Die neue Bundesliga-Saison ist gestartet. Und da die Wechselbörse erst mit dem 31. August schließt, haben sich einige Mannschaften noch ‚Nachschlag’ geholt. Bei Werder Bremen hat man wochenlang um den Spieler Claudio Pizarro verhandelt; er war für die letzte Saison vom FC Chelsea nur ausgeliehen. Für 5 Millionen Euro Ablöse (transfermarkt.de spricht sogar nur von 2 Millionen) kam er jetzt endgültig an die Weser – und hatte gleich in seinem ersten Bundesligaspiel am Samstag gegen die Fohlen aus Mönchengladbach mit zwei Toren einen starken Einstand. Für ihn musste Boubacar Sanogo weichen, der in der letzten Saison an 1899 Hoffenheim ausgeliehen war, jetzt nach Frankreich zum AS St. Etienne wechselte. Pizarro (Marktwert 12 Millionen) kostete also 5 Millionen, für Sanogo (Marktwert 3 Millionen) bekam Werder dagegen 4 Millionen – da haben Klaus Allofs und Co. wirklich kaufmännisches Talent an den Tag gelegt (Daten siehe bei transfermarkt.de). Wenn, dann denkt man bei Werder Bremen nur noch daran, den Kader zu verkleinern.
Der Start der Bremer in die neue Saison war ziemlich „durchwachsen“ und ließ Befürchtungen aufkommen, es könne wie im letzten Jahr weitergehen. Nach einem Sieg im DFB-Pokal bei Union Berlin (zz. überraschend Tabellenerster der 2. Liga) mit 5:0, setzte es im ersten Spiel Zuhause gegen Frankfurt gleich eine 2:3-Klatsche. Aber in München gegen die Bayern konnte man beim 1.1 immerhin punkten – und jetzt mit Pizarro gab es auch den ersten Dreier in der Bundesliga. In der neu geschaffenen UEFA Europa League gewann man das erste Spiel in den Play-Offs gegen den Meister aus Kasachstan FK Aktobe nach anfänglichen Schwierigkeiten (besonders in der Abwehr) 6:3 im Weserstadion. Im Rückspiel morgen am Donnerstag soll dann alles klargemacht werden für die Gruppenphase der Europa League.
Der Aufwärtstrend bei Werder hängt vielleicht auch damit zusammen, dass man statt der Doppel-Sechs wieder die Raute spielt. Doppel-Sechs? Raute? Die Doppel-Sechs sind zwei defensiv eingestellte Mittelfeldspieler (defensive Mittelfeldspieler tragen traditionell die Trikotnummer 6) vor der Viererabwehrkette und wird z.B. beim 4-2-3-1-System (vor 4 Abwehrspielern agieren 2 defensive und drei eher offensive Mittelfeldspieler – vor denen ein Stürmer) gespielt; die Raute findet sich z.B. beim 4-4-2 (4 Verteidiger – 4 Mittelfeldspieler und zwei Stürmer), wobei ein Mittelfeldspieler defensiv, zwei zentral und einer offensiv operiert. Soviel zu taktischen Fußballsystemen.
Während Werder Bremen also den Anschluss nach oben sucht, versuchen die Bayern ihre erste Krise zu bewältigen. Aus drei Spielen holte das mit vielen Millionen Euro aufgerüstete Team gerade einmal zwei Punkte. Der neue Besen, der niederländische Zuchtmeister Louis van Gaal, kehrt bisher nicht allzu gut. Verwunderlich auch die skurrilen Ideen des Mynheer van Gaals, Klose, den Stürmer, als Mittelfeldspieler bzw. Schweinsteiger als Sechser (siehe oben) aufzubieten. Die Mannschaft wirkt zz. völlig verunsichert, so als wolle sie ihren gestrengen Herrn nicht enttäuschen. Damit scheint jeglicher Raum für individuelles Handeln und Spontaneität genommen. Ausnahme: der französische Anarchist Franck Ribéry, der aber bei jeder Gelegenheit vom Coach kleingekocht wird (O-Ton Béla Réthy, ZDF). Nach Klinsmann also die nächste Trainerpleite? Oder sind es nicht die Trainer? Sind die Bayern einfach untrainierbar? Wir werden es sehen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sich in München eine Anspruchshaltung entwickelt hat, die den jetzigen Fehlstart zu einem Desaster macht. Für alle anderen gibt es dafür jede Menge Schadenfreude.
Neue Saison, neue Spiele und neues Glück! Es ist immer schon einmal ganz gut, wenn die Bayern gleich am Anfang einen auf den Deckel bekommen. Was wohl Uli Hoeneß dazu zu sagen hätte?
Mensch Willi,
ich bin ja geradezu begeistert von deinem Fußballfachverstand. Bist Du in deiner Jugend eigentlich ein guter Balltreter gewesen? Ich kann mich diesbezüglich lediglich an eine rustikale und direkte Spielweise erinnern. Aber schon nachgewiesene Fußballexperten wie Finke, Rehagel usw. liebten in ihrer aktiven Zeit eher die körperbetonte Spielweise. Du bist also in sehr guter Gesellschaft.
Bitte höre nicht auf uns/mir deine Beiträge zu kredenzen. Ich bin zwar nicht oft, aber doch regelmäßig begeisterter Leser deiner Zeilen.
Bis denne.
H.-Kommissar Graue
Hallo Herr Hauptkommissar,
was verstehst Du unter einer direkten Spielweise? Dass ich kein Filigrantechniker war, weiß ich selbst. Obwohl ich, es war vor ‚unserer’ Zeit, in der Schule in der 8. Klasse mit meinen Klassenkollegen an der Bremer Schulmeisterschaft teilgenommen habe und dort aufgrund meiner damals durchaus vorhandenen Schnelligkeit sogar auf Linksaußen eingesetzt wurde. Meine Flanken wurden zur Legende (Manni Kaltz war erst später). Wir haben es damals bis ins Endspiel geschafft (im Halbfinale sogar den haushohen Favoriten niedergerungen), dort aber gepatzt – weil zum Zeitpunkt des Endspiels nur eine Rumpfelf auflaufen konnte. Einige unserer Asse (einschl. meiner Wenigkeit) waren auf Schüleraustausch in Schweden.
Aber mit meinem Schwelgen in Erinnerungen schweife ich ab.
Hast Du übrigens die U21-EM-Spiele mit Werders Nachwuchs in Schweden gesehen? Mit Horst „Ungeheuer“ Hrubesch als Trainer. Dessen vom feinsten Fußballfachjargon gespickte Kommentare haben mich gewissermaßen beim Verfassen meiner Zeilen zum werderanisch-fußballerischen Alltag inspiriert. Einfach köstlich, was Hrubesch da immer wieder von sich gegeben hat – auch literarisch höchst wertvoll.
Bis Du eigentlich noch öfter im Weserstadion? Mein letzter Besuch eines Werderspiels galt der 2. Mannschaft auf Platz 11 gegen Fortuna Düsseldorf (war ein 2:2 – Nelson Valdez war einer der Torschützen und rettete die Jungs vor dem Abstieg). Ist mindestens drei Jahre her. Mein ältester Sohn war und ist Fortuna-Fan … und ich stand mit ihm damals mitten im Fortuna-Block. War ganz witzig.
Nun denn – man liest voneinander
Willi (immer noch Werder-Fan)
Hallo Willi,
einige Jahre hatte ich tatsächlich eine Dauerkarte für die Heimspiele des ruhmreichen SV Werder. Aber seit meine mir zugewiesene Ehefrau auch dem Treiben auf dem grünen Rasen beiwohnen wollte, begnüge ich mich seit drei Jahren mit dem „SKY“-Angebot. wer einmal in der Weser oder im Werdersee gebadet hat, wird sein ganzes Leben als Fischkopp dem SV Werder huldigen. Haben wir beide 1972 nicht das Pokalspiel SV Werder-Wacker 04 Berlin auf der Stehtribüne Nord gesehen? War ein sensationelles Spiel, oder? Zwei Tore von Hasebrink – Genial! Und Durst hatten wir nach dem Spiel auch nicht mehr.
Fortuna Düsseldorf wird ja jetzt vom Heimspiel-Meyer trainiert. Ob es für diesen Traditionsverein noch einmal eine Rückkehr in den ganz großen Fuball geben wird?
Also, ich bleibe Dir und Deiner substanzvollen Seite treu.
Kommissar Graue (ab 03.2010 in Altersteilzeit!!)