Sodom und Gomorrha in Duisburg

Frau Eva Herman hat einen Traum:

Den Traum eines Landes mit glücklichen Menschen, ohne Drogen, ohne übermäßigen Alkohol, ohne eine sexualisierte Gesellschaft, sondern eines Landes, in dem Menschen leben, denen Verlässlichkeit und gegenseitiger Respekt wichtig sind. Wünschenswert wäre ein Land, in dem die Menschen sich füreinander verantwortlich fühlen, ein Land, in welchem Politiker nicht mehr die Unwahrheit sagen dürfen, ein Land mit Medien, die wahr berichten. Ein Land mit geistiger Freiheit und Hilfe sowie Liebe für den Nächsten.

Auch ich halte Verlässlichkeit und gegenseitigen Respekt, ein Land mit geistiger Freiheit für wünschenswert. Menschen sollten sich füreinander verantwortlich fühlen. Wahrheit und Gerechtigkeit sollten regieren. Vor fast 47 Jahren, am 28. August 1963, hatte ein anderer ebenfalls einen Traum (ich hoffe nur, Frau Herman bezieht sich nicht auf diesen Traum, das wäre eine unverschämte Anmaßung): Martin Luther King (siehe meinen Beitrag: 40. Todestag von Martin Luther King) hatte einen Traum, in dem die Menschen am Tisch der Brüderlichkeit sitzen und in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt.

Frau Eva Herman, die zuvor die Loveparade in Duisburg für ein Sodom und Gomorrha mit katastrophalen Folgen erklärt hatte, für eine riesige Drogen-, Alkohol- und Sexorgie, versucht in einem zweiten Artikel (Große Resonanz auf »Loveparade«-Artikel) u.a. mit ihrer Traumvorstellung ihre Aussagen zu relativieren. Aber was sie da zuvor behauptet hat, steht in keinem Verhältnis zum Unglück, das am Wochenende 20 (inzwischen 21) Menschen das Leben gekostet hat.

Ich selbst bin kein Fan des Techno. Es ist einfach miese Musik. Und schon allein das Wort Loveparade stört mich gewaltig, weil Parade für mich ein ursprünglich militärischer Begriff ist (Militärparade), der nicht im Einklang mit dem Wort Liebe stehen kann. Und inwieweit man bei einer solchen kommerzialisierten Großveranstaltung überhaupt von Liebe reden kann, bei der es nur um Spaß geht, ist mir auch schleierhaft. Aber die wirren Thesen der Frau Herman dürften selbst jeden wirklichen Christen aufschrecken. So schreibt sie: Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen. Steckt also Gott hinter dem Unglück? Diese Art eines christlichen Fundamentalismus ist ein verbaler Fußtritt nicht nur gegen die Opfer und ihre Angehörigen, es ist auch ein Fußtritt gegen jeden aufrichtigen Menschen, der für Aufrichtigkeit, Wahrheit, Freiheit, aber auch für Toleranz und Gerechtigkeit einsteht.

Denn Frau Hermans Traum könnte sich schnell als Alptraum erweisen, ihre Sichtweise von heiler Welt und Ordnung impliziert Elemente, die diese schnell zu einer totalitären Weltschau verengt. Beispiele hierfür (nicht nur literarische wie Orwells 1984 oder Margaret Atwoods Geschichte einer Dienerin) gibt es reichlich. Hermans Wunsch nach Friede, Freude, Eierkuchen ließe sich nur in einem totalitären Staat verwirklichen. Ich denke, dass selbst Frau Herman das nicht wünscht.

Noch ein Wort zur Loveparade als Massenveranstaltung: Die Bedenklichkeit solcher Events ist längst erkannt. Wenn Hunderttausende sich auf engstem Raum treffen, dann ist nie auszuschließen, dass es zu einer Massenpanik kommt. Beispiele dafür gibt es genügend. Wer sich also zu einer solchen Veranstaltung aufmacht, sollte sich dessen bewusst sein. In Duisburg hätte es auch noch viel schlimmer kommen können, denn eine Massenpanik fand dort eigentlich nicht statt. Es wurden nur zu viele Menschen durch das Nadelöhr Tunnel auf engsten Raum zusammengepfercht. So traurig es ist: Bei einer wirklichen Panik hätte es weit mehr Opfer gegeben. Wer nun wirklich Schuld an dem Unglück von Duisburg hat, wird zz. in einem miesen Schwarze-Peter-Spiel zwischen Veranstalter und Öffentlicher Hand ausgetragen. Eines steht aber fest: Die Loveparade hätte niemals stattfinden dürfen. Wer hierfür sein Okay gegeben hat, trägt auch Verantwortung.

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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