Wer ins Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft kommen will, muss zunächst sechs Spiele (davon drei vielleicht sogar mit Verlängerung) beschreiten, um dann im siebten Spiel nach der Krone (in diesem Fall nach dem Pokal) zu greifen. Das ist ein langer Weg – nach einer sowieso schon langen Saison. Also wird eine Mannschaft nicht schon gleich im ersten Spiel alle Energie hineinstecken wollen, um die nötigen Punkte einzuheimsen. So z.B. Brasilien gestern bei der WM in Russland gegen die Schweiz. Nachdem die Südamerikaner 1:0 führten und das Spiel (scheinbar) im Griff hatten, schalteten sie einen Gang zurück, zumal die Schweizer im Angriff eher harmlos wirkten. Eine Standardsituation änderte dann aber wieder alles: Nach einer Ecke glichen die Eidgenossen aus. Und so blieb es bis zum Spielende: 1:1.
Ja, wenn die Kleinen die Großen ärgern. Schon zuvor taten sie die vermeidlichen Favoriten schwer: Uruguay schaffte gerade noch ein 1:0 gegen Ägypten, Frankreich erkrebste sich ein 2:1 gegen Australien. Argentinien kam ebenfalls nicht über ein 1:1 gegen Island hinaus. Und das deutsche Team verlor sogar gestern gegen Mexiko.
Das Unternehmen Titelverteidigung der deutschen Mannschaft ist so gehörig ins Stocken geraten. Jetzt müssen Punkte her gegen Schweden und Südkorea (aber die müssten sowieso geholt werden). Sollte den Deutschen das gleiche Schicksal ereilen wie vor vier Jahren, als der damals amtierende Weltmeister Spanien bereits in der Vorrunde ausschied?
Der Bessere soll gewinnen – und das war gestern Mexiko gegen eine desolat agierende Mannschaft aus Deutschland. Schon in den letzten Vorbereitungsspielen zeigte ‚die Mannschaft‘, wie weit sie vom angepeilten Weg entfernt ist. So wird das nichts.
Da freue ich mich für die Isländer. Selten hatte ich so feuchte Hände wie bei diesem Spiel gegen den immerhin noch amtierenden Vizeweltmeister Argentinien. Die erste Halbzeit mit dem 1:1 ging dann auch voll und ganz in Ordnung. Nur in der 2. Halbzeit, als Island sich nur noch als Bollwerk gegen die Südamerikaner stemmte (und nach dem verschossenen Elfer durch Messi auch noch das dazugehörge Glück hatte), hätte ich mehr Entlastungsangriffe erwartet. Aber am Ende reichte es dann ja doch: HUH!
Mich interessiert das Abschneiden Islands mehr als das der Deutschen. Island, das ja bereits bei der Europameisterschaft vor zwei Jahren für Furore sorgte (Unentschieden gegen Portugal, Siege gegen Österreich und England), sind die klaren Außenseiter. Die Mannschaft definiert sich über eine starke Abwehr und durch das geschickte Ausnutzen von Standards (die Einwürfe sind jetzt schon berüchtigt). Wie sagt Alfred Finnbogason, Spieler des FC Augsburg und Schütze des isländigen Treffers: „Wir sind leicht zu analysieren, aber schwer zu schlagen!“.
Wenn die deutsche Mannschaft in den kommenden Spielen wieder zu ihrer alten Klasse zurückfindet, dann werde ich mich natürlich freuen. Mehr noch werde ich aber jubeln, wenn Island das Achtelfinale erreichen sollte (und dann vieleicht noch etwas mehr).
Ich gestehe aber auch schon: Nach bisher 11 von insgesamt 64 Spielen bei der WM 2018 ist bei mir schon ein gewisser Sättigungsgrad erreicht. Spiele wie Marokko – Iran schaue ich erst gar nicht (höchstens noch in der Zusammenfassung). Es sind einfach zu viele Teams dabei. Bedenkt man, dass bei der WM in acht Jahren bereits 48 Nationalmannschaften an der Endrunde teilnehmen sollen (16 Gruppen a drei Mannschaften), dann ist das Maß längst überschritten. Und dann kommt noch vom europäischen Fußballverband ab diesem Jahr die UEFA Nations League hinzu. Da dürfen sich die Fußballfans über noch mehr ‚Gegurke‘ freuen!
Das Tippen von Spielergebnissen erspare ich mir dieses Jahr. Natürlich wollt Ihr wissen, wer für mich der Favorit auf den WM-Titel ist. Irgendwie dachte ich an Frankreich. Nach dem bisher besten Spiel Portugal – Spanien (Endergebnis 3:3) meine ich, das Spanien wieder zum engeren Favoritenkreis gezählt werden muss.