Warum ist eigentlich ETWAS und warum ist nicht NICHTS?

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,
und Hallo an Alle, die es sonst noch interessiert,

auf besonderen Wunsch von Lockwood werde ich mich heute bemühen Euch die bisher noch unveröffentlichten philosphischen Theorien einer gewissen Kretakatze näherzubringen. Sie wurden von ihr an einem schönen Sonntagmorgen des Jahres 1971 während eines Aufenthaltes in der Badewanne entwickelt und beschäftigen sich mit dem Thema „Was ist der Sinn des Lebens?“.

Am Anfang zahlreicher philosophischer Betrachtungen steht die Frage: „Warum ist eigentlich ETWAS und warum ist nicht NICHTS?“. Diese Frage ist sinnlos, denn es ist eine Tatsache, dass ETWAS ist, und ich würde davon ausgehen, dass dies unvermeidlich ist. Die Existenz von ETWAS hat unter anderem zur Folge, dass es einen Sinn geben kann. Nur wenn NICHTS ist, gibt es mit Sicherheit auch keinen Sinn. Soweit zum grundlegenden Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen.

Dieses ETWAS besteht nach unserem heutigen Kenntnisstand aus Energie und Materie, die nach der allgemein bekannten Formel e = m . c² ineinander überführt werden können. Dazu benötigt man allerdings noch eine dritte Komponente, die Zeit. Zeit ermöglicht Veränderung. Es gibt Vermutungen, nach denen es auch noch etwas geben könnte, das „Gott“ genannt wird, und das denkt, plant und steuert, oder zumindest beeinflusst, jenseits der rein physikalischen Gesetzmäßigkeiten von Materie, Energie und Zeit. Für derartige Theorien gibt es allerdings keinerlei Beweise.

Trotzdem kann die Existenz von „Gott“ nicht ausgeschlossen werden. Sollte es sich bei „Gott“ um etwas handeln, das überall zu aller Zeit in gleicher Form und Intensität existiert, dann ist es nicht wahrnehmbar und nicht messbar, denn jede Art von Wahrnehmung beruht auf dem Erkennen von Unterschieden. Darüber hinaus gibt es Indizien, die auf eine Existenz von „Gott“ hindeuten. Immer wieder gibt es Ereignisse bzw. Folgen von Ereignissen, die nicht auf reinem Zufall zu beruhen scheinen, manches wirkt „geplant“ oder „koordiniert“. Letztendlich ist die Existenz von „Gott“ aber eine reine Glaubensfrage. Für die Beantwortung der Frage nach dem Sinn des Lebens ist die Klärung der Frage nach der Existenz Gottes auch nicht unbedingt erforderlich.

Kommen wir zurück zum real existierenden ETWAS (ggf. einschließlich Gott). Wie wir täglich erleben, ist es voller Fehler, Mängel und Schwächen – es ist im Ungleichgewicht. Jedes Ungleichgewicht hat ein natürliches Bestreben, sich ins Gleichgewicht zu bringen. Im Verlauf dieser Entwicklung, auch Evolution genannt, entstand eine selbstgesteuerte Funktionseinheit aus Materie und Energie, die man mit Leben bezeichnet. Leben ermöglicht die mehr oder minder zielgerichtete Veränderung von ETWAS, denn es ist (zumindest in seinen höheren Entwicklungsformen) ausgestattet mit Bewußtsein, Erinnerungsvermögen und Willen. Das sind die Voraussetzungen für zielorientiertes Entscheiden und Handeln, und genau diese Eigenschaften muss „Gott“ auch haben, falls ES existiert. Das legt die Vermutung nahe, dass Leben nicht nur aus Materie und Energie sondern zusätzlich aus Gott besteht. Und alles, aus dem es besteht, das kann es verändern und von dem kann es auch verändert werden.

Damit kommen wir jetzt allmählich zum Sinn. Der besteht darin, das Gleichgewicht von ETWAS herzustellen, oder anders ausgedrückt, sich selbst und die Welt zu verbessern und der Vollkommenheit näher zu bringen. Sollte diese Vollkommenheit eines Tages tatsächlich erreicht werden, dann wird alles Leben schlagartig überflüssig, denn Leben heißt Veränderung, und jede Veränderung könnte dann nur wieder eine Verschlechterung darstellen. Aber ich denke, meine lieben Freunde, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen, dass dieses Ereignis zu unseren Lebzeiten noch eintritt.

Nun muss ich zugeben, dass diese Sinndeutung etwas dürftig ist, wenn man davon ausgeht, dass „Gott“ nicht existiert. Materie und Energie würden im Laufe der Zeit vermutlich auch allein aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten in einen stabilen, unveränderlichen, wertneutralen Gleichgewichtszustand verfallen. Das einzige wirklich schrecklich Unvollkommene auf dieser Welt ist Gott, und Leben ist der einzige Weg, auf dem man Gott verändern kann.

Tja, so sehe ich das, es ist unser Job Gott zu verbessern, wobei man das auch schon erreicht, indem man sich selbst verbessert. Aber allein das erscheint mir schon fast unmöglich. Und damit will ich nicht sagen, dass es an mir nichts zu verbessern gäbe…

Nun hoffe ich, ich habe Euch nicht zu sehr ins Grübeln gebracht.

Sinnreiche Grüße
Kretakatze

PS.: Meine heutigen Ausführungen waren hochgeistig und tiefschürfend und wurden von keinem einzigen Video illustriert. Das kann ich so nicht stehen lassen. Deshalb gibt es hier im Nachtrag – passend zum Thema und völlig kommentarlos – doch noch ein wenig Musik: Tell Me Why.

11.06.2008

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Hallo alle zusammen,

Kretakatze ist bekanntlich immer für eine Überraschung gut. Ihre philosophischen Theorien zeugen von einer Einfachheit, die geradezu genial sind. Zudem bezieht sie ein heute allgemein gültiges Weltbild mit ein. Hut ab, Kretakatze!

Natürlich tun sich beim Lesen Fragen auf und der (logische) Schluss, dass es unser Job wäre, „Gott zu verbessern“, weil Gott „das einzige wirklich schrecklich Unvollkommene auf dieser Welt ist“, klingt zunächst äußerst anmaßend. Aber gegen diese Argumentation muss man erst etwas Besseres finden. Also ich muss das erst einmal ruhig auf mich wirken lassen, was Kretakatze da geschrieben hat.

Hier nur einige erste Eindrücke von mir: Im Stile von Siegmund Freud (ES, ICH und ÜBERICH) gelingt es Kretakatze, komplexe Gefüge auf wenige Begriffe zu reduzieren (das ETWAS und in einer Neudefinition Gott als das ES). Das ETWAS bedarf natürlich einer genauen Beschreibung, soweit das überhaupt möglich ist: Ist ETWAS nur etwas mehr als NICHTS oder ist ETWAS ALLES?

Warum ist eigentlich ETWAS und warum ist nicht NICHTS?

Du mutmaßt, „dass Leben nicht nur aus Materie und Energie sondern zusätzlich aus Gott besteht“ (wenn es denn Gott gibt). Die Zeit sollte nicht vergessen werden. Es gibt bekanntlich Materie und Energie außerhalb des Lebens (ich denke da an den berühmten Stein, der allen Philosophen irgendwann einmal auf den Fuß gefallen sein muss). Wie sieht es mit Gott aus? Besteht er als Teil des Lebens oder besteht er auch außerhalb dessen (so wie Materie und Energie außerdem des Lebens bestehen können, z.B. als Stein)? Vermutlich ja …Aus den Aussagen von Kretakatze schließe ich, dass Gott etwas anderes ist als Materie und Energie (und Zeit). Allerdings hat Gott Eigenschaft, die auch beim Leben zu finden sind (Bewusstsein, Erinnerungsvermögen und Willen). Hat evtl. das Leben diese Eigenschaften, weil Gott ein Teil des Lebens ist (und damit die Eigenschaften göttlich sind), oder hat das Leben diese Eigenschaften auch ohne Gott?

Zuletzt noch eine Frage: Wenn wir es geschafft haben, Gott zu optimieren, also das ETWAS einschließlich ES (Gott) ins völlige Gleichgewicht zu bringen, würde dann an diesem „Tag der Vollkommenheit“ nicht nur das Leben, sondern auch ES überflüssig werden? Und was wäre dann am Tag darauf: NICHTS?

Ich sehe, das wird so langsam ein Philosophie-Blog (Anderson ade?!). Aber das hat ja auch ETWAS, oder?

Ich bin gespannt, was Lockwood zu Kretakatzes Theorien eingefallen ist.

Bis später
Wilfried

12.06.2008

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Liebe Freunde der Philosophie,

wenn drei Köpfe wie wir uns daran machen, den Sinn des Lebens zu entschlüsseln, dann steht er kurz vor seiner Entdeckung. Soviel ist mir bei Euren ersten Schreiben zu diesem Thema schon klar geworden.

Wenn ich Kretakatze richtig verstanden habe, ist das Leben deshalb erschaffen worden (hier wird ein Schöpferwesen vorausgesetzt !), um die Schöpfung zu vervollkommnen. Das leuchtet mir aber nicht ein, denn warum hat Gott (bleiben wir der Einfachheit halber bei dieser Bezeichnung für das Schöpferwesen) die Schöpfung nicht direkt perfekt erschaffen ? Wieso braucht er dazu solch primitive Handlanger wie Viren oder Menschen ? Auch habe ich ein Problem mit der Kausalitätenkette: Gott schafft eine suboptimale Schöpfung. Warum suboptimal ? Konnte er es nicht besser ? Ist ein solcher Gott jetzt in der Lage, etwas zu erschaffen, das diese unvollkommene Schöpfung optimiert ? Die Frage nach Gottes Allmacht hat schon Einstein beschäftigt. Spitzbübig, wie er war, formulierte er folgende Frage: „Kann Gott einen Stein erschaffen, der so schwer ist, dass er ihn selber nicht heben kann ?“ Die Antwort darauf bringt den Christenmenschen ins Schwitzen; kann er einen solchen Stein erschaffen, so kann er ihn nicht heben. Kann er ihn nicht erschaffen, ist er deshalb nicht allmächtig.

Ich freue mich aufrichtig für Kretakatze, dass sie den Sinn des Daseins für sich gefunden hat. Das ist eine sehr wertvolle Erfahrung. Leider kann ich mir ihre Antwort nicht zu eigen machen. Meine Problemstellung ist eine Stufe höher angesiedelt: Warum gibt es überhaupt eine Schöpfung ? Wer hat etwas von unserem Planeten, unserer Galaxie, unserer Milchstraße ? Wer gibt sich eine solche Mühe damit und warum ? Solange mir diese Frage nicht beantwortet wird, erschließt sich mir der Sinn des Lebens nicht.

Sollte der gesamte Kosmos durch puren „Zufall“ entstanden sein (eine Theorie, die u.a. von hochintelligenten Menschen vertreten wird), macht das einen Lebenssinn sehr unwahrscheinlich. Leben und die ganze Evolution als Zufallsprodukt, damit können wir uns die ganzen Vorstellungen vom Jenseits abschminken.

Die entgegengesetzte Theorie – die Vorstellung von einem Schöpferwesen – wird nicht minder von hochintelligenten Menschen unterstützt. Und das nicht nur von Gläubigen oder dem Klerus. Es sind die Physiker, die erkannt haben, dass das herrschende Gleichgewicht im Universum eine derart komplexe und sensible Angelegenheit ist, dass es unmöglich auf Zufällen basieren kann. Hier sei eindeutig ein „intelligent Designer“ am Werk gewesen.

Ob ihr Recht habt oder nicht, das sagt euch jetzt das Licht. Schön wär’s. Möglicherweise wird die Menschheit nicht lange genug existieren, um diese Frage zu beantworten.

Ich halte es mit den Agnostikern: Weder die Existenz noch die Nichtexistenz Gottes sind zu beweisen.

Vielleicht mache ich einen Denkfehler, aber der Sinn des Lebens ist für mich untrennbar mit einer göttlichen Existenz verbunden. Ohne die Aussicht auf einen höheren Plan und ein jenseitiges Dasein ist das irdische Leben für mich nur ein Gärungsprozess zwischen Geburt und Tod.

Ich erwarte von niemandem, dass er das Unmögliche möglich macht und eine göttliche Existenz oder Nichtexistenz beweist. Aber ich bin dankbar für Hinweise in die eine oder andere Richtung. Welche Hinweise habt Ihr gefunden ?

Die Beantwortung dieser wohl schwersten aller Fragen bietet (so sie denn möglich wäre) lediglich eine Teillösung. Hätten wir Gottes Existenz bewiesen, wüssten wir immer noch nicht, warum er seine Geschöpfe in dieses Jammertal setzt. Anders als in der christlichen Lehrmeinung ist es in meinen Augen kein Zeichen von großer Liebe, wenn der Schöpfer seine Geschöpfe Krankheiten, Schmerz, Krieg und allen erdenklichen Formen von Leid aussetzt.

Eines machen diese Zeilen ganz deutlich: Den Philosophen und Wissenschaftlern wird nicht so bald der Stoff ausgehen.

Gott mit Euch
Lockwood

12.06.2008

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