Boßeln

Als schon fast alter Norddeutscher (immerhin lebe ich im Mai diesen Jahres bereits 50 Jahre im norddeutschen Raum, erst lange in Bremen, dann in Hamburg und jetzt in der Lüneburger Heide) kennt man so die Geflogenheiten (das Wort Tradition passt eigentlich besser, aber die Norddeutschen neigen bekanntlich zu Untertreibungen, der Engländer nennt das understatement) dieser Region.

Jetzt in der Winterzeit, wenn man von Winter überhaupt noch sprechen kann, sind Kohlfahrten, auch Kohl-und-Pinkel-Touren genannt, angesagt. Da treffen sich Arbeitskollegen, Sportsfreunde oder sonst wie Bekannte und Verwandte, um einen Ausflug durch die Natur in Richtung Dorfgasthof zu machen, der möglichst in drei, maximal vier Stunden vom Treffpunkt aus zu erreichen ist. Wenn möglich geht es über einen der vielen Deiche in der Gegend. Das Ganze ist meist feucht-fröhlich (in der Regel Bier und Korn bzw. Köm, einem Kümmelschnaps) und endet mit einem sehr rustikalen Essen, nämlich dem Grünkohl- und Pinkelessen. Oft wird der Ausflug mit Spielen verbunden, z.B. dem Boßeln.

Nun Boßeln spielt man hier auch ohne anschließendem Kohlessen. Es ist ein Spiel, ja schon eine Sportart, die hier in der norddeutschen Küstenregion beheimatet ist. Beim Boßeln werden in zwei Mannschaften eben Boßeln (plattdeutsch für Kugeln) abwechselnd geworfen, wobei man abgelegene Straßen als Wurfbahn benutzt. Früher waren diese Kugeln meist aus schwerem Holz. Inzwischen bestehen diese aber auch aus synthetischen Materialien oder Gummi. Die Mannschaft, die die wenigsten Würfe für eine zuvor festgelegte Strecke benötigt, hat gewonnen. Geboßelt wird hier in Norddeutschland meist auch zur Winterzeit, da (zumindest früher war es so) die Wassergräben längst der Wegstrecke zugefroren sind, und die schweren Kugeln nicht auf Niederwiedersehen verschwinden.

Boßeln

Damit das nicht allzu trocken wird, führt man einen Bollerwagen mit, der neben Ersatzkugeln auch mit „kräftig was zu trinken“ (wat to söppen) beladen ist. Dabei sollen dann nicht nur Boßelkugeln in den Straßengraben gefallen sein.

Siehe auch meinen Beitrag: Ischa Freimaak!

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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