Im 3. Kapitel des Ulysses von James Joyce wird auf Proteus, dem „Alten vom Meer“, einem frühen Meeresgott der griechischen Mythologie Bezug genommen. Wir begleiten Stephen Dedalus, einen der Hauptpersonen dieses Romans, auf seinem Spaziergang am Strand von Sandymount, einem Küstenvorort von Dublin.
Oh, oh, die Jungs von Kilkenny … (Kapitel 3 – S. 63)
James Joyce: Ulysses (in dt. Übersetzung von Hans Wollschläger) / Penelope (The Last Chapter of
Inhalt des 3. Kapitels: Proteus (Strand)
Das Kapitel 3 ist im Stil eines elitären, männlichen Monologs verfasst.
Der Meeresgott Proteus ist ein Meister der Verwandlung. Als Menelaos, der König von Sparta (und Gemahl der Helena, die nach Troja entführt wurde und damit den Trojanischen Krieg auslöste), sich an ihn wandte, um eine Weissagung zu erhalten, verwandelte er sich in eine Vielzahl von Tieren und Gestalten, bevor er ihm schließlich – von dessen Geduld ermattet – eine Antwort gab.
Im Proteus-Kapitel des Ulysses ist es ein Hund, der diese Verwandlungen durchmacht – jedoch in der Phantasie von Stephen, der den Hund bei seinem Spaziergang am Strand von Sandymount beobachtet. Das Umhertollen des Hundes, bis dieser schließlich auf einen Hundekadaver trifft („Ach, du armes Hundeaas, du! Hier liegt des armen Hundeaases Aas.“ – Und nicht ganz zufällig hatte auch Buck Mulligan Stephen als „Hundeaas“ bezeichnet), beschreibt Joyce in einer furiosen kraftvollen und metaphernreichen Prosa.
Das Kapitel ist geprägt vom Gedankenstrom Stephens. Der Wechsel zwischen Realem und Gedachtem erfolgt unangekündigt und wird dem Leser häufig erst im Nachhinein bewusst. Der Spaziergang hat offensichtlich kein Ziel – eine Rückkehr zum Martello Tower kommt nicht in Betracht, und ein anderes Zuhause hat Stephen nicht. Er fragt sich, ob er seiner Tante einen Besuch abstatten sollte, doch während er nachsinnt, verpasst er den Weg zu ihr („An der Abzweigung zu Tante Sara bin ich schon vorbei. Geh’ ich denn nicht hin? Anscheinend nicht.“). Schließlich lässt er sich nieder und schreibt einige Gedichtzeilen. Zum Ende des Kapitels erblickt er einen Dreimaster, „ein schweigendes Schiff“, das „heimwärts, stromauf“ fährt – ein Hinweis darauf, dass Stephen in Dublin keine Heimat mehr sieht.
(Quelle: de.wikipedia.org)
Personen des 3. Kapitels
Es ist lediglich Stephen Dedalus, der dieses Kapitel gestaltet, das wir als Gedankenstrom Stephens, also als Monolog, wie er sich im Kopf abspielt, erleben. Mit diesem Kapitel endet auch der erste [Telemachie] der drei Hauptteile dieses Romans, der uns aus der Sicht eben dieses Stephan Dedalus geschildert wurde.
Anmerkungen zu diesem 3. Kapitel
Ich hoffe besonders bei den Übersetzungen (Französisch, Italienisch, Lateinisch) die ‚richtigen Worte‘ gefunden zu haben (der Google-Übersetzer ist nicht immer eine Hilfe bei diesen Sprachen).
S. 53: maestro di color che sanno [Meister der Wissenden – Dante über Aristoteles in der Göttlichen Komödie]
des Diaphanen [des Durchscheinenden]
Los Demiurgos [Schöpfer, eigentlich Handwerker -> William Blake]
S. 54: delin [eigentlich ein Vorname]
Adam Kadmon [in der Kabbala der ursprüngliche Mensch]
Velin [Pergamentpapier]
S. 55: lex aeterna [„ewiges Gesetz“ – Plan der göttlichen Weisheit und Liebe]
konsubstantiell [die Abendmahllehre betreffend: die sakramentale Einheit von Leib und Blut Jesu Christi mit Brot und Wein]
Arius [Priester aus Alexandria, 3./4. Jh.)]
Kontransmagnificundjudenpengtantialität [‚Kunstwort‘ bezogen auf die Wesensgleichheit von Gott und Gott-Sohn]
Omophorion [Kleidungsstück der orthodoxen Priester]
Mananaan [Sagengestalt der irischen Mythologie]
Kotte [Kate, kleines Haus]
S. 56: Duces-tecum … [Zwangs- …]
Requiescat [Ruhe]
All’erta [Achtung]
aria di sortita [Arie zum Eintritt einer handelnden Person in einer Oper]
S 57: Joachim Abbas [italienische Theologe, 12./13. Jh.]
Descende, calve, ut ne nimium decalveris [Steige herab, Kahlkopf, damit du nicht noch kahler gemacht werdest – bezogen auf eine Meditation des Johannes Abbas]
Ziborium [Behälter mit geweihter Hostie -> Altar}
die Kusen [im Original: Pyx = Gefäß mit geweihtem Brot]
Occam [Wilhelm von Ockham, Theologe, Vorbild für „Der Name der Rose“]
Hypostasis [Wesensmerkmal der personifizierten göttlichen Gestalt]
S. 58: O si, certo! [O ja, natürlich]
Epiphanie [Erscheinung]
Mahamanvantara [sankrit: ein großer Tag]
Pico della Mirandola [italienischec Philosoph, 15. Jh.]
S. 59: Qui vous a mis dans cette fichue position? [Wer hat dich in diese verdammte Position gebracht]
C’est le pigeon, Joseph [Es ist die Taube …]
lait chaud [heiße Milch]
lapin [Hase]
gros lots [Jackpot]
M. Leo Taxil [Erfinder der Fake News – um 1900]
C’est tordant, vous savez. Moi je suis socialiste. Je ne crois pas en l’existence de Dieu. Faut pas le dire à mon père. [Es ist urkomisch, wissen Sie. Ich bin Sozialist. Ich glaube nicht an die Existent Gottes. Sage es nicht meinem Vater]
– Il croit? [Er glaubt?]
– Mon père, oui. [Mein Vater, ja]
P.C.N. – physiques, chimiques et naturelles [physikalisch, chemisch und biologisch]
S. 60: mou en civet [weicher Eintopf]
Boul‘ Mich‘ [Boulevard St. Michel]
Lui, c’est moi [Er ist ich]
Encore deux minutes [Noch 2 Minuten]
Fermé [Geschlossen]
Columbanus, Fiacrius und Scotus [irische Missionare u.a.]
Euge! [gut erledigt]
Pantalon Blanc et Culotte Rouge [Unterhaltungsmagazin]
S. 61: Belluomo [gut aussehend, schöner Mann]
chaussons [Kuchen, eigentlich Hausschuh]
pus des flan breton [mehr bretonischer Flan = Art Pudding]
Un demi setier! [ein halbes Setier = Volumenmaß]
Il est irlandais. Hollandais? Non fromage. Deux irlandais, nous, Irlande, vous savez? Ah oui! [Ist es Irisch? Holländisch? Kein Käse! Zwei Iren, wir, Irland, wissen Sie? Ah, ja …]
S. 62: Dalcassians [gälisch-irischer Stamm]
Arthur Griffith [irischer Politiker, – 1922 Präsident]
Barchent [Mischgewebe]
Vieille ogresse … dents jaunes [altes Ungeheuer … gelben Zähnen]
bonne à tout faire [gut in allem]
Moi faire … Tous les messieurs [Ich tue … alle Herren]
S. 63: Mon fils [mein Sohn]
S. 64: Panther-Sahib und seinen Pointer [„Herr“, Europäer, der einen P. erlegt hat – Zeiger, Wegweiser]
Segge [Sauergrasgewächs]
Un coche ensablé [eine sandige Kutsche]
S. 65: Torques [fester Halsreif aus Metall]
Terribilia meditans [schreckliche Dinge]
Prätendent [Ansprucherheber]
Perkin Warbeck [trat im 15. jh. gegen den englische König an]
Lambert Simnel [Hochstapler im 15./16. Jh., gab sich als englischer König aus]
… Natürlich, … [Im Original auch deutsch]
S. 67: Tatters! [wohl Name des Hundes]
Parder [Raubkatze]
Harun al Raschid [8./9. Jh. Kalif -> 1001 Nacht)]
S. 68: Gannef [jiddisch für Gauner]
frate porcospino [Mönch Stachelschwein]
S. 69: Omnis caro ad te veniet [alles Fleisch wird zu dir kommen]
… Cassiopeiae [eigentlich Mutter der Andromeda]
S. 70: piuttosto [eher]
Et vidit Deus. Et erant valde bona. [Und Gott sah … und es war (sehr) gut]
S. 71: Tripudium [ein Tanz]
Tiens, quel petit pied! [Hey, was für ein kleiner Fuß!]
diebus ac noctibus iniurias patiens ingemiscit [Tag und Nacht beklagt er das Unrecht, das er erleidet]
S. 72: Mich dürstet []… wie Jesus am Kreuz]
Lucifer, dico, qui nescit occasum [L., sage ich, der die Gelegenheit kennt …]
S. 73: Già [bereits]
Übermensch [im Original: superman]
In deutscher Sprache gibt es zwei Übersetzungen, zunächst die vom Verfasser, also James Joyce, autorisierte Übersetzung von Georg Goyert (1927) – dann die 1975 erschienene Neuübersetzung von Hans Wollschläger, auf die ich mich hier beziehe (ich habe die einmalige Sonderausgabe aus dem Jahr 1979 – 1. Auflage – Suhrkamp Verlag)
siehe auch: Abenteuer Ulysses von James Joyce (01): Vorgeplänkel
Abenteuer Ulysses von James Joyce (02): 1. Kapitel – Telemachos [Telemachie]
Abenteuer Ulysses von James Joyce (03): 2. Kapitel – Nestor [Telemachie]
bei Joyce heist es ….. den Hintern voller Köttel.
Köttel sind kleine Kotklümpchen ( normalerweise von Tieren), ich denke das trifft hier eher zu als Kote = kleines Haus
Im Original heißt die Passage. I pull the wheezy bell of their shuttered cottage: and wait. Wollschläger übersetzt das mit: Ich ziehe die röchelnde Glocke an ihrem verrammelten Kotten: und warte. Also Kate, kleines Haus bzw. Hütte wäre zutreffend.