Die GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) kündigt unbefristete Streiks an, nachdem ihre Mitglieder in einer Urabstimmung für eine Ausweitung des Ausstandes gestimmt haben. Das betrifft auch den Personennahverkehr in Norddeutschland und damit die Züge der Metronom Eisenbahngesellschaft mbH.
Die GDL fordert einen Flächentarifvertrag für alle Lokomotivführer (egal ob sie Fern-, Nah- oder Güterzüge fahren) in Deutschland, kurz BuRaLFT genannt. In diesem Flächentarifvertrag soll ein Entgelt festgeschrieben werden, das bei 105 Prozent des DB-Niveaus liegt.
Die Tarifrunde selbst dauert bereits seit Sommer 2010 an und ist aus verschiedenen Gründen für Außenstehende nicht vollständig nachvollziehbar. „Am 8. Oktober hatten die privaten SPNV-Unternehmen der Tarifgemeinschaft aus Transnet und GDBA“ (seit dem 30. November 2010 sind diese beiden zur Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, kurz EVG, fusioniert) „ein weitgehendes Angebot vorgelegt, das im Basistarif eine Anhebung der Entgelte auf das DB-Niveau vorsieht. Bei Berücksichtigung struktureller Unterschiede in den Zuschlägen und Zulagen kommt das Angebot beim Jahresentgelt auf 90 Prozent des DB-Niveaus.“ Am 5.11.2010 wurde hierzu ein bilaterales Schlichtungsverfahren vereinbart. Zu diesem Gespräch war auch die GDL eingeladen. „Ziel der Schlichtung soll ein gemeinsamer Tarifvertrag für die Beschäftigten im Schienennahverkehr sein.“ (Quelle: arriva.de).
Im Januar 2011 hatten sich dann die genannten sechs SPNV-Unternehmen mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sowie mit der DB auf einen Branchentarifvertrag für den SPNV geeinigt. Die Einigung kam durch einen Schlichterspruch von Dr. Peter Struck, ehemaliger Bundesverteidigungsminister und bis 2009 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, zu Stande. Mit diesem Branchentarifvertrag SPNV wurde erstmals die Eigenständigkeit der Branche anerkannt. (Quelle: veolia-verkehr.de)
Genau diesen Branchentarifvertrag akzeptiert die GDL nicht.
Die GDL hat etwa 34.000 Mitglieder; von den rund 25.000 Triebfahrzeugführern in Deutschland sind mehr als 70 Prozent bei der GDL organisiert. Die ‚konkurrierende“ EVG hat etwa 240.000 Mitgliedern. Bei ihr ist die Mehrzahl der Lokrangierführer organisiert.
GDL und EVG treten mehr und mehr konkurrierend auf. Die EVG hatte sich ja Anfang des Jahres mit den Arbeitgebern auf einen SPNV-Branchentarifvertrag geeinigt. Der EVG- Vorsitzende Alexander Kirchner kritisiert daher die jetzige Vorgehensweise der GDL. „Es gehe den Lokführern [der GDL] nicht um den Tarifkonflikt…. Ihr Ziel sei es stattdessen, mehr Mitglieder als die Schwestergewerkschaft zu bekommen. Kirchner sehe die Gefahr einer Entsolidarisierung der Gesellschaft, wenn jede Berufsgruppe für sich ‚vom Kuchen immer ein größeres Stück abschneidet als die anderen’ ‚Im Bereich Bahn gibt es jede Menge Beschäftigtengruppen, die mindestens oder sogar noch ein höheres Druckpotenzial erzeugen können als die GDL’, sagte Kirchner. Er kritisierte auch mögliche längere Streiks: ‚Wenn es aber darum geht, dass in Zukunft nur noch Ergebnisse erzielt werden, wenn man möglichst lange und häufig streikt, dann kriegen wir eine andere Republik, eine andere Gesellschaft.’“ (Quelle. zdf.de) Italienische Verhältnisse?
Werfen wir einen Blick auf die Arbeitgeberseite und hier speziell auf die Gesellschaft, die die Metronom-Züge betreibt:
Die Metronom Eisenbahngesellschaft mbH gehört zu 69,9 % der NiedersachsenBahn GmbH. Diese wiederum ist ein Zusammenschluss der privaten Osthannoversche Eisenbahnen AG (60 %) aus Celle und der staatlichen Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (40 %) aus Zeven. Die Osthannoversche Eisenbahnen AG (OHE) wiederum ist seit März 2007 mehrheitlich im Besitz der Arriva Deutschland GmbH. Nachdem diese zwischenzeitlich ein Teil der Deutschen Bahn war, wurde die Arriva Deutschland GmbH Anfang Dezember 2010 an ein Konsortium der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato und des französisch-luxemburgischen Finanzinvestors Cube Infrastructure verkauft. Über die Arriva Deutschland GmbH gehört die Metronom Eisenbahngesellschaft mbH also der italienischen Staatsbahn. Italienische Verhältnisse – Klappe die zweite?
In den laufenden Tarifverhandlungen zwischen GDL auf der einen Seite und der Deutschen Bahn samt der sechs großen Schienenpersonennahverkehrsunternehmen (Abellio GmbH, Arriva Deutschland GmbH, BeNEX GmbH, Keolis Deutschland GmbH & Co. KG, Veolia Verkehr GmbH und die Unternehmen der Hessischen Landesbahnen) andererseits zählt man die Metronom Eisenbahngesellschaft mbH zur Arriva Deutschland GmbH.
Das Ganze hat natürlich noch eine weitere Dimension: Im Auftrag des Landes Niedersachsen erstellt die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) „ein bedarfsgerechtes öffentliches Verkehrsangebot und gestaltet es für Fahrgäste einfacher, mit Bahnen und Bussen aktiv zu sein.“ Die LNVG ist eine Tochter des Landes Niedersachsen und übernimmt „die Verkehrsplanung und konzipieren den Fahrplan, … führt Wettbewerbsverfahren durch und schließt Verträge mit Eisenbahnverkehrsunternehmen.“
So wird alle acht Jahre der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) zwischen Bremen und Hamburg sowie zwischen Hamburg und Uelzen – kurz Hanse-Netz genannt – durch die LNVG ausgeschrieben. Zuletzt zum Dezember 2010. Und wie bereits acht Jahre zuvor (und zum ersten Mal) bekam die Metronom Eisenbahngesellschaft mbH den Zuschlag und schlug einen Konkurrenten wie die Deutsche Bahn aus dem Rennen (siehe hierzu eine Info der LNVG als PDF 109 KB groß). Kritiker behaupten nun, Metronom hätte den Zuschlag bekommen, weil diese durch ‚Dumping-Löhne’ den Preis drücken konnte. Italienische Verhältnisse – Klappe die dritte?
Ja, so langsam wird ein Karussell daraus. Und auf diesem sitzt der dumme August, der Kunde. Ich will das hier gar nicht weiter ausführen und kommentieren. Jeder wird sich seinen eigenen Reim darauf machen können. Irgendwo hat, wie es scheint, jeder Dreck am Stecken. Was ich aber zuletzt dann doch noch sagen darf:
Ich möchte die SPNV-Betreiber wie Metronom, die Gewerkschaft GDL und ihre Lokführer und auch die Verantwortlichen beim Land daran erinnern, dass es der Kunde ist, der so genannte Fahrgast, für den Ihr alle arbeiten dürft und der Euch bezahlt. Wenn Ihr den aus dem Karussell fallen lässt (um bei diesem Bild zu bleiben), dann entzieht Ihr Euch auch Eure Existenzgrundlage. Mögen die Forderungen nach einem Flächentarifvertrag (und eine Gehaltserhöhung von rd. 16,6 % – geht man von bisher 90 % des DB-Niveaus aus und der GDL-Forderung von 105 %) gerechtfertig sein oder nicht. Es muss doch etwas anderes geben, als durch Streik den Kunden zu vergraulen.
Danke für die Fakten!
Funktionäre, Bürokraten und Manager scheinen bei uns im Land alles zu bestimmen. Und der degenerierte Adel (aber der hat erst einmal abgedankt). Und dabei geht es nur um Profite, ums Geld. Es wird Zeit, diese Leute in die Schranken zu weisen.