Für die Feiertage um Weihnachten und Silvester entschlossen sich meine damalige Freundin und heutige Frau und ich, „ab in die Walachei“ zu entfleuchen. Da gab es ein überaus preiswertes Angebot für einen zweiwöchigen Urlaub (20.12.1984 – 03.01.1985) in dem kleinen Ort Sinaia im Kreis Prahova in Rumänien – in 800 m Höhe gelegen.
Am 20. Dezember flogen wir mit der rumänischen Fluggesellschaft Tarom von Hamburg nach Bukarest (Flughafen Bukarest-Otopeni) und wurden von dort mit einem kleinen Bus ins 127 km entfernte Sinaia (benannt nach der Halbinsel Sinai) und dort in unsere Unterkunft, der Villa Camelia, gebracht. Sinaia zeichnet sich durch viele alte kleine Villen aus. So wurde unsere Unterkunft im Jahr 1983 von Grund auf für den Tourismus renoviert. Gleich neben dieser Villa liegt das Restaurant Liliana, in dem wir meistens unsere Mahlzeiten einnahmen und auch die Festessen zu Heiligabend und Silvester kredenzt bekamen.
Am 23. Dezember besuchten wir ein „Weihnachtskonzert“ in der sehr schönen Klosterkirche, das um 16 Uhr begann und erst nach gut zwei Stunden endete. Es war beeindruckend (allein der Chor der Popen gestaltete mit Weihnachtsliedern – bis hin zu „Stille Nacht“ auf Rumänisch – dieses Konzert), wenn allerdings auch etwas unbequem: Wir saßen auf harten, sehr wackligen Stühlchen, sodass uns die Hintern ‚einschliefen’.
Neben mehreren Ausflügen (z.B. nach Braşov, dem Schloss Bran, das dem Touristen gern als Draculaschloss präsentiert wird) versuchten sich meine Frau und ich auch als alpine Skiläufer – mit mittelprächtigem Erfolg, aber hierzu sicherlich später etwas mehr.
Natürlich war uns bewusst, dass es noch die Zeit der Regierung eines Nicolae Ceauşescu war, der mit eiserner Hand das Land regierte. So kam es durchaus vor, dass durch die rigorose Sparpolitik trotz empfindlicher Minustemperaturen die Heizungen stundenweise ausgestellt wurden (da waren wir meistens unterwegs). Im einzigen größerem Kaufhaus im Ort trugen die Verkäuferinnen immer Pelzmützen, weil nicht geheizt wurde (überhaupt liefen die Rumänen draußen fast immer nur mit Pelzmützen herum). Wir als devisenbringende Touristen bekamen aber nur wenig davon mit, im Gegenteil: entgegen unseren Erwartungen waren Speis und Trank immer reichhaltig und gut, wenn natürlich (und von uns durchaus gewünscht) auch national gefärbt. Als Vorspeise gab es z.B. Mămăliguţă cu brînzăşi smîntînă – ein Maisbrei (Polenta) mit Quark (bzw. Schafskäse) und saurer Sahne, was aber besonders meiner Frau immer wieder gut schmeckte (übrigens das Ă bzw. ă spricht sich ähnlich dem deutschen Ä aus; Ţ bzw. ţ entspricht dem deutschen Z). Neben rumänischen Weinen und Bieren gab es gelegentlich auch „Pilsner Urquell“ und – es war das erste Mal, dass ich diese Biermarke trank: Radeberger aus der damals noch real existierenden DDR.
Da wir gerade bei Getränken sind: Die traditionale Spirituose Rumäniens ist Ţuică (sprich: Zuikä), der aus Pflaumen gebrannt wird, vergleichbar dem Sliwowitz, und der u.a. auch wie Grog mit heißem Wasser aufgegossen und mit Zucker versetzt wird. Nach längerem Aufenthalt im Freien (z.B. auf der Skipiste) wärmt das Zeugs gut durch, ist aber in größeren Mengen auch ziemlich ‚tödlich’.
Und damit komme ich endlich zu der Silvesterfeier im Restaurant Liliana. Zu einem üppigen Mahl gab es Vodkă, Riesling und Şampanie zu trinken. Anders als zum Festessen am Heiligabend waren jetzt auch viele Rumänen zugegen, da Neujahr in Rumänien der große Feier- und Geschenktag ist (der 1. und 2. Januar sind Feiertage). So gab es also keinen gemeinsamen „deutschen Tisch“, sondern es wurde nach Reisegruppen aufgeteilt gesessen. Und spätestens um null Uhr ging dann die Post ab und die Gruppen ‚vermischten’ sich, Westler und Rumänen bildeten ein unentwirrbares Knäuel: Küsse und Glückwünsche, Ringelpiez mit Anfassen und „Abtanzen“ auf Rumänisch. Ich durfte auch zwei hübsche Rumäninnen küssen. Dann ging es wieder ans Essen: Nach gebratenem Fisch reichte man uns Schweinefleisch mit Sauerkraut, später einen Truthahnrollbraten. Und nach Käse und Erdnüssen kam am Schluss auch noch Eiscreme mit Schokolade auf den Tisch. Dazu spielte eine rumänische Tanzkapelle. „Narog!“ wie man hier sagt!
Das Ganze ging bis um 5 Uhr in der Früh. Ein Weihnachtsbaum, der in der Ecke stand, litt unter dem Gejohle und Gedrängel sichtlich und stand noch am nächsten Tag etwas schräg in der Landschaft.
Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass das in einem fürchterlichem Besäufnis endete. Aber es verlief alles völlig friedlich, ja so friedlich, dass es am Ende nur noch Brüder und Schwestern gab. Nationalitäten waren aufgehoben. Der rumänische Rotwein so ziemlich am Ende ‚tötete’ auch mich.
Unsere Unterkunft: Villa Carmelia |
Restaurant Liliana |
In Sinaia |
Rodeln die ‚Strata Vîrful cu Dor‘ hinab |
rumänisch-orthodoxes Kloster Sinaia (Mănăstirea) |
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Große Silvesterfeier mit Vodkă, Riesling und Şampanie: ‚Narog!‘ |
Nun es sollte nicht unser letzter Winterurlaub in Rumänien sein. Vom 16. Januar bis zum 6. Februar 1986, also im darauffolgendem Jahr, machte meine Freundin/Ehefrau noch einmal mit mir Urlaub in Rumänien, diesmal in Predeal im Kreis Braşov, der mit gut 1100 m die am höchsten gelegene Stadt Rumäniens (siehe hierzu auch meinen Beitrag : In rumänischer ‚Gefangenschaft‘).
Nachtrag mit Bildern (u.a. schräger Weihnachtsbaum) siehe: Jahreswechsel 1984/1985 in Sinaia/Rumänien