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Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

Der Derby-Effekt

In der letzten Saison gewann am 21. Spieltag der FC St. Pauli ‚auswärts’ in der Fußballbundesliga im Hamburg-Derby gegen den HSV mit 1:0. Die Freude bei den Fans war unermesslich groß. Mehr als der Klassenerhalt zählte der Sieg gegen den ungeliebten Lokalrivalen. Aber dieser Derby-Sieg sollte sich als Fluch erweisen. Zwar gewann man am nächsten Spieltag noch das Heimspiel gegen die Gladbacher. Aber aus den letzten 12 Spielen holte St. Pauli gerade noch einen einzigen Punkt, rutschte vom 11. Platz auf den 18., wurde so mit Abstand Letzter und stieg ab.

Ganz so feindselig ist die Rivalität zwischen dem SV Werder Bremen und dem HSV nicht. Aber ein Sieg wird gern gefeiert, zumal wenn er auswärts zustande kommt. Entgegen meinen Erwartungen siegten tatsächlich die Bremer am 22. Spieltag in Hamburg mit 3:1, zeigten ein gutes Spiel, zumal der HSV durchaus auf Augenhöhe agierte. Als Fan durfte man erwartungsfroh den nächsten Spieltagen entgegensehen.

Aber Pustekuchen! Es muss eine Art von Derby-Effekt sein, ein Fluch, wenn nach einem Derby-Erfolg plötzlich nicht mehr viel zusammenläuft. Der SV Werder verliert plötzlich Spiele, deren Punkte man eigentlich fest einkalkuliert hatte, zunächst zu Hause gegen den ‚Club’ aus Nürnberg, dann bei der verunsicherten Hertha in Berlin – jeweils 0:1.

Nicht das man unbedingt schlecht gespielt hätte, das nicht; Geschäftsführer Klaus Allofs bringt es auf den Punkt: „Wir sind nicht in der Lage, zwingend zu spielen und uns in den entscheidenden Situationen durchzusetzen. Wenn der letzte Pass ansteht, die Chance kommt, dann sind wir nicht konsequent genug.“ Unvermögen nennt man das auch. Hätte Werder die beiden Spielen gewonnen, dann wären sie fast an Schalke und damit an dem 4. Platz, der zumindest für die Qualifikation zur Champions League berechtet, dran gewesen. Nicht nur Schalke, sondern auch die Bayern und die Gladbacher Borussia musste plötzlich Haare lassen. Aber die Bremer haben die Gunst der Stunde nicht zu nutzen gewusst.

Am Sonntag geht es gegen Hannover 96, die plötzlich nur noch einen Punkt hinter Werder stehen. Wenn das Spiel verloren geht, dann kann Werder wahrscheinlich auch die Europa League-Teilnahme knicken und dürfte den Rest der Saison im Mittelfeld dahindümpeln.

Es ist sicherlich nur ein schwacher Trost zu sehen, wie in ähnlicher Manier die Bayern oder jetzt auch Mönchengladbach ihre Spiele verlieren. Borussia Dortmund, mit sieben Siegen in sieben Spielen in der Rückrunde, ist auf Meisterkurs.

Der Sonntag ist der Schicksalstag. Wenn nicht mit Spielkunst, dann muss eben mit Kampf ins Spiel gegangen werden (mit Kampf, nicht Krampf), um die nötigen Zweikämpfe für sich zu entscheiden. Auch die Standards wie Eckbälle müssen endlich konsequenter genutzt werden. Ich denke, dass ist bei den Bremern angekommen. Ich bin gespannt, ob das auch auf dem Feld umgesetzt wird. Lassen wir uns überraschen …?!

Heute Ruhetag (6): Aristophanes – Die Frösche

Heute Ruhetag!

Xanthias: Herr, fang‘ ich wohl mit Spaßen, von der Sorte
Der ordinären, stetsbelachten, an?

Dionysos: Meinthalb, soviel du willst, nur kein: »Das drückt!«
Das laß mir weg; ich hab’s zum Ekel satt.

Xanthias: Doch sonst was Schnurriges?

Dionysos:                  Nur nicht: »Mein Rücken!«

Xanthias: ’nen Kapitalspaß also?

Dionysos:                  Ja, zum Henker,
Nur herzhaft los! – Doch hör, kein Wort –

Xanthias:                  Wovon?

Dionysos: Dich kackre und du woll’st dir’s leichter machen!

Xanthias: Doch das: »Wenn ich mich länger mit dem Pack
Noch schleppen muß – so knarrt die Hintertür?«

Dionysos: Ums Himmels willen, nein, mir würde übel!

[…]

Aristophanes: Die Frösche (aus 1. Szene) – Komödie (405 v. Chr., erster Preis bei den Lenäen)

Aristophanes

Aimee Mann (3): Aimee & Family

Mit dem Album ‚Whatever’ begann Aimee Mann 1993 ihre Solo-Karriere, nachdem sie zunächst jeweils als Gründungsmitglied bei der Punk-Band Young Snakes und anschließend bei der New Wave-Gruppe ’Til Tuesday (bis 1990) Bass spielte und sang. Mit den Jahren ist ihre Stimme deutlich gereift, das Timbre und ein leichtes Vibrato der Stimme macht sie unverwechselbar. Auch hat Aimee Mann ihren Stil geändert.

Musik von Aimee Mann

Aimee Mann gibt uns ein gutes (oder eher schlechtes) Beispiel dafür, was man von der Musikindustrie halten kann. Da sie von ihrem Plattenlabel die Nase voll hatte, sich von diesem ungenügend unterstützt, ja durch der Einmischung in ihre Arbeit enttäuscht sah (dokumentiert in Liedern wie „Calling it Quits“ und „Nothing is Good Enough“), gründete sie 1999 ihr eigenes Label SuperEgo Records (siehe den Youtube-Kanal) und veröffentlichte ihr Album „Bachelor No. 2“ in Eigenregie. So ist es kein Wunder, dass Aimee Mann Gründungsmitglied von United Musicians wurde, einem Zusammenschluss von Musikern, die sich dafür einsetzen, dass jeder Künstler im Besitz der Urheberrechte an seinen Werken bleiben soll (im Unterschied z.B. zum deutschen Urheberrecht werden die Entscheidungs- und Verwertungsrechte über ein Werk in den USA oft nicht dem Urheber, also Künstler, zugestanden, sondern den wirtschaftlichen Rechteverwertern, z.B. der Plattenfirma).

Wie gesagt: Ihr Stil wandelte sich mit den Jahren und wurde jetzt gern auch unter Berücksichtigung ihres Kampfes um mehr Unabhängigkeit für Musiker als ‚more Indie than Indie’ bezeichnet. Mit Aimee Mann, ihrem Ehemann Michael Penn, dem Bruder des Schauspielers Sean Penn (1997 haben beide geheiratet), und weiteren Musikern entwickelte sich eine eigene Musikszene rund um den Largo Nightclub in L.A., deren Stil man auch ‚Acoustic Vaudeville’ nannte. Spätestens mit dem Album „Bachelor No. 2“ (2000) wurde Aimee Mann auch in Deutschland – auf die Singer/Songwriter-Schiene gesetzt – bekannt und erfolgreich. Für mich ist sie, ähnlich wie Ry Cooder, eine markante Vertreterin US-amerikanischer Musik, einer Musik, die neben europäischen auch anderen Einflüssen als unsere Musik unterliegt.

    Aimee Mann: Discographie

Hier zunächst ihre Solo-Alben im Überblick:

Whatever (1993)
I’m With Stupid (1995)
Magnolia (Album) (Original-Soundtrack zum Film Magnolia) (1999)
Bachelor No. 2 or the Last Remains of the Dodo (2000)
Lost in Space (Album) (2002)
Lost in Space Special Edition (2004)
Live at St. Ann’s Warehouse (Livealbum/DVD) (2004)
The Forgotten Arm (2005)
One More Drifter in the Snow (2006)
@#%&*! Smilers (2008)

Natürlich ist es nicht nur die Musik, die für Aimee Mann spricht. Fast mehr noch sind es ihre Texte. So ist das Album „The Forgotten Arm“ ein Konzept-Album, in dem die Geschichte zweier Charaktere erzählt wird, die miteinander davonlaufen, um ihren Probleme zu entkommen, aber die mit mehr Problemen enden, als sich das jeder von ihnen hätte vorstellen können.

„Die fundamentale Einsamkeit und Beziehungsunfähigkeit, die aus solchen Zeilen spricht, ist ein Leitmotiv in Aimee Manns Songs. Dahinter steht eine tiefe Skepsis gegenüber der modernen Ideologie von Bindungslosigkeit und Selbstverwirklichung, aber auch der verletzliche, ehrliche Stolz der Außenseiterin, die beschlossen hat, ihren ganz eigenen Weg zu gehen: ‚Als ich sehr jung war, war ich ein großer Elton-John-Fan. Ich versuchte damals schon Songs zu schreiben, aber sie waren richtig schlecht, weil ich es nicht schaffte, meine eigenen Gedanken in den Songs unterzubringen. Viele junge Leute verbergen das, was sie denken, weil sie nicht wirklich daran glauben, und dann verbirgst du es irgendwann vor dir selbst und fängst an, Rollen zu spielen. Ich habe mich entschieden, es anders zu versuchen. Der beste Weg, mit einer schwierigen Situation umzugehen, ist manchmal, nicht daran teilzunehmen. Das gilt auch fürs Musikgeschäft. Du entscheidest dich, was du wirklich willst, und dann solltest du es einfach tun.’“ (Quelle: michaelsailer.de)

Aber genug erzählt. Lassen wir Aimee Mann sehen und hören. Hier als kleiner Querschnitt einige Videos mit ihrer Musik aus den Solo-Alben:


Aimee Mann: Mr. Harris (Whatever)


Aimee Mann: Long Shot (I’m With Stupid)


Aimee Mann: Save Me (Magnolia-Soundtrack und Bachelor No. 2)


Aimee Mann: How Am I Different (Bachelor No. 2 …)


Aimee Mann: Pavlov’s Bell (Lost in Space)


Aimee Mann: 4th of July (live at St. Ann’s Warehouse)


Aimee Mann: Video (The Forgotten Arm)


Aimee Mann: Freeway (@#%&*! Smilers)


Aimee Mann: 31 Today (@#%&*! Smilers) mit Morgan Murphy

Seit 1997 ist Aimee Mann – wie erwähnt – mit Michael Penn verheiratet, der ebenfalls als Singer/Songwriter in den USA erfolgreich ist (hier das Video zu This & That, in dem Michael Penn von seinem Bruder Sean vorgestellt wird). Zudem hat Aimee Mann eine fünf Jahre jüngere Schwester (Halbschwester, um genau zu sein), die in Minnesota lebt, namens Gretchen Seichrist (what a name!). Diese ist wohl in erster Linie Malerin, hat aber auch schon zwei Musikalben unter dem Namen Patches & Gretchen herausgebracht (hier zwei Hörproben und der Youtube-Kanal). Übrigens: Das Lied „Medicine Wheel“ (auf Aimee Manns Album „@#%&*! Smilers“) ist eine Komposition von Aimee Mann zu einem Gedicht von Gretchen Seichrist, das ihr diese einmal per eMail zugesandt hatte (normalerweise schreibt Aimee Mann erst die Musik und dann den Test dazu – Quelle: www.aimeemann.com/messageboard).

Gretchen Seichrists Stimme ist weniger ausgebildet als die von Aimee Mann. Manchmal klingt sie wie ein weiblicher Lou Reed, so wie in der folgenden Aufnahme:


Sugar Head Pie – Patches and Gretchen

Sie hat sich auch an Coverversionen von Bob Dylan gewagt, recht eigenwillig, skurril und rau vorgetragen, ohne Zweifel aber sehr aufschlussreich und jenseits des Mainstreams. Als hauptsächlichen Einfluss nennt Gretchen Seichrist übrigens neben Dylan Patti Smith und „sister Golden Hair” Aimee Mann. Eine schwesterliche Liebe.


Dirge – Patches & Gretchen w/Scarlet Rivera Live at the Dakota, 9-14-2010

Zlatá Praha (2): Hinfahrt nach Prag 1982

In der Vorosterzeit 1982, also vor genau 30 Jahren, fuhr ich mit einem Freund über Würzburg, Nürnberg, Karlsbad (Karlovy Vary) und Pilsen (Plzeň) nach Prag. Auf der Rückreise machten wir in Marktredwitz Halt. Das war eine ganz schön ‚harte’ Tour, aber auch sehr interessant und heute so nicht mehr möglich.

Die Reise könnte man als eine Tour auf den Spuren trinkbarer Erzeugnisse Pilsener Brauart bezeichnen. Auch wandelten wir in Prag auf Kafkas Spuren. Von Bremen kommend, am Freitag, den 2. April 1982 ging es mit dem Zug um 16 Uhr 08 los, machten wir zunächst Halt in Würzburg, um in der dortigen Bahnhofsgaststätte im Hauptbahnhof (es muss sich wohl um das Restaurant „Bürgerstuben“ gehandelt haben, das es heute nicht mehr gibt) ein „Würzburger Hofbräu“ zu genießen. Da wir in Würzburg erst kurz vor 21 Uhr ankamen, entschlossen wir uns, in der Stadt eine Unterkunft zu suchen.

Am nächsten Tag (Samstag, den 3. April 1982) ging er dann kurz vor Mittag weiter nach Nürnberg, wo wir etwas außerhalb der Stadtmitte ein Zimmer suchten und in der Pillenreuther Straße (Gasthof Cramer-Klett) preiswert findig wurden. Heute gibt es den Gasthof auch schon nicht mehr, dafür hat sich ein Cafe mit Billard in der Gaststube breit gemacht. Den späten Nachmittag verbrachten wir im Biergarten des Restaurant Burgwächter gleich bei der Nürnberger Burg. Dort kamen wir auch gleich ins Gespräch mit ‚Einheimischen’ (u.a. an Tina und Hubert kann ich mich erinnern), die uns dann zum Essen und später sogar zu sich nach Hause in die Meuschelstraße einluden. Das Ganze wurde dann doch etwas sehr feucht-fröhlich, sodass wir uns am nächsten Tag entschieden, noch eine Nacht in Nürnberg zu bleiben.

Leider hatte man in dem Gasthof wegen einer großen Familienfeier kein Zimmer für die kommende Nacht frei. So suchten wir in der Nähe eine andere Unterkunft in der gleichen Straße in der Pension Gerhard (heute Gasthof und Hotel). Den Tag über (Sonntag, den 4. April 1982) ernährten wir uns von Jägerbraten, Zwiebelsuppen, Nürnberger Bratwürsten und Bajuvator, dem dunklen Doppelbockbier der Nürnberger Tucher Brauerei. Ja, es war ja Starkbierzeit (nur zur Info: Die Starkbierzeit 2012 ist, wenn ich das richtig sehe, vom 25.02. bis 31.03. 2012 – geht also immer bis eine Woche vor Ostern – und ich so gönne mir in diesen Tagen ab und wann ein besonders kräftig-malziges Paulaner Salvator). Trotz der Nase im Bierglas ging das Weltgeschehen nicht ganz an uns vorbei: Inzwischen wurde vermeldet, dass argentinische Truppen auf den Falkland-Inseln gelandet wären. Damit begann der Falkland-Krieg.

Endlich am Montag, den 5. April 1982 ging es über die deutsch-tschechoslowakische Grenze. In Nürnberg fuhren wir um 11 Uhr 12 los. In Cheb (deutsch: Eger) kamen wir zum ersten Mal auf den Boden der ČSSR; bis zum Ende 1992 waren Tschechien und die Slowakei ja noch ein Staat (und bis 1990 auch sozialistische Republik). An der Grenze mussten wir pro 30 DM in Kronen tauschen; da wir sechs Tage bleiben wollten, bekamen wir für 180 DM pro Person 778 tschechoslowakische Kronen (Kcs.). Zwangsumtausch nannte man das damals.


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Nürnberg (A) – Prag (E) über Marktredwitz (B), Karlsbad (C) und Pilsen (D)

Bevor wir nach Prag fuhren, wollten wir auf jeden Fall einen Halt in Pilsen, der Mutter aller Pilsner Biere resp. Biere Pilsener Brauart, machen. Die Stadt ist zunächst eine Industriestadt. Denn hier wird nicht nur das berühmte Pilsner Urquell gebraut, sondern es befinden sich hier auch u.a. die Škoda-Werke. In der Ferne sah man schon sich die Schornsteine gen Himmel recken. Gegen 16 Uhr 30 kamen wir an. Die Innenstadt entpuppte sich als nicht allzu attraktiv.

Irgendwie erinnere ich mich an Lautsprecher an Straßen und Plätzen, die sozialistische Propaganda unters Volk brachten. Wir fühlten uns leicht befremdlich – wie in einem falschen Film. Die Suche nach einer preiswerten Unterkunft gestaltete sich schwierig. Aber um es gleich zu sagen: Nirgendwo sonst habe ich so viele hilfsbereite Menschen erlebt, die uns förmlich an Pilsen binden wollten und sich um eine Unterkunft für uns bemühten. Wir sprachen Polizisten an, zu denen sich schnell eine Verkäuferin gesellte, Angestellte der Bahn kamen hinzu; man ging zum nahegelegenen Postamt und telefonierte. Aber für die zwei jungen Typen mit Rucksäcken wollte sich keine günstige Schlafgelegenheit auftun. Dann wurden wir mit einem Auto zu einer Unterkunft der Bahn gebracht; im Foyer hätten wir auf Sesseln die Nacht kostenlos verbringen können, aber das wollten wir weder den Leuten hier, noch uns antun. Am Ende empfahl man uns das Hotel Škoda, ein Zimmer war für uns vorgemerkt – wir mussten nur noch mit der Straßenbahn der Linie 1 ein kurzes Stück fahren, um es am náměstí Českých bratří („Platz der tschechischen Brüder“ oder so – ist zumindest der heutige Name des Platzes) zu finden. Ein Hochhaus, nicht ganz billig, aber okay. So machten wir uns zunächst frisch und dann auf den Weg nach einem trinkbaren Pilsner. Wir fanden bald eine halbwegs gemütliche Kneipe, in der der halbe Liter umgerechnet 50 Pfennige kostete (was auch vor 30 Jahren schon spottbillig war), trinkbares Bier, wenn’s auch kein Pilsner Urquell war. Und der Hammer: Der Wirt wollte uns mit zwei Mädels verkuppeln. Das war uns fürs erste dann doch zu viel der ‚Gastfreundschaft’. Wir waren ja hier nicht als Sextouristen angereist, sondern wegen des Bieres (und auch, um auf Kafkas Spuren zu wandeln). Im Hotel spielte dann noch eine Tanzkapelle, nur tanzte keiner, dafür wir … nämlich bald ab ins Bett, nachdem wir aber noch unser Pilsner Urquell bekommen hatten (das Bier für nicht mehr ganz so preiswerte 5 Kcs.).

Am Dienstag, den 6. April 1982 war es dann endlich soweit. Nach einem guten Frühstück liefen wir zu Fuß zum Hauptbahnhof von Pilsen (Plzeň hlavní nádraží) zurück. Mit unseren Rucksäcken auf den Buckeln waren wir gewissermaßen die große Sensation in Pilsen an diesem Tag. Dann ging es mit einem Bummelzug endlich Richtung Prag, wo wir gegen 14 Uhr am Prager Hauptbahnhof ankamen. Die Gegend unterwegs gefiel uns schon einmal ganz gut, besonders Karlštejn mit seiner Burg.

Fortsetzung folgt: Zlatá Praha (3): Prag 1982 – Bier und Kafka

Kafkas Wortschatz und Kiezdeutsch

Der Wortschatz ist die Gesamtheit aller Wörter einer Sprache zu einem bestimmten Zeitpunkt oder die ein einzelner Sprecher kennt oder verwendet. Man unterscheidet beim Letzteren zwischen passivem (Wörter, die zwar verstanden, aber nicht benutzt werden) und aktivem Wortschatz.

Klaus Wagenbach bezeichnet Kafkas Prosa als kühl, wortarm und doch „kleistisch“. (Wagenbach: Kafkas Prag: Ein Reiselesebuch – Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1993 – S. 7) Ja, auch als wortarm. Ohne Zweifel ist, dass der Wortschatz in den Romanen und Erzählungen von Franz Kafka erstaunlich ‚beschränkt’ ist. Diese Beschränkung sagt natürlich nichts über die literarische Qualität aus. Ein Koch weiß, dass man auch aus wenigen Zutaten einen kulinarischen Leckerbissen zaubern kann. Wie kann es aber sein, dass ein Schriftsteller der Güte Kafkas eben so wortarm schreibt. Immerhin war Kafka Jurist, also ein Akademiker, und in der Belletristik viel belesen.

Ich habe in einem sehr aufschlussreichen Aufsatz zu „Franz Kafkas Deutsch“ von Marek Nekula folgende Einleitung gefunden (Verweise/Fußnoten habe ich entfernt):

„Die Eigenart von Kafkas Stil wird einerseits mit der ‚Spracharmut’, der ‚Sprachverarmung’ und dem ‚Sprachverfall’ der ‚sterilisierten Ghettosprache’ bzw. der Sprache ohne ein deutsches dialektales Umfeld und ‚soziale Unterschiede’ erklärt, andererseits dem ‚Einfluss der juristischen Fachsprache’ zugeschrieben. […] Manchen, die im Zusammenhang mit Kafka über Phänomene wie eine ‚deutsche Sprachinsel’ oder seinen angeblichen ‚jüdischen Tonfall’ sprechen, genügen dennoch ein oder zwei dürre Absätze, um Kafkas Sprache abzuhandeln.“ (Quelle: linguistik-online.de)

Franz Kafka war deutschsprechender Jude in Prag, damals Hauptstadt des Königreichs Böhmen und mit 230000 Einwohnern drittgrößte Stadt der österreichisch-ungarischen Monarchie unter Kaiser Franz Joseph und durch „starke tschechische Zuwanderung aus einer ehemals überwiegend deutschen inzwischen [zu] eine[r] nahezu rein tschechische[n] Stadt geworden, mit einer Minderheit von 32000 Deutschsprechenden, davon über die Hälfte Juden“ (Wagenbach, 1993, S. 11). Prag war also das, was man eine „deutsche Sprachinsel“ nennen kann. Das Deutsch in Prag war nicht durch Dialekt, höchstens durch Begriffe der tschechischen Sprache gefärbt, und im Falle Kafkas zusätzlich durch den Sprachgebrauch der Juden, was sich in Kafkas Werk widerspiegelt und so in Nuancen den Wortschatz Kafkas sogar bereicherte. Bei Marek Nekula steht hierzu:

„In Tonfall und Idiomatismus, ja selbst in der Wortwahl und im grammatischen Duktus macht sich jenes Prager Deutsch geltend, das von der slavischen, czechischen Nachbarschaft und auch vom Prager Judendeutsch reichlich getönt ist. Eben diese eigentümliche Färbung trägt entscheidend dazu bei, jenseits von allem Lokalkolorit die Ironie von Kafkas Erzählungen zu erhöhen (Politzer 1950: 280).“

Der Wortschatz eines Menschen ist geprägt von der Zeit, dem Raum sowie seiner Herkunft und seinem sozialen Umfeld. Auf Kafka bezogen heißt dies, dass eine Stadt wie Prag mit einem hervorstechenden Umfeld auch Niederschlag in seinem Werk erfahren musste. Eine Stadt wie Prag findet sich heute übrigens auch allerenden bei uns. Wie in Prag begegnen sich überall unterschiedlichste Nationalitäten und Religionen. Und so ist es nicht verwunderlich, wenn hier eine eigene Sprache entsteht, die übergreifend wirkt: Kiezdeutsch.

    Kiezdeutsch

„Kiezdeutsch ist eine Jugendsprache, ein neuer Dialekt. Das ist kein Unvermögen, Deutsch zu sprechen“, so die Sprachwissenschaftlerin Heike Wiese, Professorin für Deutsche Sprache der Gegenwart an der Uni Potsdam (Kiezdeutsch: Ein neuer Dialekt entsteht). Kiezdeutsch ist eine Jugendsprache in einem engen Umfeld. Ähnlich wie in Kafkas Sprache kommt es zu ‚Vereinfachungen’ und auch zu eigenen grammatischen Regeln. Da man heute Kafkas ‚Spracharmut’ kaum als Verelendung unserer Sprache ansieht, sollte man auch gegenüber dem Kiezdeutschen nicht gleich in Hysterie ausbrechen. Heike Wiese hierzu: „In der Soziolinguistik ist es so, dass andere Sprechweisen abgewertet werden, wenn man sich höher einordnet. Vielleicht haben wir es da mit sehr starken Status-Verlustängsten zu tun, weil Kiezdeutsch nicht nur von sozial Schwachen gesprochen wird. Auf jeden Fall ist das Thema emotional besetzt.“

Ich weiß, es ist ein weiter Bogen, den ich hier spanne. Kafka muss für so vieles herhalten. Er wird es aushalten. Es ist die ‚eigentümliche Färbung’, die eine Sprache lebendig macht. Und das gilt sowohl für Kafka (auch heute noch) als auch für eine Jugendsprache wie das Kiezdeutsche.

2012 – ein Schaltjahr

Bekanntlich dreht sich die Erde um die Sonne und braucht dafür ein Jahr, also 365 Tage, genauer: etwas mehr als ein Jahr, nämlich (im Jahr 2000) 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten, 45,261 Sekunden. Um diesen Überhang von knapp 6 Stunden auszugleichen, ist jedes vierte Jahr ein Schaltjahr mit einem zusätzlichen Tag am 29. Februar (außer in jedem hundertsten Jahr mit Ausnahme des Schaltjahres 2000). Heute ist ein solcher Schalttag. Aber die Jahre werden kürzer, wenn auch nur eine halbe Sekunde pro Jahrhundert.

Den Zeitraum für die Umkreisung der Erde um die Sonne nennt man auch tropisches Jahr und definiert dieses als Zeitraum, in dem die mittlere Länge der Sonne auf der Ekliptik um 360° zunimmt. Klingt doch nett, oder?

29. Februar

In diesem Zusammenhang eine ebenso nette Frage:

Was geschah in der Zeit vom 5. bis zum 14. Oktober 1582?

strong>Antwort: Nichts, die Tage gab es nicht.

Grundlage unserer Zeitrechnung war bis ins 16. Jahrhundert der Julianische Kalender, der von Julius Caesar eingeführt wurde und in manchen Teilen der Welt noch weit bis ins 20. Jahrhundert gültig war. Er wird heute in der Wissenschaft rückwirkend auch für die Jahre vor dem Wirken Caesars verwendet und wurde seit dem 16. Jahrhundert sukzessive durch den Gregorianischen Kalender abgelöst. Der Gregorianische Kalender, benannt nach Papst Gregor XIII., ist der heute in den weitaus meisten Teilen der Welt gültige Kalender. Er wurde Ende des 16. Jahrhunderts entwickelt und löste im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche andere Kalenderformen ab. Der Unterschied zwischen beiden? Der Julianische Kalender hatte 365 Tage und genau 6 Stunden, alle vier Jahre also einen Schalttag, während der Gregorianische Kalender Säkular-Jahre kennt (das sind Jahre, deren Zahl durch 100 teilbar ist), die keinen Schalttag mehr erhalten. Um die bereits eingetretene Zeitverschiebung auszugleichen (Ausgangspunkt waren Probleme mit der Berechnung der Osterfeiertage) bestimmte Papst Gregor XIII., dass im Jahre 1582 zehn Tage übersprungen werden sollten. Daher folgte in einigen römisch-katholischen Ländern auf Donnerstag, den 4. Oktober gleich Freitag, der 15. Oktober – die Abfolge der Wochentage blieb dabei jedoch unverändert.

Aimee Mann (2): ’Til Tuesday

Aimee Manns erste Gruppe war also die Punk-Rock-Band „The Young Snakes“, bei der sie Sängerin war und den Bass spielte. 1983 wurde sie Mitbegründerin der New-Wave-Band „’Til Tuesday“, die 1985 mit ihrem ersten Album „Voices Carry“ einen Achtungserfolg erzielte: Platz acht in den U.S. Billboard Hot 100. Außerdem gewann die Band 1985 den MTV Video Music Award als beste Newcomerband („Best New Artist“). 1990 löste sich die Band auf. Seitdem arbeitet Aimee Mann solo.

Musik von Aimee Mann

‚Til Tuesday wurde in Boston gegründet und bestand neben Aimee Mann als Sängerin und Bassistin (sie spielte auch akustische Gitarre) aus dem Sänger und Gitarristen Robert Holmes, dem Keyboarder Joey Pesce und dem Schlagzeuger Michael Hausman.

Obwohl die Band von den Kritikern immer wieder gelobt wurde, blieb der Erfolg beim Publikum aus. Nach und nach verließen die Gründungsmitglieder die Band. So tourte Aimee Mann mit verschiedenen Session-Musikern weiterhin unter dem Namen „’Til Tuesday“, bis sie sich 1992 dazu entschied, ihr erstes Solo-Album aufzunehmen. Der Schlagzeuger Hausman wurde ihr Manager, was er wohl bis heute noch ist.

Von ‚Til Tuesday erschienen drei Alben:

'Til Tuersday: Voices Carry (1985)

'Til Tuersday: Welcome Home (1986)

‚Til Tuersday: Voices Carry (1985)

‚Til Tuesday: Welcome Home (1986)

'Til Tuersday: Everything's Different Now (1988)

‚Til Tuersday: Everything’s Different Now (1988)

Und dann noch 1996 eine Retrospektive, d.h. ein Greatest Hits-Album.

Das Album „Everything’s Different Now“ enthielt mit dem Lied „The Other End (of the Telescope)“ (hier eine Aufnahme mit Aimee Mann live – November 3rd, 2008 – Cologne / Germany – E-Werk – natürlich ohne Costello) eine Zusammenarbeit mit Elvis Costello, der im Hintergrund singt.

Aimee Mann zu ihrer Gruppe: „’Til Tuesday was a rebellion against that [ihre erste Band Young Snakes, eine Punk-Gruppe] because after a while I realized that not following the rules was a rule in itself and more limiting than anything else. I wanted to hear some sweetness and some melody.“

Aimee Mann erkannte also, dass Ihre Punk-Phase, in der sie keiner [musikalischen] Regel folgen wollte, selbst eine Regel beinhaltete, die sie einengte. Es sollte also mehr ‚Melodie’ sein. Wenn ich Aimee Mann in den 80er Jahren kennen gelernt hätte, dann wäre sie wohl an mir ‚vorbeigerauscht’. New Wave (z.B. Talking Heads) lag mir nicht besonders, oft mit eintönig daher geklampften Gitarren und Synthies. Im Nachhinein entpuppte sich New Wave ja auch als Ausverkauf des Punk. Viele Bands ließen sich durch die großen Schallplattenfirmen korrumpieren. New Wave war zudem vor allem ein angelsächsisches Phänomen. Viele Gruppen, so auch ’Til Tuesday, blieben bei uns fast völlig unbekannt (dafür gab es als Ersatz die ‚Neue Deutsche Welle’). Erst die auf Solofüßen wandelnde Aimee Mann wurde auch in Deutschland bekannt – und fand so mein Interesse. Dazu später mehr.

Hier einige Live-Aufnahmen von ’Til Tuesday. Zunächst vom Debütalbum „Voices Carry“ der Titelsong, zu dem es einige ‚Aufregung’ gab, und ein weiteres Lied. Die Lieder wurden 1986 beim MTV Spring Break aufgenommen (weitere Lieder siehe unter youtube/TwinPeaksReader). Der Titelsong „Voices carry“ wurde übrigens öfter gecovert, u.a. von Tiffany, Carrie Underwood und Courtney Love:


Til Tuesday -Voices Carry Live 1986


Til Tuesday 1986 „Love In A Vacuum“

Weitere Lieder der Band live at The Ritz in New York, NY 1985:


Til Tuesday – I’ll Wait For You


Til Tuesday – Enough To Save You

Und hier noch zwei Aufnahmen von einem Konzert 1987 während der „Welcome Home“-Tour (zur 2. Scheibe der Band) aus Detroit:


Aimee Mann / Til Tuesday – „Yesterday“ live 1987


Til Tuesday – Looking Over My Shoulder / Sleeping And Waking live 1987

Fortsetzung folgt: Aimee Mann (3): Aimee & Family

Klaus Wagenbach: Franz Kafka – Bilder aus seinem Leben

Er selbst nennt sich „dienstälteste Kafka-Witwe“ und beschäftigt sich seit 1950 mit Franz Kafka: Klaus Wagenbach, Gründer des Verlags seines Namens, ein kleiner, aber feiner Verlag, dessen literarischer Schwerpunkt Italien ist. Neben seiner Forschung weist Wagenbach die wohl weltweit größte Sammlung an Dokumenten zu Kafka auf. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er einen Großteil der Fotosammlung zu Kafka in einem Buch veröffentlicht hat.

Klaus Wagenbach: Franz Kafka - Bilder aus seinem Leben

Klaus Wagenbach: Franz Kafka - Bilder aus seinem Leben

Klaus Wagenbach: Franz Kafka – Bilder aus seinem Leben

Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1983

Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2008
veränderte und erweiterte Ausgabe

Ich habe eine broschierte Ausgabe aus dem Jahre 1983 (ISBN 3 8031 3509 5) vorliegen, damals für 29,80 DM erstanden. Inzwischen gibt es eine gebundene, veränderte und sicherlich um viele Fotos erweiterte Ausgabe für 39 € (letzter Stand: 22. April 2008). Neben diesem Bilderbuch hat Klaus Wagenbach Kafka-Lesebücher und auch eine Biografie als Monografie über den Prager Dichter veröffentlicht: Wagenbach: Kafka

„Über fünfhundert, zum größten Teil bislang unbekannte Bilder aus dem Leben des Schriftstellers, der den stärksten Einfluß auf die heutige Literatur ausübte. Ein Lesebuch mit Bildern. Ein Bilderbuch zum Lesen.“ (aus dem Klappentext zur Ausgabe 1983)

Dieser Bildband ist ein absolutes Muss für jeden, der sich halbwegs ernsthaft für Franz Kafka interessiert und ist in seiner Art unerreicht, so sehr mir die beiden anderen Bildbände Jiří Gruša: Franz Kafka aus Prag und Rotraut Hackermüller: Das Leben, das mich stört auch gefallen. Es erstaunt mich immer wieder, was Klaus Wagenbach hier mit viel Liebe zum Detail zusammengetragen hat. Wie schön, dass es noch so viele Fotos mit Franz Kafka im Mittelpunkt gibt. Dazu gibt uns Wagenbach alle notwendigen Informationen. Ansonsten darf und kann man die Bilder als solches auf sich wirken lassen. Und immer wieder in dem Bildband stöbern.

Ich mag alte Fotografien, die uns ein Tor zu einer längst vergangenen Zeit aufstoßen, so wie z.B. das Foto meiner Mutter als Kind (Die Kinder von der Schnurgass‘), dass nun auch schon fast 90 Jahre alt sein dürfte. Und mit den Fotos aus Wagenbachs Kafka-Bilderband kommen wir durch das Eintauchen in eine andere, alte Zeit auch dem Menschen Kafka um einiges näher.

Um gewissermaßen auch meinen kleinen Beitrag zum Thema Kafka & Prag zu leisten, habe ich aus den drei genannten Bilderbänden Kafkas Prager Anschriften zusammengestellt. Hierzu gibt es in den Band von Klaus Wagenbach eine sehr schöne grafische Übersicht, anhand der ich die heutigen (tschechischen) Straßennamen ausfindig gemacht habe. Hier nun einen Auszug aus dem Prager Stadtplan (Teile der Altstadt – dank mapy.cz), der die dort bestandenen Wohnanschriften Kafkas aufführt (die Nummern entsprechen den Nummern in der Wagenbach-Übersicht):

Prag (heute) mit Kafkas Adressen in der Altstadt


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(3) Geburtshaus von Franz Kafka (Geburt am 3. Juli 1883) – Haus „Zum Turm“ (27/I) – Ecke Enge Gasse (später Maiselgasse)/Karpfengasse (heute: Maiselova/Kaprova) – das Haus wurde 1897/98 abgerissen, das Portal blieb erhalten – die Straße hieß zwischenzeitlich Rathausgasse (U Radnice), heute: Náměstí Franze Kafky (Franz Kafka Platz), Praha, Česká republika

1885-1888 ist Kafka dann mit den Eltern noch dreimal umgezogen: Wenzelsplatz 56, Geistgasse V/187 und Niklasstraße 6, alle Häuser sind abgerissen (lt. Wagenbach).

08/1888-05/1889 „Sixt“-Haus in der Zeltnergasse 2 (heute: Celetná)

06/1889-09/1896 (4) Haus „Minuta“ – Kleiner Altstädter Ring 2 (heute: Malé Náměstí)

09/1897-06/1907 (7) Haus „Zu den drei Königen“ – auch Geschäft des Vaters bis 1906 in der Zeltnergasse 3 (heute: Celetná)

— 1906-1912 (8) Geschäft des Vaters in der Zeltnergasse 12 (Celetná)

— ab 1912 (6) Geschäft des Vaters im Kinsky-Palais (Staroměstské Náměstí)

06/1907-11/1913 Haus „Zum Schiff“ in der Niklasstraße 36 (heute: Pařížská) – Haus ist nicht erhalten

11/1913-07/1914 (14) Oppelthaus am Altstädter Ring 6 (heute: Staroměstské Náměstí 5)

ab 03.08.1914 für vier Wochen (12) Bilekgasse 10 (heute: Bílkova) bei Schwester Valli

09/1914-09.02.1915 Nerudagasse 48 (Polská) bei der Schwester Elli im Stadtteil Vinohrady

10.02.-15.03.1915 nochmals (12) Bilekgasse 10 (heute: Bílkova) in eigener Wohnung

ab 15.03.1915-28.02.1917 (lt. Wagenbach) (13) Haus „Zum goldenen Hecht“ in der Langenstraße 18 (heute Dlouhá 16), hier hatte Kafka ein eigenes Zimmer


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Winter 1916/1917 Alchemistengasse (auch: (Goldmachergässchen)) Nr. 22 (heute: Zlatá ulička u Daliborky)

03-08/1917 Schönborn-Palais in der Marktgasse 15 (heute: Tržiště), heute Sitz der US-Botschaft


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zuletzt 05/1918-1924 (14) wieder Oppelthaus am Altstädter Ring 6 (heute: Staroměstské Náměstí 5), Franz Kafkas letzter Wohnsitz in Prag

Wer sich also einmal nach Prag aufmachen sollte, dem empfehle ich, auf den Spuren auch von Franz Kafka zu wandeln. In der Altstadt rund um den Altstädter Ring gibt es natürlich noch vieles mehr zu sehen. Und in der Maiselova 62/8 (unweit des Geburtshauses von Kafka) gibt es das Restaurant U Golema, um sich dort zu stärken.

Heute Ruhetag (5): Ritter von der traurigen Gestalt

Heute Ruhetag!

An einem Orte der Mancha, an dessen Namen ich mich nicht erinnern will, lebte vor nicht langer Zeit ein Junker, einer von jenen, die einen Speer im Lanzengestell, eine alte Tartsche, einen hagern Gaul und einen Windhund zum Jagen haben. Eine Schüssel Suppe mit etwas mehr Kuh- als Hammelfleisch darin, die meisten Abende Fleischkuchen aus den Überbleibseln vom Mittag, jämmerliche Knochenreste am Samstag, Linsen am Freitag, ein Täubchen als Zugabe am Sonntag – das verzehrte volle Dreiviertel seines Einkommens; der Rest ging drauf für ein Wams von Plüsch, Hosen von Samt für die Feiertage mit zugehörigen Pantoffeln vom selben Stoff, und die Wochentage schätzte er sich’s zur Ehre, sein einheimisches Bauerntuch zu tragen – aber vom feinsten! Er hatte bei sich eine Haushälterin, die über die Vierzig hinaus war, und eine Nichte, die noch nicht an die Zwanzig reichte; auch einen Diener für Feld und Haus, der ebensowohl den Gaul sattelte als die Gartenschere zur Hand nahm. Es streifte das Alter unsres Junkers an die fünfzig Jahre; er war von kräftiger Körperbeschaffenheit, hager am Leibe, dürr im Gesichte, ein eifriger Frühaufsteher und Freund der Jagd. Man behauptete, er habe den Zunamen Quijada oder Quesada geführt – denn hierin waltet einige Verschiedenheit in den Autoren, die über diesen Kasus schreiben –, wiewohl aus wahrscheinlichen Vermutungen sich annehmen läßt, daß er Quijano hieß. Aber dies ist von geringer Bedeutung für unsre Geschichte; genug, daß in deren Erzählung nicht um einen Punkt von der Wahrheit abgewichen wird. […]

Miguel de Cervantes Saavedra: Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha

siehe hierzu auch: Wilfredo A.: Gegen Windmühlen kämpfen

Where’s my Fucking Oscar Nomination?

Ja, morgen ist es soweit. Hollywood feiert wieder einmal sich selbst. Was in Diktaturen Orden sind, das ist in der Filmbranche der Oscar. Schauspieler wollen nicht nur viel Geld, nein Ruhm und Ehre, dafür lohnt es sich, Schauspieler zu sein. Und sei es nur, wenigstens einmal für den Oscar nominiert zu sein.

Nun gut, es sind nicht immer die gleichen Schauspieler, Regisseure, Drehbuchautoren, Kameraleute usw., die nominiert werden, obwohl ich manchmal diesen Eindruck habe: George Clooney, Brad Pitt, Glenn Close, Meryl Streep, Martin Scorsese, Woody Allen und wie sie alle heißen, diese Namen tauchen immer wieder auf. Dieses Jahr gibt es nun zwei Filme, die 11x bzw. zehnmal nominiert sind, also die ordentlich absahnen können: Hugo Cabret und The Artist (siehe auch meinen Beitrag: Magie des Kinos: The Artist).

Aber es gibt auch jede Menge gehörige Frustration. So ist zwar Steven Spielbergs Film Gefährten als bester Film nominiert. Aber sein Die Abenteuer von Tim und Struppi gehen leer aus. Auch Angelina Jolies Regierarbeit In the Land of Blood and Honey ist in keiner Sparte nominiert. Oder Leonardo DiCaprio in und als J. Edgar (Hoover). Um nur einige zu nennen.

    Ryan Gosling: Where’s my Fucking Oscar Nomination for Drive?

Seinen ganz besonderen Frust, für die Rolle in dem Film Drive nicht für den Oscar nominiert zu sein, macht jetzt Ryan Gosling auf noch besondere Art und Weise Luft. In den Medien kursiert ein Bild mit ihm und in fetten Buchstaben steht geschrieben: Where’s my Fucking Oscar Nomination for Drive? Ja, wo ist sie denn?

Da legt man sich so ins Zeug. Und für was? Für nichts? Sicherlich nicht. Aber, wie gesagt, die Kohle allein macht nicht glücklich. So ein verdammter Oscar macht sich eben nicht schlecht in der heimisch-heimeligen Vitrine.

Aimee Mann (1): The Young Snakes

Sie ist 1960 in Richmond, Virginia, USA geboren. Zunächst versuchte sie sich als Sängerin und Bassisten mit ihrer ersten Punk-Rock-Band „The Young Snakes“, war dann 1983 Mitbegründerin der New-Wave-Band „’Til Tuesday“, die 1985 mit ihrem ersten Album „Voices Carry“ einen bescheidenen Erfolg erzielte und in der Kategorie „Best New Artist“ den MTV Video Music Award gewann. 1990 löste sich die Band auf. Seitdem arbeitet sie solo. Die Rede ist von Aimee Mann, von der ich hier bereits mehrmals berichtet habe.

Heute ist Aimee Mann als Songwriterin und Sängerin ihrer eigenen Lieder bekannt. So habe ich sie auch mit dem Album „Bachelor No. 2 or The Last Remains of the Dodo“ im Jahre 2000 zum ersten Mal gehört. Ihre ersten Soloalben „Whatever“ (1993) und „I’m With Stupid“ (1995) habe ich erst jetzt in diesen Tagen kennen gelernt. Ihr letztes Album „@#%&*! Smilers“ stammt aus dem Jahr 2008. Die Arbeiten zu einem neuen Album sind angeblich im Dezember 2011 fertig geworden. Bekannt wurde Aimee Mann auch durch den Original-Soundtrack zum Film Magnolia (1999). Das Lied „Save Me“ (hier im Weißen Haus vorgetragen) war Oscar-nominiert. Übrigens hatte Aimee Mann 1998 einen Kurzauftritt als deutsche Nihilistin in dem Film The Big Lebowski von den Coen-Brüdern.

Musik von Aimee Mann

Die Aimee Mann vor ihrer Solokarriere war mir bisher völlig unbekannt. Aber dem Netz sei dank (besonders dank Youtube) gibt es doch das eine und andere Lied zu bewundern. Zunächst zu Aimee Manns erster Band, The Young Snakes, die in Boston gegründet wurde. Neben Aimee Mann (Gesang und Bass) spielten Doug Vargas Gitarre und Mike Evens (der Dave Bass ersetzt hatte) Schlagzeug. Von dieser Band erschien zunächst 1982 eine EP mit fünf Liedern Bark Along with the Young Snakes und 2004 das Sammelwerk The Young Snakes Featuring Aimee Mann, nachdem Aimee Mann solistisch erfolgreich wurde.

The Young Snakes - featuring Aimee Mann

The Young Snakes - featuring Aimee Mann

The Young Snakes – featuring Aimee Mann

Aimee Mann äußerte sich wie folgt zu ihrer ersten Band: „… a little punk noise-art outfit called the Young Snakes, which was reasonably unlistenable. … Which meant no melody, no chord progression, no sweetness, nothing that sounded good. And the material had to be really avant-garde–no songs about relationships.”

Keine Lieder über Beziehungen, aber avantgardistisch hatte es zu sein. Ist es irgendwie auch, ziemlich außergewöhnlich. Wenn ich das höre, werde ich an Captain Beefheart erinnert. Und bei Aimee Manns Stimme denke ich an die gute Nina Hagen.

Hier zwei Lieder – zunächst eines der fünf von der EP (anschließend das erste Lied von dem 2004 erschienen Sammelwerk der Gruppe):


The Young Snakes – Give Me Your Face


Young Snakes – Brains and Eggs

Natürlich lässt sich das kaum noch mit der Aimee Mann von heute vergleichen. Aber ich finde es schon interessant, welchen musikalischen (und auch stimmlichen) Weg sie vor ihrer Solo-Karriere bestritten hat.

Fortsetzung folgt: Aimee Mann (2): ’Til Tuesday