Sven Regener ist bekannt als Musiker (1985 gründete er die Berliner Band Element of Crime mit, für die er fast alle Liedtexte schreibt, singt sowie Gitarre und Trompete spielt) und vor allem als Verfasser des Romans „Herr Lehmann“, der 2001 erschien und in dem er das Leben des Barkeepers Frank Lehmann in Berlin-Kreuzberg des Herbstes 1989 beschreibt.
Wer „Herr Lehmann“ mag, wird auch Regeners zweiten Roman „Neue Vahr Süd“, ein Prequel zu Herr Lehmann, der das Leben des Frank Lehmann im Jahr 1980 in Bremen und bei der Bundeswehr beschreibt, mögen.
Regener arbeitet zur Zeit an dem abschließenden dritten Band „Der kleine Bruder“, in dem die Zeit zwischen 1980 und 1989 behandelt werden soll. Dieser wird voraussichtlich am 1. September 2008 im Handel erscheinen.
Die Vahr ist ein Stadtteil im Osten Bremens. Als nach dem zweiten Weltkrieg ca. 30.000 Wohnungen in Bremen fehlten, wurde 1954 begonnen, die Gartenstadt Vahr aufzubauen. Ab 1957 wurde die Neue Vahr errichtet. Die gesamte Vahr besteht aus Großwohnsiedlungen. Hier wächst Frank Lehmann, das Alter Ego von Sven Regener, auf.
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Neue Vahr Süd (Adam-Stegerwald-Straße/Heinrich-Imbusch-Weg)
Ich lebte fast 25 Jahre in Bremen und kenne natürlich viele der Lokalitäten, die in Regeners zweiten Roman auftauchen. Die Vahr zwar weniger, dafür das Ostertorviertel mit dem Cinema Ostertor. Dort gibt es viele Szenekneipen, u.a. mit Live-Musik. Auch habe ich öfter einen Giros Pita in dem kleinen Imbiss am Sielwall gegessen. Möglich also, dass ich Sven Regener schon mal über den Weg gelaufen bin.
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Ostertorviertel
Zurück zum Roman: Eines Tages wird Frank Lehmann zur Bundeswehr eingezogen, weil er glatt vergessen hatte, den Wehrdienst zu verweigern. Zwar stellt er noch während der Dienstzeit einen Antrag auf Verweigerung, wird aber abgelehnt.
Gerade wegen der Bundeswehr-Thematik finde ich das Buch sehr interessant, zumal mein Werdegang viele Parallelen mit denen von Lehmann-Regener aufweist. Sicherlich ‚übertreibt’ Regener, trifft am Ende aber den Nagel auf den Kopf. Ich weiß nicht, ob es ähnliche ‚Tatsachenberichte’ von der Bundeswehr gibt. Allein für Kandidaten auf den Dienst mit der Waffe wäre das Buch als eine Art Pflichtlektüre sehr zu empfehlen (mein großer Sohn wird es als nächstes lesen).
Im Mittelpunkt steht das „pazifistisches Dilemma“, wie es einer der Protagonisten des Romans nennt. Bei der mündlichen Verhandlung, die letztendlich über die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entscheidet, wird immer wieder ein hypothetisches Ereignis dem Probanden vor Augen geführt: Was würde er tun, wenn er/seine Freundin/seine Eltern durch Dritte unmittelbar mit dem Tode bedroht werden? Würde er eingreifen und z.B. zu der Waffe greifen, die vor ihm liegt? Oder würde er ‚ruhig’ mit ansehen, wie er/seine Freundin/seine Eltern vor seinen Augen ermordet werden?
Wie er auch antwortet, die Antwort müsste zur Ablehnung seines Antrags führen. Von daher ist eine solche Fragestellung abstrus und geradezu makaber. Ich habe diese Frage nur ausweichend beantwortet und darauf hingewiesen, dass ich jetzt nicht beurteilen könnte, wie ich in einer realen Situation dieser Art tatsächlich reagieren würde. Zudem wäre ich unbewaffnet.
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Kaserne Dörverden
„Keiner will Wehrpflichtiger sein, Schmidt“, sagte Frank, „das ist ja gerade der Punkt. Wer das sein will, ist nicht Wehrpflichtiger, der ist freiwillig dabei, Wehrpflicht und Wollen, das geht nicht zusammen, wenn die Leute wollten, dann gäbe es ja keine Wehrpflicht!“
Kapitel 25. Nato-Alarm, S. 341, Taschenbuchausgabe 2006 – 2. Auflage
„… Meine Gründe sind ein bißchen anders. Ich will bloß nicht gezwungen werden, etwas zu tun, was ich nicht tun will. Und ich will von niemandem irgendwelche Befehle entgegennehmen. Was natürlich auch nichts ist, mit dem man bei der Verhandlung durchkommt.“
Kapitel 26. Heiner und Horst, S. 351, Taschenbuchausgabe 2006 – 2. Auflage
Siehe auch: Sven Regener und die Bundeswehr