Mit dem Album ‚Whatever’ begann Aimee Mann 1993 ihre Solo-Karriere, nachdem sie zunächst jeweils als Gründungsmitglied bei der Punk-Band Young Snakes und anschließend bei der New Wave-Gruppe ’Til Tuesday (bis 1990) Bass spielte und sang. Mit den Jahren ist ihre Stimme deutlich gereift, das Timbre und ein leichtes Vibrato der Stimme macht sie unverwechselbar. Auch hat Aimee Mann ihren Stil geändert.
Musik von Aimee Mann
Aimee Mann gibt uns ein gutes (oder eher schlechtes) Beispiel dafür, was man von der Musikindustrie halten kann. Da sie von ihrem Plattenlabel die Nase voll hatte, sich von diesem ungenügend unterstützt, ja durch der Einmischung in ihre Arbeit enttäuscht sah (dokumentiert in Liedern wie „Calling it Quits“ und „Nothing is Good Enough“), gründete sie 1999 ihr eigenes Label SuperEgo Records (siehe den Youtube-Kanal) und veröffentlichte ihr Album „Bachelor No. 2“ in Eigenregie. So ist es kein Wunder, dass Aimee Mann Gründungsmitglied von United Musicians wurde, einem Zusammenschluss von Musikern, die sich dafür einsetzen, dass jeder Künstler im Besitz der Urheberrechte an seinen Werken bleiben soll (im Unterschied z.B. zum deutschen Urheberrecht werden die Entscheidungs- und Verwertungsrechte über ein Werk in den USA oft nicht dem Urheber, also Künstler, zugestanden, sondern den wirtschaftlichen Rechteverwertern, z.B. der Plattenfirma).
Wie gesagt: Ihr Stil wandelte sich mit den Jahren und wurde jetzt gern auch unter Berücksichtigung ihres Kampfes um mehr Unabhängigkeit für Musiker als ‚more Indie than Indie’ bezeichnet. Mit Aimee Mann, ihrem Ehemann Michael Penn, dem Bruder des Schauspielers Sean Penn (1997 haben beide geheiratet), und weiteren Musikern entwickelte sich eine eigene Musikszene rund um den Largo Nightclub in L.A., deren Stil man auch ‚Acoustic Vaudeville’ nannte. Spätestens mit dem Album „Bachelor No. 2“ (2000) wurde Aimee Mann auch in Deutschland – auf die Singer/Songwriter-Schiene gesetzt – bekannt und erfolgreich. Für mich ist sie, ähnlich wie Ry Cooder, eine markante Vertreterin US-amerikanischer Musik, einer Musik, die neben europäischen auch anderen Einflüssen als unsere Musik unterliegt.
Hier zunächst ihre Solo-Alben im Überblick:
Whatever (1993)
I’m With Stupid (1995)
Magnolia (Album) (Original-Soundtrack zum Film Magnolia) (1999)
Bachelor No. 2 or the Last Remains of the Dodo (2000)
Lost in Space (Album) (2002)
Lost in Space Special Edition (2004)
Live at St. Ann’s Warehouse (Livealbum/DVD) (2004)
The Forgotten Arm (2005)
One More Drifter in the Snow (2006)
@#%&*! Smilers (2008)
Natürlich ist es nicht nur die Musik, die für Aimee Mann spricht. Fast mehr noch sind es ihre Texte. So ist das Album „The Forgotten Arm“ ein Konzept-Album, in dem die Geschichte zweier Charaktere erzählt wird, die miteinander davonlaufen, um ihren Probleme zu entkommen, aber die mit mehr Problemen enden, als sich das jeder von ihnen hätte vorstellen können.
„Die fundamentale Einsamkeit und Beziehungsunfähigkeit, die aus solchen Zeilen spricht, ist ein Leitmotiv in Aimee Manns Songs. Dahinter steht eine tiefe Skepsis gegenüber der modernen Ideologie von Bindungslosigkeit und Selbstverwirklichung, aber auch der verletzliche, ehrliche Stolz der Außenseiterin, die beschlossen hat, ihren ganz eigenen Weg zu gehen: ‚Als ich sehr jung war, war ich ein großer Elton-John-Fan. Ich versuchte damals schon Songs zu schreiben, aber sie waren richtig schlecht, weil ich es nicht schaffte, meine eigenen Gedanken in den Songs unterzubringen. Viele junge Leute verbergen das, was sie denken, weil sie nicht wirklich daran glauben, und dann verbirgst du es irgendwann vor dir selbst und fängst an, Rollen zu spielen. Ich habe mich entschieden, es anders zu versuchen. Der beste Weg, mit einer schwierigen Situation umzugehen, ist manchmal, nicht daran teilzunehmen. Das gilt auch fürs Musikgeschäft. Du entscheidest dich, was du wirklich willst, und dann solltest du es einfach tun.’“ (Quelle: michaelsailer.de)
Aber genug erzählt. Lassen wir Aimee Mann sehen und hören. Hier als kleiner Querschnitt einige Videos mit ihrer Musik aus den Solo-Alben:
Aimee Mann: Mr. Harris (Whatever)
Aimee Mann: Long Shot (I’m With Stupid)
Aimee Mann: Save Me (Magnolia-Soundtrack und Bachelor No. 2)
Aimee Mann: How Am I Different (Bachelor No. 2 …)
Aimee Mann: Pavlov’s Bell (Lost in Space)
Aimee Mann: 4th of July (live at St. Ann’s Warehouse)
Aimee Mann: Video (The Forgotten Arm)
Aimee Mann: Freeway (@#%&*! Smilers)
Aimee Mann: 31 Today (@#%&*! Smilers) mit Morgan Murphy
Seit 1997 ist Aimee Mann – wie erwähnt – mit Michael Penn verheiratet, der ebenfalls als Singer/Songwriter in den USA erfolgreich ist (hier das Video zu This & That, in dem Michael Penn von seinem Bruder Sean vorgestellt wird). Zudem hat Aimee Mann eine fünf Jahre jüngere Schwester (Halbschwester, um genau zu sein), die in Minnesota lebt, namens Gretchen Seichrist (what a name!). Diese ist wohl in erster Linie Malerin, hat aber auch schon zwei Musikalben unter dem Namen Patches & Gretchen herausgebracht (hier zwei Hörproben und der Youtube-Kanal). Übrigens: Das Lied „Medicine Wheel“ (auf Aimee Manns Album „@#%&*! Smilers“) ist eine Komposition von Aimee Mann zu einem Gedicht von Gretchen Seichrist, das ihr diese einmal per eMail zugesandt hatte (normalerweise schreibt Aimee Mann erst die Musik und dann den Test dazu – Quelle: www.aimeemann.com/messageboard).
Gretchen Seichrists Stimme ist weniger ausgebildet als die von Aimee Mann. Manchmal klingt sie wie ein weiblicher Lou Reed, so wie in der folgenden Aufnahme:
Sugar Head Pie – Patches and Gretchen
Sie hat sich auch an Coverversionen von Bob Dylan gewagt, recht eigenwillig, skurril und rau vorgetragen, ohne Zweifel aber sehr aufschlussreich und jenseits des Mainstreams. Als hauptsächlichen Einfluss nennt Gretchen Seichrist übrigens neben Dylan Patti Smith und „sister Golden Hair” Aimee Mann. Eine schwesterliche Liebe.
Dirge – Patches & Gretchen w/Scarlet Rivera Live at the Dakota, 9-14-2010