Kumpelschaften (Noddy & Ian)

Liebe Freunde,

zum Thema Musiker muss ich noch einen Gedanken loswerden, sonst wären meine bisherigen Ausführungen nicht komplett.

Das Schwergewicht unserer Betrachtungen der letzten Monate und Jahre lag eindeutig bei Mr. Ian Anderson und seinem Schaffen. Und das völlig zu Recht; was seine Kompositionen, seine Bühnenshows betrifft, ist er für mich einfach der Größte. Von allen Musikern, die ich in den letzten 30 Jahren wahrgenommen habe, ist er der Beste. Punkt.

Der Beste. Aber nicht der Sympathischste. Er ist zwar kein unsympathischer Mensch, aber ein König der Herzen ist er für mich nie gewesen. Dazu wirkt er oft zu unnahbar, blasiert und arrogant. Innerhalb des Rock-Circus ist er etwas Besseres und dafür hält er sich auch. Mr. Anderson ist kein Kumpeltyp.

Es gibt Kumpeltypen in der Rockwelt. Oder zumindest solche, die dieses Image pflegen. Die Rede ist von Noddy Holder von Slade, wir kennen ihn alle. Ich will an dieser Stelle gar nicht auf sein musikalisches Wirken eingehen, so viel Aufwand möchte ich im Moment nicht betreiben. Die Musik von Slade ist für mich okay, manche Songs sind nett, es sind einige Ohrwürmer dabei.

Mehr möchte ich dazu im Moment nicht sagen.

In diesen Zeilen soll nur die Rede davon sein, wie Mr. Holder auf mich wirkt. Nämlich bodenständig, handfest, britisch, kameradschaftlich, ein Typ zum Pferdestehlen. Lt. Wikipedia ist Slade nach den Beatles die erfolgreichste englische Band. Trotzdem habe ich von Frontmann Holder nie irgendwelche beifallheischende oder selbstgefällige Kommentare gehört. Die Mannen von Slade wurden nie müde, auf ihre Herkunft aus der Arbeiterklasse und aus einer Malocherstadt hinzuweisen. Während andere Größen der Rockmusik in ihren Texten ihre Bildung und literarische Brillanz unterstreichen, bringen Slade in ihren Titeln oft ihren heimatlichen Dialekt ins Spiel („Coz I Luv You“). Dieses Selbstverständnis manifestierte sich auch – von einigen Auswüchsen während des Glitter-Rocks abgesehen – im Bühnenoutfit des Mr. Holder. Und damit wirkt er absolut glaubwürdig: Niemand trägt die Hosenträger mit soviel Stolz wie er, bei niemand anderem scheint die Ballonmütze derart mit dem Schädel verwachsen wie bei ihm. Und seit den 70er Jahren trägt Mr. Holder seine Haare, wie man es von einem Engländer erwartet: rotblonde Mähne, gigantische Koteletten. Als stolzer Brite, der er ist, gehörte auch ein Outfit aus der Dickens-Aera zu seinem Fundus. Nie sah ich jemanden, der einen Zylinder mit mehr Würde tragen kann als Mr. Holder (na ja, vielleicht Abraham Lincoln, aber der spielt hier nicht mit).

Noddy Holder ist nicht unbedingt das, was ich einen schönen Mann nennen würde. Sein Gesicht, seine Augen liegen irgendwo zwischen Michael Caine und Marty Feldman. Aber stets strahlt dieses Gesicht Offenheit und Freude aus. Ich habe mir etliche Sladevideos auf youtube angesehen; es ist kaum eines dabei, wo Mr. Holder nicht lächelt.

Er ist der Kumpeltyp, der dem Rockbusiness etwas von seiner Verbissenheit genommen hat. Ich kann mir nicht helfen, ich mag ihn.

So, das musste gesagt werden.

Gehabt Euch wohl und auf bald
Lockwood

07.06.2008

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Hi Ihr Lieben,

Lockwood hat uns mit Noddy Holder beglückt. Ich muss gestehen, dass ich Slade zwar aus alten TV-Sendungen her kenne, aber musikalisch nicht allzu berauschend fand. Darum geht es Lockwood ja auch nicht. Es geht um das Kumpelhafte, das typisch Britische des Mannes, der sich als musikalischer Vertreter der Arbeiterklasse ausweist. Zum ziemlich stark ausgeprägten Klassenbewusstsein der Briten haben wir uns ja bereits an anderen Stellen unterhalten. Die Arbeiterklasse (lower class) findet in Noddy Holder gewissermaßen ein Aushängeschild: optisch durch seine Kleidung, sprachlich durch seinen Akzent und auch musikalisch. Irgendwie erinnere ich mich auch an Reggae-Einflüsse der Musik von Slade (und eine Zeitlang kleideten sich die Slade-Mannen ja als Skinheads).

Ich stimme Lockwood zu: Mr. Holder wirkt sehr sympathisch und ist es mit Sicherheit auch. Ein Typ mit dem man durchaus einmal ein Bierchen zusammen trinken gehen könnte. Und da ich mich dieser Tage durchaus auch über Fußball unterhalte, hätten wir ein für einen Engländer wohl weniger erfreuliches Thema, da England sich ja nicht für die EM 2008 qualifiziert hat.

Wenn ich das richtig sehe, so waren Slade in den USA nicht allzu erfolgreich. In Deutschland allerdings kannte man sie damals ganz gut. Vielleicht, weil viele Deutsche ein Faible für alles Britische haben. So ist ja auch Jethro Tull mit Herrn Anderson gerade in Deutschland immer sehr beliebt gewesen.

Nun Herrn Anderson haben wir tiefenpsychologisch bereits in seine Einzelteile zerlegt. Ein Freund (oder Arbeitskollege oder beides) meines Bruders hat in frühen Jahren während einer Deutschland-Tournee für Jethro Tull als Roadie gearbeitet. Dieser bezeichnete Herrn Anderson als arroganten „Kotzbrocken“. Muss also schon etwas dran sein, wenn viele den Flötenkobold nicht allzu sehr mögen.

Nun kann man das sehen wie man will. Sicherlich ist Ian Anderson kein kumpelhafter Typ. Aber er hat wenigstens keinen Hehl daraus gemacht, eine Abneigung dagegen zu haben, sich von jedem die Schulter klopfen zu lassen. Ich bin auch eher unnahbar. Bin ich deshalb arrogant? Kommt eben auf die Sichtweite drauf an.

So wie ich mir vorstellen könnte, mit Mr. Holder ein Bier zu trinken, könnte es auch sein, mit Mr. Anderson etwas Frischgezapftes zu mir zu nehmen. Über Fußball würden wir uns aber sicherlich nicht unterhalten wollen.

Man hört (bzw. liest) weiterhin voneinander.

Viele Grüße und bis bald
Euer Wilfried

12.06.2008

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Seid gegrüßt, Kretakatze und Wilfried,

nachdem ich Wilfrieds Antwort auf mein Empfehlungsschreiben für Mr. Holder gelesen hatte, war ich darüber erfreut, dass er mit mir einer Meinung ist.

Wirklich ein netter Kerl, dieser Noddy.

Aber in meine Freude mischte sich bald ein Wermutstropfen. Es tat sich nämlich eine Frage auf: Warum ist uns Mr. Holder sympathisch ? Wegen seiner plakativen Herkunft aus der Arbeiterklasse ? Seinem Akzent ? Seinem kumpelhaften Auftreten ? Diese Attribute treffen auch alle auf Wolfgang Petry zu. Und der ist mir überhaupt nicht sympathisch. Freiwillige Hausaufgabe: Was unterscheidet Noddy Holder von Wolfgang Petry ?

Ist doch klasse, wenn man die eigenen Ansichten in Frage stellt. Das bringt uns menschlich rasant weiter.

Tschüss
Lockwood

12.06.2008

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Hallo Leute,

über Herrn Holder muss ich mich noch erkundigen, um mir eine Meinung bilden zu können. Im Übrigen stimme ich mit Lockwood absolut überein: der Petry ist furchtbar. Musikalisch grauenvoll, und vom Charakter her kann ich ihn auch nicht leiden. Die längst verfärbten und zerrupften Armbänder die er Jahrzehnte lang trägt… Pfui! Das sieht aus, als würde er nicht gerne unter die Dusche stehen.

Viele Grüsse!
Alex

13.06.2008

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Meine lieben Freunde,

wieviele Mails verschickt Ihr eigentlich so am Tag? Heute sind 7 Stück bei mir eingetrudelt, da komme ich doch nicht mehr mit!

Jetzt nur kurz zu Noddy Holder von Slade, den uns Lockwood vorgestellt hatte. Ich muss zugeben, dass ich Slade im Laufe der Jahrzehnte völlig verdrängt hatte, mir war kein Name und kein Gesicht mehr in Erinnerung. Titel wie „Mama, Weer All Crazy Now“ und „Coz I Luv You“ kamen mir allerdings durchaus noch bekannt vor.

Tatsächlich hat mich Mr. Holder vom Äußeren her sofort an Mr. Anderson erinnert, für mich besteht da eine frappierende Ähnlichkeit. Unbelastet von jeglicher weitergehenden Kenntnis seiner Person habe ich ihn wohl auch deshalb intuitiv in die gleiche Sympathie-Klasse eingeordnet. Mr. Anderson ist mir ja auch nicht unsympathisch. In seinen jungen Jahren so ungefähr bis Mitte der 80er ist mir seine – wenn auch immer unterschwellig vorhandene – Arroganz nie negativ aufgefallen. Die eine oder andere leicht größenwahnsinnige Äußerung seinerseits aus dieser Zeit kann man problemlos in die Rubrik „jugendlicher Überschwang“ einordnen. Und ein strahlendes Lächeln hatte er bei seinen Auftritten auch immer auf den Lippen. Zu Wolfgang Petry kann ich dagegen nichts sagen, ich kenne ihn nur dem Namen nach.

Eine Bemerkung möchte ich aber doch noch loswerden zu Lockwood’s Ausdruck von der „erfolgreichsten Band“. Wie wird eigentlich Erfolg gemessen, um ihn vergleichbar zu machen? Wie rechnet man verkaufte Singles und Alben, Chartplatzierungen in den verschiedensten Ländern, verkaufte Konzert-Tickets, Anzahl Fernseh- und Filmauftritte, gewonnene Preise oder Titel etc. gegeneinander auf, um einen „Erfolgsindex“ zu ermitteln? Was genau ist überhaupt Erfolg? Ich denke ein derart schwammiger Titel – vermutlich von einem Fan erfunden – hat keinerlei Aussagekraft.

Soviel für heute – zu den anderen 6 Mails dann ein andermal…

Liebe Grüße
Kretakatze

13.06.2008

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Hallo erstmal,

die Hitliste, auf deren 2. Stelle Slade zu finden ist, basiert wohl auf Chartplatzierungen, also auf Verkaufszahlen.

Wenn eine Band das Ziel hat, ein möglichst großes Publikum anzusprechen (welche Band hat das nicht ?), so eignen sich die Verkaufszahlen in meinen Augen doch als Erfolgs-Indikator. Aber, liebe Kretakatze, hier gebe ich Dir Recht, so 100% korrekt ist diese Maßeinheit für Erfolg nicht.
Warum z.B. haben die Beatles mehr Platten verkauft als Slade ? War ihre Musik besser ? War ihr Publikum zahlungskräftiger ?

Keine Ahnung.

Wann ist Musik „gut“ ? Wenn sie vom Zuhörer als „gut“ empfunden wird.

Wenn viele Zuhörer eine bestimmte Musik als „gut“ empfinden und in den Plattenläden entsprechend nachfragen, ist diese Musik dann besser als andere ?

Falls dem so wäre, würde das bedeuten, dass Michael Jackson und Diedä Bohlen bedeutende zeitgenössische Musiker sind.

Und mit dieser Aussage habe ich ein Problem.

Neben unseren philosophischen Baustellen ergibt sich hier eine zusätzliche Fragestellung: Wann ist Musik „gut“ ?

In freudiger Erwartung Eurer Antworten grüßt Euch
Lockwood

13.06.2008

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