Archiv für den Monat: März 2012

Frühlingsanfang 2012

Mögen die Nächte auch noch frisch sein, so ist es nicht zu übersehen, dass der Frühling Einzug hält. Heute um 6 Uhr14 MEZ ist der astronomische Frühlingsanfang. Die ersten Blumen blühen bereits seit einigen Wochen, jetzt sprießt auch endlich das erste Grün. So kann Ostern kommen. Die Wetteraussichten für die nächsten Tagen versprechen einiges an Sonne. So werden sich die Schüler (und Mitte der nächsten Woche auch ich) freuen, bald Ferien zu haben.

AlbinZ Garten: Frühlingsanfang 2012

AlbinZ Garten: Frühlingsanfang 2012

AlbinZ Garten: Frühlingsanfang 2012

AlbinZ Garten: Frühlingsanfang 2012

AlbinZ Garten: Frühlingsanfang 2012

AlbinZ Garten: Frühlingsanfang 2012

AlbinZ Garten: Frühlingsanfang 2012

Kafka „kehrt zur Natur zurück!“

Ab Mitte 1979 erschien für 20 Jahre im Wagenbach-Verlag Freibeuter, eine Vierteljahreszeitschrift für Kultur und Politik – herausgegeben u.a. von Klaus Wagenbach. Die Nr. 16 aus 1983 hatte als Schwerpunktthema Franz Kafka nachgestellt:

Kafka geht ins Kino – Die Ostseereise – Kafka und Casanova – Erfolgreiche und weniger erfolgreiche Verwandte – Drei Sanatorien Kafkas.

Kafka war „schon viel in Sanatorien herumgekommen“, so schreibt er in einem Brief vom 1. November 1912 an seine spätere Braut Felice Bauer. Eine „allgemeine Schwäche“ oder „Neurasthenie“ nennt er als Grund. „Die Naturheilkunde – Wasser, Licht, Luft, gesundes Essen, körperliche Bewegung, ‚Reformkleidung’ – war damals nicht nur Mode, sondern eine verständliche Antwort auf die dumpfe Luft spätwilhelminischer Wohnzimmer, die riesigen, fetten Fleischmengen auf den bürgerlichen Mittagstischen, auf Wasserscheu und Sonnenangst, Fischbeinkorsett und Schnurrbartbinde, Vatermörder und Schnürstiefel. Und die ‚Neurasthenie’ war nicht nur eine Modekrankheit empfindsamer Kaufmannssöhne und -gattinnen, sondern die ‚Zeitkrankheit’ im besten Wortsinn.“ (so Klaus Wagenbach in Freibeuter 16, S. 77).

So kam es, dass Franz Kafka sich im Juli 1912 drei Wochen im Harz aufhielt und dort in Just’s Jungborn, zwischen Ilsenburg und Harzburg gelegen, Postanschrift: Just, Stapelburg (Bahnstation Eckerthal), „zur Natur zurückkehrte“.

Jungborn um 1900

Jungborn im Eckertal zwischen Bad Harzburg und Stapelburg

Jungborn im Eckertal zwischen Bad Harzburg und Stapelburg

Die Kuranstalt war am 21. Juni 1896 eröffnet worden, wurde zwischen 1943 und 1945 Kinderlandverschickungslager, 1944 auch Lazarett und wurde dann im Mai 1945 beschlagnahmt. 1964 erfolgte der Abriss im Zuge der innerdeutschen Grenzsicherung, da sich die Häuser der Kuranstalt auf dem Gebiet der DDR befanden – unmittelbar an der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland; heute ist dies die Ländergrenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

Bevor Kafka nach Jungborn im Harz kam, hatte er gemeinsam mit seinem Freund Max Brod die ‚klassischen Stätten’ in Weimar besichtigt und dabei die beiden jungen Verleger Ernst Rowohlt und Kurt Wolff kennengelernt. Rowohlt zeigte ein ernsthafte Interesse, ein Buch von Kafka zu verlegen. Während seines Aufenthaltes in Jungborn überlegte er, was er dem Verleger anbieten könne. Zunächst dachte er an seinen ‚amerikanische Roman’, entschloss sich dann aber doch dazu, ältere Erzählungen zu einem Band zusammenzustellen. Daraus wurde dann „Betrachtung“, dass noch im gleichen Jahr erschien, das erste Buch Kafkas. Dafür dachte Kafka daran, den ‚Verschollenen’ (‚Amerika’) neu zu entwerfen. So schreibt Kafka in seinem ersten Brief an Max Brod: „Es gefällt mir hier ganz gut, gut, die Selbständigkeit ist so hübsch und eine Ahnung von Amerika wird diesen armen Leibern eingeblasen.“ Das Manuskript der ersten Fassung vernichtete Kafka und begann im September 1912 eine zweite, die uns überliefert ist.

„Für die Neukonzeption des Romans waren mit Sicherheit die Erlebnisse im Jungborn mitbestimmend, insbesondere die dort diskutierten panchristlichen Ideen und das dort täglich mit Nacktkultur, Lehmpackungen, Lichtlufthäuschen und vegetarischer Küche aufgeführte Naturtheater. Nicht von ungefähr heißt es in den ersten Zeilen des Romankapitels ‚Das Naturtheater von Oklahoma’: ‚Auf nach Clayton!’ Auf also nach Lehmstadt, wobei clay zugleich auch Erde heißt, Staub und irdische Hülle im religiösen Sinn – genauso wie es der Sanatoriumsinhaber Adolf Just sah (in seinem 1896 erschienenen und in zahlreichen Auflagen verbreiteten Buch ‚Kehrt zur Natur zurück!’): ‚Der Mensch ist aus Erde gemacht, alles, was er zu seinem Lebensunterhalt nötig hat, entsteht aus der Erde’, mit ausdrücklichem Verweis auf Moses 2,7 und 3,19. Deswegen empfahl Just auch Wickel mit ‚reinem, tiefgegrabenem Lehm’, Fußbäder, Gurgeln und ebenso die ‚innere Anwendung der Heilerde bei allen Krankheiten’.“ (Freibeuter 16: Jungborn, Heimstätte und Musteranstalt für reines Naturleben – Klaus Wagenbach, S. 82)

Diese biographische Konstellation widerspricht ziemlich den Worten in dem Artikel Wie Franz Kafka am Nordrand des Harzes seine Schreibkrise überwand, erschienen am 6. Dezember 2003 in der Volksstimme; u.a. heißt es dort: „Der schreibmüde Kafka fand in Justs Jungborn am Harzrand zu alter Schaffenskraft zurück.“ Sicherlich wurde Kafka während seines Aufenthalts inspiriert; Auftrieb gab vor allem die Gewissheit, bald ein eigenes Buch veröffentlicht zu sehen.

„‚Kehrt zurück zur Natur’ war das Motto des Sanatoriums, in dessen Therapie Bewegung an frischer Luft und Naturheilverfahren im Vordergrund standen. Die Kurgäste wohnten in Lufthäuschen, besuchten die Gesellschafts- und Badehäuser und nahmen ihr aus Rohkost, Obst und Nüssen bestehendes Essen in großen, lichtdurchfluteten Speisesälen ein. Gemäß der Erkenntnis ‚Gesundheit ist nicht alles – ohne Gesundheit ist alles nichts!’ absolvierte der Jungborn-Gast allmorgendlich in Luftparks, nach Geschlechtern getrennt, Freiübungen, die von Gesang und Spiel begleitet waren. Als weitere Anwendungen standen Luft- und Sonnenbäder, Heilerde-Kuren, Massagen, Gymnastik und Atemübungen auf dem Programm. Jeder Jungborn-Gast bekam seiner Veranlagung und seinem Zustand entsprechend eine besondere Kur verordnet, ausgerichtet auf die vier Urelemente Licht, Luft, Lehm und Wasser. Der Gast sollte damit zur Besinnung auf das Wesentliche geführt werden, zur Hinkehr auf die natürliche Einfachheit im Denken und Leben.“ (aus: Stapelburger Grenzgeschichten und das Eckertal)

„… Nackte liegen still vor meiner Tür. Alle bis auf mich ohne Schwimmhose“, schreibt Kafka in sein Tagebuch vom 8. Juli 1912. Der Anblick von so vielen Nackten wirkte auf ihn zunächst irritierend: „Hie und da bekomme ich leichte oberflächliche Übelkeiten, wenn ich, meistens allerdings in einiger Entfernung, diese gänzlich Nackten langsam zwischen den Bäumen sich vorbeibewegen sehe. Ihr Laufen macht es nicht besser. – Jetzt ist an meiner Tür ein ganz fremder Nackter stehen geblieben und hat mich langsam und freundlich gefragt, ob ich hier in meinem Hause wohne, woran doch kein Zweifel ist. – sie kommen auch unhörbar heran. Plötzlich steht einer da, man weiß nicht, woher er gekommen ist. – Auch alte Herren, die nackt über Heuhaufen springen, gefallen mir nicht. Abends Spaziergang nach Stapelburg. Mit zweien, die ich einander vorgestellt und empfohlen habe. Ruine. Rückkehr 10 Uhr. Zwischen den Heuhaufen auf der Wiese vor meiner Hütte einige schleichende Nackte, die in der Ferne vergehen. In der Nacht, als ich durch die Wiesen nach dem Kloset wandere, schlafen drei im Gras.“ (11. Juli 1912). Dann fand er zum gesundheitsfanatischen Treiben auf dem Gelände schnell den passenden ironischen Ton: „Wie ein wildes Tier jagt plötzlich ein Greis über die Wiese und nimmt ein Regenbad.“ (19. Juli 1912). Am 15. Juli 1912 notiert Kafka: „…Ohne Schwimmhosen. Exhibitionistisches Erlebnis… Die große Beteiligung des nackten Körpers am Gesamteindruck des Einzelnen…..“

Kafka wohnte in einer nach drei Seiten offenen Hütte: „Mein Haus heißt ‚Ruth’. Praktisch eingerichtet. 4 Luken, 4 Fenster, 1 Tür.“ (8. Juli 1912). Er half bei der Kirschenernte und auch beim Mähen des Grases (12. Juli: „Heu aufgeladen“– 13. Juli: „Kirschen gepflückt“ und 14. Juli: „Kirschen gepflückt auf Leiter mit Körbchen. Hoch im Baum oben gewesen.“). Über sein Begegnung mit dem Anstaltsleiter schreibt er am 12. Juli. „Der alte blauäugige Adolf Just, der alles mit Lehm heilt und mich vor dem Arzt warnt, der mir Obst verboten hat.“

Kafka betrachtet seine Mitpatienten, hält dieses in seinem Reisetagebuch ausführlich fest und führt auch interessante Gespräche (9. Juli 1912: „Das immerwährende grundlose Bedürfnis, sich anzuvertrauen.“). Viel anderes bleibt auch kaum zu tun, denn außer Natur ist wenig für Unterhaltung gesorgt im Jungborn. Kafka, der eigentlich ungesellige Mensch, taut hier geradezu auf. So schrieb er am 22. Juli 1912 an seinen Freund Max Brod: „Sag nichts gegen die Geselligkeit! Ich bin auch der Menschen wegen hergekommen und bin zufrieden, dass ich mich wenigstens darin nicht getäuscht habe. Wie lebe ich denn in Prag! Dieses Verlangen nach Menschen, das ich habe und das sich in Angst verwandelt, wenn es erfüllt wird, findet sich erst in den Ferien zurecht; ich bin gewiß ein wenig verwandelt.“

Am Abend des 16. Juli 1912 besucht Kafka das Schützenfest in Stapelburg. Die Erlebnisse hier fließen wie bereits erwähnt später in das Kapitel „Das Naturtheater von Oklahoma“ seines Amerika-Romans mit ein.

Übrigens gibt es das ‚neue“ vegetarische Kochbuch von Adolf Just, dem Gründer von Jungborn, im Internet: „Der Jungborn-Tisch“

Siehe auch meinen Beitrag: Rotraut Hackermüller: Das Leben, das mich stört

Heute Ruhetag (8): Äsop – Der Fuchs und der Holzhacker

Heute Ruhetag!

Ein vor Jägern fliehender Fuchs fand, nachdem er lange in der Wildnis herumgelaufen war, endlich einen Holzhacker und bat denselben inständig, ihn doch bei sich zu verbergen. Dieser zeigte ihm seine Hütte, worauf der Fuchs hineinging und sich in einem Winkel versteckte. Als die Jäger kamen und sich bei dem Manne erkundigten, so versicherte dieser zwar durch Worte, er wisse nichts, deutete aber mit der Hand nach dem Orte hin, wo der Fuchs versteckt war. Allein die Jäger hatten nicht darauf geachtet und entfernten sich sogleich wieder. Wie nun der Fuchs sie fortgehen sah, ging er wieder heraus, ohne etwas zu sagen; und als der Holzhacker ihm Vorwürfe machte, daß er ihm, durch den er doch gerettet worden sei, keinen Dank bezeuge, drehte sich der Fuchs nochmals um und sprach: »Ich wüßte dir gerne Dank, wenn die Werke deiner Hand und deine Gesinnung mit deinen Reden im Einklange ständen.«

Die Fabel geht diejenigen an, die zwar die Rechtschaffenheit im Munde führen, durch ihre Handlungen aber das Gegenteil an den Tag legen.

Äsop: Fabeln (Der Fuchs und der Holzhacker)

Heiraten in Schottland

Es gibt Steuerparadiese und es gibt, ja auch, Hochzeitsparadiese. Viele kennen Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada. Aber auch in Europa gibt es einen solchen Ort, eigentlich nur ein Dorf im Süden Schottlands: Gretna Green.

‚Hochzeit’ beim Blacksmith in Gretna Green 16.08.1985

Warum gerade Gretna Green? Auf der alten Postkutschenroute von London nach Edinburgh war Gretna Green in alten Zeiten das erste Dorf in Schottland. „Im Jahre 1753 verabschiedete das britische Parlament den Lord Hardwicke’s Marriage Act, der unter anderem für eine Heirat zwischen Minderjährigen die Einwilligung der Eltern forderte. Dieses Gesetz galt nur für England, nicht aber in Schottland. Dort durften weiterhin Jungen mit 14 und Mädchen mit 12 Jahren eine Ehe ohne elterliche Zustimmung schließen. So flohen viele minderjährige Paare aus England über die englisch-schottische Grenze – und das erste Dorf hinter der schottischen Grenze war … Gretna Green. In Gretna Green hatte sich der Schmied als Amtsperson für die Eheschließung etabliert. Die Hochzeiten fanden in seiner Schmiede statt und der Amboss bekam bei den dortigen Trauungen eine besondere Bedeutung.“

„Ab 1856 verlangte das schottische Gesetz, dass die Ehepaare vor der Eheschließung sich mindestens 21 Tage in Schottland aufgehalten haben müssen. Diese Regelung wurde 1977 wieder aufgehoben. 1929 wurde das Mindestalter für eine Eheschließung auf 16 Jahre heraufgesetzt, wobei immer noch keine elterliche Einwilligung verlangt wird.“

Heute darf eine staatlich anerkannte Trauung nur ein Standesbeamter (Registrar) ausführen. Beim Schmied heiratet man zwar auch noch, aber nur ‚der Vollständigkeit halber’, wenn man schon amtlich verheiratet ist oder – wie meine damalige Freundin und heutige Frau und ich – aus Spaß (siehe Foto oben). Allerdings hatten wir vor unserem Schottland-Urlaub 1985 tatsächlich die Absicht gehabt, auch standesamtlich in Gretna Green zu heiraten. Deshalb hatten wir uns bei der damaligen und wohl auch noch heute amtierenden Standesbeamtin in Gretna, Miss Pat Bryden, die inzwischen auch MBE, also Mitglied des Order of the British Empire ist, alle nötigen Formulare und Informationen zusenden lassen. Wenn man ab und zu aufräumt, findet man die kuriosesten Dinge: Ich fand die 1985 an meine Freundin gesandten Unterlagen wieder:

Marriage Notice - Marriage (Scotland) Act 1977 mit Umschlag/Gebührenübersicht und Anschreiben

Leaflet (Flyer): Marriage in Scotland

Marriage Notice – Marriage (Scotland) Act 1977 mit Umschlag/Gebührenübersicht und Anschreiben

Leaflet (Flyer): Marriage in Scotland

ACHTUNG: Die Unterlagen kann man heute natürlich nicht mehr verwenden. Außerdem hat sich seit 1985 auch einiges getan. So ist das Standesamt von der Annan Road 1991 in die Central Avenue umgezogen; die neue Anschrift lautet:

GRETNA REGISTRARS OFFICE
Central Avenue
Gretna
Dumfries And Galloway
DG16 5AQ


Gretna – Central Avenue (Gretna Registration Office)

Außer den neuen (auch größeren) Räumlichkeiten haben sich natürlich auch die Gebühren für eine Heirat stark nach oben verändert. Formulare und weitere Informationen gibt es natürlich heute online bei gretnaonline.net (Vorsicht: Man sollte den Internet Explorer benutzen, bei allen anderen Browsern gibt es Probleme).

Heute werden an die 5000 Ehe im Jahr in diesem kleinen Ort geschlossen. Auch viel Prominenz aus dem Ausland ist dabei. So hat vor vielen Jahren unser grüner Ex-Bundesaußenminister Joschka Fischer wohl eine seiner (sind es jetzt schon) sieben Ehen in Gretna Green geschlossen.

Deutschlandhalle Berlin – Emerson, Lake & Palmer 1972

Im Juni 1972, also vor fast 40 Jahren, war ich mit meinem Ausbildungslehrgang für fünf Tage in Berlin. Berlin war in den 70er und 80er Jahren sehr beliebt für solche Lehrgangs- und Klassenfahrten, da es durch die besondere Lage West-Berlins ziemlich hohe Zuschüsse für solche Fahrten gab. Dafür musste man sich aber mindestens einen längeren Vortrag über die Stadt im Umfeld der DDR anhören.

Emerson, Lake & Palmer: Deutschlandhalle 06.06.1972

In dieser Woche nun, gab es gleich zwei Konzerte von Emerson. Lake & Palmer (ELP) in der Stadt, eines in der Deutschlandhalle und eines draußen unter freiem Himmel in der Waldbühne. ELP war eine Supergroup des Progressive Rocks und besonders durch die Keyboards von Keith Emerson geprägt. Dieser neigte gewissermaßen zum Größenwahn, was sich nicht nur in einer übergroßen PA-Anlage und unzähligen Tasteninstrumenten auf der Bühne zeigte, sondern auch in seinem Vortrag. Trotzdem war es natürlich beeindruckend, die drei live mitzuerleben. Aus dem umfangreichen Gesamtwerk der Gruppe ragt das Livealbum Pictures At An Exhibition heraus, auf dem ELP die Bilder einer Ausstellung des russischen Komponisten Modest Mussorgski neu interpretierten.


EMERSON LAKE & PALMER (ELP) – Knife Edge


Emerson, Lake & Palmer Pictures at an Exhibition (Part 2 of 4) 12-9-70 Lyceum

Sowohl die Waldbühne wie auch die Deutschlandhalle, 1935 „größte Mehrzweckhalle der Welt“, stammen aus der Zeit des Nationalsozialismus und wurden zu den Olympischen Spielen 1936 gebaut. Die Deutschlandhalle wurde 1943 nach einem Luftangriff zerstört, nach dem zweiten Weltkrieg aber wieder aufgebaut. Obwohl die Halle unter Denkmalschutz steht, soll sie nun endgültig abgerissen werden. Mit der Sprengung der Hallendecke am 3. Dezember 2011 begann die letzte Phase der Abrissarbeiten.

Die 117 Meter lange und 83 Meter breite Stahlkonstruktion bot Platz für bis zu 10.000 Zuschauer; unter Ausnutzung des Innenraums passten bis zu 16.000 Menschen hinein. Zuvor war ich in keiner größeren Halle gewesen; empfand die Halle zwar als zweckmäßig, aber auch als reichlich steril. Die Akustik war für eine solche Halle nicht allzu schlecht. Nun ich war nur einmal in der Halle, an diesem besagten 6. Juni 1972, aber wenn man vom Abriss eines solchen Gebäudes hört, dann erinnert man sich doch an die alten Tage. Immerhin fanden neben dem ELP-Konzert hier auch viele andere Rock-Konzerte statt, so auch dreimal mit Jethro Tull: am 24. Januar 1971 zuerst, dann am 18. Januar 1972 und nochmals am 5. April 1982.


Sprengung des Dachs der Deutschlandhalle

Hier noch eine Audio-Aufnahme von einem Konzert mit Jim Hendrix vom 4. September 1970 – eben in dieser Deutschlandhalle:


Audio Recorded Love JIMI Live @ The ‚Super Concert 70‘, Deutschlandhalle, Berlin (West), Germany on September 4th 1970

Heute Ruhetag (7): Giovanni Boccaccio – Decamerone

Heute Ruhetag!

Nach einem Kirchgang beschließen sieben kluge junge Damen aus gutem Hause, sich für einige Tage aufs Land zurückzuziehen, und sie laden drei junge Männer ein, mitzukommen. Sie bleiben zwei Wochen lang und erzählen sich außer freitags und samstags jeden Tag zehn Geschichten.

Einmal begab es sich, daß eine von den anderen Nonnen aus dem Fenster ihrer Zelle den Handel gewahr ward und noch zwei anderen zeigte, was vorging. Sie dachten zuerst daran, der Äbtissin alles zu verraten. Doch besannen sie sich eines Bessern und beackerten mit ihren beiden Gespielinnen gemeinsam Masettos Acker. Durch Zufall wurden auch die drei übrigen Nonnen Teilnehmerinnen an dem Geheimnis, so daß nur noch die Äbtissin die einzige war, die nichts davon wußte. Indem nun diese einmal, wie es schwül war, allein im Garten wandelte, fand sie Masetto, den die Reitübungen der Nacht mehr als die Arbeiten des Tages ermüdet hatten, unter einem Mandelbaume liegen. Der Wind hatte ihm die leichten Kleider vorne ganz zurückgeweht, so daß er bloß dalag und die Äbtissin, die sich allein befand, einiges sehen ließ, das in ihr die gleichen Begierden weckte, die ihre Nonnen überfallen hatten. Sie weckte den Schläfer, nahm ihn mit in ihre Zelle und ließ ihn in einigen Tagen nicht von sich; zum nicht geringen Verdruß der Nonnen, die sich sehr beklagten, daß der Gärtner nicht kam und ihren Garten begoß. […]

Giovanni Boccaccio: Decamerone (aus: 5. Novelle – Masetto von Lamporecchio stellt sich stumm, wird Gärtner in einem Nonnenkloster, wo die Nönnchen eine nach der andern bei ihm liegen)

Leben

Lyrik ist nicht so mein Ding, was nicht heißen soll, dass ich keine Gedichte lese. Gedichte haben nämlich oft etwas, das manchmal im dicksten Roman nicht herüberkommen will: Prägnanz. Hier werden Gedanken in aller nötigen Kürze auf den Punkt gebracht.

Natürlich habe ich mich auch schon ‚in Gedichten’ versucht. Eigentlich ist das lange her. Da ich gerade meine alten Aufzeichnungen aus dem Jahre 1982 am Wickel hatte, um die Prag-Tour mit einem Freund aufzuarbeiten, kam ich nicht umhin, auch noch etwas weiter darin zu blättern. So fand ich das folgende, wahrlich prägnante Gedicht aus meiner Feder, das ich vor nun fast 30 Jahren schrieb:

Leben

Ich bin ein Kaugummi –
kau mich
und ich gebe Dir Geschmack.

Ich bin ein Strohhalm –
lutsch mich
und ich gebe Dir Halt.

Ich bin ein Grab –
begrab Dich
und ich gebe Dir Frieden.
© Wilfried Albin 30.11.1982 (21:55)

    Wilfried Albin: Leben (1982)

Okay, einen literarischen Wert messe ich dem Gedicht nicht zu. Aber aufschlussreich finde ich es allemal. Es hat einem sarkastischen Unterton von einer Art, den ich heute so nicht mehr hinbekommen werde. Der Duktus ist nach 30 Jahren ein anderer. Heute neige ich zu einem gewissen Ausschweifen. Vielleicht schreibe ich ja aus diesem Grund keine Gedichte mehr.

Kleinkrieg in Tostedt?

Es ist schon etwas her, was in Tostedt, Ortsteil Todtglüsingen geschah: Am Samstag, den 11.2., wurde lt. Polizeipresseartikel „gegen 23.45 Uhr […] die Polizei in die Rosenstraße gerufen. Dort war es vor einem Mehrfamilienhaus, in dem auch ein amtsbekannter Rechtsextremist wohnt, zu mehreren Schussabgaben gekommen.
[…] Bei der Sachverhaltsaufnahme wurde bekannt, dass sich bereits am Nachmittag, gegen 16.30 Uhr ein solcher Vorfall ereignet hatte.

Am Sonntagabend [12.02.2012], gegen 23.35 Uhr wurde die Polizei erneut alarmiert. Wieder wurden mehrere Schüsse in der Straße abgefeuert. […]
Die Polizei hat Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleitet. Bislang gibt es keine Spur zu den Tätern. Die Beamten des Staatsschutzes sind mit den Ermittlungen befasst.“ (Quelle: presseportal.de/polizeipresse)

Am Tatort wurden übrigens Hülsen einer Schreckschussmunition sicherstellen.

Obwohl die Täter unbekannt sind, warnt die Polizei „vor einer drohenden Gewalt-Eskalation zwischen Links- und Rechtsextremen in Tostedt. ‚Die jüngsten Entwicklungen beunruhigen uns sehr’, sagte Uwe Lehne, Leiter der Polizeiinspektion Harburg […]. Nachdem das Oberlandesgericht Celle das Urteil gegen den Rechtsextremen Stefan Silar aufgehoben hat […], haben offenbar gezielte Provokationen aus der linken Szene zugenommen. Zuletzt griff die Polizei in der Nacht zu vergangenem Samstag [18.02.2012] eine Gruppe von 13 Mitgliedern der Antifa-Szene aus der gesamten Region auf. Bei der Überprüfung der Personalien kam es zu einem Handgemenge, in dessen Folge ein Polizist stürzte und sich den Arm brach. Ein anderer Beamter verletzte sich an der Hand […] :“ (Quelle: Kreiszeitung Nordheide Wochenblatt vom 22.2.2012 – Nr. 8 – 41. Jg – S. 1)

Der Polizeichef, Herr Lehne, ist bekanntlich auf dem rechten Auge stark kurzsichtig, zumindest suggeriert die Aussage von Herrn Lehne, dass die Schüsse von Mitgliedern der Antifa abgegeben wurden, obwohl dies nicht einmal ansatzweise belegt ist. Schreckschusswaffen werden im Übrigen gern in der rechten Szene benutzt (Der Neo-Nazi Silar hantierte verbotenerweise mit einer solchen Waffe).

Wer hat also jetzt in Tostedt (im Ortsteil Todtglüsingen) mehrmals vor dem Haus, in dem der Rechtsextreme Silar wohnt, geschossen? Einiges spricht durchaus für Mitglieder der linksgerichteten AntiFa. Nachdem die im Gemeinderat vertretenen Partei zu einer Demonstration gegen Rechts aufgerufen hatten und über 1000 Bürger diesem Aufruf gefolgt waren (Tostedt wehrt sich gegen Neonazis), sah sich die AntiFa wohl aufgefordert, selbst wieder „das Heft in die Hand“ zu nehmen, sprich: eigene Aktionen gegen Silar und Co. durchzuführen.

Schaut man sich im Internet die einschlägigen Websites der rechtsextremen Szene rund um Tostedt an, dann verwundert es schon, dass die Schussabgaben vor dem Silar-Haus mit keinem Wort erwähnt werden. In tostedtgegenlinks findet sich als Letztes ein Bericht über einen „wiederholte[n] Farbanschlag auf das Geschäft Streetwear-Tostedt“, also dem Laden von Herrn Silar. Mehr nicht. Und im infoportal-nordheide wird zuletzt von der Razzia bei Mitgliedern der rechtsextremen Szene (u.a. auch in Tostedt – siehe unten) berichtet. Nichts von Schüssen gegen Silar.

Auf de.indymedia.org, eine unabhängige Medienplattform, das von der linken Szene genutzt wird, findet sich ein interessanter Hinweis: Ist Herr Silar vielleicht ein V-Mann und kommen die Schüsse gegen ihn wegen Rache aus der rechten Szene (die eben gern mit Schreckschusswaffen hantieren)? Einiges scheint tatsächlich für die Annahme zu sprechen, dass Silar ein V-Mann ist. Vielleicht erklärt sich so auch die erwähnte Urteilsaufhebung. Wenn dem so ist, dann frage ich mich allerdings, ob man hier nicht „den Bock zum Gärtner“ gemacht hat. Welche umstrittenen Rollen V-Männer rund um die Ermittlungen zu den Taten der Zwickauer Terrorzelle gespielt haben, brauche ich nicht weiter zu erwähnen.

So gesehen spricht doch einiges dafür, dass die Schüsse von Rechtsradikalen abgegeben wurden. Vielleicht auch deshalb, um die linke Szene zu denunzieren. Denunziation ist ein „beliebtes“ Mittel der Rechten.

Und da waren dann ja noch die Razzien gegen Mitglieder der rechtsextremen Szene. Wer nun glaubt, dass endlich mit Neo-Nazis und ihren Handlangern aufgeräumt wird, muss sich allerdings mehr als getäuscht sehen. Worum ging es bei den Razzien?

„Am 17. Dezember war eine Gruppe schwarz gekleideter Personen durch Hamburg-Harburg gezogen.
Die Demonstranten trugen weiße Totenmasken und Fackeln. Sie skandierten rechte Parolen und bewegten sich in Marschordnung in Dreierreihen auf der Straße. Außerdem hatten sie Megaphone und ein Transparent dabei. Polizisten stoppten den Aufzug, mehrere Teilnehmer flüchteten. In 17 Fällen konnten aber die Personalien festgestellt werden.“ (Quelle: ndr.de/regional)

Und genau bei diesen 17 Personen ermittelte nun die Staatsanwaltschaft Anfang März „wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und das Uniformierungsverbot gegen die drei Frauen und 14 Männer. Die Razzia fand in den Hamburger Stadtteilen Eißendorf und Wandsbek statt. In Niedersachsen wurden Wohnungen in Neu-Wulmsdorf, Hannover, Tostedt, Buchholz, Tarmstedt, Wistedt und Lilienthal durchsucht.
Laut Hamburger Staatsanwalt fanden die Ermittler die Totenmasken und beschlagnahmten zudem Datenträger, Computer und schriftliche Unterlagen. Festgenommen wurde niemand.
Die Versammlung im Dezember steht nach Polizeiangaben im Zusammenhang mit einer rechtsextremistischen Gruppe, die […] auf ihrer Webseite anti-demokratische und rassistische Parolen verbreitet und deren Aktionen durch weiße Masken wiedererkennbar werden sollen.
Laut Polizei werben Unterstützer dieser Gruppe dafür, an einer rechtsextremistischen Versammlung in der Hamburger Innenstadt Anfang Juni teilzunehmen.“

Ich hatte gehofft, dass die Razzien in Hamburg und Niedersachsen im Zusammenhang mit den Razzien in Bayern und Rheinland-Pfalz stünden, bei denen 61 Wohnungen von Rechtsextremisten durchsuchten wurden. Aber es ging ‚nur’ um diesen rechten Flash-Mob kurz vor Weihnachten.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie es mit Razzien in Herrn Silars Laden steht, der „unter dem Ladentisch“ sicherlich auch Artikel verkauft, die aufgrund ihres neonazistischen Inhalts verboten sind. Denn solange Verdachtsmomente dieser Art bestehen, wäre es mehr als angebracht, Herrn Silar entsprechend auf dem Zahn zu fühlen. Wenn meine Informationen stimmen, dann wurden solche Razzien von Zeit zu Zeit durchgeführt, wenn auch ohne Erfolg, da Silar zuvor ‚gewarnt’ worden sein soll. Ob das nun im Zusammenhang mit einer angeblichen V-Mann-Tätigkeit Silars in Verbindung steht oder ob im schlimmsten Fall in Polizeikreisen Sympathisanten rechter Kreise arbeiten, vermag ich natürlich nicht zu sagen.

In diesem Zusammenhang möchte ich zuletzt noch auf einen weiteren Aspekt hinweisen: Neonazis geben sich immer wieder den Schein sozialen Engagements (z.B. Kinderschutzkampagne, „Aktiv gegen sexuelle Gewalt“). Besonders Frauen sind mehr und mehr in die ‚Aufbauarbeit’ der Rechtsextremen einbezogen; siehe folgenden Bericht aus der Kreiszeitung Nordheide Wochenblatt vom 25.2.2012:

Sozialer Schein bei Neonazis

(Quelle: Kreiszeitung Nordheide Wochenblatt vom 25.2.2012 – Nr. 8a – 41. Jg – S. 3)

Letzte Worte

In dem Buch Das Leben, das mich stört von Rotraut Hackermüller, in dem wir von der Erkrankung und dem Sterben Franz Kafkas erfahren, von seinen letzten Lebensjahren, lesen wir auch von Kafkas letzten Worten, die von seinem Freund und Förderer Max Brod belegt wurden:

Am 3, Juni 1924 zur Mittagszeit starb Franz Kafka: Als sich Klopstock [ein Freund] vom Bett entfernt, um die Spritze zu reinigen, bittet er: „Gehen Sie nicht fort.“ Der Freund beruhigt ihn. „Ich gehe ja nicht fort.“ „Aber ich gehe fort“, erwidert Kafka und schließt die Augen.

Letzte Worte, wenn dem Sterbenden sein letztes Stündlein schläft, haben sicherlich nur einen bedingten Stellenwert in der Literatur. Ein letzter Satz wird selten die Quintessenz dessen sein, was das Lebenswerk eines Menschen ausmachte. Ein Lästerer wie Mark Twain kommt so zu folgendem Entschluss: „Ein Mann, der etwas auf sich hält, sollte seine letzten Worte beizeiten auf einen Zettel schreiben und dazu die Meinung seiner Freunde einholen. Er sollte sich damit keinesfalls erst in seiner letzten Stunde befassen und darauf vertrauen, dass eine geistvolle Eingebung ihn just dann in die Lage versetzt, etwas Brillantes von sich zu geben und mit Größe in die Ewigkeit einzugehen.“Mark Twain, The Last Words Of Great Men, in: The Curious Republic of Gondour and Other Whimsical Sketches, 1869

Mit Größe in die Ewigkeit eingehen, das bezieht sich natürlich nicht nur auf letzte Worte, sondern auf das ganze Verhalten im Sterbemoment. Aufrecht soll es sein (wenn vielleicht auch liegend), ohne Klagen und ebenso ohne Anklagen. Vielleicht wäre Schweigen das Beste.

Natürlich werden nicht alle letzten Worte festgehalten, manch eine(r) stirbt unverhofft. Manchmal liegen zwischen einem letzten Wort, das alles sein sollte, nur kein letztes Wort, und der Sterbesekunde Stunden. Und manches letzte Wort bleibt ungehört oder unverstanden.

    Jesu letzte Worte

von Babsi & Scholem Alejchem

Wenn es um letzte Worte geht, wird immer gern Johann Wolfgang von Goethe zitiert, der am 22. März 1832 starb: „Mehr Licht!“ soll er gesagt haben, was real, aber auch metaphorisch gedeutet werden kann. Gerade dieses „Mehr Licht!“ ist umstritten, denn Goethe stammte aus Frankfurt/Main, „war nämlich, wie er in ‚Dichtung und Wahrheit‘ schreibt, ‚in dem oberdeutschen Dialekt geboren und erzogen’, er sprach Frankfurterisch.“ (Quelle: noth.net) So erzählt man sich in seiner Heimatstadt Frankfurt, dass Goethe eigentlich „Mer lischt [hier so schlescht].“ sagen wollte, also auf Hochdeutsch: „Man liegt [hier so schlecht].“

Nun nicht nur große Frauen und große Männer äußern am Schluss letzte Worte. Jeder Mensch, der einmal gesprochen hat (oder geschrieben), wird ein letztes Gesprochenes (oder Geschriebenes) von sich gaben. Für manchen Hinterbliebenen werden sich diese letzte Worte sicherlich einbrennen. In den meisten Fällen wird man sie schnell vergessen, selbst wenn es sich nicht nur um Belanglosigkeiten (wie schlechtes Liegen) handeln sollte, da nicht nur den letzten Worten, sondern auch den Urhebern jegliche literarische Relevanz abzusprechen ist.

Ich will es nicht unbedingt Mark Twain gleichtun, um beizeiten meine letzten Worte zu bedenken. Aber es hätte schon etwas, sein ganzes Leben gewissermaßen auf den Punkt zu bringen. „Wie gut, es war nicht alles Kacke!“, klingt vielleicht unangemessen angesichts des Todes, aber sicherlich treffend (Vielleicht sollte ich mir das weltweite Copyright © an diesem Spruch sichern). Eine treffliche Auswahl letzter Worte finden wir bei de.wikiquote.org – siehe auch letzte-worte.de (für jeden ist bestimmt etwas dabei).

Zlatá Praha (3): Prag 1982 – Bier und Kafka

Die Reise nach Prag im April 1982 könnte man als eine Tour auf den Spuren trinkbarer Erzeugnisse Pilsener Brauart bezeichnen. Auch wandelten wir in Prag auf Kafkas Spuren. Auf der Anreise machten wir Halt in Nürnberg und in Pilsen (siehe Zlatá Praha (2): Hinfahrt nach Prag 1982). Am Dienstag, den 6. April 1982 kamen dann mein Freund und ich mit unseren Rucksäcken auf den Rücken gegen 14 Uhr am Prager Hauptbahnhof (Praha hlavní nádraží) an.

Wie schon in Pilsen so war es vor 30 Jahren auch in Prag ein Problem, eine preiswerte Unterkunft zu finden. Zunächst versuchten wir es bei Čedok, einem verstaatlichten (1990 wieder privatisierten) Reiseunternehmen, das damals auch Hotels in Prag anbot. Das mit 380 Kronen (Kcs.) angeblich billigste Zimmer (fast 100 DM) war uns leider schon zu teuer. Wir versuchten es dann selbst und grasten einige Hotels in der Hybernska nahe dem Hauptbahnhof ab. Über Umwege kamen wir dann zu Pragotur, die ab 17 Uhr auch Privatunterkünfte vermittelten, was uns nicht nur preislich entgegenkam. So machten wir uns also auf, fuhren mit der Metro bis zur Station Hradčanská und von dort acht Stationen mit der Straßenbahn der Linie 20 auf der anderen Seite westlich der Moldau in Richtung Petřin(y). Ich habe versucht die Straße Dostálova ausfindig zu machen, aber wahrscheinlich wurde diese inzwischen umbenannt. Auf jeden Fall muss sich unser Quartier in der Nähe der Haltestelle Anděl am Ende der Štefánikova befunden haben. Gegen 18 Uhr trafen wir bei Magda und Václav M. ein, die uns herzlich begrüßten und uns gewissermaßen ihre gute Stube als Unterkunft überließen. Nachdem wir uns frisch gemacht hatten, kehrten wir in die Innenstadt zurück und aßen im Hotel Palace (heute ein 5-Sterne-Hotel) beim Wenzelsplatz (Václavské náměstí) zu Abend.

Privatunterkunft in Prag 6

Križovnická (Kreuzherrengasse)

Privatunterkunft in Prag 6

Křižovnická (Kreuzherrengasse)

U Fleku - Kremencova 11

U Fleků – Křemencova 11

Am Mittwoch, den 7. April 1982 ging es zunächst auf den Hradschin mit der Prager Burg und dem Veitsdom. Leider stellte sich das alles als Baustelle dar, sodass wir schon bald in Richtung Altstadt liefen. Heute dürfte das alles ‚besucherfreundlicher’ sein. Die Route in die Altstadt habe ich grob zusammengestellt:


Größere Kartenansicht
(A) Nerudova – (B) Křižovnická (Kreuzherrengasse) – (C) Kaprova – (D) Wenzelsplatz/ Národní – (E) Křemencova (U Fleků)

In der Nerudova westlich der Moldau tranken wir in einer Kneipe erst einmal zwei Prager Bierchen und kamen mit jungen englischen Touristen ins Gespräch, die ebenfalls über Pragotur eine preiswerte Unterkunft gefunden hatten. Sie beneideten uns wegen der oft guten Deutschkenntnisse der Prager. Mit Englisch kamen sie damals nicht allzu weit.

Anschließend gingen wir über die Karlsbrücke in die Altstadt – u.a. die Křižovnická (Kreuzherrengasse) längst -, dort noch einmal über den Wenzelsplatz und abends dann kehrten wir ins U Fleků in der Křemencova 11 ein. Heute ist das ein beliebtes Ziel von Touristen, die hier teilweise sogar busweise angekarrt werden. Schon vor dreißig Jahren war das Restaurant sehr voll gewesen. Zu dunklem Flekbier aßen wir zuerst einen böhmischen Schweinebraten mit Knödeln und Kraut; später gönnten wir uns noch eine Schlachtplatte u.a. mit Prager Schinken – alles zu annehmbaren Preisen; das Flekbier kostete damals 5 Kronen (also etwas weniger als 1,20 DM). Gegen 22 Uhr brachen wir wieder auf zurück in unsere Unterkunft.

Am Donnerstag, den 8. April 1982, besuchten wir im Hradschin das Museum für tschechische Literatur (Památník národního písemnictví – die Bibliothek war leider geschlossen) in der Strahovské nádvoří 1, da es draußen regnete und stürmte. Es gab einiges zu Jan Hus zu sehen, außerdem eine Ausstellung mit Buchillustrationen (Thomas Mann, Franz Kafka und u.a. zu den „Brémski muzikanti“). Als das Wetter sich etwas besserte, gingen wir wieder über die Karlsbrücke in die Altstadt.

Nun Ostern stand ja vor der Tür und so boten einige Tage vor Ostern Frauen am Ausgang der Karlsbrücke handbemalte Eier an, das Stück für 5 Kronen (knapp 1,20 DM). In Tschechien hat das Bemalen der Ostereier („kraslice“) eine lange Tradition. In christlicher Symbolik steht das Ei u.a. für Fruchtbarkeit und Auferstehung. Und diese Eier waren wirklich mit viel Liebe und handwerklichem Können gefertigt. Ich habe mir damals gleich ein halbes Dutzend dieser Eier für meine Familie gekauft. Leider sind diese im Laufe der Jahre alle zu Bruch gegangen. Das folgende Bild zeigt aber, wie diese Eier aus Prag (sie waren allerdings alle nur in roter Farbe) in etwa aussahen:

    Ostereier aus Prag

Außerdem sahen wir viele Jungen oder Eltern mit Weidenruten durch die Straßen gehen: „Nicht ganz so verbreitet wie das Eierbemalen ist der Brauch junger Männer, am Ostermontag mit selbstgeflochtenen Weidenruten Mädchen zu versohlen. Dies ist nicht unbedingt als Strafaktion zu verstehen, soll doch symbolisch die Lebenskraft des Baumes auf den Menschen übergehen. Dennoch setzen sich die Mädchen verständlicherweise zur Wehr, entweder mit Wasserkübeln oder indem sie den Jungs verzierte Eier schenken.“ (Quelle: prag-cityguide.de)

Von der Karlsbrücke gingen wir diesmal die Karlova entlang zum Altstädter Ring, sahen hier am Altstädter Rathaus die Astronomische Uhr – es war gerade 13 Uhr und wir konnten sie schlagen hören. Neben dem Jan Hus-Denkmal und dem Geburtstaghaus Kafkas warfen wir dann noch einen Blick auf den alten Jüdischen Friedhof, der leider nicht zugänglich war. In der Straße Na Příkopě beim Platz der Republik (náměstí Republiky) schauten wir dann noch in das damals größte Kaufhaus der ČSSR hinein.

Abends dann kehrten wir in der Maislova im „U Golema“ (Beim Golem) ein. Hier aßen wir nach jüdischer Art und gönnten uns statt Bier einmal einen halbwegs trinkbaren Rotwein. Alles allerdings nicht gerade preiswert. Das Restaurant heißt nach der Figur aus der jüdischen Legende, die aus Ton bestand und zum Leben erweckt wurde (siehe auch: Gustav Meyrink: Der Golem).

Abends guckten wir dann beim Bahnhof noch einmal vorbei, um zu schauen, wann unser Zug zurück nach Deutschland fuhr. Dabei lernten wir in der Bahnhofsgaststätte noch einen Typen kennen, Alois R. aus Zdounky, mit dem wir uns noch längere Zeit unterhielten, wenn auch mehr mit Händen und Gesten anstatt mit Worten. Dann ging es zurück in unsere Unterkunft.

Am Freitag (Karfreitag), den 9. April 1982 verabschiedeten wir uns bei unseren Gastgebern, die uns noch mit Kuchen, Kaffee u.a. für die Rückreise versorgten. Es war ein Händeschütteln ohne Ende. Die Tochter, die in der Schule Deutsch lernte und uns so für ihre Eltern dolmetschte, spielte noch etwas auf der Heimorgel zum Abschied, so als gingen alte Bekannte. Der Zug fuhr pünktlich um 11 Uhr 25 über Marienbad und Pilsen los, und obwohl er brechendvoll war, bekamen wir noch zwei Fensterplätze. In Cheb an der Grenze gegen 15 Uhr 30 wurde der Zug dann aber auch schlagartig leer. Von hier fuhren wir über Schirnding nach Marktredwitz. Unterwegs schneite es einwenig. In Marktredwitz übernachteten wir in einer Jugendherberge, die es heute nicht mehr gibt. Kein Wunder, denn vor dreißig Jahren waren wir zur Osterzeit die einzigsten Gäste. Am folgenden Tag ging es dann durch eine Winterlandschaft und bei Schneegestöber mit dem Zug Richtung Schnabelwald, anschließend nach Nürnberg, wo wir noch eine Nacht blieben, diesmal in der Nähe des Hauptbahnhofes in der Luitpoldstraße im Hotel Probst. In einem Braukeller gönnten wir uns zum Bier Spannferkel. Abends besuchten wir dann noch das Nürnberger Volksfest, um uns doch wenigstens einmal eine Maß Bier zu erlauben – und gerieten in ein wildes, abenteuerliches Durcheinander. Zum Einen waren nach einem Fußballspiel Fans der gegnerischen Mannschaften (DFB-Halbfinale HSV und 1. FC Nürnberg) im Festzelt eingetroffen und meinten, den Wettkampf ihrer Mannschaften hier handfest fortsetzen zu müssen. Zum Anderen waren jede Menge angetrunkener Amerikaner zugegen, die in ihrem Zustand zusätzlich für eine wilde Stimmung sorgten. Ein besonders Schlauer meinte, einer Serviererin von hinten an ihre Oberweite greifen zu müssen, was ihm schlecht bekam. Als dann die gläsernen Maßkrüge durch die Lüfte flogen, machten wir uns aus dem Staub, schließlich wollten wir am folgenden noch heil nach Hause kommen. Das Zelt wurde dann von der Polizei geräumt. Am Sonntag, den 11. April 1982 ging es dann mit dem Intercity zurück nach Hause.

In wenigen Tagen liegt diese Reise nun schon 30 Jahre zurück. So wie damals würde ich heute nicht mehr reisen wollen. Aber gerade dadurch, dass wir den Kontakt mit den ‚Einheimischen’ nicht scheuten, bekam die Reise ihren besonderen Reiz. – Fotos habe ich damals natürlich auch gemacht. Allerdings hat das entsprechende Fotoalbum ganz hinten in der Abseite im Dachzimmer seinen Platz gefunden und es bräuchte lange Zeit, es dort auszugraben. Ich denke, es gibt im Internet reichlich viele, sicherlich auch gelungenere Schnappschüsse aus Prag. – Was mich eigentlich heute noch erstaunt, war die außergewöhnliche Gastfreundschaft der Tschechen. Eigentlich hatten sie keinen Grund, uns Deutsche zu mögen. Auf Radtouren über die niederländische Grenze hinweg viele Jahre zuvor habe ich erleben müssen, wie wir als jugendliche Deutsche mit Verachtung und dummen Sprüchen gestraft wurden. Die Tschechen waren da ganz anders. Sie verstanden, dass wir als junge Menschen nichts mit den Verbrechen einer früheren Generation zu tun hatten. Vielleicht lag es auch an uns, die sich immer aufgeschlossen und gleichsam freundlich zeigten. Prag steht bei mir auf jeden Fall nach so vielen Jahren wieder ganz oben auf dem Zettel. Vielleicht werde ich spätestens im nächsten Jahr mit meinen Lieben Prag besuchen. Vielleicht auch wieder zur Osterzeit. Zlatá Praha, goldenes Prag!

siehe auch: Zlatá Praha (1)

Aimee Mann (4): Magnolia & Big Lebowski

Mit dem Film Magnolia aus dem Jahre 1999 gelang Aimee Mann der große Durchbruch als Songwriterin. So wurde sie auch in Deutschland bekannt. Hollywood-Regisseur Paul Thomas Anderson, Aimee Mann „und ihr Ehemann Michael Penn sind alle in der lebendigen Kreativ-Szene des alten jüdischen Viertels von West-Hollywood zu Hause und seit Jahren befreundet; Penn […] schrieb bereits die Soundtracks zu Andersons ersten Filmen ‚Hard Eight’ und ‚Boogie Nights’. Eines Tages bat Anderson Aimee, ihm doch eine Kassette mit ihrer Musik fürs Auto aufzunehmen. Das war die Geburtsstunde von ‚Magnolia’, denn wie Anderson in seinem Kommentar zum Album klarstellt, entstand der Film auf der Basis der Songs. Das geht so weit, daß er seine Figuren Sätze aus Aimees Texten nachsprechen läßt, die ihn besonders beeindruckten. Etwa diesen: ‚Jetzt, wo wir uns getroffen haben, wärst du einverstanden, daß wir uns nie wiedersehen?’“ (Quelle: michaelsailer.de)

Der Film als DVD Magnolia oder als Blu-ray Magnolia – dazu der Soundtrack als CD Magnolia

Der Film beginnt im Vorspann mit Aimee Manns Version eines Liedes von Harry Nilsson: One (is the Loneliest Number):


Aimee Mann – One (is the Loneliest Number)

Außerdem bietet der Film weitere sieben Lieder von Aimee Mann. Sicherlich ein Höhepunkt ist „Wise Up“, das Lied, das plötzlich im Film zeitgleich alle vor sich her singen:


Magnolia – Aimee Mann – Wise Up

Der eigentliche Titelsong ist aber „Save me“: „Errette mich aus den Reihen der Freaks, die denken, sie könnten niemals jemanden lieben …“ ( But can you save me, come on and save me; if you could save me from the ranks of the freaks who suspect they could never love anyone). Das Lied ist Ausgangspunkt eines geradezu klassischen Dramas, und wurde u.a. für den Oscar nominiert:


Magnolia – Aimee Mann – Save me

Zum Film selbst: „’Magnolia’ bietet keine Handlung im üblichen Sinn. Anderson verknüpft die Lebensgeschichten seiner Figuren in einer Art zirkulären Erzählung, die keinen sichtbaren Anfang und kein sichtbares Ende hat, aber winzige Chancen, dem Kreislauf von Geburt und Tod und dem, was dazwischen geschieht, eine andere Bedeutung zu geben. Reinigung und Erlösung sind die unmittelbaren Ziele, das Eingeständnis der eigenen Schuld die unbedingte Voraussetzung, um diese Ziele zu erreichen. Wir treffen auf den todkranken, an Krebs leidenden TV-Produzenten Earl Partridge (Jason Robards), der von Phil Pharma (Philip Seymour Hoffman) gepflegt wird und ihm seine Sünden beichtet. Er liebte seine Frau, aber er betrog sie. Seine Frau heißt Linda (Julianne Moore) und ist angesichts des bevorstehenden Todes von Earl völlig verzweifelt und selbstmordgefährdet; sie steht unter Drogen. Erst jetzt, als Earl dem Tode nahe ist, wird ihr bewusst, dass sie ihn geliebt hat, sie, die ihn jahrelang mit anderen Männern betrogen und ihn nur wegen seines Geldes geheiratet hatte. Earl bittet Phil, seinen Sohn zu suchen, den er vor seinem Tod noch einmal sehen will. Wir treffen auf Earls Sohn Frank Mackey (Tom Cruise, in einer seiner besten Rollen), der eine Macho-TV-Show unter dem Motto ‚Alle Macht den Schwänzen’ mit großem Erfolg (unter Männern) leitet. Frank will von Earl nichts wissen, er hasst Earl, weil der Franks Mutter verlassen und auch in der Zeit, als sie todkrank war, nicht einmal angerufen hatte. Als die Fernsehreporterin Gwenovier (April Grace) ihn interviewt, kommen allerlei Lügen über sein Leben ans Tageslicht, die Frank sich zurechtgelegt hatte, um seinem Leben eine Art positive (fast über-männliche) Logik zu geben.

Wir treffen weiter auf den Showmaster Jimmy Gator (Philip Baker Hall), ebenfalls krebskrank, der nur noch zwei Monate zu leben hat. Er leitet Earls beste Show ‚What did kids know?’, in der drei Kinder gegen drei Erwachsene in einem Quiz antreten. Gator versucht angesichts seines bevorstehenden Todes, sich mit seiner Tochter Claudia (Melora Walters, mit einer phantastischen Leistung) auszusprechen. Er gesteht seiner Frau Rose (Melinda Dillon), dass er sie betrogen habe. Anderes kann er dagegen nicht aussprechen. Claudia, die ständig Drogen nimmt, flüchtige Männerbekanntschaften hat und völlig am Ende scheint, schmeißt ihren Vater wütend hinaus. Claudia ist ein missbrauchtes Kind, missbraucht durch ihren eigenen Vater. Eines Tages klopft Officer Jim Kurring (John C. Reilly) wegen einer Beschwerde an ihre Tür. Kurring ist von Claudia begeistert, sucht sie ein zweites Mal, ein drittes Mal auf, bis sich beide nach Jims Dienstschluss verabreden.

An Gators Show nimmt Stanley Spector (Jeremy Blackman) teil, ein Superkind, das alles zu wissen scheint, angetrieben von einem ehrgeizigen Vater (Michael Bowen). Doch in einer Quizsendung weigert sich Stanley plötzlich, die Fragen Gators zu beantworten. Er will nicht mehr. Und dann ist da noch Donnie Smith (William H. Macy), früher ‚Quiz Kid Donnie Smith’, wie Stanley war er als Kind gefeierter Showstar. Jetzt ist Donnie am Ende, entlassen von seinem Chef Solomon Solomon (Alfred Molina), unglücklich verliebt in einen Barkeeper, verzweifelt …“

aus: filmstarts.de

Ein Jahr vor „Magnolia“ kam „The Big Lebowski“ von den Coen-Brüdern in die Kinos mit Jeff Bridges als Jeffrey Lebowski, dem ‚Dude’. In einer Minirolle sehen wir hier Aimee Mann als deutsche Nihilistin sogar auf der Leinwand; in einer Szene bestellt sie Pfannkuchen. Ihr kleiner rechte Zeh spielt in dem Film dagegen eine etwas größere Rolle. In den Credits im Abspann des Films wird ihr Name immerhin vor Saddam aufgeführt, ja genau dem.

Aimee Man als deutsche Nihilistin in ‚The Big Lebowski’

Der Film als DVD The Big Lebowski oder als Blu-ray The Big Lebowski

Musik von Aimee Mann