer hat nicht schon mal gedacht: Den (oder die) bring ich um! Fürchtete man nicht die Konsequenzen, dann würden viele Leichen die Straßen pflastern.

Aber im Ernst: Es ist die psychologische Komponente, die mich an Krimis interessiert. Fällt die mager aus, dann taugt der Krimi nicht viel. Gemetzel (z.B. à la Tatort-Schweiger) sind nicht mein Ding. Hat ein Krimi dann auch noch eine gewisse Portion Humor, dann finde ich auch das in Ordnung.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Nun ist ein Jahr (nämlich 2015) wieder vorbei – und ich habe einmal gesichtet, welche Kriminalfilme mir im letzten Jahr besonders gefallen haben. Da gibt es eine fast unübersichtlich große Anzahl von Serie. An vorderster Front natürlich die ARD mit dem Tatort. 2015 hat der Tatort übrigens mit 40 Folgen einen neuen eigenen Rekord aufgestellt. So viele Folgen gab es bisher noch nie in einem Jahr. Drei Folgen ragten dabei für mich heraus:

Tatort (937): Das Haus am Ende der Straße – Frankfurt (Steier)
Tatort (964): Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes – Kiel (Borowski/Brandt)
Tatort (968): Wer bin ich? – Wiesbaden (Murot)


Tatort (937): Das Haus am Ende der Straße


Tatort (964): Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes – Kiel (Borowski/Brandt)

Die Frankfurter Episode war leider der letzte Fall mit dem Ermittler Steier (hervorragend von Joachim Król gespielt) und mehr Kammerspiel als Krimi – auch dank eines geradezu genialen Armin Rohde. Zum ‚stillen Gast‘ habe ich ja schon einiges geäußert. Axel Milberg ist der mir zz. liebste Tatort-Ermittler. Und Murot aka Ulrich Tukur – da reicht schon die Nennung des Namens Tukur: ein Tatort, der angenehm aus der Reihe fällt, soll plötzlich der Schauspieler, der den Kommissar spielt, ein Mörder sein – ein Spiel mit Identitäten (wie schon der Titel verheißt).

Was der Tatort für die BRD ist, das war vor der Wende der Polizeiruf 110 für die DDR. Wie gut, dass diese Serie nicht eingestellt wurde und jetzt auch Ermittler in den alten Bundesländern auf Tätersuche gehen wie z.B. Kommissar Hanns von Meuffels (hervorragend gespielt von Matthias Brandt) in München. Matthias Brandt ist übrigens der jüngste Sohn des früheren deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt und dessen Frau Rut:

Polizeiruf 110 (351): Kreise

Apropos Armin Rohde. Er ist nicht immer der Böse, sondern kann auch auf gut (ohne ein Gutmensch zu sein) und ermittelt selbst in Hamburg in der ZDF-Reihe Nachtschicht:

Nachtschicht (12): Wir sind alle keine Engel


Nachtschicht (12): Wir sind alle keine Engel

Wie gesagt: Mancher Kriminalfilm ist auch (fast) ein Heimatfilm. So gibt er mehrere Serien, die die Region, in der sie spielen, im Namen tragen:

Spreewald-Krimi (8): Die Sturmnacht
Alle Folgen zu dieser wirklich sehenswerten Serie gibt es jetzt als Spreewaldkrimi – Komplettbox – Folge 1-7 [4 DVDs]


Spreewald-Krimi (8): Die Sturmnacht

Der Usedom-Krimi (2): Schandfleck


Der Usedom-Krimi (2): Schandfleck

Stralsund (7): Es ist nie vorbei

Weitere sehenswerte Kriminalfilme waren die folgenden, die aus dem Vielerlei an Krimis durch ihre Thematik oder Machart herausragten:

Begierde – Mord im Zeichen des Zen
Das Dorf der Mörder
Die kalte Wahrheit


Die kalte Wahrheit

Kritiken zu all den im Fernsehen gesendeten Kriminalfilmen gibt es viele. Ein gutes Näschen für Fernsehproduktion haben die Kritiker von tittelbach.tv – der Fernsehfilm-Beobachter (daher auch fast durchweg die Links zu den Filmen auf diese Website führen). Und so findet sich hier auch eine Kritik zu einem TV-Film, den ich gewissermaßen als die Nummer eins der 2015 gesendeten Krimis erwählt habe (okay, die Erstsendung war ein Jahr zuvor, 2014 – aber hier darf es auch einmal eine 2015 wiederholte Ausstrahlung sein):

München Mord (2): Die Hölle bin ich

In der 2. Folge der ZDF-Reihe München Mord tauchen wir als Zuschauer „in das andere München der neureichen Glücksritter [ein]. Ein rachsüchtiger Krimineller übernimmt die Arbeit der Polizei. Die Charaktere machen ihrem bisherigen Image als Kommissarin ohne Selbstvertrauen, als Casanova-Cop und als „Psycho“ alle Ehre.“ Es ist ein Krimi mit viel Witz und ebenso viel Spannung, wobei das mir liebe Psychologische keineswegs auf der Strecke liegen bleibt. Das mag ich.


München Mord (2): Die Hölle bin ich

Also viel Holz für mehrere lange Winternächte. Wer denn mag: Viel Spannung und Spaß beim Gucken!

siehe auch: Williz Tatort-Sammlung

Tatort (307) aus München (1995): Im Herzen Eiszeit

Sicherlich ist es nicht unbedingt einer der besseren Tatort-Folgen aus München. Aber interessant ist er allemal. Die Münchner Kommissare Batic und Leitmayr ermitteln in ihrem 10. Fall Im Herzen Eiszeit, bei dem es um einen Mord unter den Tatverdächtigen eines alten Überfalles auf ein Geschäft von Rudolph Moshammer geht. Dabei führen die Ermittlungen zu einem privaten Rachefeldzug der Tochter des erschossenen Wachmannes.

Moshammer hat einen kurzen Auftritt (ohne seinem Yorkshire Terrier Daisy) und spielt sich natürlich selbst.

Hintergrund dieser Tatort-Folge ist die Hausbesetzerbewegung und neoanarchistischen Szene in München Anfang der 80-er Jahre. Die Hauptrolle spielt der Ex-Frontmann der Band Ton Steine Scherben Rio Reiser, der gut ein Jahr später verstarb. Er komponierte auch die Filmmusik und das Lied „Träume verwehn“. Angesichts seines politischen Engagements galt er als Idealbesetzung für die Figur des Kammermeier und bekam die Rolle vom Regisseur Hans Noever persönlich angeboten, denn in den 70er Jahren war Reisers Lied „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“ in der Szene der Hausbesetzer bereits zur Hymne geworden.

Reinhard Kammermeier wird nach elf Jahren Haft aus der JVA entlassen, nachdem er als einziger der vier Täter verhaftet und verurteilt werden konnte. Er zieht wieder mit in seines Vaters Wohnung. Da dieser im Rollstuhl sitzt, war ihm oft die Nachbarin Susanne Koron behilflich. Reinhard, der im Gefängnis noch verschlossener geworden ist als er vorher schon war, weist die junge Frau zurück.

Franz Leitmayr in der Anarcho-Szene 1981

Intererssant ist sicherlich, etwas aus dem ‚Vorleben‘ eines der Münchener Kommissare, Franz Leitmayr, zu erfahren. Denn als die Ermittler alte Fernsehaufnahmen der Demonstrationen und Hausbesetzungen ansehen, ist auch Leitmayr zu sehen (im Bild links – rechts Rio Reiser als Reinhard Kammermeier). Als er dann später in den Polizeidienst eintrat, hat er natürlich seine früheren Kontakte zu der Anarcho-Szene verschwiegen, der böse Bub!


Tatort (307) aus München (1995): Im Herzen Eiszeit

Bereits ein Jahr zuvor im Tatort (300) … und die Musi spielt dazu (1994) hatten die Toten Hosen einen kurzen Gastauftritt. Da sage einer, der Bayerische Rundfank sei CSU-durchseucht.

Tatorte (969/970) aus Hamburg: Showdown im ‚Metronom‘

Ach ja, gleich zum Jahresanfang diese zwei Schweiger-Tatorte. Zunächst aber zwei Nachrichten, die ich loswerden muss, eine gute und eine schlechte. Zunächst die gute Nachricht: Schweiger verschont uns knapp zwei Jahre als Kriminalhauptkommissar Nikolas „Nick“ Tschiller. Dafür gibt es Anfang Februar Tschiller: Off Duty in den Kinos. Wer sich das antun möchte, bitte … Ansonsten darf man voraussichtlich bis zum Januar 2018 warten. Dann wird dieser Kinofilm auch im Fernsehen gesendet. – Die schlechte Nachricht: Wer den Schluss der insgesamt vierten Folge Tschiller-versus-Clanchef-Firat-Astan („Fegefeuer“) gesehen hat, ahnt es bereits: Film- und reale Tochter von Tschiller-Schweiger (Luna Schweiger) übt mit ihrem suspendierten Vater das Schießen. Schweiger sorgt für Nachwuchs … – auch bei der Tatort-Serie?

    aus Tatort Hamburg: Willkommen in Hamburg (2013)

Apropos Schweiger-Tochter: In Folge drei Tschiller-gegen-Astan („Der große Schmerz“) wird die Ex-Frau unseres immer irgendwie gequält dreinschauenden Kommissars vom Bösewicht Astan erschossen, als sich diese schützend vor ihre Tochter stellt. Tschiller hat gerade Ladhemmung. Es wäre für den Zuschauer sicherlich erlösend gewesen, hätte Astan die Tochter getroffen (dann wäre aber nichts mit dem Tatort-Nachwuchs). Im Teil vier nun beteuert dieser Astan gegenüber Tschiller mehrmals, dass er dessen Frau eigentlich nicht erschießen wollte. Und zuletzt rückt er endlich damit heraus: Er wollte die Tochter töten! Ein Witz? Hätte er doch nur …

Überhaupt sind beide Tatort-Folgen ein Witz, denn was sich hier der Autor zusammengereimt hat, ist dermaßen an den Haaren herbeigezogen, das selbst James Bond gegen Tschiller wie ein Sängerknabe wirkt. Zwar holt sich der Hamburger Ermittler eine blutige Nase, wird unter Wasser gedrückt und gewürgt. Sobald aber auf ihn geschossen wird, scheint ihn ein Schild der Unantastbarkeit zu schützen. Keine Kugel kann ihn etwas antun.

Und wenn’s der Film erfordert, dann wird nicht lang gefackelt und die Handlung macht Sprünge, um dort zu landen, wo der Autor die Protagonisten haben will, auch wenn’s logisch nicht nachvollziehbar ist. Hohle Story, banale Psychologie, coole Action – so fasst tittelbach.tv die Tschiller-Doppelfolge zusammen. Action gibt es genug, aber Mord und Totschlag ist eben nicht alles, was einen guten Tatort ausmacht.

Immerhin sorgt Tschillers Mitstreiter Yalcin Gümer (gespielt von Fahri Ogün Yardım) mit einigen auflockernden, allerdings für einen Hauptkommissar auch recht proletenhaften Sprüchlein für einen gewissen Humor.

Und zum Ende zu gibt es noch eine dicke Überraschung, der Showdown im Zug, einem Metronom, der zwischen Bremen und Hamburg verkehrt und mit dem auch ich wochentags zur Arbeit unterwegs bin. Allerdings wird auch hier getrickst. Von dem Gleis in Sprötze (Gleis 1 – siehe Bild), von dem Astan und Tschiller den Zug besteigen, fährt der Zug eigentlich in Richtung Bremen und nicht wie im Film nach Hamburg. Übrigens liegt Sprötze nur 5 Bahnminuten bzw. eine Station von Tostedt entfernt, meinem Wohnort.

Tatort (970) aus Hamburg: Fegefeuer - Showdown im Metronom

Alle vier TschillerFolgen gibt es zz. ab 20 Uhr noch in der ARD-Mediathek zu sehen:

Willkommen in Hamburg (2013) – verfügbar bis 10.01.2016
Kopfgeld (2014) – verfügbar bis 10.01.2016
Der große Schmerz (2016) – verfügbar bis 08.01.2016
Fegefeuer (2016) – verfügbar bis 10.01.2016

Tatort (964) aus Kiel: Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes

An der Kieler Förde wird eine verwirrte Frau aufgefunden. Ihre Äußerungen lassen befürchten, dass der berüchtigte Frauenmörder Kai Korthals wieder aufgetaucht ist: „Er kommt überall rein. Er kommt durch die Wand.“

Kommissarin Brandt informiert ihren Kollegen Borowski über den Serienkiller, mit dem sie einst selbst Traumatisches erlebt hat.

Borowski kommt der neue Fall ungelegen. Er ist frisch verliebt und möchte heiraten. Doch als seine Braut spurlos verschwindet, muss er sich fragen, ob der Mörder seinetwegen zurückkehrt ist.
Quelle u.a.: Das Erste*Tatort

Zweiteiler hatten wir bereits in der Tatort-Reihe der ARD. Aber die Fortsetzung einer Folge drei Jahre später, das ist neu: Der Verbrecher Kai Korthals schlich sich 2012 als stiller Gast in Wohnungen fremder Frauen, er putzte sich die Zähne mit ihren Zahnbürsten, aß von ihrem Brot, führte Beziehungen mit Partnerinnen, die von diesen Beziehungen nichts wussten. Dann brachte er sie um. Zwar wurde er von Borowski und seiner Assistentin Brandt dingfest gemacht, konnte dann aber am Schluss der Folge schwer verletzt entkommen.

ARD*Mediathek: Borowski und der stille Gast (Video tgl. ab 20 Uhr)
27.11.2015 | 89:00 Min. | Verfügbar bis 29.12.2015 | Quelle: Das Erste

Nun ist er also wieder zurück. Und es ist noch eine Person zurückgekehrt, eine alte Bekannte, von Borowski geliebt, mit der er aber oft auch zerstritten war: Frieda Jung, die Polizeipsychologin, in den ersten 14 Borowski-Folgen von 2002 bis 2010 beratend an seine Seite gestellt (in meinem Beitrag Tatort (941) aus Kiel: Borowski und die Kinder von Gaarden (2015) bin ich bereits näher auf diese Beziehung zwischen ihr und Borowski eingegangen). Borowski und Frieda Jung sind jetzt ein Paar und gedenken zu heiraten.

Klaus Borowski (Axel Milberg) und Frieda Jung (Maren Eggert)
Klaus Borowski (Axel Milberg) und Frieda Jung (Maren Eggert)

Weil der preisgekrönte Autor Sascha Arango, der bereits die erste Folge mit dem stillen Gast verfasst hatte, ein Spezialist für menschliche Abgründe und die Philosophie des Verbrechens, sich nicht wiederholen wollte, hat er dem Verhalten des Frauenmörders neue Muster und Motive zugrunde gelegt. Zwar hat Korthals der geisteskranken Frau das Baby aus dem Bauch geschnitten, was später deren Tod zur Folge hat, doch weitere Menschen kommen nicht zu schaden. „Ich bin kein schlechter Mensch“. Damit es besonders bizarr wird, wendet sich Kai Korthals plötzlich dem Zuschauer zu und spricht ihn direkt an: „Sie glauben, ich bin abartig. Ich muss weg. Aber Sie sind nicht besser als ich, sie haben es nur besser.“ (Quelle: tittelbach.tv)


Tatort (964) aus Kiel (2015): Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes

ARD*Mediathek: Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes (Video tgl. ab 20 Uhr)
29.11.2015 | 89:00 Min. | UT | Verfügbar bis 29.12.2015 | Quelle: Das Erste

Kai Korthals hat sein Schema verändert: „Er beschleicht die Frauen nicht mehr, er holt sie zu sich“, stellt Kommissarin Brandt fest. Auch wenn sich dieser mörderische Voyeur äußerlich weniger unter Kontrolle zu haben scheint als in seiner Killer-Hochphase, Darsteller Lars Eidinger spricht von „Verschärfung seines geistigen Zustands“, so ist doch mehr Empathie im Spiel: Korthals ist nicht mehr der eiskalte Psycho, allenfalls ein von seiner kranken Seele Getriebener. Und er ist Vater geworden. Doch weil das Kind zu sterben drohte, musste er es den Ärzten überlassen. Jetzt will er es zurück. Korthals hat Frieda Jung in seiner Gewalt, aber er will nicht töten. Er will tauschen: Frieda Jung gegen das Kind.

„Weh tut es erst, wenn es persönlich wird“, hat Borowski früher gesagt – jetzt weiß er, was das bedeutet. Mehr noch als in „Borowski und der stille Gast“ entwickelt sich das Sequel zu einem Psychoduell zwischen Korthals und dem Kommissar. Mehr denn je überschreitet Borowski Grenzen – er ermittelt am Rande der Selbstjustiz, belügt seine Kollegin und bringt seinen Gegenspieler zwischenzeitlich in seine Gewalt. Zwei Getriebene, ein wütender Psychopath und ein nicht minder wütender Melancholiker. Borowski setzt seine Karriere aufs Spiel. „Als Kriminalist habe ich die Möglichkeit, ein Verbrechen nachzuvollziehen, zu erleben, ohne es selbst begangen zu haben“, philosophiert Borowski zu Beginn des Films über seine Rolle als Kommissar und seine Lust als Kind, Verbrecher werden zu wollen: „Ich wollte immer Verbrecher werden. Ich habe sechs Semester forensische Anthropologie studiert, dann wurde mir klar, dass man Verbrecher und Psychologe werden kann: Man wird Beamter!“

Die Atmosphäre dieser Tatort-Folge wirkt durchgängig befremdlich und steigert sich gelegentlich ins Bedrohliche. Objekte wie eine Kuckucksuhr oder die Mechanik eines Fahrstuhls, der eine besondere Bewandtnis für die Geschichte haben wird, verselbständigen sich.

Was wäre ein Tatort mit Borowski aber ohne diesen besonderen, vielleicht typisch norddeutschen Humor, ich würde fast sagen: Borowski’schen Humor. So lernt Borowski beim Abendessen in Friedas Wohnung deren Mutter Constanze Jung kennen, eine Hippiefrau mit Wohnsitz Ibiza. Skeptisch fragt sie den Verlobten ihrer Tochter aus: „Und Sie waren schon immer Beamter, Klaus?“ Der kontert: „Nein, zuerst war ich Kind.“

Aber auch Korthals beweist einen gewissen Humor, als er Borowski gegrüßt: „Willkommen auf der dunklen Seite, mein Freund.“

Am Schluss muss man sich fragen, wie es mit Borowski als Kieler Ermittler weitergehen soll. Seinem Chef hatte er seinen Dienstausweis vor die Füße geworfen, ihn später sogar niedergeschlagen. Es ist Borowskis Kollegin Brandt, die es als erste begriffen hat, welches Spiel Borowski treibt und ihn bestaunend nur noch als eine „geniale Sau“ gezeichnet kann. Eines steht bereits fest: Klaus Borowski bleibt uns erhalten!

Und noch eines steht fest: Mit Borowski und Frieda Jung ist es zu Ende. Für sie war das alles einfach zu viel des Guten. Am Ende der Folge schauen sich Borowski und seine Frieda einen Rohbau an, sie wollten zusammenziehen – vor dem Korthals-Fall. „Da ist viel Raum für Kreativität und Entspannung. Die Lebensfreude springt einen hier ja an – finden Sie nicht?“, sagt die Klischee-Maklerin. „Ich glaube, es ist zu groß für uns“, sagt Borowski. Und meint damit mehr als die Immobilie.

siehe auch: spiegel.de/kultur/tv

Übrigens: Inzwischen wird spekuliert, ob es sogar eine 3. Kieler Tatortfolge mit ‚dem stillen Gast‘ geben könnte. Angeblich liegen entsprechende Pläne hierzu bereits vor.

Außerdem: Der 1000. Tatort ist bereits in Arbeit: „Taxi nach Leipzig“ hieß der erste ausgestrahlte Tatort aus dem Jahr 1970 – und genauso lautet auch der Titel der 1000. Episode. Damals ermittelte der NDR Kommissar Paul Trimmel alias Walter Richter, nun sind es die Ermittler Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Klaus Borowski (Axel Milberg). Zu sehen ist die Jubiläumsfolge in der ARD kommendes Jahr im Oktober, die ersten Szenen werden bereits gedreht – in Salzgitter und Braunschweig.

Tatort (007) aus Köln: Kressin stoppt den Nordexpress (1971)

Die Kriminalfilmreihe Tatort in der ARD gibt es nun schon seit fast 45 Jahren. Unter den ersten Folgen waren gleich drei, in denen der Zolloberinspektor Kressin (gespielt von Sieghardt Rupp) bundesweit ermittelte, so beispielsweise in Köln, Hamburg oder Bonn. Auch im angrenzenden Ausland war Kressin tätig, wie Lüttich in Belgien oder Kopenhagen in Dänemark.

Kressin tritt stets in smarter James-Bond-Manier auf, mit coolen Sprüchen und begleitet von hübschen Mädchen. Seinem Charme und Charisma können nur die wenigsten Damen widerstehen. Mit reichlich Haargel, lässiger Kleidung und sportlicher Figur stellt er sich allen Herausforderungen. Obwohl meist in Geldnöten, so ist Kressin nicht bestechlich.

Neulich lief die siebte Tatort-Folge von bisher über 950: Kressin stoppt den Nordexpress im hr-fernsehen. Dort werden jeden Samstagabend gegen 21 Uhr 45 zz. viele alte Folgen aus Deutschlands beliebtester Krimireihe wiederholt.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Da ich ‚Tatort‘ von Anfang an kenne, interessierte mich natürlich diese Folge aus der Anfangszeit:

Die in Schweden gefassten Schwerverbrecher Brockhoff und Katolli werden in Begleitung der Kriminalbeamten Kaufhold und Markowski mit der Eisenbahn – genauer: dem Nordexpress über Kopenhagen und Puttgarden – von Malmö nach Deutschland überführt, erscheint ein Transport im Flugzeug doch hinsichtlich möglicher Befreiungsaktionen zu heikel. Genau dies jedoch führt der zwielichtige Gangsterboss Sievers im Schilde: Er hat in einem abgelegenen Anwesen eine erkleckliche Schar von Spezialisten zusammengezogen, die emsig die eisenbahntechnischen Aspekte zur Durchführung einer Befreiung der beiden proben: Das Führen einer Lokomotive, die Pflichten eines Zugführers, die Feinheiten des Zugpostfunks, sogar ein Speisewagenkellner ist zugange. Sie alle sollen in einer generalstabsmäßig geplanten Operation die Kontrolle über den Nordexpress erringen und ihn an einer dafür vorgesehenen Stelle auf freier Strecke zum Halten bringen – natürlich in einer Weise, die die restlichen Fahrgäste bis zur eigentlichen Befreiung ahnungslos lässt.

Unterdessen wird Zollfahnder Kressin, der die Ermittlungen in einem Fall von Porno-Schmuggel in Kopenhagen dazu nutzt, sich nebenher mit seiner Freundin Birgit zu vergnügen, von seinem Vorgesetzten dringend nach Köln zurückgerufen; auf dessen Anweisung gleichfalls per Bahn, da eine Flugreise kurzfristig nicht ohne weiteres verfügbar ist. Den letzten Ausschlag für die Bahnreise jedoch gibt eine blonde, junge Frau, die Kressin im Reisebüro auffällt, als sie eine Fahrkarte für den Nordexpress löst. Zufälligerweise sieht er dieselbe Frau später mit einem schweren Koffer aus einem Sex-Shop kommen. Im Zug arrangiert er einen Sitzplatz neben ihr im selben Abteil, ihr Koffer reist unbeobachtet im Nachbarabteil mit. Kressin, Hansdampf in allen Gassen, verwickelt natürlich umgehend Pernille, so der Name der jungen Frau, in ein Gespräch.


Tatort Folge 7: Kressin stoppt den Nordexpress (1971)
(Video bei youtube in besserer Qualität)

Also ganz in James-Bond-Manier überwältigt Kressin den falschen Lokführer und stoppt den Zug, damit die Polizei die Gangster verhaften kann. Und man wird es sich fast denken können. Der Koffer jener Pernille enthält Porno-Heftchen, die sie nach Deutschland zu schmuggeln gedachte (damals war das durchaus lukrativ). Kressin drückt natürlich ein Auge zu.

Kressin würde heute mit seiner Macho-Art wohl kaum bei Frauen landen, zu plump, zu abgeschmackt und sexistisch wirkt und ist das. So ist diese Folge aus dem Jahr 1971 durchaus auch ein Rückblick auf Verhaltensmuster der damaligen Zeit. Interessant sind vor allem aber die Einblicke in den Eisenbahnbetrieb der 1970er-Jahre. Es werden Aspekte der Stellwerks- und Zugleittechnik sowie des Fahrdienstes beleuchtet. Daneben sind der Eisenbahnfährbetrieb Rødby-Puttgarden und zahlreiche mittlerweile historische Lokomotiven und Reisezugwagen – wenngleich auch nicht immer in ganz stimmigen Zusammenstellungen – zu sehen.

Kressin (Sieghardt Rupp) mit Freundin Birgit (Gitte Hænning) im dänischen Pornoladen

Und der Auftritt der damals sehr populären, aus Dänemark stammenden Schlagersängerin Gitte Hænning zu Beginn des Films als Kressins Freundin Birgit zeigt, dass nicht erst heute Schlagersternchen, z.B. Roland Kaiser als Schlagersänger Roman König in einem Münster-Tatort – und demnächst die unsäglich atemlose Helene Fischer mit brünetter Perücke und Pistole im neuesteen Til-Schweiger-Tatort (Sendetermin 22. November 2015), die Plattform Tatort zu nutzen verstehen.

Wie auch immer: Sie war mehr amüsant als spannend diese in die Jahre gekommene Tatort-Folge, aber sie ist durchaus empfehlenswert für junge Tatort-Fans.

Tatort (957) aus Salzgitter (2015): Verbrannt

Die Macher der Tatort-Folge Verbrannt wurden sicherlich durch hehre Absichten geleitet, als sie eine wahre Begebenheit aus dem Jahr 2005, den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh aus Sierra Leone, der in Dessau in Polizeigewahrsam verbrannt ist, ins Tatort-Format überführten. Ort der Handlung ist Salzgitter, wo die Bundespolizisten Falke und Lorenz ermitteln. So sehr die Flüchtlingsthematik höchst aktuell ist, so sehr erweist sich die Verarbeitung zu einem Kriminalfilm als ziemlich ‚tückisch‘. Aber zunächst kurz etwas zum Inhalt:

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Graue Herbsttage. Die Ermittlungen in einer niedersächsischen Kleinstadt setzen Kommissar Falke gehörig zu. Zunächst prügelt er einen vermeintlichen Kontaktmann eines internationalen Schleuserrings krankenhausreif. Und als sich dann herausstellt, dass die Polizeiaktion ein einziges Missverständnis war und es sich bei dem Schwarzafrikaner um einen unbescholtenen Asylbewerber handelt, ist dieser bereits tot – verbrannt in seiner Zelle. Das schlechte Gewissen sitzt dem Kommissar im Nacken. Obwohl die Bundespolizei nicht zuständig ist, will Falke unbedingt die Klärung der Todesursache selbst in die Hand nehmen. Ganz zum Leidwesen von Katharina Lorenz: Der Gewaltausbruch ihres Kollegen bei der Festnahme hat bei ihr Spuren hinterlassen. Als sie Falke später mitteilt, dass sie den Polizeidienst quittieren wird, reagiert er zunächst fassungslos. Der eigene Ausraster, ein Polizeipräsidium, in dem mal eben über Nacht ein Mann unter mysteriösen Umständen zu Tode kommt und alle Kollegen dicht halten – und dann auch noch das! Es sind die Tage um den 3. Oktober – aber Deutschland zu feiern, dafür gibt es keinen Grund. In diesem Nest stinkt es gewaltig. (Quelle: tittelbach.tv)


Tatort (957) aus Salzgitter (2015): Verbrannt

Diese Tatort-Folge entpuppt sich am Ende als ein Fall von institutionellem Rassismus. Der Leiter der Polizeidienststelle hat seine Beamten (die Jungs, die „den Dreck wegmachen“ müssen) zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengeschweißt, aus der ein Entkommen unmöglich ist. Es herrscht eine geradezu klaustrophobische Stimmung, die im Film sehr gut wiedergegeben wird. Dabei bleiben die Probleme des Einzelnen nicht unberücksichtigt. Eine junge Beamtin (überzeugend gespielt von Annika Kuhl) ist endlich bereit, eine Aussage zu machen, doch dann verlässt die allein erziehende Mutter der Mut.

Da die Handlung ziemlich begrenzt ist, bleibt Zeit, „die Befindlichkeiten der Kommissare hinreichend auszuloten.“ „Tückisch“ ist dabei, es soll ja eben ein Tatort-Krimi sein und bleiben, dass falsche Fährten (z.B. die Tür hinter dem erst kürzlich bewegten Schrank) gelegt werden. Auch die Auflösung mit dem zugespielten Video erweist sich als mehr oder weniger konstruiert. Aber es bleibt trotzdem ein „Film, der eine klare Haltung bezieht, es sich aber nicht zu einfach macht. Ein stimmungsstarker, dokumentarisch wirkender ‚Tatort‘, ganz aus der Perspektive der Kommissare erzählt“, sodass der Zuschauer nicht wie oft üblich meist mehr weiß als die Ermittler.

Übrigens berührt auch der nächste Tatort Kollaps, der am Sonntag (18.10.2015) aus Dortmund kommt, die Flüchtlingsfrage, die wir so schnell nicht beantwortet bekommen werden.

Tatort (600) aus Bremen: Scheherazade (2005)

Es sind jetzt 14 Jahre her, dass sich die Terroranschläge vom 11. September ereigneten. Vier Jahre danach wurde in der ARD die Tatort-Folge (600) Scheherazade ausgestrahlt, die diese Anschläge thematisierte.

Zu den Anschlägen vom 11. September haben sich viele Verschwörungstheorien entwickelt. Deren Vertreter gehen meist davon aus, dass die US-Regierung und/oder ihre Geheimdienste die Anschläge wissentlich zugelassen oder selbst durchgeführt haben. Eine dieser Theorien, nämlich die These von einer „kontrollierten Sprengung“ (controlled demolition) der eingestürzten WTC-Gebäude mit heimlich platzierten und gezündeten Explosivstoffen, ist Ausgangspunkt der Tatort-Folge aus Bremen mit den Ermittlern Inga Lürsen und Nils Stedefreund. Hinzu kommt, dass mehrere der Attentäter zuvor in Hamburg lebtenund dort zu einer Gruppe islamistischer Studenten an der Technischen Universität Hamburg-Harburg gehörten. Sie sollen nach Zeugenaussagen dort als „Hamburger Terrorzelle“ seit Frühjahr 1999 die Anschläge auf das WTC und das Pentagon zu planen begonnen haben.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Völlig verängstigt taucht eine junge Frau im Kommissariat von Inga Lürsen und Stedefreund auf. Nach einer langen Nacht, kurz bevor ein Täter endlich gestehen will, platzt sie mitten in das Verhör. Der Täter schweigt wieder.

Hauptkommissarin Inga Lürsen ist genervt und müde. Manu berichtet von einem brutalen Mord an ihrem Freund, aber Inga Lürsen glaubt ihr nicht. Für sie ist Manu eine Märchenerzählerin wie Scheherazade. Bereits vor Jahren hat sie Manu mit einem Geständnis überführt, für Totschlag im Drogenmilieu, und schon damals erzählte Manu oft Geschichten und nur selten die Wahrheit. Aber Manu lässt nicht locker, sie beharrt darauf, dass ihr Freund in den Terror um den 11. September verwickelt war. Nur Stedefreund – fasziniert von dieser Frau – ist bereit, sich auf ihre Behauptungen einzulassen. Er überredet Inga Lürsen, gemeinsam mit Manu zu der Wohnung zu fahren, in der die Leiche liegen soll; doch die Kommissare finden nichts – keine Leiche, keine Spuren, keinerlei Hinweise auf Manus Geschichte. Aber Stedefreund will der Geschichtenerzählerin glauben.

Nur für Inga scheint der Fall ganz klar, bis plötzlich ihre alte Liebe auftaucht, und dann muss auch sie sich für eine Wahrheit entscheiden.


Tatort (600) aus Bremen: Scheherazade (2005)

Nun die Tatort-Serie beschäftigt sich immer wieder mit aktuellen Themen. So wagte man sich in Bremen gut drei Jahre nach den Ereignissen vom 11.09.2001 an den brisanten Stoff. Christian Jeltsch schrieb das Buch. Er zeichnete auch für andere Vorlagen mit aktuellen politischen Motiven verantwortlich. Regie führten Peter Henning und Claudia Prietzel. Erwähnenswert ist auch die hervorragende Kameraarbeit von Ngo The Chau, der hierfür den Deutschen Fernsehpreis 2005 (Beste Kamera) und den Deutschen Kamerapreis (Fernsehspiel) bekam.

Am Ende bleibt dieser Fall zwangsläufig ungeklärt. Auch von dem Toten gibt es keine Spur. Aber der Zuschauer weiß, dass hier ‚höhere Interessen‘ eine Rolle spielen. Was als Zufall erschien, war von langer Hand geplant. Natürlich ist alles Fiktion. Aber wie die Wirklichkeit aussieht, wissen nur die wenigsten.

Tatort und Fußball

Vor dem Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft 2016 der deutschen Mannschaft gegen Polen am letzten Freitag schaute ich mir noch die Tatort-Folge 805 aus Ludwigshafen (2011) an: Im Abseits. Gerwissermaße als Einstimmung auf das Fußballspiel. Diese Folge wurde anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 2011 gezeigt und hat Gastauftritte einiger prominenter Vertreter des DFB (neben Theo Zwanziger, dem damaligen DFB-Präsidenten, auch Joachim Löw, Steffi Jones u.a.). Es geht dabei um den Mord ein einer Fußballspielerin:

Die Frauenfußballmannschaft vom FC Eppheim ist beim Training, während die attraktive Fadime Gülüc ein Fotoshooting hat. Der Fotograf möchte, dass sie auch in aufreizenden Dessous posiert. Sie lehnt das zunächst ab, willigt dann aber doch ein. Nach dem Duschen wird sie erschlagen aufgefunden.

Allzu aufregend ist dieser Fall zwar nicht (am Ende ist der Platzwart der Täter), vor allem der Auftritt der DFB-Oberen hat eher etwas Peinliches. Aber immerhin gibt es da einen kleinen Gag, den sich die Ausstatter des Films geleistet haben. Als Abonnent des Magazins für Fußballkultur 11 Freunde fiel es mir natürlich gleich ins Auge. Als Kriminalhauptkommissarin Lena Odenthal den verdächtigen Manager des Vereins verhört, sieht man sie vorn auf einem Tisch liegen: nein, keine Ausgaben von 11 Freunde, sondern Ausgaben von 11 Freundinnen.

Kriminalhauptkommissarin Lena Odenthal – 11 Freund/innen

Anschließend legte also die deutsche Fußballnationalmannschaft los und siegte mit 3:1 gegen die Polen. Es war ein ansehnliches Spiel mit kleinen Schönheitsfehlern in der Abwehr. Heute in Glasgow gegen die Schotten kann man alles klarmachen für die Qualifikation zur EM im nächsten Jahr in Frankreich.

UEFA Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich

Es reichte zwar nur zu einem 0:0 gegen Kasachstan: Aber neben Gastgeber Frankreich, den Engländern und Tschechen haben es auch die Isländer in Gruppe A geschafft: Bereits nach acht von zehn Spieltagen haben sie sich für die EM 2016 qualifiziert. Glückwunsch! Dagegen muss der WM-Dritte, die Niederlande, um eine Qualifikation bangen. Nach der 0:3-Niederlage in der Türkei sind sie nur noch Gruppen-Vierte und würden als solcher ausscheiden. Zuvor hatten die Holländer zu Hause gegen Island 0:1 verloren.

Mit Gareth Bale sind auch die Waliser in Gruppe B auf dem besten Weg, sich neben Belgien die Fahrkarte nach Frankreich zu holen. In Gruppe C streiten sich Spanien, die Slowakei und die Ukraine um die Plätze. Neben Deutschland haben die Polen in Gruppe D die besten Chancen für eine direkte Qualifikation. England hat sich bereits in Gruppe E qualifiziert. In Gruppe F liegen neben Nordirland und Rumänien noch die Ungarn gut im Rennen. Österreich führt die Gruppe G vor Schweden und Russland an und könnte mit einen Unentschieden heute in Schweden alles klar machen. In Gruppe H führt Italien knapp vor Norwegen und Kroatien. Am spannendsten ist es wohl in Gruppe I, wo sich Portugal, Albanien und Dänemark ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern.

Neben Island sind es also die vermeintlich Kleinen, die für Furore sorgen: Albanien, Nordirland, auch Österreich und Wales haben gute Chancen sich direkt oder spätestens über die Play-off-Spiele der Gruppendritten für Frankreich zu qualifizieren.

Der Tatort aus Ludwigshafen ist nicht der erste, der sich um Fußball dreht. Im gleichen Jahr, 2011, gab es die Folge 794 aus Hannover: Mord in der ersten Liga, die sich mit Homosexualität und Homophobie im Profifußball beschäftigte. 2004 gab es zudem die Folge 581 aus Leipzig mit dem Titel Abseits, in deren Mittelpunkt das neue Leipziger Zentralstadion steht (heute heißt es nach diesem österreichischen Brausehersteller), das in zwei Tagen mit einer großen Feier eröffnet werden soll. Dort ist Susanne Fellner, Leiterin der Personalabteilung, erschlagen aufgefunden worden.

Zu Martin Walser (5): Walser und die Krimis – Teil 1

Wenn ein angesehener Schriftsteller zur Feder greift, um Kriminalromane zu schreiben, dann rümpft mancheiner die Nase. Oder es wird einfach die Tatsache unter den Tisch gekehrt, dass einer einmal zu diesem Zwecke die Feder ergriff …

Anders kann ich es mir nicht erklären, dass von keinem anderen als Martin Walser beflissentlich die Veröffentlichung von immerhin sechs Krimis, die allerdings als Hörspiele gestaltet wurden, verschwiegen wird, z.B. bei Wikipedia kein Wort.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Nicht verschweigen konnte man bis jetzt seine Mittäterschaft bei dem Schreiben zu einem Drehbuch für eine Folge der ARD-Reihe Tatort. Ich habe es erst jüngst erwähnt (seinen Schwiegersohn Edgar Selge betreffend, Schauspieler wie seine Frau, Franziska Walser, Martin Walsers Tochter). Es handelt sich um eine Tatort-Folge aus Hamburg mit den Ermittlern Paul Stoever (Manfred Krug) und Peter Brockmöller (Charles Brauer) aus dem Jahr 1989: Armer Nanosh. Das Drehbuch hierzu schrieb Martin Walser zusammen mit Asta Scheib.

Das Walser durchaus große Sympathie für seinen Schwiegersohn hegt, lässt sich daraus ersehen, dass er eine Rolle hauptsächlich für diesen verfasst hat, wenn es dann am Ende auch die Rolle des … ist – aber ich will nicht zu viel verraten. Okay, es ist nicht einer der besten Tatort-Folgen. Interessant ist er aber trotzdem …


Tatort (220) aus Hamburg (1989): Armer Nanosh

Nun, ich taste mich langsam voran. Bevor ich zu den anfangs erwähnten sechs Kriminal-Hörspielen komme (als Stichwort sei bereits der Name Tassilo genannt), sei noch auf eine Kurzgeschichte von Martin Walser hingewiesen, die der Länge wegen wohl nur mit anderen Werken in Buchform erschienen ist; diese hier aber nicht aufgeführt zu haben, käme einem Verbrecher gleich, gelt?

Um es gleich zu sagen: Die Walser’sche Erzählung hat Marcel Reich-Ranicki als Herausgeber in Die besten deutschen Erzählungen, also die nach Ansicht Reich-Ranickis besten deutschen Erzählungen, veröffentlicht. Neben Goethe, Brecht, Namensvetter Robert Walser, Kafka u.v.a. darf Martin Walser in dieser Auswahl nicht fehlen, auch wenn sich zu Lebzeiten Reich-Ranickis beide nicht immer wohlgesonnen waren.

Es handelt sich um die Erzählung Selbstporträt als Kriminalroman:

„Unser Freund“ hat ein nicht näher beschriebenes Verbrechen begangen.

Unser Freund hat ein harmloses Verbrechen begangen. Er hält sein Verbrechen für harmlos. Er tut zumindest so, als halte er sein Verbrechen für harmlos. Er ist nicht bereit zuzugeben, dass sein Verbrechen ein ernsthaftes, ein schlimmes Verbrechen sein könne. Er ist sehr empfindlich, wenn jemand auf sein Verbrechen zu sprechen kommt.

Sobald jemand sein Verbrechen erwähnt, braust er auf. Erst wenn man ihn hemmungslos für sein Verbrechen lobt, beruhigt er sich. Dann lächelt er wie ein dreizehnjähriges Mädchen, dem man sagt, es sehe hundertmal verführerischer aus als Marilyn Monroe. Unser Freund behauptet allerdings, es sei ihm peinlich, gelobt zu werden und beschuldigt sich erneut des Verbrechens.

Ja, wer denn nicht, sagen wir dann! Ob er uns jemanden sagen könne, der in der Geschichte der Menschheit irgendeine Rolle spiele, und kein Verbrechen begangen habe! Schon eine Rolle zu spielen, oder spielen zu wollen in der Geschichte der Menschheit, sei ja der Beginn jedes großen Verbrechens …

Unser Freund verdächtigt uns alle, dass wir lügen, wenn wir ihn loben, und er unterstellt uns, dass wir auf der Seite des Inspektors stünden.

Der Inspektor, also. Die große Gegenfigur unseres Freundes. Er redet andauernd von diesem Inspektor. […]
Der Inspektor ist ein Verbrecher, der nicht den Mut gehabt hat, etwas zu begehen.

Der Inspektor verfolgt unseren Freund, und der beobachtet jeden seiner Schritte, ist genaugenommen mehr hinter dem Inspektor her als der hinter ihm. Inzwischen hat jedoch der Inspektor das Interesse an unserem Freund verloren.

Das ist für einen, dem das Verfolgtwerden zum Lebensinhalt geworden ist, offenbar das Schlimmste.

(Quelle. dieterwunderlich.de)

Das klingt nach Kafkas Prozess – und im ‚Inspektor‘ lässt sie der eben jene frühere Kritiker-Papst Reich-Ranicki erkennen (vergleiche Zu Martin Walser (4): Tod eines Kritikers). Eine literarische Fingerübung des ‚Autors vom Bodensee‘.

Für heute genug: zu den sechs genannten Kriminal-Hörspielen von Martin Walser in den nächsten Tagen mehr …

Lavinia und Edgar

Eigentlich wollte ich zunächst etwas zu Martin Walser und die Krimis, seine Krimis schreiben. Ja, Walser hat auch Kriminalromane verfasst. Aber oft kommt man vom Weg ab, so auch ich: Bekanntlich hat Walser eine Tochter, Franziska Walser, die Schauspielerin ist. Und diese ist wiederum mit einem Schauspieler, Edgar Selge, verheiratet. Beide waren öfter schon im Tatort und im Polizeiruf 110, beides Krimiserien der ARD, zu sehen – Selge sogar in zwanzig Folgen der Polizeiruf 110-Reihe als Kriminalhauptkommissar Tauber in München und Umgebung.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Zum ersten Mal gesehen habe ich Edgar Selge in einer Tatort-Folge aus Hamburg mit den Ermittlern Paul Stoever (Manfred Krug) und Peter Brockmöller (Charles Brauer) aus dem Jahr 1989: Armer Nanosh. Das Drehbuch hierzu schrieb sein Schwiegervater, Martin Walser (womit wir wieder bei diesem wären), zusammen mit Asta Scheib.

Warum ich eigentlich auf Selge komme: Letzte Woche gab es im ZDF den Kriminalfilm Hattinger und die kalte Hand, der am Chiemsee spielt. Den namensgebenden Kommissar spielt übrigens Michael Fitz, den wir bis 2007 insgesamt 15 Jahre als Assistent Carlo Menzinger der Münchner Tatort-Ermittler, Batic und Leitmayr, kennengelernt haben. Selge spielt in dem Chiemseekrimi mit Bravour den Mörder Ostermeier, von dem er sagt: „Ostermeier ist eine Art Michael Kohlhaas im Endstadium. Das Leid, das er in seinem Leben erfahren hat, empfindet er so tief, es hat sich über so viele Jahre angestaut, dass seine Zerstörungswut unendlich ist. Die Anarchie hat den Kleinbürger fest im Griff. Da ihm sein eigenes Leben nichts mehr bedeutet, gibt er sich sturzartig all seinen Stimmungen hin. Ein Mensch in seinem Urzustand.“


Hattinger und die kalte Hand – ein Chiemseekrimi (2013)

Schon zuvor glänzte Edgar Selge in der Berliner Tatort-Folge Machtlos aus dem Jahr 2013, in der er ein bewegendes Psychospiel mit den Kommissaren Ritter und Stark treibt. Dank Selge sicherlich eines der besten Tatort-Folgen.


Tatort (858) Berlin: Machtlos (2013)

Letzte Woche gab es (ebenfalls als Wiederholung) auf 3Sat dem Kriminalfilm Ein Dorf sieht Mord aus dem Jahr 2009 mit Lavinia Wilson, die darin eine schillernde Darstellung bietet. Dieser Krimi verbindet den Plot mit einem Meilenstein in der Geschichte der Anti-Atomkraft-Bewegung, dem von Mai bis Anfang Juni 1980 bei Gorleben eingerichteten Hüttendorf „Republik Freies Wendland“. Dank Lavinia Wilson ein sehenswerter Film.


Ein Dorf sieht Mord (2009)

Lavinia Wilson spielte ebenfalls in mehreren Tatort-Folgen, zuletzt in dem Kieler Tatort Borowski und der Engel aus dem Jahr 2013 die Altenpflegerin Sabrina Dobisch und bietet dabei ein spannendes Porträt einer Borderline-Persönlichkeit. Borowski-Tatorte sind meist schon etwas Besonderes, dieser ist ein ganz besonderer (siehe u.a. meinen Beitrag Tatort auf Tatort …).


Tatort (892) Kiel: Borowski und der Engel (2013)

Lavinia und Edgar – Lavinia Wilson und Edgar Selge: Beide gehören ohne Zweifel zur ersten Garde deutscher Schauspieler bzw. Schauspielerinnen. Übrigens sucht Lavinia Wilson für den 8. und 9. August Statisten in Berlin. Wer also gerade zu der Zeit in unserer Bundeshauptstadt weilt …:

Ich brauche Eure Hilfe! Für den 8.und 9. August suchen mein Freund Barnaby Metschurat und ich dringend Menschen, die…

Posted by Lavinia Wilson on Montag, 20. Juli 2015

Williz Tatort-Sammlung

Bekanntlich unterschiedet man die Menschen in Sammler und Jäger, wobei mir der Unterschied nicht ganz klar ist: Sammler jagen zunächst dem nach, was sie dann sammeln. Jäger verzichten wahrscheinlich aufs Sammeln …

Bleiben wir bei den Sammlern: Die einen sammeln Briefmarken (in jungen Jahren habe ich die Briefmarkensammlung meines älteren Bruders ‚geerbt‘ und dann fortgesetzt … Die Alben müssen bei uns irgendwo in Keller dahindümpeln), die anderen Teddybären. Ich sammle ‚Tatorte‘.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Inzwischen gibt es 952 Folgen (Stand: 27.06.2015) der ARD-Krimi-Serie. Hier kommen weitere 13 Folgen hinzu, die zwischen 1985 und 1989 fürs Österreichische Fernsehen produziert, in Deutschland aber nicht gezeigt wurden. Einige Ableger gibt’s dann auch noch – wie z.B. eine Folge mit dem heute in Kiel fahndenden Klaus Borowski (damals ermittelte er in Hannover) aus der Anfang des Jahrtausend neu aufgelegten Stahlnetz-Serie: Psi (2002).

Wer Pilze sammelt, geht in den Wald – wer ‚Tatorte‘ sammelt geht … ins Internet und hier auf die Seite des Video-Portals Youtube. Spätestens am Folgetag nach einer neuesten Tatort-Folge wird man dort fündig. Und natürlich gibt es auch viele alte Folgen – wie z.B. auf dem Account eines gewissen Arthur Arapetian, dessen Konto aber zumindest für längere Videos erst einmal gesperrt ist. Bei Youtube hat er es mit dem Einstellen von Tatort-Videos wohl zu bunt getrieben (er muss aber eine riesige Sammlung im Laufe der Jahre zusammengestellt haben).

Diese Videos lassen sich in den meisten Fällen auch auf den eigenen Rechner herunterladen. Hierfür gibt es für den Internetbrowser Firefox jede Menge so genannter Add-ons, mit deren Hilfe man dies besorgen kann. Die Qualität der Videos ist natürlich meist nicht in HD, sondern oft in Standard-Auflösung oder noch bescheidener (aber wer unermüdlich sammelt, der nimmt auch ‚kleine Pilze‘). Und es landet Tag für Tag auch jede Menge Schrott bei Youtube (oft dann auch schon die x-te Kopie eines vor langer Zeit ins Netz gestellten Videos), so als wolle man Youtube bewusst zumüllen. Sei es drum …

Natürlich kann man eine Reihe von Tatort-Folgen auch käuflich als DVDs erwerben: Tatort.

Einen nicht unerheblichen Teil meiner Tatort-Sammlung habe ich allerdings aus dem Fernsehen aufgenommen (das gilt besonders für alle neuen Folgen). Das mache ich mit einem TV-USB-Stick am Rechner. Diese Sticks sind nach ihrem Empfang (Kabel, Satellit, terrestrisch über Antenne) ausgerichtet (beim Kauf darauf achten). Alles Weitere hierzu findet Ihr in meinem Beitrag zur kostenlosen Video-Bearbeitungssoftware XMedia Recode (die ich allerdings nur zur Konvertierung der zugeschnittenen Videos benutze – ansonsten habe ich als Hobbyfilmer natürlich eine andere Software, die mir etwas mehr an Möglichkeiten bietet).

Natürlich gibt es auch Festplattenrekorder, mit denen man Fernsehsendungen über Kabel, Satellit oder Antenne aufnehmen kann. Über TV-USB-Stick habe ich die Aufnahmen aber gleich auf dem PC und kann sie dort nach Belieben weiterbearbeiten.

Erstaunlich finde ich, dass manche TV-Sender (‚dritte‘ Programme) immer wieder auch sehr alte Folgen wiederholen. Die bisher älteste Folge (Folge 2: Saarbrücken, an einem Montag… aus dem Jahr 1970) habe ich so in HD-Qualität (HDTV/720p) aufnehmen können (natürlich in einem Seitenverhältnis 4:3, wie damals üblich).

Im Laufe der letzten zwei Jahre hat sich meine Tatort-Sammlung so von etwa 60 auf inzwischen über 720 Folgen erhöht. Das sind von über 950 bisher gesendeten Folgen etwa 75 %. Wie gesagt: Die Qualität ist dabei nicht immer die beste. (Was man aber hat, das hat man …). Wer sammelt, dokumentiert natürlich auch. So habe ich in einer Liste all die Tatort-Folgen entsprechend gekennzeichnet, die bei mir auf einer externen Festplatte von drei TB abgespeichert sind (siehe PDF-Datei). Es ist wohl verständlich, dass ich nicht die Zeit habe, um eventuelle Wünsche nach Kopien bestimmter Tatort-Folgen zu erfüllen.

Warum diese Sammelwut? Und warum gerade ‚den Tatort‘? Dazu später sicherlich etwas mehr. Nur soviel: ‚Der Tatort‘ hat mich gewissermaßen den Großteil meines Lebens begleitet. Ich kenne die Serie von der ersten Folge (1970) an und habe – mit einigen Unterbrechungen – immer wieder ‚hineingeschaut‘. Auch meine Frau und meine Söhne sind begeisterte Tatort-Fans. Das eigentlich Faszinierende daran ist, dass sich in gewisser Weise unser Leben in Deutschland (bzw. Schweiz und Österreich) in dieser Serie spiegelt. Kein Thema war zu heiß (okay, manche dann vielleicht doch …), um nicht in Form eines Krimis abgebildet zu werden. Und wenn einen dann die Sammlerleidenschaft packt, dann kann man sich ihr kaum noch entziehen. Wahrscheinlich bin ich wirklich mehr Sammler als Jäger.