Am Mittwoch, den 1. Oktober, feierte ich mit meiner Frau ein ganz besonderes Jubiläum: Seit genau 25 Jahren leben wir zusammen und teilen Glück und Leid. Wir kennen uns eigentlich schon seit unserer Kindheit – es ist gewissermaßen eine Sandkastenliebe. Dann verloren wir uns aus den Augen. Als meine Eltern Wochen zuvor die Eltern meiner jetzigen Frau besuchten, war ich mitgefahren, da ich Semesterferien und „nicht Besseres“ zu tun hatte. „Sie“ war an diesem Tag ebenfalls bei ihren Eltern zu Besuch. Wir stellten fest, dass wir beide in Hamburg wohnten und vereinbarten ein Treffen. Nach einem mehrwöchigen Praktikum in Bremen lud ich sie dann mit weiteren Freunden und Bekannten zu einem indischen Essen nach Bremen ein, das ich in der Wohnung meiner Eltern zubereitet hatte – das war der Beginn unserer Liebe.
Mitte dieses Jahres gründete mein Sohn Jan neben seiner Band „1/2 so wild“ mit Schulfreunden eine Irish Folkband. Mit dabei Martin an Flöte und Tin Whistle. Gestern nun, am Donnerstag, blödelte mein Sohn in der großen Schulpause noch mit ihm. Eine Stunde später verstarb Martin während des Sportunterrichts.
Entgegen der Pressemitteilung der Polizei litt Martin an Asthma. Wie es zu diesem tragischen Tod kommen konnte (Martin brach während des Aufwärmtrainings unverhofft zusammen), ist bisher nicht bekannt. Alle Versuche, ihn wiederzubeleben, blieben erfolglos.
Die Schulklasse und all seine Freunde und Bekannte stehen unter Schock. Gestern trafen sich viele im Gemeindehaus der evangelischen Kirche in Tostedt, um sich gegenseitig zu trösten und Mut zuzusprechen.
Auch der Bandabend 2008 am 7. November in Tostedt wird betroffen sein, da die Gruppe Panderra, in der Martin mitspielte, ihren Auftritt abgesagt hat.
So treffen im Leben manchmal innerhalb kurzer Zeit Glück und Leid, Liebe und Tod zusammen.
Nachtrag: In der Harburger Anzeigen und Nachrichten von heute, Dienstag, den 07.10.2008, steht geschrieben:
Schock: Schüler stirbt im Sportunterricht
18-Jähriger bricht bei Aufwärmrunde in Tostedt zusammen – von Claudius Ossig
Tostedt. Ein tragisches Unglück hat am Donnerstag die Schüler und Lehrer am Gymnasium Tostedt erschüttert. Während des Aufwärmtrainings im Sportunterricht ist der 18-jährige Schüler Martin N. zusammengebrochen und gestorben.
„Der Jugendliche blieb reglos am Boden liegen. Durch Lehrkräfte und Schüler wurden sofort Reanimationsmaßnahmen durchgeführt und der Notarzt verständigt“, teilte ein Sprecher der Polizeidirektion Harburg mit. Der Notarzt sei auch wenige Minuten später auf dem Schulgelände eingetroffen. Doch alle Versuche, den 18-Jährigen wiederzubeleben, seien erfolglos geblieben.
Die Polizei Tostedt hat die Ermittlungen aufgenommen. Die Todesursache war bis gestern unklar. Der Polizei zufolge hatte N. keine Vorerkrankungen. „Erkenntnisse zu Drogen oder Medikamenten als möglichen Auslöser für den Tod lagen den Ermittlern zunächst nicht vor“, hieß es.
Martin N. war seit 2007 im Internetforum „schülervz“ vertreten. Erst am 20. September hatte er seine Angaben aktualisiert. Als Lieblingsfach gab er dort Philosophie an. Unter Punkt „Was ich mag“ schrieb der gläubige Christ: „Musik und gute Bücher beziehungsweise Filme, Tee, die Geschichte (besonders des Mittelalters), Theologie, Lyrik, Frieden, Bäume, schlafen, mein Sonntags-Notizbuch, Gottesdienste, freundliche Menschen, beten, Versöhnung, Jesus . . . und ganz wichtig: Stille.“
Vielfach herrscht Trauer in Tostedt. Nach dem schrecklichen Vorfall gab es viele Einträge auf der „schülervz“-Seite von Martin N., der selbst Querflöte spielte, „Jethro Tull“ und „Genesis“ als seine Lieblingsbands nannte. Unter anderem heißt es dort: „Ich hoffe, es geht Dir gut in Gottes Reich. Es ist schwer zu verstehen, dass Du nicht mehr unter uns bist. Ich wünsche Dir viel Glück, da, wo Du jetzt bist.“ Einer der „Lieblingssprüche“ von Martin N.: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an.“ Das wird jetzt auch bei der Obduktion geschehen.
Nach letzten Informationen soll Martin an einem Herzinfakt gestorben sein.
Als sich Martins Freunde und Bekannte an seinem Todestag in der Kirchengemeinde trafen, gingen sie auch für mehrere Augenblicke in die Kirche, um sich innerlich zu fassen. Spontan setzte sich Philip Johann (wie kennen ihn noch von dem Schulprojekt „Beatless“ her) an die Kirchenorgel und spielte Bourree (5. Satz aus der Suite Nº1 in E-Moll für Laute (BWV 996)) von Johann Sebastian Bach. Als Jethro Tull-Fan hätte Martin gewusst, warum …